Hannibal ante portas. Der Krieg der USA und die Weltöffentlichkeit

Weltmeinung: Der Krieg steht bevor

Auch wenn der Krieg jetzt in vollem Gange ist, zeigt der Artikel wichtige Aspekte und Hintergründe der US-amerikanischen Kriegspsychologie auf und analysiert die Reaktionen der Weltöffentlichkeit.

Bei den früher so beliebten Sandalenfilmen konnte man häufig den Eindruck gewinnen, besonders wenn sie aus den Studios von Hollywood kamen, die gezeigten antiken Völker, die über die staubigen Schlachtfelder zogen, seien die unmittelbaren Vorläufer der US-Amerikaner. Deren Rede- und Lebensweise wurden vorgeführt, ihre Werte waren es, denen die Helden folgten. Deren Nachfahren wiederum sind wohl als die Pilgerväter mit der "Mayflower" 1 in Nordamerika gelandet. Die Nächstenliebe dieser Puritaner reichte gerade einmal bis zum Glaubensbruder, der Rest der Welt konnte notfalls mit Gewalt zum wahren Glauben bekehrt werden.

So wurde nicht nur die Kolonialisierung des Kontinents vollzogen, der Puritanismus brachte die protestantische Arbeitsethik hervor und förderte damit die Herausbildung eines besonders effektiven Kapitalismus.

Das zusammen zeugte den Amerikanismus, jenes in den USA besonders in und von der weißen Oberschicht verbreitete Sendungsbewußtsein, überall auf der Welt die eigenen und für richtig gehaltenen Werte und Normen durchsetzen zu wollen.

Das erklärt nicht das imperiale Gehabe der einzigen übrig gebliebenen Supermacht, kann aber den geistigen Hintergrund aktueller Vorgänge und ihrer politischen Begründungen erhellen.

Wie weiland die Sandalenheere Hollywoods machen sie sich nun daran, ihr Weltbild und damit ihre Interessen mit der Begründung des Kampfes gegen den Terrorismus auch mit den Mitteln des Krieges durchzusetzen. Realität und Abbild sind auseinander getreten, der Kampf um die Köpfe, der über die Bildschirme flimmert, wird die realen Vorgänge flankieren.

Überall auf der Welt wird damit gerechnet, daß ein Krieg gegen den Irak unmittelbar bevorsteht. In den westeuropäischen Ländern erwarten jeweils große Mehrheiten, daß der Krieg gegen den Irak in den nächsten Monaten zu erwarten ist. Drei Viertel und mehr halten das für sehr wahrscheinlich oder ziemlich wahrscheinlich. In Luxemburg haben insgesamt 91 % diese Erwartung, das ist der höchste gemessene Wert überhaupt. In Großbritannien, Frankreich, Dänemark, Deutschland und der Schweiz liegt dieser Anteil jeweils bei über 80 %, so ist das Meinungsbild auch in anderen westeuropäischen Ländern. In Portugal und Spanien sind es drei Viertel, die mit einem baldigen Beginn des Krieges rechnen, also gleichfalls die große Mehrheit.

In Osteuropa ist die Situation differenzierter, die Unterschiede zwischen den Ländern sind größer. In Bulgarien und Jugoslawien sind es gleichfalls über 75 %, die einen baldigen Kriegsbeginn gegen den Irak für wahrscheinlich halten. In Rußland und Rumänien meinen zwei Drittel, daß er demnächst bevorsteht. Aber in Ländern wie Albanien oder Georgien ist es jeweils nur reichlich die Hälfte, die an einen kurz bevorstehenden Krieg glaubt.

In den USA selbst sind es 86 %, die einen baldigen Beginn des Krieges gegen den Irak für wahrscheinlich halten.

In Kanada sind mehr als drei Viertel dieser Auffassung. In lateinamerikanischen Ländern ist das Meinungsbild ähnlich, in Ecuador sind es 84 %, in den meisten Ländern sind es wie in Argentinien und Uruguay etwa drei Viertel, die demnächst den Beginn des Krieges erwarten.

