Private Berater

Das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE), der größte deutsche Medienkonzern und die Hochschulstrukturdebatte

Das von der Bertelsmann-Stiftung gegründete Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) stellt eine Agentur des großen Kapitals zur Durchsetzung ihrer Interessen im Bildungssystem dar.

[Es] ist also Vermittler einer hochkonzentrierten ökonomischen und politischen Machtzusammenballung in die Institutionen der Bildung hinein. Martin Bennhold stellt gesellschaftliche Bedeutung, Verflechtungen und Kontakte, Methoden und Ziele dieser privaten Interessen verpflichteten, jedoch staatlich mitinitiierten und vielfach mitgetragenen Institution vor.

Die Hochschulen und insgesamt das Bildungssystem stehen derzeit wieder im Zentrum politischer Interessen. Aber die Betroffenen, Lehrende und Lernende, fangen erst allmählich an, deren Charakter zu begreifen und sich einzumischen. Dafür ist es höchste Zeit; denn von (im wahrsten Sinne des Wortes) herrschender Politik werden zur Zeit alle Reformdebatten bestimmt. Es geht nicht nur darum, Mängel in Lehre und Forschung zu beseitigen oder linke und andere kritische Positionen vollends zu eliminieren; es geht mindestens im selben Umfang um die Auflösung von Positionen, die an ständisch-traditionellem Gedankengut, z.B. an überkommener Ordinarienherrschaft, orientiert sind. Das macht die Lage kompliziert, andererseits wird dadurch klar, daß das, was von der herrschenden Politik durchgesetzt werden soll, keineswegs einen Rückschritt darstellt - etwa im Sinne einer Wiederherstellung alter Strukturen oder im Sinne eines Machwerks der "Ewig-Gestrigen" -, sondern daß es sich hier um Neues handelt, um eine fundamentale Strukturänderung.

Im Folgenden soll ein Teil der Instrumente und Methoden untersucht werden, die bei der Planung und Durchsetzung der herrschenden Hochschulpolitik bedeutsam sind. Alles, was ich dazu darlegen werde, liegt im Bereich von Freiheit und Demokratie bzw. von sich entwickelnder Unterdrückung und diktatorischer Herrschaft. Dabei wird differenziert zwischen einem politischen Begriff von Freiheit, der die Grundlage für das Konzept der Demokratie bildet, und an dem daher demokratische Maßnahmen und Kontrollen stets zu messen sind, und der über den Markt vermittelten "Freiheit". Mit dieser Markt-"Freiheit" ist die Bestimmung über Eigentum gemeint, mit der in einer kapitalistischen Gesellschaft vermittels des Marktes über andere Menschen und deren Arbeitskraft verfügt werden kann. Diese Freiheit des Umgangs mit Produktionsmitteln und anderen Formen der Kapitalakkumulation - somit auch ökonomische Expansion, Reichtum und hochkonzentrierte gesellschaftliche Macht - wird durch das Rechtssystem geschützt und führt zur Erosion der vorhandenen demokratisch-politischen Strukturen.

Ökonomie und Politik konzentrierten Kapitals

Wir haben es am Ende dieses Jahrhunderts - wie schon einmal zu dessen Beginn - mit einem Schub besonders rapider politisch-ökonomischer Entwicklungen zu tun. Die Konzentrations- und Zentralisierungsbewegungen des Kapitals sind von gewaltigen Beschleunigungen bestimmt: eine Kapitaleinheit frißt die andere, treibt sie in den Ruin, vereinigt sich mit ihr per Ausgleich oder per Zielanpassung, damit die nächsten Schluckbewegungen vorbereitend. So sind heute feindliche und freundliche Übernahmen an der Tagesordnung; die größten Kapitale schließen sich Ländergrenzen und Kontinente übergreifend auf höchster Ebene zusammen - und es wird so getan, als ob dies rein ökonomische oder gar fortschrittliche Prozesse seien. Tatsächlich sind dies hochpolitische Prozesse, die jeweils weitere Schritte in Richtung auf ökonomisch-politische Diktate auf einer wachsenden Stufenleiter darstellen. Und jede dieser Stufen verschärft die Diskrepanz zwischen demokratischer Einflußnahme und sozialer Kontrolle von unten auf der einen Seite und der tatsächlichen ökonomisch-gesellschaftlichen Macht auf der anderen.

So sollen sowohl soziale als auch demokratische Kontroll- und Widerstandspotentiale zunehmend sanktioniert, eingeschränkt, abgebaut und ersetzt werden durch Mechanismen mit reinen Legitimationsfunktionen und durch verschiedene Arten ökonomisch-politischer Diktate: Regierungsprogramme bestimmend, Regierungen verändernd, Minister zum Rücktritt zwingend, Gesetze präjudizierend oder in aller Öffentlichkeit mißachtend etc. Solche Diktate treten immer ungeschminkter und selbstverständlicher auf und folgen (oft verschleierten) Interessen an noch weiterer Bereicherung und an optimalen Bedingungen für die nächste Konzentrationsbewegung des Kapitals, die nächste gesellschaftliche Machterweiterung. All dies ist heute so fortgeschritten, daß der alte Streit über die Priorität von Ökonomie oder Politik längst obsolet ist: diese Ökonomie ist die Politik des Kapitals.

