Hegemonie der Stammtische

Otto Schily hat den Gesetzentwurf "zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthaltes und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern" vorgelegt. Was ist davon zu ha

Der Innenminister der Bundesrepublik Deutschland, Otto Schily, läuft nicht Gefahr seinen "guten Ruf" zu verlieren. Seinen Job, dem bürgerlichen Lager innenpolitisch keine offenen Flanken zu bieten, erledigt der "beinharte" Ex-RAF-Verteidiger ganz vorzüglich. Ob beim Abkanzeln der Stasi-Akten-Verwalterin Birthler, beim Kampf gegen die "Krawall-Szene" der Globalisierungsgegner oder bei der Pflege der "Das Boot ist voll"-Rhetorik - stets steht der für den Kanzler "unverzichtbare" Rechtsanwalt in vorderster Front, wenn es darum geht, die "freiheitlich demokratische Grundordnung" im Sinne des Rechtspopulismus zu modernisieren.

Der von Schily vorgelegte Gesetzentwurf "zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthaltes und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern" liegt ganz auf dieser Linie. Getreu dem von der Süssmuth-Kommission (siehe Kommentar "Nützliche Ausländer" sowie eine Zusammenfassung der Redaktion Sozialismus von Zitaten aus dem Bericht) vorgegebenen Motto, wird die Zuwanderungspolitik zukünftig an den ökonomischen Interessen der bundesdeutschen Wirtschaft ausgerichtet. Abweichungen vom Konzept der Kommission betreffen vor allem die "humanitäre Aufnahme", sprich den Umgang mit AsylbewerberInnen.
- Bei abgelehnten AsylbewerberInnen will der Innenminister zukünftig differenziert wissen, "zwischen Personen, die nicht zurückkehren können, und solchen, die nicht in ihr Land zurückkehren wollen." Während ersteren ein befristetes Aufenthaltsrecht gewährt werden soll, sollen "ausreisepflichtige Personen" zukünftig "in einer Ausreiseeinrichtung", sprich in einem Lager untergebracht werden. Ausnahme: Bei "besonderen humanitären Interessen" wird "ein befristetes Aufenthaltsrecht für Personen gewährt", wenn "international tätige Körperschaften, wie z.B. Kirchen" die Kosten übernehmen.
- Generell sollen "ausreisepflichtige Personen" ebenso wie AsylbewerberInnen auch nach drei Jahren Aufenthalt in Deutschland nur mehr "Leistungen nach dem Asybewerberleistungsgesetz" erhalten. "Damit soll der Anreiz vermieden werden, die Asylverfahren und die Beendigung des Aufenthaltes zu verzögern."
- Zukünftig wird bei "Asylberechtigten und Inhabern des sog. ›kleinen Asyls‹ ... vor Erteilung eines Daueraufenthaltsrechts nach drei Jahren überprüft, ob sich die Verhältnisse im Herkunftsland geändert haben."
- Durch die Abschaffung der "Weisungsunabhängigkeit der Einzelentscheider" und die Abschaffung des "Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten" sichert sich das Innenministerium den direkten Zugriff auf die Asylverfahren.
- Künftig soll schließlich "auch das sog. ›kleine Asyl‹ regelmäßig ausgeschlossen sein, wenn der Ausländer ohne Verfolgungshintergrund aus seinem Herkunftsland ausreist und erst durch selbstgeschaffene (subjektive) Nachfluchtgründe eine Verfolgung im Herkunftsland auslöst." Im Klartext: Wer in der Bundesrepublik an einer Demo gegen die Diktatur im Heimatland teilnimmt und deswegen dort verfolgt zu werden droht, hat sein Bleiberecht verwirkt.
- AsylbewerInnen wird generell der Anspruch auf "Zuwanderung aus Erwerbsgründen" abgesprochen.

Ob Schilys Kalkül aufgehen wird, mit diesen Zugeständnissen an die Stammtische (dazu gehört auch die Absenkung des Nachzugsalters für Kinder von ArbeitsmigrantInnen von 16 auf 12 Jahre) aus dem Thema Zuwanderung den politischen Zündstoff zu nehmen, bleibt abzuwarten. Die Reaktionen nach Vorlage des Gesetzesentwurfs machen deutlich, dass mindestens Teile der Unionsparteien (Stoiber, Koch) darauf setzen, der ökonomisch und sozial immer stärker in Bedrängnis geratenden Bundesregierung mit der Debatte über die Ausländerpolitik den Garaus zu machen.

(Eine Übersicht über die wichtigsten Änderungen gegenüber dem geltendem Recht gibt es unter http://www.bmi.bund.de/frame/dokumente/Artikel/ix_50819.htm)