Im pazifischen Raum und in Afrika gibt es größere Unterschiede im Meinungsbild. Einerseits ist in Australien und Neuseeland die Erwartung des baldigen Krieges so weit verbreitet wie in Nordamerika und Westeuropa. Es gibt aber auch einzelne Länder, wo diese Erwartung nur von etwa der Hälfte der Bevölkerung geteilt wird, wie in Uganda, oder sogar Minderheitsmeinung ist, das sind Nigeria und Malaysia.

Fast überall wird das US-amerikanische Sendungsbewußtsein sehr ernst genommen. Wie einst Hannibal mit seinen Kriegselefanten stehen die USA mit ihrer überlegenen Kriegsmaschinerie bereit.

Ablehnung des Krieges in den meisten Ländern

Der Krieg der USA gegen den Irak stößt in der internationalen öffentlichen Meinung auf breite Ablehnung. 2 Aber der Amerikanismus funktioniert heute im eigenen Land nicht mehr flächendeckend. Ein Alleingang mit Verbündeten 3 findet gegenwärtig selbst in der öffentlichen Meinung der USA keine mehrheitliche Zustimmung. Eine mehrheitliche Zustimmung insgesamt würde dort dann erreicht, wenn es ein UNO-Mandat geben sollte, dann würden insgesamt reichlich zwei Drittel den Krieg gegen den Irak befürworten. 4

Die Akzeptanz eines Alleinganges der USA mit Verbündeten ist in allen anderen Ländern klare Minderheitsmeinung. Sie liegt bei Australien und Kanada bei etwa 10 %, in allen anderen Ländern befürworten das nur unter 10 %. Nimmt man beide Möglichkeiten der Zustimmung zusammen (in der realistischen Annahme, daß Zustimmung zu einem Alleingang bei einem Mandat der UNO gleichfalls erteilt wird), dann existieren neben den USA insgesamt nur fünf Länder, in denen der Krieg gegen den Irak überhaupt von einer Mehrheit befürwortet wird: Australien - 68 %, Kanada - 56 %, Neuseeland - 60 %, Niederlande - 58 % sowie Irland - 58 % (Australien, Neuseeland und zum Teil Kanada sind gleichfalls Gesellschaften, die aus englisch-protestantischen Kolonialisierungen hervorgegangen sind). In Großbritannien und Deutschland 5 ist es jeweils knapp die Hälfte, die bei einem UNO-Mandat dem Krieg gegen den Irak zustimmt (49 bzw. 48 %). In den meisten anderen Ländern sind es klare Mehrheiten, die zum gegenwärtigen Zeitpunkt den Krieg gegen den Irak ablehnen, zum Beispiel in Frankreich 60 %, in Rußland 59 %, in Indien gleichfalls 59 %, und in Südafrika sind 63 % gegen den Krieg.

Das internationale Meinungsbild zu einem Krieg gegen den Irak ist deutlich anders, als es ein Jahr zuvor zum Krieg in Afghanistan festzustellen war. In Westeuropa hat in allen Ländern die Ablehnung des Krieges deutlich zugenommen, in einigen hat sich der Anteil der Kriegsgegner mehr als verdoppelt.

Das gilt zum Teil auch für Länder mit einer relativ hohen Befürwortung des Krieges wie für die Niederlande, hier ist die Ablehnung von 17 auf 38 % angestiegen, für Deutschland (22 % mehr Ablehnung) und Großbritannien (21 % mehr Ablehnung). Allein in Irland ist der Zuwachs gering, 5% stärker ist die Ablehnung als vor einem Jahr. Das gilt auch für Länder, in denen bereits vor einem Jahr ablehnende Meinungen relativ häufig geäußert wurden: Luxemburg (plus 28 %), Portugal (plus 24 %), Schweiz (plus 8 %), in Spanien war und ist die Ablehnung des Krieges besonders stark, sie ist von 49 % auf nun 74 % angestiegen. Den größten Zuwachs haben die Kriegsgegner in Frankreich, ihre Zahl verdreifachte sich von 20 % auf 60 %.