Für Kapital auf diesem Niveau ist der Begriff Reichtum längst eine verschleiernde Kategorie, die hinter dem Schein rein quantitativer Differenzen zwischen Reich und Arm die neue extreme Qualität jenes Kapitals verschwinden läßt. Mit den Konzentrationsbewegungen wird die Zahl der Menschen, die dieses Kapital repräsentieren, von Stufe zu Stufe kleiner. Und deren Interessen geraten in immer tieferen Widerspruch zu den in der Gesellschaft verbreiteten sozialen, ökonomischen und politischen Interessen. Sie widersprechen damit auch allen Bestrebungen zu einer demokratischeren Machtverteilung in der Gesellschaft. So entwickelt sich eine kleinste Minderheit, ausgestattet mit unglaublicher ökonomischer Macht und mit extremen Zielen, die ihre Diktate zum einen über politisch-ökonomischen Druck auf staatliche Willensbildungsprozesse praktiziert, zum andern über freie kapitalistische Gründungen, Stiftungen, Unterstützungen oder auch umgekehrt über scharfe Sanktionen wie Entlassungen, Kreditentzug und anderes mehr, womit eminente gesellschaftliche Prozesse in Gang gesetzt werden können.

Die Politik einer solchen extremen Minderheit, d.h. diese politische Ökonomie, kommt mindestens ohne zweierlei nicht aus: eine dauernde und sich intensivierende Propaganda für "unpopuläre Maßnahmen" und die fundamentale Verkehrung von Sprache als Kommunikations- und Erkenntnismittel in ein Verschleierungs- und Erkenntnisverhinderungs-Instrument. Dies geschieht vor allem mit Hilfe der Verwendung positiv besetzter Begriffe für Eingriffe und Maßnahmen, die substantiell die Lebensbedingungen einer wachsenden Mehrheit von Menschen verschlechtern. Daher muß z.B. heute alles "Reform" heißen - und zwar um so entschiedener, je brutaler der Eingriff ist.

Dies weiß am besten ein Medienkonzern, der der größte in der Bundesrepublik und der weltweit verbreitetste und verflochtenste ist: der Bertelsmann-Konzern, mit zentralem Sitz in Gütersloh. Auf seine Initiative hin und aus seinen Strukturen heraus, insbesondere über die Bertelsmann-Stiftung, wurde 1994 das CHE gegründet, ein Instrument zur Steuerung der Hochschulreform im Interesse des Konzerns selbst und sonstigen hochkonzentrierten Kapitals.

Personelle und institutionelle Einbindungen

Das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE), ebenfalls in Gütersloh angesiedelt, hat eine private Rechtsform und dennoch öffentliche Funktionen; das garantiert einerseits "Unabhängigkeit" von allen noch so indirekten demokratischen Kontrollen, eine Verpflichtung nur dem Konzernkapital gegenüber; zum anderen garantiert diese Struktur einen Einfluß, dessen Umfang von der Macht des Kapitals, das hinter ihm steht, abhängt und von den Verpflichtungen und Verbindungen, die dieses Kapital repräsentiert. Im Falle des CHE ist dies in spezifischer Weise ergänzt durch die engste Verflechtung mit Einrichtungen des öffentlichen, also hoheitlichen Sektors.

Mit einem Jahresetat von zwei bis drei Millionen DM ist das CHE eine private, als gemeinnützig anerkannte GmbH und dennoch mitgegründet durch die Hochschulrektorenkonferenz (HRK), also eine Versammlung der Repräsentanten hoheitlicher Bildungseinrichtungen, der Form nach selbst vertreten durch die Stiftung zur Förderung der Hochschulrektorenkonferenz (als juristischer Person). Bis heute steht das CHE in engstem praktischen Verbund mit der HRK. Sein Leiter, Detlef Müller-Böling, Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Universität Dortmund, hatte schon unter der letzten Bundesregierung enge Beziehungen zum damaligen Wissenschaftsminister Jürgen Rüttgers; er war von ihm an den Runden Tisch zum Hochschulrahmengesetz im Wissenschaftsministerium berufen worden.

Zum bisherigen Bundespräsidenten Herzog und dessen Amt bestehen enge und immer wieder erneuerte Kontakte. Unter dessen Schirmherrschaft steht der Initiativkreis Bildung, der an prominentester Stelle Vorschläge zur ,,Erneuerung des Bildungswesens" entwickeln und damit einer der zahlreichen institutionellen Impulsgeber sein soll, die das CHE etabliert hat. Desgleichen werden im Benehmen und unter Beteiligung des bisherigen Bundespräsidenten ab und zu ,,Nationale Bildungskongresse" veranstaltet, um die vom CHE propagierten Umstellungsimpulse zum Bildungswesen auf gesamtdeutscher Ebene zu verstärken.

