'... und du machst die Wäsche.'

Ökonomie und die Herrschaft der Aliens

in (23.04.2001)

Früher war nicht alles besser, aber manches einfacher.

Zum Beispiel gab es Leute, die sich nicht die Mühe machten, ihre Herrschaft über andere zu verbergen, sondern sie ganz offen für natürlich und gerecht ausgaben - weil sie Fürsten waren, Weiße, Männer, Kapitalisten, was auch immer. Dann kam das demokratische Zeitalter, und mit ihm die Herrschaft der Aliens. Aliens? Doch, doch. Jene Wesen, die genauso aussehen wie wir selbst, mit Vorliebe aus unserer Mitte stammen, alles nur für die Vernunft, den Fortschritt oder die Menschenrechte tun und jeden Verdacht der Herrschaft strikt von sich weisen.

Der folgende Text entstammt dem Buch von Christoph Spehr "Die Aliens sind unter uns. Herrschaft und Befreiung im demokratischen Zeitalter", das Ende September bei Siedler TB erscheint. Neben lebensnotwendigen Klärungen zum Alienismus im Allgemeinen findet sich dort auch Ausführliches zum Übergang vom traditionellen zum progressiven Alienismus, Berichte über die Widersacher des Alienismus und aus der Welt der Postmodernen Kollektive, jener Gruppen, Projekte und Unternehmungen, die sich in den Ruinen der Entwicklungsära zusammenrotten, um sich irgendwie durchzuschlagen ...

Die Gesetze der Ökonomie

Der beispiellose Aufstieg der Ökonomie zur Leitwissenschaft, den wir im demokratischen Zeitalter beobachten können, geht einher mit der völligen Entlehrung dieser Wissenschaft von allem, womit man etwas anfangen kann. Gegen diese alienistischen Nebelbomben hilft es, sich immer wieder die grundlegenden Gesetze der Ökonomie zu vergegenwärtigen. Glücklicherweise sind es, entgegen der herrschenden alienistischen Lehrmeinung, nicht so viele.

Das erste Gesetz lautet, daß die Ökonomie keine innere Logik ihrer Fortentwicklung hat. Sie hat keine Geschichte. Nur das Soziale hat eine Geschichte, und die Ökonomie folgt ihr. In der Ökonomie hat man es nicht mit Naturgesetzen zu tun. Alle Gesetze sind gemacht. Die einzige unumstößliche Tatsache ist die, daß man Entscheidungen treffen muß, weil es Grenzen gibt; daß man nicht alles gleichzeitig zu hundert Prozent haben kann. Aber die Art dieser Entscheidungen ist eine soziale Frage. Selbstverständlich bringt diese oder jene Art der Verfahrensregelung oder der Eigentumsregelung bestimmte Folgen hervor, aber deshalb wählt man sie ja auch oder läßt es bleiben. Im Alienismus gibt es z.B. keinen reinen Kapitalismus mehr, sondern eine Fülle staatlicher oder korporatistischer Steuerungen. Man kann nicht jedes Detail haben, das man möchte, aber die Grundmechanismen kann man entscheiden. Jedes ökonomische Projekt, mag es auch noch so klein oder banal sein, geht über den einzelnen hinaus und nimmt fremde Arbeit und Natur in Anspruch - Marius Müller-Westernhagen hat es auf den Punkt gebracht mit den unsterblichen Zeilen: "Baby, wenn ich in die Seiten dresche / spür' ich hier den Blues, und du machst die Wäsche" (aus "Geiler wär's schon"). Darum geht es, und die entscheidende Frage ist, wie die Inanspruchnahme fremder Arbeit und Natur geregelt wird, und wer darüber bestimmt. Aber das ist eine Frage sozialer Entscheidungen. Jedes ökonomische Gesetz ist nichts als eine Projektion sozialer Verhältnisse.

