Notnagel vs. Förderfalle

Zu öffentlich geförderter Ausbildung.

Die prekäre Situation auf dem Ausbildungsmarkt ist schon mehrfach diskutiert und dargestellt worden.

Berufsbildungspolitik im Osten Deutschlands ist nicht mit der in den westlichen Bundesländern zu vergleichen. Im Osten werden nur noch 48 Prozent im Rahmen des Dualen System der Berufausbildung ausgebildet, die anderen 52 Prozent landen in öffentlich geförderten Sonderprogrammen. Diese sind vor über 25 Jahren eigentlich für besonders benachteiligte Jugendliche geschaffen worden.

_Von der Notlösung zur Förderfalle.

Vor diesem Hintergrund und der Gewissheit, dass sich die Wirtschaft immer mehr aus der Ausbildungsverantwortung zurückziehen und es eine solidarische Umlagefinanzierung auch mit dieser rot-grünen Bundesregierung nicht geben wird, hat die Politik vor allem finanzielle Anstrengungen un-ternommen, Ausbildungsplätze zu schaffen und Jugendlichen eine Ausbildung aus den öffentlichen Haushalten zu finanzieren.

Diese - politisch gewollten - Anstrengungen haben jedoch einen hohen Preis, der erst mit den Folgewirkungen richtig deutlich wird: Und zwar die Herausbildung von regelrechten Verhaltensmustern bei einigen Unternehmen, für die sich eine staatliche Förderung beruflicher Erstausbildung nicht mehr nur als eine Chance zu kleineren Mitnahmeeffekten, sondern in einem erheblichen Umfang auch als eine günstige Gelegenheit zu regulärer Einnahmeerzielung darstellt. Was zur Folge hat, dass staatliche Politik - zumindestens in diesen Fällen - zu einer regelrechten Förderfalle wird und zu einer außerordentlich engen Berufsstruktur bei den Auszubildenden führt, die in offenem Widerspruch zu den langfristigen Interessen der Jugendlichen und der Wirtschaft steht.

Es versteht sich von selbst, dass sich Berufsbildungspolitik nicht mit der Bewältigung der aktuellen kurzfristigen Pro-blemlagen begnügen darf, sondern in den kommenden Jahren zunehmend auch die längerfristigen Herausforderungen in den Blick nehmen muss. Gerade deshalb ist es wichtig, über berufliche Erstausbildung und deren Finanzierung und Ausgestaltung zu debattieren. Und auch, wie die öffentliche Förderung in diesem Zusammenhang zukünftig auszusehen hat.

_Neue Förderungspolitik entwickeln:

Dabei zielen meine Empfehlungen in zwei Richtungen: Zum einen geht es um die Vereinheitlichung und Vereinfachung von Richtlinien und Zuständigkeiten und in der Bewilligungspraxis bei den Programmen zur öffentlichen Förderung von Ausbildungsplätzen in den privaten Unternehmen und bei der sogenannten Überbedarfförderung. Es geht um mehr Transparenz und die Konzentration der Förderung auf wenige strategische Fördertatbestände, vor allem auf die Erstausbildung und die Ausbildungskooperationen bzw. -verbünde. Zum anderen geht es darum, den Aufbau von Ausbildungskapazitäten mit hoher Qualität in zukunftsträchtigen Berufen zu konzentrieren.

Weiterhin ist die Wirtschaft stärker in die Verantwortung zu nehmen und ein schrittweiser Rückzug des Staates aus der Ausbildungsförderung in der Fläche anzustreben. Außerdem geht es darum, schon jetzt der demographischen Falle entgegenzuwirken und Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Und es geht um die Entwicklung neuer Formen der Arbeitsteilung und Zusammenarbeit von Schulen und Betrieben mit Bildungsträgern, die in diesen Strukturen, wie sie zur Zeit existieren, zukünftig nur eine Chance haben werden, wenn sie über die Bewältigung der aktuellen Lehrstellenknappheit hinaus gemeinsam überlegen, welche Potentiale in dieser Struktur vorhanden sind und wie diese Potentiale besser genutzt werden können.

Das duale System der beruflichen Ausbildung in der für die Bundesrepublik Deutschland üblichen Form setzt voraus, dass die Wirtschaft die primäre Verantwortung für die Ausbildung ihres eigenen Nachwuchses übernimmt. Staatliche Förderung betrieblicher Ausbildung muss, wenn man nicht die Grundlagen dieses Systems in Frage stellen will, auf Ausnahmesituationen beschränkt bleiben, in denen die Eigenverantwortung der Wirtschaft nicht ausreichend ist. Da dieser Zustand noch einige Jahre andauern wird, besteht das hohe Risiko, dass aus den Fördermaßnahmen, die nur unter diesen Ausnahmebedingungen gerechtfertigt sind, unter der Hand dauerhafte Verhältnisse entstehen, die niemand in dieser Form gewollt hat. Ein einfaches, unflexibles Festhalten am Dualen System, so wie es einmal gelebt haben soll, und die einfache Programmforderung "Her mit der Umlage!" reichen jedoch angesichts der Situation im Osten bei weitem nicht mehr aus.