Auch auf Länderebene ist das CHE vielfach aktiv. Sein Leiter ist u.a. Mitglied der Hochschulstrukturkommission in Baden-Württemberg, desgleichen Berater des Bundes Norddeutscher Hochschulen; das CHE leitet bei der Landesregierung Niedersachsen den Wissenschaftlichen Beirat, der das ,,Modellvorhaben für eine Erprobung der globalen Steuerung von Hochschulhaushalten" im Auftrag des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur seit über vier Jahren begleitet (durchgeführt an den Universitäten Oldenburg und Clausthal sowie an der Fachhochschule Osnabrück). Dieser immerhin von einer Landesregierung eingesetzte Beirat hat seine Geschäftsstelle in den Räumen des CHE in Gütersloh, welches selbst wiederum innerhalb des Bertelsmann-Anwesens residiert. Des weiteren steht das CHE in vertraglicher Kooperation mit dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Thüringen. Und damit sind nur einige der zahlreichen institutionalisierten und in juristische Formen gegossenen Kooperationen genannt.

Interessant ist der zehnköpfige Beirat, den die Bertelsmann-Stiftung dem CHE beigeordnet hat: Ihm gehören zwei hochrangige Kapitalvertreter an, Mark Wössner, Vorstandsvorsitzender der Bertelsmann-Stiftung (in dieser Eigenschaft und in seiner Beiratsfunktion hat er im Oktober 1998 Reinhard Mohn abgelöst, den einflußreichsten Vertreter der Familie Mohn, die den Bertelsmann-Konzern insgesamt beherrscht), und Tyll Necker, Vizepräsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, sowie acht Universitätsprofessoren, darunter zwei Wissenschaftsminister (für Sachsen und Rheinland-Pfalz) und der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, Klaus Landfried, sowie dessen Vorgänger und jetziger Präsident der Vereinigung der Rektorenkonferenzen der Mitgliedsstaaten der EU, Hans-Uwe Erichsen. Bis vor kurzem war langjähriges Beiratsmitglied auch der Politikwissenschaftler Werner Weidenfeld, Mitglied des Vorstands der Bertelsmann-Stiftung und enger Vertrauter des damaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl, bis Ende 1998 Koordinator für die deutsch-amerikanische Zusammenarbeit und bereits seit 1995 Herausgeber der einflußreichen außenpolitischen Zeitschrift Internationale Politik.

Der Konzern und das CHE

Konzernbezogen ist das CHE in folgende Strukturen eingebunden: Es ist eine Gründung der Bertelsmann-Stiftung, in seiner Existenz und seinem Wirkungsgrad von ihr abhängig. An deren Spitze steht kein geringerer als Mark Wössner, bis Oktober 1998 Chef der Bertelsmann-AG, also des Weltkonzerns in der Form einer Holding-Gesellschaft. Dessen Vorgänger in beiden Funktionen, Reinhard Mohn, hatte die Stiftung 1977 gegründet, und zwar nach dem von ihm selbst verkündeten Motto: ,,Eigentum verpflichtet zur Verantwortung für die Gesellschaft".

Vielleicht war diese Stiftung zunächst unter steuerlichen Gesichtspunkten etabliert worden, sie wurde jedoch bald für zahlreiche Unterstützungsmaßnahmen in Funktion genommen. Die entscheidende Perspektivänderung nahm Reinhard Mohn 1993 vor. Er übertrug - vielleicht nicht unabhängig von neuen Steuergesetzen - 68,8% des Grundkapitals der Bertelsmann-AG auf die Stiftung, über zwei Drittel also der Anteile des Bertelsmann-Konzerns als Holding-Gesellschaft, und er verband mit dieser gewaltigen Transaktion eine neue programmatische Perspektive: Von dieser Stiftung sollten nun nicht mehr im wesentlichen Einzelprojekte unterstützt werden, sondern in gesellschaftspolitischer Perspektive flächendeckende Initiativen mit gesamtgesellschaftlicher und damit hochpolitischer Wirksamkeit ausgehen. Dementsprechend reichlich und z.Zt. rapide wachsend ist das Budget: Es beträgt 1998/99 nicht weniger als 83 Mio. DM, 11 Mio. mehr als im letzten Geschäftsjahr.

Die Bertelsmann-Stiftung ist somit ein gewichtiger Teil der Gesamtstruktur der Bertelsmann-AG, und sie gehört zu 90% ihres gesamten und zu 100% des stimmberechtigten Kapitals der Familie Mohn und der Bertelsmann-Stiftung gemeinsam. Mit dem Rest des Kapitals ist die Stiftung verbunden mit der entsprechenden Einrichtung der Wochenzeitung Die Zeit; die Zeit-Stiftung hält 10% nichtstimmberechtigter Aktien.