In Osteuropa ist die Akzeptanz eines Krieges gegen den Irak nahezu überall gering und seine Ablehnung weit verbreitet. In fast allen Ländern, in denen die Untersuchung stattfand, ist die Ablehnung des Krieges Mehrheitsmeinung, nur Rumänien bildet mit 49 % Zustimmung eine Ausnahme. Auch in diesem Raum wird der Krieg gegen den Irak deutlich häufiger abgelehnt als der Krieg gegen Afghanistan vor einem Jahr. Besonders stark zugenommen hat die Ablehnung in Albanien (plus 42 %), in Georgien (plus 37 %) und in Estland (plus 23 %). In den übrigen osteuropäischen Ländern beträgt der Zuwachs an Ablehnung zwischen 9% in Rußland und 18 % in Bulgarien.

Einen erheblichen Unterschied gibt es bei dieser Frage zwischen Nord- und Lateinamerika. Wie bereits dargestellt, gehören die USA und Kanada zu den Ländern, in denen der Krieg gegen den Irak eine relativ große Zustimmung findet.

Aber auch in den USA ist die Ablehnung des Krieges um 15 % höher als ein Jahr zuvor. In Lateinamerika ist die Ablehnung des Krieges gegen den Irak Mehrheitsmeinung. Zugleich handelt es sich mehrheitlich um Länder, in denen die Ablehnung sehr stark zugenommen hat: in Argentinien um 73 %, in Uruguay um 66 % und in Bolivien um 56 %.

Auch in den Ländern des pazifischen Raumes (mit Ausnahme von Australien und Neuseeland) und Afrikas wird ein Krieg gegen den Irak relativ häufig abgelehnt.

Nur in Hongkong sind die Meinungen geteilt, 49 % sind insgesamt für den Krieg, 47 % sind gegen ihn. Aber auch dieser ablehnende Anteil ist um 38 % größer als vor einem Jahr. In den übrigen Ländern sind es jeweils Mehrheiten, die ablehnende Positionen einnehmen. Sie sind viel stärker als vor einem Jahr. Die Zuwächse bei der Ablehnung liegen zwischen 50 % (Pakistan), 46 % (Kenia) und 25 % (Malaysia).

Wenig Bereitschaft zur Unterstützung 6

Bei der Frage, ob das eigene Land eine militärische Aktion der USA gegen den Irak unterstützen soll, ergibt sich ein ähnliches Meinungsbild, wie es im vorangegangenen Abschnitt dargestellt worden ist. In den meisten Ländern sind Mehrheiten der Meinung, daß ihr eigenes Land die USA in dieser Frage nicht unterstützen soll.

In Australien gibt es eine leichte, in Kanada und Großbritannien jeweils relative Mehrheiten, die dafür sind, die USA bei einem Krieg gegen den Irak zu unterstützen. In Dänemark gibt es eine leichte Mehrheit gegen die Beteiligung des eigenen Landes. In anderen Ländern liegt die Ablehnung einer Unterstützung deutlich über der Zustimmung zu einer Unterstützung des Krieges der USA durch das eigene Land. In Indien sind 35 % für und 62 % gegen eine Unterstützung, in Deutschland sind 24 % dafür und 71 % dagegen, in Argentinien sind 6% dafür und 89 % dagegen und in der Schweiz 8% dafür und 90 % dagegen.

Auch bei dieser Frage ist der Vergleich mit Meinungen von vor einem Jahr bezüglich des Krieges in Afghanistan möglich.

In den bisher in diesem Zusammenhang noch nicht erwähnten westeuropäischen Ländern überwiegt unterschiedlich stark die Ablehnung einer Unterstützung der USA durch das eigene Land. Die Spannweite reicht von 52 % Ablehnung in den Niederlanden bis 69 % in Irland.