Das zweite ökonomische Gesetz ist das Gesetz der Diffusion. Es besagt: Unter den Bedingungen halbwegs freier Kooperation verteilt sich der gesellschaftliche Reichtum und verallgemeinert sich soziale Macht. (Die alltagsweltliche Formulierung dieses Gesetzes lautet: Man kann soviel Geld haben, wie man will, es ist immer weg.) Akkumulierter Reichtum kann ohne Herrschaftsmittel nicht daran gehindert werden, zu allen Seiten "wegzutrickeln"; egal, ob in der reziproken Beziehung oder im abstrakten Tausch. Man kennt das: Ein Projekt kommt zu Geld, und sofort wollen alle Zulieferer das Doppelte. Ein Bekannter erzählt einem, als Student hätte er sich noch Fernreisen leisten können; heute, wo er ein Professorengehalt bezieht, kann er nach Abzug der Hypotheken und der Bedürfnisse sämtlicher Familienmitglieder vielleicht noch ins Kino gehen. Daß Jacobs mit seinem Reichtum die Zulieferer drücken kann, liegt nur daran, daß diese sich in einer Zwangslage befinden. Unter den Bedingungen freier Kooperation, wo das nicht der Fall ist, würden alle Zulieferer versuchen, mehr zu bekommen, weil sie ja wissen, daß Jacobs es sich leisten kann. Die kapitalistische Preiskonkurrenz ist nur ein Ausdruck von Herrschaftsverhältnissen und Alternativlosigkeit, ein Versuch der Umkehrung des "normalen" Gesetzes, daß derjenige härter verhandelt, der's dringender braucht. Trotzdem diffundiert Reichtum ständig. Deshalb ist in Metropolen alles teurer, deshalb wollen alle MigrantInnen dennoch dahin: der Reichtum sickert durch die Ritzen.

Das dritte Gesetz ist das Gesetz der ungleichen Akkumulation und Allokation. Es lautet: Unter den Bedingungen erzwungener Kooperation - die Mitglieder können die Kooperation nicht zu einem vertretbaren Preis verlassen und haben zur Kooperation keine Alternative - wachsen sich kleine Unterschiede in Reichtum und Macht unweigerlich zu immer größeren Unterschieden aus. (Die alltagsweltliche Formulierung dieses Gesetzes heißt: Wo Geld ist, fliegt Geld hin.) Reichtum diffundiert dann nicht, sondern wird bei einigen akkumuliert; Macht diffundiert und osziliert dann nicht, sondern siedelt sich bei einzelnen an. Bleibender Vorteil in der Konkurrenz entsteht nicht durch Fähigkeiten oder Einfälle, sondern ausschließlich durch Reichtum und Macht. Eine Firma muß keine Ideen produzieren; sie kauft welche. Sie kann alles kaufen: Platz, Leute, Visionen, Fähigkeiten; Hauptsache, die Leute müssen sich verkaufen. Deshalb wird, wer mehr kaufen kann, auch besser sein. Billiger produzieren kann man nicht durch Ideen und Können, sondern dadurch, daß man Wissen und Maschinen kauft und Leute zwingt, billiger für einen zu arbeiten - was einen wiederum reicher und mächtiger macht, und so weiter. So läuft es.

Das vierte Gesetz ist das Gesetz vom Zusammenbruch sozialer Kooperation durch ökonomischen Kontakt. Es lautet: Wenn ein reiches und ein armes Kollektiv in ökonomischen Austausch treten, muß das ärmere Kollektiv die kollektive Autorität besitzen, die externen ökonomischen Beziehungen seiner Mitglieder zu begrenzen, oder es bricht zusammen. Da das reichere Kollektiv reich ist, sind individuelle ökonomische Beziehungen mit ihm lukrativer (auch wenn es nach seinen eigenen Maßstäben schlecht zahlt) als Beziehungen innerhalb des ärmeren Kollektivs. Dies führt jedoch nicht dazu, daß das ärmere Kollektiv insgesamt reicher wird, sondern bewirkt, daß dessen Substanz ausverkauft wird und seine soziale Kooperation zusammenbricht.