Der Bertelsmann-Konzern war gerade in den letzten Jahren mit milliardenschweren Umsätzen im In- und Ausland erfolgreich; 1996 mit 22,4 Milliarden DM, 1997 mit 26,5 Milliarden DM, zugleich mit gewaltigen Gewinnen: 805 Millionen DM im Jahr 1995 und eine Milliarde DM im Jahr 1996.2 Und wie international dieser Konzern ist, zeigt sich darin, daß der Gesamtkonzern-Umsatz zu zwei Dritteln internationalen Charakter hat.

Wie ein solcher Konzern aussieht und welche Tätigkeiten er umfaßt, kann hier nur in Kürze anhand der vier wichtigsten "Linien" angegeben werden:

1. Die auf Bücher bezogene Linie umfaßt Buchclubs und Verlage. In den Clubs sind weltweit über 25 Millionen Menschen auf allen Kontinenten organisiert; von Nord- und Südamerika über die meisten Staaten Europas bis hin - neuerdings - zur Volksrepublik China. Der Verlagsbereich konzentriert sich auf den deutschsprachigen Raum, expandiert hier bis in die neueste Zeit (kürzlich erst, im Oktober 1998, Übernahme des Springer-Wissenschaftsverlags und des Nomos-Verlags) und erstreckt sich auch auf die USA und Spanien.

2. Der Entertainment-Bereich umfaßt die weltweiten Tonträger- und TV/Film-Aktivitäten des Konzerns. Zu den Bertelsmann-Labels im Schallplattenbereich gehören z.B. so mächtige wie RCA, Ariola, Arista sowie 200 (!) kleine Labels in über 50 Ländern der Erde. So entstehen jeden Tag mehr als zwei Mio. Bertelsmann-eigene CDs. Im TV-Bereich ist CLT-UFA ,,mit 22 Fernsehsendern und 22 Radiostationen ( ¼) führend in Europa. In Deutschland zählen dazu RTL, RTL 2, Super-RTL, VOX und Premiere"3 - Premiere stellt zugleich die Verbindung mit dem Kirch-Konzern her - sowie in Frankreich M6, Serie Club, Multivision, TMC und RTL 9; überdies gehören zu CLT-UFA weitere Sender in Großbritannien und allen drei Benelux-Staaten. Mit CLT-UFA ist Bertelsmann der klare Marktführer des werbefinanzierten Fernsehens in Europa und damit organisatorischer Hauptträger der fortschreitenden Niveau-Senkung in diesem Bereich, weil eben deren Profiteur. Ein gewaltiges Geschäft, und ebenfalls der Niveau-Senkung dienlich, ist der Handel mit Aufführungs-Rechten - sie werden in über 140 Länder verkauft.

3. Der dritte Hauptbereich heißt aus historischen Gründen Produktlinie Gruner + Jahr und umfaßt 75 Zeitschriften (davon 34 in Deutschland) und 10 Zeitungen. Der Konzern beherrscht so bekannte Zeitschriften wie Stern, Brigitte, Frau im Spiegel, Eltern, Geo, Capital, Art, Marie Claire, Essen & Tri nken und Schöner Wohnen. Seit 1990 ist der Konzern groß eingestiegen in den Aufkauf und die Übernahme ostdeutscher Tageszeitungen, z.B. Berliner Zeitung, Chemnitzer Morgenpost, Dresdner Morgenpost, Sächsische Zeitung; darüber hinaus ist er heute im Besitz dreier bedeutender Zeitungen in Ungarn und der Slowakei.

4. Der Multimedia-Bereich expandiert mit besonderer Dynamik, insbesondere seitdem Bertelsmann die Internet-Online-Dienste AOL und CompuServe für Europa übernommen hat (in Form eines Joint-Ventures mit America Online).

Seine sonstigen Aktivitäten reichen schließlich vom Immobilienhandel im In- und Ausland bis hin zu Finanzverschiebungen über eine Bertelsmann International Finance Limited NV, angesiedelt ausgerechnet auf der kleinen Antillen-Insel Curacao. Der Konzern ist weltweit so vielfältig aufgegliedert, daß eine schaubildmäßige Darstellung sich längst verbietet; die fast 600 selbständigen Einheiten muß die laufend ergänzte Publikation ,,Konzerne in Schaubildern" auf 20 Seiten verteilen.

1 Vorabdruck aus dem im Oktober 99 erscheinenden Sammelband: Christoph Butterwegge/Gudrun Hentges (Hg.), Alte und Neue Rechte an den Hochschulen, Agenda-Verlag, Münster

2 Florian Dohmen: Medien und Macht, 1998, S.68

3 R. Liedtke: Wem gehört die Republik, Ausgabe 1999, S 85f

,,Eigentum verpflichtet"