In der Mehrzahl der westeuropäischen Länder gab es vor einem Jahr Mehrheiten für eine Beteiligung des eigenen Landes. Derartige Mehrheiten gibt es (mit Ausnahme von Großbritannien - siehe oben) nicht mehr. Die Relationen sind umgeschlagen, die Ablehnung einer Beteiligung des eigenen Landes hat überall zugenommen, das reicht von 8% in Portugal bis 27 % in den Niederlanden.

In Osteuropa war die Situation vor einem Jahr bereits differenzierter. Es gab Länder mit einer mehrheitlichen Zustimmung wie Albanien und Rumänien, in den meisten Ländern waren Mehrheiten gegen eine Teilnahme des eigenen Landes.

Das hat sich - bezogen auf den jetzt bevorstehenden Krieg gegen den Irak - teilweise verändert. In einigen Ländern wie Bulgarien und Georgien sind die ablehnenden Positionen etwa gleich stark geblieben. In Estland ist die Ablehnung heute schwächer als vor einem Jahr (minus 12 %). In anderen Ländern hat der Anteil derer, die eine Unterstützung ablehnen zugenommen (Albanien plus 13 %, Bosnien- Herzegowina plus 10 %).

In Lateinamerika war vor einem Jahr die Unterstützung des Krieges in Afghanistan seitens des eigenen Landes Mehrheitsmeinung. Das ist völlig umgeschlagen. Gegenwärtig sind in allen Ländern große bis sehr große Mehrheiten gegen eine Unterstützung eines Krieges der USA gegen den Irak durch das eigene Land.

Diese ablehnenden Mehrheiten reichen von 58 % in Kolumbien bis zu 89 % in Argentinien. Auch im pazifischen Raum und in Afrika gab es vor einem Jahr in den meisten Ländern Mehrheiten für eine Unterstützung, nur Indien bildete eine Ausnahme, dort waren 82% dagegen. Gegenwärtig ist die Situation ziemlich einheitlich.

Neuseeland stellt eine Besonderheit dar, hier gibt es mit 51 % nur eine knappe Gegnerschaft gegen eine Beteiligung des eigenen Landes, aber immerhin 37 % sind dafür, die USA bei einem Krieg gegen den Irak zu unterstützen. In den anderen Ländern ist die Ablehnung Mehrheitsmeinung, das reicht von 62 % in Indien bis 81 % in Nigeria, die dagegen sind, daß ihr Land Unterstützung leistet.

Bewertung der US-Außenpolitik

In den USA meinten vor einem Jahr noch zwei Drittel, daß die amerikanische Außenpolitik positiv auf das Land zurück wirke, was wohl bedeutet, daß sie dem Wohle des eigenen Landes diene.

Diese Mehrheit ist geschrumpft in eine relative Mehrheit von 43 %, die auch gegenwärtig positive Wirkungen sieht. Immerhin 36 % sind gegenwärtig der Meinung, daß die amerikanische Außenpolitik auf die USA selbst negativ wirkt, dem Lande also schadet.

Aus internationaler Sicht bot die US-Außenpolitik vor einem Jahr ein differenziertes Bild.

Es gab Länder, in denen die Meinung überwog, die amerikanische Außenpolitik wirke positiv auf das eigene Land, in anderen Ländern überwog die Meinung, sie wirke negativ, und es gab Länder mit einem ausgewogenen Meinungsbild.

Diese Außensicht auf die Außenpolitik hat sich verändert.

Jetzt lassen sich drei Gruppen von Ländern unterscheiden. Zunächst gibt es eine Gruppe von Ländern, in denen vor einem Jahr etwa 40 % eine negative Wirkung der amerikanischen Außenpolitik auf ihr Land sahen und in denen dieser Anteil in diesem Jahr stark angestiegen ist.

Zu diesen Ländern gehören in dieser Auswahl Frankreich (von 38 auf 71 %), Deutschland (von 40 auf 67 %) und Spanien (von 37 auf 57 %).