Für das einzelne Mitglied des ärmeren Kollektivs ist jede einzelne ökonomische Interaktion mit dem reicheren Kollektiv attraktiver, als die Perspektive des eigenen Kollektivs insgesamt. Die Individuen gehen also dazu über, ihre Natur und Arbeit tendenziell weniger in das eigene (das ärmere) Kollektiv zu investieren, sondern immer mehr in das fremde (das reichere). Das hat mehrere fatale Folgen. Erstens sind notwendige Güter und Leistungen im ärmeren Kollektiv zumindest phasenweise nicht verfügbar, weil sie abwandern und nicht sofort in gleichem Maß zurückgekauft werden können. Die ökonomische Struktur wird "dekomponiert", was nicht nur vorübergehende Probleme schafft, sondern nachhaltige Schädigungen. In Volkswirtschaften sterben Menschen an so etwas. Zweitens nehmen Reichtums- und Machtunterschiede im ärmeren Kollektiv sprunghaft zu, weil nicht alle in gleicher Weise Zugang zu (nach außen) verkaufbaren Gütern haben oder (nach außen) verkaufbare Leistungen anbieten können. (Auch daran kann man sterben.) Drittens fangen die reziproken Austauschbeziehungen, ohne die keine soziale Kooperation existieren kann, an sich zu zersetzen, weil die Einlösung der gegenseitigen Verpflichtungen unsicher wird. Sie geraten unter Streß, weil immer mehr Engpässe aufgefangen werden müssen und gleichzeitig immer mehr Gegenleistungen ausfallen. All diese Faktoren verstärken sich gegenseitig bis zu dem Punkt, wo die soziale Kooperation im ärmeren Kollektiv auseinanderbricht.

Man kann das gut oder schlecht finden, aber es ist ein Fakt. Man muß dabei nicht an die nationalen Zusammenbruchsökonomien denken, die in den 90er Jahren die Folge der Blockauflösung und der verschärften Globalisierung waren. Auch nicht an die typischen Folgen von Kolonialismus und Neokolonialismus. Dasselbe spielt sich in Lebensgemeinschaften ab. Alle Frauen wissen, daß Beziehungen mit Männern davon abhängen, daß deren ökonomische Außenkontakte auch begrenzt werden können. Ob sie das auch durchsetzen können, ist eine andere Frage; andernfalls stellen sich jedenfalls soziale und emotionale Zusammenbruchsökonomien ein. Das Entscheidende ist, daß es für alle diese Effekte nicht notwendig ist, daß das reichere Kollektiv das ärmere "betrügt" oder durch seine Machtmittel einen ungleichen Tausch erzwingt. Auch wenn durchweg fair getauscht, gehandelt und kooperiert wird, ändert das nichts an der zersetzenden Wirkung dieses Gesetzes. Deshalb empfinden wir beim Kontakt mit einem reicheren oder mächtigeren Kollektiv Hoffnung und Schrecken. Deshalb versteht ein Film wie "Independence Day" nichts von Aliens, aber einiges von Globalisierungsängsten.

Das fünfte und letzte Gesetz ist das Gesetz vom Scheidungsgewinn. Es besagt: Ökonomische Macht beruht wesentlich darauf, daß einem der Scheidungsgewinn zufällt. Ökonomische Theorie im Alienismus handelt typischerweise vom Zustandekommen von ökonomischen Beziehungen, aber nicht von deren Lösung. Was passiert, wenn eine Kooperation endet?

Zu Zeiten personaler Herrschaft ist dieser Fall häufig gar nicht vorgesehen. Kooperation geht, bis der Tod euch scheidet. Im demokratischen Zeitalter ist die Aufkündigung oder Auflösung von Kooperation durchaus gängig. Und sie wirft die Frage auf, wer was mitnimmt. Aufgrund der Kollektivität und Historizität von Arbeit gibt es dafür keine Lösung, die "in der Natur der Sache" liegt. Da Marius Müller-Westernhagens Songwriter seinen Blues nur schreiben kann, wenn ihm jemand die Wäsche macht, kann er sich im Scheidungsfall auch nicht auf den Standpunkt stellen, daß ihm der Blues allein gehört, nur weil er ihn geschrieben hat. Wie die Tantiemen verteilt werden, ist eine soziale Frage. Wem der größere Teil des Scheidungsgewinns zufällt, dem fällt es auch leichter, die Kooperation zu verlassen. Und das bedeutet automatisch: er kann eher deren Bedingungen diktieren, er hat in der Kooperation mehr Macht. Im Idealfall einer freien Kooperation ist die Sache so geregelt, daß der Scheidungsgewinn von allen Beteiligten als gleich angesehen wird, und deshalb ist ihre ökonomische Macht in der Kooperation gleich. Die Frage nach dem Scheidungsgewinn läßt sich nicht durch die Forderung nach gleichem Eigentum ersetzen. Diejenigen, die über mehr Mobilität verfügen oder sich in der Kooperation mehr verwertbare Qualifikationen aneignen konnten, haben auch bei gleichem Eigentumsanteil einen höheren Scheidungsgewinn; eine freie Kooperation müßte dies gerade durch einen ungleichen Eigentumsanteil kompensatorisch auszugleichen versuchen.