Das CHE ist niemandem als nur dem hinter ihm stehenden machtvollen Kapital verantwortlich. Es handelt sich hier um den organisatorischen Hebel einer ökonomisch gewaltigen und medial erfahrenen Einflußgruppe, oder besser: Machtzentrale, gleichzeitig jedoch auch um eine Einrichtung, die angetreten ist, den privaten Bereich, in dem sie zunächst agiert, mit öffentlichen Funktionen aufzuladen. Dabei geht es vor allem um die Zurückdrängung öffentlicher oder gar demokratischer Kontrollen, was am konsequentesten über eine Übertragung öffentlicher Funktionen auf privates Kapital zu leisten ist. Das Besondere und Auffällige an den CHE-Aktivitäten besteht hier nicht nur in der staatlichen Akzeptanz und Förderung solcher Aktivitäten einer privaten Firma, sondern vor allem in deren Mitinitiierung durch staatliche Hoheitsträger und in der seitdem bestehenden engsten institutionellen Verflechtung mit zahlreichen staatlichen Instanzen. All dies geschieht trotz (oder gerade aufgrund) offensichtlichster Abhängigkeit von der mächtigen und ihre privaten Interessen kaum verheimlichenden Bertelsmann-Stiftung; trotz der Angebundenheit des CHE an deren im wahrsten Sinne des Wortes private, der öffentlichen Kontrolle entzogene Interessen.

Es liegt auf der Hand, wie damit Zuständigkeitsbereiche, die öffentlicher Kontrolle zu unterliegen haben, von privaten Einrichtungen Schritt für Schritt besetzt werden sollen und wie dadurch das interessierte Diktat, die schiere Kontrolle durch das Kapital und seine Funktionäre, immer weitere Bereiche der Gesellschaft erfaßt und die restlichen Entscheidungs- und Kontrollkompetenzen öffentlicher Organe vollends aushöhlt oder zu bloßen Instanzen der Legitimation entwertet.

Reinhard Mohn war sich bei der Gründung der Bertelsmann-Stiftung wohl bewußt, was er meinte, als er sie unter das Motto ,,Eigentum verpflichtet" stellte, unter jenes Prinzip, unter das das Grundgesetz seine Eigentumsgarantie in Artikel 14 stellt. Diese "Sozialpflichtigkeit" meint im allgemeinen Verständnis eine Einschränkung der generell freien, nämlich rücksichtslosen Verfügung über Eigentum, eine Einschränkung der konsequenten Privatnützigkeit in der Zielsetzung des Umgangs und des Einsatzes des Kapitals. Nur so, das lehrt eine jahrzehntelange Erfahrung, kann der Zusammenprall zwischen demokratischen Willensbildungen und Kontrollen auf der einen und der Gewalt des konzentrierten Kapitals auf der anderen Seite etwas abgefedert werden.

Längst, nämlich seitdem das Kapital wieder in höchster Konzentration in Deutschland auftritt, ist dieses Verständnis der Sozialpflichtigkeit vom Kapital selbst ausgehebelt. Längst ist die "Sozialpflichtigkeit" in einem dem Kapital überaus günstigen Sinne umdefiniert, ja geradezu umgedreht, indem die Privatnützigkeit, in totaler Konsequenz angewandt, geradezu zur obersten, politischen Pflicht des Kapitals erklärt worden ist - so in der im Wortsinn herrschenden Lehre seit Anfang der achtziger Jahre.

Bereits 1971 formulierte der seinerzeit vielleicht wichtigste Repräsentant des deutschen Kapitals, Hermann Josef Abs, ehemaliger Vorstandssprecher der Deutschen Bank (und ehedem, nicht zu vergessen, führend beteiligt an der Entjudung - ab 1938 - deutschen und - ab 1939 - ausländischen Kapitals): ,,Eine parlamentarische Demokratie ist geradezu dadurch charakterisiert, daß die Legitimation durch Wahlen und die Legitimation durch Privateigentum in einem Gleichgewicht stehen."1

Hier war bereits eine spezielle Legitimation der Kapitalbesitzer zum Eingreifen in Politik gefordert oder behauptet worden, eine Legitimation, die gleichsam selbstverständlich aus der Verfügung über einigermaßen konzentriertes Kapital erwachsen sollte. Diese Position wurde sodann von Staatsrechtlern konsequent ausgebaut; sie wurde 1983 in die offiziöse Kommentierung zum Grundgesetz aufgenommen, in den hochrenommierten Grundgesetz-Kommentar von Maunz/Dürig, unter Auswechslung des Kommentators und der bisherigen Grundlinie des Kommentars zu Art. 14. Hans-Jürgen Papier, der neue Kommentator, vollzog in über 600 Randnoten eine wahrhaft gründliche Umkommentierung, mit dem Ergebnis, daß die Sozialpflichtigkeit geradezu einen Anspruch des Kapitals auf Einmischung in die Politik beinhalte, und zwar in dem Maße wachsend, in dem das Kapital konzentriert und mächtig auftritt. Das Gewicht des jeweiligen Kapitals gilt überhaupt nicht mehr als Gefahr für die Demokratie, sondern umgekehrt, die Demokratie wird als Gefahr für die Freiheit des agierenden Kapitals verstanden und deshalb - zu seinem Schutz - das Kapital geradezu verpflichtet, mit welchen Mitteln auch immer, als Teil der gesellschaftlichen Gewalten aufzutreten. Unsere ,,Eigentumsordnung" erfordere dies ,,gerade auch wegen ihrer politischen Explosivität".2 Papier hebt dabei hervor, daß diese Einmischung nicht einmal das Gemeinwohl im Auge zu haben brauche, also nicht einmal übergreifende Ziele; vielmehr beinhalte die Sozialpflichtigkeit des Eigentums gerade eine Einmischung ,,mit privatnütziger Zielsetzung"3 bzw. mit dem Ziel einer ,,privatnützigen Mitgestaltung der Sozialordnung".4 Papier führt dafür sogar ein neues Verständnis von Gewaltenteilung ein; er spricht von einer unsere Verfassung prägenden sozialen ,,Gewaltenteilungsfunktion"5 des Art. 14, davon also, daß dem Kapital im Maße seiner Konzentration eine besondere Legitimation zur Teilhabe an gesellschaftlicher Gewalt zukomme - eben als Gegengewicht zu den demokratischen Rechten des Volks. Eine rein auf den Volkswillen gestützte Demokratie lehnt er entschieden ab: Das Grundgesetz kenne gemäß Art. 14 ,,keine Totalität des (demokratisch legitimierten) Hoheitsakts ( ¼), keine potentiell absolute Herrschaft der politischen Demokratie über Gesellschaft und Wirtschaft".6