In einer weiteren Gruppe war es vor einem Jahr noch Minderheitsmeinung, daß die US-Außenpolitik negative Wirkungen auf das eigene Land habe, dort ist jetzt eine relative Mehrheit dieser Meinung. Dazu gehören in dieser Auswahl Großbritannien (von 29 auf 42 %) und Bulgarien (von 24 auf 41 %).

In einer dritten Gruppe von Ländern hat sich der Anteil derer mit einem negativen Bild der US-Außenpolitik im letzten Jahr nur geringfügig verändert. Dafür stehen Rußland (von 54 auf 55 %), Pakistan (von 42 auf 44 %) und Bolivien (von 54 auf 55 %).

In den westeuropäischen Ländern ist der Trend relativ einheitlich. Die amerikanische Außenpolitik hat insgesamt an Ansehen verloren. Der Anteil derer, die eine positive Wirkung sehen, ist fast überall zurückgegangen und jetzt deutliche Minderheitsposition. In Dänemark gibt es einen Rückgang von 34 auf 17 %, in Luxemburg von 33 auf 12 %, in den Niederlanden von 12 auf 7 %, in Spanien von 14 auf 9 %. In diesen Ländern ist der Anteil derer mit einer negativen Sicht deutlich angestiegen, in Dänemark um 27 %, in Luxemburg um 38 %, in den Niederlanden um 35 % und in Spanien um 20 %. Aber auch in Portugal, wo der Anteil derer, die der amerikanischen Außenpolitik eine positive Wirkung auf das eigene Land zugestehen, noch leicht von 18 auf 22 % angewachsen ist, ist der Anteil derer mit einer negativen Sicht deutlich von 24 auf 36 % angestiegen.

Während die Außenpolitik der USA in westeuropäischen Ländern einen deutlichen Imageverlust hinnehmen muß, ist ihre Bewertung in Osteuropa differenzierter. In Estland hat nach wie vor die relative Mehrheit ein positives Bild von den Wirkungen der amerikanischen Außenpolitik auf das eigene Land, die von 33 auf 39 % angewachsen ist, der Anteil derer mit negativer Meinung ist von 23 auf 25 % nur leicht gestiegen und nach wie vor Minderheitenposition. In Georgien ist der Anteil derer mit einer positiven Meinung erheblich, von 18 auf 38 %, angewachsen und bildet jetzt eine Mehrheit. In Mazedonien haben sich die Relationen kaum verändert, etwa ein Viertel bewertet die US-Außenpolitik positiv, die Hälfte negativ. In Jugoslawien ist die Mehrheit mit einer negativen Meinung von zuvor 56 % noch weiter auf jetzt 68% angewachsen.

Differenziert sind die Meinungsbilder auch in Lateinamerika. In Ländern wie Argentinien und Uruguay gab es auch vor einem Jahr schon ein negatives Bild von der USA-Außenpolitik, das hat sich noch weiter verstärkt. In Argentinien waren vor einem Jahr nur 12 % der Meinung, daß diese Politik positiv auf ihr Land wirke, jetzt sind 13 % dieser Meinung, ein negatives Bild hatten vor einem Jahr 57%, jetzt 58 %. In Uruguay liegen die positiven Meinung etwa im gleichen Bereich, die negativen Meinungen haben sich von 45 % auf 54 % verstärkt. Anders ist die Entwicklung in Kolumbien. Dort war vor Jahresfrist eine relative Mehrheit von 39 % der Meinung, die US-Politik wirke negativ auf ihr Land, dieser Anteil ist leicht auf 37 % geschrumpft. Der Anteil derer mit einer positiven Meinung ist von 35 % auf 48 % angestiegen und bildet nun die Mehrheit.