Das sind die fünf Gesetze der Ökonomie, die in jeder Wirtschafts- und Kooperationsform gelten. Sie wirken möglicherweise banal. Aber Ökonomie ist banal. Zu einer Geheimwissenschaft wird sie stilisiert, um diese Gesetze hinter der Fülle der Detailfragen verbergen zu können.

Neoliberalismus und PMKs

Wie alle anderen ökonomischen Konzepte bestimmt sich auch der Neoliberalismus durch seine Haltung zu den fünf Gesetzen. Er leugnet die Tatsache, dass es keine Eigengesetzlichkeit der Ökonomie gibt; er bekämpft die Diffusion; er fördert die ungleiche Akkumulation; er unternimmt nichts gegen den ökomomischen Zusammenbruch und er fordert für seine Klientel den maximalen Scheidungsgewinn. Das Verhältnis der postmodernen Kollektive (PMK) zum Neoliberalismus ist in der Tat indifferent. Wo die Post-Entwicklungs-Diskurse sich die Neigung der sozialen Bewegungen zunutze machen, es müsse doch dringend etwas geschehen gegen die Probleme der Welt, kommt der Neoliberalismus den PMKs in der gemeinsamen Ablehnung der traditionellen Strukturen und Institutionen entgegen. Vieles, was unter dem Druck des Neoliberalismus zugrundegeht, sehen die PMKs ganz gern zugrundegehen, oder jedenfalls würden sie sich nicht zu dessen Verteidigung aufraffen. So wie den sozialen Bewegungen aber eigentlich klar ist, daß eine Verschärfung des herrschaftsförmigen Zugriffs ihren Zielen letztlich nicht dienlich sein kann, ist auch den PMKs gleichzeitig bewußt, daß der Neoliberalismus ein autoritäres Projekt ist und daß sie eigentlich auf einige der Strukturen angewiesen sind, die er zerstört - ökonomische Umverteilung, Existenzsicherung, Strukturen reziproken Austauschs.

Auch die Haltung des progressiven Alienismus zu den Rebellen ist ambivalent. Obwohl die Rebellen ihnen suspekt sind, versuchen die Aliens nicht, die PMKs zu vernichten. Das ist keine Freundlichkeit, sondern pure Berechnung. Mit dem Ende der Entwicklungsära fangen die PMKs an, die Imperien und die Strukturen der formellen Arbeit an Produktivität zu überholen. Zumindest können sie eine Menge bewerkstelligen, was die Aliens anders nicht produzieren können: Kreativität, Einsatz, neue soziale Kooperationsformen, nicht-marktförmige Problemlösungen.

Im Ergebnis dessen sieht man plötzlich scharenweise Aliens unter den PMKs verkehren, die auf der Jagd nach abschöpfbarem Potential sind. Sie probieren verschiedene Formen aus, wie die PMKs nutzbar gemacht und trotzdem kontrolliert werden können: Modelle von Bürgerarbeit, Teamarbeit im Betrieb, flachere Hierarchien und teilselbständige Gruppen, ausgelagerte Produktionseinheiten und Halbselbständigkeit, Förderprogramme im Rahmen der neuen Diskurse, Hilfsprojekte mit Kleinkrediten und technologischer Beratung. Sie versuchen theoretische und praktische Ansätze zu entwickeln, wie sie die PMKs in ihr ökonomisches Konzept integrieren können, zum Beispiel mit der Kategorie des "sozialen Kapitals".