Diese extreme Interpretation der Sozialpflichtigkeit des Eigentums - Demokratie einschränkend und sie subtil eines totalitären Charakters verdächtigend - entspricht auf das Beste neoliberalen Vorstellungen und Interessen. Papier, seit kurzem zum Richter am Bundesverfassungsgericht und zum Vorsitzenden von dessen erstem Senat avanciert, hat damit die verfassungsrechtliche Anpassung an den herrschenden Neoliberalismus geleistet.

Das ist keine theoretische Konstruktion, sondern hatte seine volle Entsprechung in einer praktischen Politik, für die von der Bundesregierung und vom Bundestag die Tore bereits weit geöffnet waren. Seit Anfang der achtziger Jahre sind die Steuern auf das Kapital, insbesondere auf das konzentrierteste Kapital, stufenweise und schließlich radikal gesenkt worden. Dies hatte für unseren Zusammenhang zweierlei Folgen: Zum einen wuchs die Beweglichkeit des Kapitals, die Möglichkeit, es frei einzusetzen, in hohem Maße; zum anderen verarmten die öffentlichen Haushalte zunehmend - eine für das weitere Erstarken des Kapitals wichtige Schwächung des öffentlichen Sektors.

Es muß an dieser Stelle auf den hochpolitischen und entdemokratisierenden Charakter von Steuersenkungen zu Gunsten einflußreicher Konzerne hingewiesen werden. Jede Schwächung staatlicher Finanzkraft, z.B. im Hinblick auf das Bildungswesen, reduziert die Fähigkeit der öffentlichen Hand, die entsprechenden öffentlichen Aufgaben zu erfüllen; es sind aber gerade die hoheitlichen Institutionen, die noch einer gewissen öffentlichen Kontrolle unterliegen. Ökonomisch tritt nun an deren Stelle die um so größere Fähigkeit der steuerlich begünstigten Konzerne, jetzt in eigener Regie und ohne jede Kontrolle diese Funktionen wahrzunehmen. Das tritt zwar am deutlichsten bei Steuerentlastungen zu Gunsten des konzentriertesten Kapitals zutage; aber prinzipiell gilt dies auch für alle Gesetzesregelungen, die einen speziellen Steuererlaß für Stiftungen und Sponsorentum vorsehen; auch hier - so sehr die von Stiftungen und Sponsoren Bedachten im Einzelnen davon profitieren können - tritt an die Stelle abgebauter Steuern eine um so größere Fähigkeit privaten Kapitals, ohne jede demokratische Kontrolle entsprechende gesellschaftliche Aufgaben zu übernehmen.

Funktionen und Ziele des CHE

Mit großer Entschlossenheit und mit Unterstützung von höchster Stelle hat das CHE seine Arbeit im Mai 1994 aufgenommen. Binnen fünf Monaten erschienen sechs Arbeitspapiere, eines von ihnen von keiner geringeren Institution in Auftrag gegeben als der Weltbank.

Das CHE definiert sich selbst als eine ,,Denkfabrik" - das ist eine Beschönigung; es ist vielmehr ein Instrument, das längst vorentschiedene Ziele durchsetzen soll und dementsprechend vorgegebene Interessen verfolgt; sein großer Vorteil ist die ihm mitgegebene Fähigkeit zu Kampagnen mit langem Atem. Inhaltlich stimmt das CHE in seinen wesentlichen hochschulpolitischen Forderungen und Perspektiven überein mit dem Bundesverband der Deutschen Industrie, mit der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, mit dem Bundesverband des Deutschen Groß- und Außenhandels und mit dem Deutschen Industrie- und Handelstag. Nur im professionellen Geschick der Durchsetzung ist es diesen Institutionen selbst vielleicht überlegen - das gerade ist seine Funktion:

- durch erfahrene Nutzung und Bearbeitung der öffentlichen Medien, nicht zuletzt erleichtert durch die Konzern-Verbindungen, wie sie zusätzlich durch die gegenseitigen Verflechtungen mit dem Springer-Konzern und mit der Zeit-Stiftung sowie mit dem Spiegel-Verlag Rudolf Augstein gegeben sind;

- durch Symposien und Kongresse, oft verbunden mit gezielten Abschlußerklärungen (so z.B. die seinerzeit bereits als ,,Ruck" verstandene Leipziger Erklärung zur Hochschuleingangsprüfung von 1996);

- durch Projekte mit Modellcharakter (so z.B. das oben genannte Modellvorhaben für eine Erprobung der globalen Steuerung von Hochschulhaushalten in Niedersachsen und zahlreiche andere Kooperationen mit Hochschuleinrichtungen, desgleichen durch Modellentwicklungen, z.B. zusammen mit dem Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft u.a. wirtschaftsnahen Organisationen);

- durch Förderung mit dem CHE kooperierender StudentInnen, durch Initiierung und Entwicklung eines CHE-nahen Studentenverbands namens "scheme" oder "sCHEme", bestehend ,,aus handverlesenen Studenten aus ganz Deutschland";7

- und nicht zuletzt durch unentwegtes Auftreten Detlef Müller-Bölings selbst in Printmedien und einschlägigen Fernsehsendungen.

Damit tritt das CHE z.B. als Promotor auf für Hochschuleingangsprüfungen, für die Einführung von Studiengebühren (vom CHE in ,,Kostenbeteiligung" umbenannt), für die Einsetzung von Hochschulräten/ Beiräten/Kuratorien, bezeichnet als ,,Vertreter gesellschaftlicher Gruppen" (keineswegs nur mit beratender Funktion), für neue, nämlich privatisierte Formen der Hochschulfinanzierung (mit allen Folgen auch inhaltlicher Abhängigkeit), für neue Strukturen der inneruniversitären Mittelverteilung, für eine damit verbundene Konzentration der Führungsfunktionen an den Universitäten auf DekanInnen und PräsidentIn (mit großen Mittelverteilungs-Privilegien) sowie für die Einführung von Evaluationen, die auch bei der Lehre nicht im wesentlichen von StudentInnen getragen werden sollen. Und all dies soll letztendlich eine gesteigerte Einflußnahme privater Geldgeber auf inhaltliche Prozesse und personelle Stellenbesetzungen garantieren, ja vielleicht im selben Maße bis in Einzelheiten hinein den Durchgriff des Kapitals ermöglichen, wie wir es bereits 1997 in dem heftigen Konflikt zwischen dem Vorstandsvorsitzenden des Bertelsmann-Konzerns, Mark Wössner, und der Privatuniversität Herdecke kennengelernt haben.8 So tritt schließlich das Interesse an der Bekämpfung einer ,,undifferenzierten Demokratisierung der Hochschulen"9 , das gewaltige Eingriffsinteresse, das mit solchen "Reformen" durchgesetzt werden soll, deutlich zutage.

Kein Wunder, daß die Durchsetzung all dessen trotz aller noch herrschender Lethargie an den Hochschulen nicht so leicht möglich ist; da ist man schon auf Verschleierungsbegriffe wie "Autonomie", "große Handlungsspielräume", "doppelte Legitimation", "neue Formen der Partizipation" etc. angewiesen. Anders würden die unternehmerähnlichen Führungsfunktionen zu offensichtlich sein und stärkeren Widerstand provozieren; da hört sich der Begriff "Korporative Autonomie" doch einschmeichelnder an als jede offene Propaganda für Führer-Strukturen.

Eleminierung aller Utopien

Eine solche Propaganda ist aber nicht ein Skandal, der nur eben einer antidemokratischen Haltung personell zuzuordnen wäre, sondern das logische Ergebnis eines mit jedem Konzentrationsschub notwendigerweise wachsenden Widerspruchs: Je mächtiger und gewaltiger das konzentrierte Kapital auftritt, desto unerträglicher werden ihm alle demokratischen und sozialen Bändigungsversuche und alle institutionellen Regelungen, die solches unterstützen. Deren Einschränkung oder Beseitigung ist kein willkürliches, sondern sein expansionsbedingtes, also lebensnotwendiges Ziel.