Für Länder des pazifischen Raumes und Afrikas ist gleichfalls ein differenziertes Bild der US-Außenpolitik zu konstatieren. In Hongkong und Nigeria ist das Bild ähnlich wie in Kolumbien, negative Wertungen nehmen ab und positive zu und sind zu Mehrheitsmeinungen geworden. Auch in Malaysia ist der Anteil derer, die meinen, daß die Außenpolitik der USA negativ auf ihr Land wirke, deutlich zurück gegangen. In Kamerun gibt es hingegen eine deutliche Zunahme derer mit einem negativen Bild.

Das Ergebnis

Weltweit wird erwartet, daß in nächster Zeit ein Krieg gegen den Irak beginnt. Überall befürchten Mehrheiten die militante imperiale Politik der USA. In den meisten Ländern gaben drei Viertel der Bevölkerung und mehr dies als ihre Meinung an. In ganz wenigen Ländern in Osteuropa und Afrika wird diese Erwartung seltener geteilt. In keinem Land, nicht einmal in den USA, findet ein Alleingang der USA und ihrer Verbündeten in einem Krieg gegen den Irak ohne UNO-Mandat eine mehrheitliche Zustimmung. In ganz wenigen Ländern ist eine mehrheitliche Akzeptanz für diesen Krieg festzustellen unter der Voraussetzung, daß es ein Mandat der UNO gibt. In den meisten Ländern, in denen es vor einem Jahr zum Krieg in Afghanistan überwiegend Zustimmung gab, fehlt nun für einen Krieg gegen den Irak eine mehrheitliche Akzeptanz. Die Ablehnung des Krieges ist weltweit erheblich gewachsen.

Fast überall ist die hohe Zustimmung zu einer Beteiligung des eigenen Landes am Krieg in Afghanistan bezogen auf den Irak-Krieg in Ablehnung umgeschlagen. In den meisten Ländern sind Mehrheiten der Meinung, daß ihr eigenes Land die USA diesmal nicht unterstützen soll. Nur in wenigen Ländern wie Australien und Kanada sind Mehrheiten dafür, die USA bei einem Krieg gegen den Irak zu unterstützen. In den meisten Ländern liegt die Ablehnung weit über der Zustimmung zu einer Unterstützung des Krieges der USA durch das eigene Land.

Das Ansehen der Außenpolitik der USA hat im letzten Jahr deutlichen Schaden genommen. In den meisten Ländern werden mehrheitlich negative Wirkungen der US-Außenpolitik auf das eigene Land genannt. Das gilt insbesondere für Westeuropa, wo ein negatives Bild überall zur Mehrheitsmeinung geworden ist, das gilt auch für die Mehrzahl der lateinamerikanischen Länder. In Osteuropa, im pazifischen Raum und in Afrika ist das Bild differenzierter, aber auch dort gibt es in der Mehrzahl der Länder diesen negativen Trend.

Gegen diesen Krieg gibt es in Deutschland eine stabile Mehrheit, 7 das Meinungsbild entspricht dem in den meisten westeuropäischen Ländern. 80 % der Deutschen rechnen damit (oder befürchten), daß in absehbarer Zeit ein Krieg gegen den Irak beginnt. Die befürwortende Mehrheit, die vor einem Jahr zum Krieg in Afghanistan zu konstatieren war, gibt es zu einem Krieg gegen den Irak nicht. 8 Die Hälfte lehnt diesen Krieg generell ab, einen Alleingang der USA und ihrer Verbündeten befürwortet nur eine Minderheit. Wenn es zu einem UNO-Mandat kommt, ist die Zustimmung allerdings deutlich größer. Eine deutsche Beteiligung an einem solchen Krieg wird von 71 % der Bevölkerung abgelehnt. Es gibt in Deutschland einen deutlichen Ansehensverlust der USA. Zwei Drittel der Deutschen meinen, daß die amerikanische Außenpolitik negative Wirkung auf ihr Land hat. Diese Ansicht wird deutlich häufiger vertreten als noch vor einem Jahr.