Freie Kollektive und deren Perspektive

Die ersten beiden Bestandteile der Politik der Autonomie, sind auch für freie Kooperationen von Bedeutung - die Abwicklung alienistischer Herrschaftsinstrumente auch in den PMKs, ebenso die praktische Demokratiekritik. Wichtiger aber noch sind die beiden anderen Bestandteile: die Politik der Beziehungen und die Entfaltung sozialer Fähigkeiten.

Die Politik der Beziehungen umfaßt ein Set von Orientierungen, wie soziale Verhältnisse anders geregelt werden sollen, als durch diskursive, objektive Vernunft und alienistische Gewaltmittel. Nach den vorläufigen Erfahrungen gehört dazu das Prinzip des Verhandelns - mit offenem Ausgang, mit der Möglichkeit des Scheiterns, mit keinem anderen Druckmittel als der Einschränkung der Kooperation. Es gehört dazu, daß die Kooperation "reziprok im realistischen Rahmen" ist: Die zufälligen persönlichen Vorteile, die die einzelnen Mitglieder eines Kooperation in der Gesellschaft genießen, werden zwar zu einem gewissen materiellen Ausgleich innerhalb des Kollektivs gebracht, aber zu keinem totalen, einfach weil sonst niemand mehr einem solchen Kollektiv beitreten würde. Die Qualität der Beziehungen zwischen den Mitgliedern beruht nicht darauf, daß diese einander möglichst gleich, sondern daß sie voneinander verschieden sind, was in einem Prozeß der Anerkennung letztlich als positiv erlebt wird und beide Seiten verändert. Das Kollektiv muß fähig sein, eine Politik der Ermöglichung zu betreiben, das heißt einzelnen Mitglieder die Arbeit und Unterstützung der anderen hin und wieder auch "blanko" zur Verfügung zu stellen, ohne daß erst alle bis ins letzte vom jeweiligen Projekt überzeugt sein müssen - also das, was sonst Herrschaft oder abstrakter Tausch dem Individuum ermöglichen. Und schließlich sollen sich soziale Kooperationen auf eine Disloyalität zum Bestehenden gründen: Die Weiterexistenz des Kollektivs darf kein unhinterfragter letzter Wert sein, sondern muß immer zur Disposition gestellt werden können.

Die Entfaltung sozialer Fähigkeiten ist eine Art Leitfaden dafür, welche Eigenschaften freie Kooperation vom Einzelnen verlangt; Eigenschaften, die entwickelt und gefördert werden müssen, damit freie Kooperation funktioniert. Notwendig ist Selbstreflexion, die Fähigkeit, sich Situationen und Strukturen auch aus der Sicht der anderen vorzustellen und sich eigener Vorteile, Privilegien und Defizite bewußt zu werden. Notwendig ist das, was auf Englisch "leadership" heißt und auf Deutsch am ehesten mit "Initiative" übersetzt werden muß, und zwar kollektive Leadership. Es reicht nicht, daß alle ihre Interessen formulieren und in ihrer Unterschiedlichkeit einbringen; irgendjemand muß den jeweils nächsten Schritt formulieren, was daraus folgt und wie das zusammengebracht werden kann, und in einer freien Kooperation sollte diese Fähigkeit so weit wie möglich kollektiviert sein. Freie Kooperation erfordert von ihren Mitgliedern Selbstbewußtsein, die Fähigkeit "to speak out" und "to talk back", das heißt Dinge beim Namen zu nennen und sich von Unterschieden an Erfahrung, Wissen und "Dienstalter" im Kollektiv nicht den Mund verbieten zu lassen. Sie befürwortet eine Haltung der "agency", was mit "Aktivität" nur unzureichend übersetzbar ist; gemeint ist die aktive Einflußnahme auf die eigene soziale Umwelt, anstatt davon auszugehen, das ginge einen alles nichts an oder irgendjemand werde das schon richten. Und sie erfordert und fördert die Fähigkeit zur Unabhängigkeit, die der Disloyalität zum Bestehenden entspricht - die Bereitschaft, seine Kooperationsleistung unter Bedingungen zu stellen und gegebenfalls aufzukündigen, auch wenn dies immer mit materiellen und emotionalen Risiken verbunden ist.