Es geht hier eben nicht nur um "reine Ökonomie", nicht nur um billige, kurzfristig verwertbare Arbeit in Forschung und Lehre oder auch nur billige und kurzfristig abgeschlossene Ausbildung (so vor allem in den neuen Bachelor-Studiengängen); es geht darüber hinaus, aber ebenfalls nicht nur, um eine - nicht zuletzt ideologische - Ausrichtung des Studiums allein auf Marktprinzipien, auf ein Selbstverständnis der eigenen Qualifikation, wonach diese nichts anderes mehr darstellen soll als eine "Investition in die eigene Person" (deutlich bei Studiengebühren und der Propagierung ihrer biographischen Rentabilität als Maßstab). Um all dies geht es zwar auch, aber letztlich geht es um hochpolitisch-ökonomische Perspektiven: um die Durchsetzung einer Sachgerechtigkeit als Prinzip, um eine mentale Einstimmung, die sich jedes Fragen oder gar In-Frage-Stellen bzgl. der Bedingungen von Vorgängen oder Maßnahmen verbietet, diese gleichsam als religiös oder naturgesetzlich hinnehmend. Und dies ganz entgegen jeder aufgeklärten Perspektive und der aufklärerischen Funktion von Hochschulen, die Menschen aus ihrer Opferrolle herauszuholen, sie als Handelnde verstehbar und die Bedingungen dafür ihnen selbst erkennbar zu machen. Die Folge soll sein, daß wenn z.B. einmal 50% der Studienplätze abgebaut werden sollen, dies als Ergebnis einer unwiderstehlichen Naturgesetzlichkeit, erzwungen durch den Markt, gelten soll. Es geht dabei um den Versuch einer Ersetzung von Politik durch marktgesetzliche Sachgerechtigkeiten und um den Aufbau von Strukturen, deren Sinn es nicht zuletzt ist, jeden Widerstand als widersinnig, als Selbstschädigung der ihn leistenden Subjekte zu verstehen.

Daher: Eliminierung allgemeinpolitischer Interessen (nachdem allgemeinpolitische Äußerungen von StudierendenvertreterInnen längst verboten sind), Eliminierung aller Befähigung zu allgemein-politischer Analyse, Eliminierung aller Utopien und aller an ihnen ausgerichteten Denkformen - und ihre Ersetzung durch das kalte Kalkül als Lebensperspektive.

Es ist kein Zufall, daß diese fundamentalen Änderungen im Bildungssystem gerade jetzt in Gang und durchgesetzt werden sollen. Angesichts der gegenwärtig beschleunigten technologischen Fortschritte geht es z.Zt. besonders darum, durch wen und in welchen Relationen zwischen den Klassen und den rivalisierenden Gesellschaftsgruppen die gewaltigen Mehrprodukte realisiert werden können, wer also über jene Mehrprodukte verfügt, die sich aus den großen technologischen Produktionssteigerungen ergeben.

Die allgemein-politischen Interessen - sowohl allgemein in der Gesellschaft, als auch gerade unter den Studierenden - stellen für die Freiheit des Kapitals eine potentielle Einschränkung, also eine deutliche Gefahr dar und werden so wahrgenommen. Die Frage der Studiengebühren, das sei nochmals betont, ist politisch hier angesiedelt: Mit ihnen sollen zwar auch Sparmaßnahmen zu Gunsten der öffentlichen Haushalte praktiziert werden. Aber vor allem geht es um straffe soziale und ideologische Selektion, mit der letztlich durchgesetzt werden soll, daß nur noch solche Mentalitäten geduldet und gefördert werden, die sich hauptsächlich an Marktgesetzlichkeiten orientieren.

All dies sind keine völlig neuen Phänomene in der Wissenschaft und in der Forschung; die Drittmittel-Finanzierung ist längst verbreitet und jene Abhängigkeiten damit konstituiert. Aber sie flächendeckend zu etablieren, sie zum Grundprinzip aller Wissenschaft, Forschung und Lehre zu erheben, das ist das Ziel der gegenwärtig laufenden fundamentalen Änderungsprozesse. Damit könnte eine überaus konsequente Einbindung der betroffenen Hochschulangehörigen in das marktgerechte Unterdrückungssystem durchgesetzt werden.

Vielleicht gibt es bereits heute ein ideales Vorbild für die Strukturen, die letztlich angepeilt werden. Im Oktober 1998 hat die Bertelsmann-AG, also der Konzern, eine hausinterne Corporate University eröffnet, und zwar in Form einer virtuellen Universität, perfekt ausgerichtet auf die Interessen des Konzerns selbst: Führungskräfte aus 50 Ländern (!) werden hier in ihre Tätigkeiten im Konzern eingewiesen und periodisch qualifiziert. Damit soll nicht nur substantielle Qualifikation vermittelt, sondern zugleich und vor allem ein neues Bewußtsein geschaffen werden, nämlich eine Corporate Identity - der Name der Universität sagt es -, und zwar als virtuelle Wirklichkeit, hocheffektiv den Marktinteressen des Bertelsmann-Kapitals angepaßt.

Prof. Dr. jur. Martin Bennhold lehrt Rechtssoziologie an der Universität Osnabrück

Anmerkungen

1 Abs: Lebensfragen der Wirtschaft, 1976, S.92f.

2 Maunz/Dürig: Grundgesetz, Art. 14, Rdnr. 5

3 Ebd., Rdnr. 4 und 276

4 Ebd., Rdnr. 12

5 Ebd., Rdnr. 4

6 Ebd.

7 Die Zeit vom 11.2.1999

8 Die Welt vom 24.3.1997

9 Müller-Böling, Süddeutsche Zeitung vom 21.2.1998