Und doch stehen sie offenbar unbeirrbar bereit, den Krieg zu beginnen, wie einst Hannibal vor den Grenzen des Römischen Reiches. Figuren wie Hannibal sind in der Geschichte nie geliebt und immer gefürchtet worden, jetzt werden sie abgelehnt - darin liegt Hoffnung.

Dietmar Wittich - Jg. 1943; Dr. phil., Soziologe, Mitglied der Redaktion UTOPIE kreativ. Zuletzt in UTOPIE kreativ: Schlüsselproblem: Politische Kultur, Heft 146 (Dezember 2002).

Der Beitrag basiert auf der Studie "Die Einsamkeit der Supermacht. Ergebnisse einer weltweiten Untersuchung von Gallup International ", die der Autor im Februar 2003 in Berlin öffentlich vorgestellt hat.

Empirische Grundlage des Textes sind Ergebnisse einer internationalen Untersuchung, die Gallup International im Januar 2003 in 41 Ländern mit 30 000 Befragten durchgeführt hat. Vergleichbare Daten, die Gallup International vor einem Jahr zum Krieg in Afghanistan erhoben hat (mehr als 60 Länder, 55 000 Befragte) und die bisher unveröffentlicht sind, liegen gleichfalls vor und werden verwendet.

1 Der Dreimaster "Mayflower" landete Ende November 1620 im heutigen US-Staat Massachusetts, mit ihr kam die erste geschlossene englische Siedlergruppe nach Nordamerika.

2 "Wir werden konsultieren, aber damit es kein Missverständnis gibt: Wenn Saddam Hussein nicht vollständig abrüstet, werden wir eine Koalition anführen, um ihn zu entwaffnen ... Und wenn uns der Krieg aufgezwungen wird, werden wir mit der vollen Macht des US-Militärs kämpfen - und wir werden uns durchsetzen. " (George W. Bush am 29. Januar 2003)

3 "Der Sicherheitsrat ... beschließt, dass falsche Angaben oder Auslassungen in den von Irak nach dieser Resolution vorgelegten Erklärungen sowie jegliches Versäumnis Iraks, diese Resolution zu befolgen und bei ihrer Durchführung uneingeschränkt zu kooperieren, eine weitere erhebliche Verletzung der Verpflichtungen Iraks darstellen und dem Rat gemeldet werden, damit er nach den Ziffern 11 und 12 eine Bewertung trifft ...". Resolution 1441 (2002)

4 "Resolution Nr. 1441 enthält keinen Automatismus zur Anwendung militärischer Gewalt. Vordringliche Aufgabe ist es, sämtliche Mittel zur friedlichen Konfliktlösung auszuschöpfen und in ihrer Anwendung zu optimieren." (Gerhard Schröder in der Regierungserklärung vom 13. Februar 2003)

5 "10 000 Männer und Frauen der Bundeswehr sind mittlerweile an internationalen Einsatzorten stationiert, um Menschen Freiheit und Sicherheit zu gewährleisten. Auf dem Balkan, in Afghanistan und im Rahmen von ›Enduring Freedom‹." (Gerhard Schröder in der Regierungserklärung vom 13. Februar 2003)

6 "Es gibt noch eine Alternative zum Krieg. Der Einsatz von Gewalt kann nur ein letztes Mittel darstellen. Russland, Deutschland und Frankreich sind entschlossen, der friedlichen Entwaffnung des Irak alle Chancen zu geben." (Erklärung Frankreichs, Deutschlands und Russlands vom 10. Februar 2003)

7 Siehe Dietmar Wittich: Die Operation Anaconda und die ahnungslosen Deutschen, in: UTOPIE kreativ 138 (April 2002), S. 360.

8 "Krieg ist niemals ein Mittel wie andere auch, das man wählen könnte, um Differenzen zwischen Völkern zu regeln." (Papst Johannes Paul II. am 13. Januar 2003)

 

Artikel mit Tabellen und Grafiken
in: UTOPIE kreativ, H. 150 (April 2003), S. 308-318