Mehr Gegensätze als Gemeinsamkeiten

Ein Vergleich der Grundsatzprogramme von PDS und Bündnis 90 / Die Grünen

Die PDS hat im Oktober 2003 ihr neues Parteiprogramm verabschiedet, Bündnis 90/Die Grünen bereits im März 2002. Hier geht es um die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen diesen beiden Programme

Die PDS hat nach jahrelanger Diskussion im Oktober 2003 ihr neues Parteiprogramm verabschiedet. Bündnis 90/Die Grünen hingegen haben nach einer recht kurzen Beratungszeit ihr neues Grundsatzprogramm bereits im März 2002 beschlossen. Politisch wichtig ist es, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen diesen beiden Programmen auszuloten, obwohl Programme oftmals wenig mit der konkreten Politik zu tun haben. Dennoch: Programme geben Auskunft über Identitäten, Denkweisen und Kompromißlinien in den Parteien. Sie sagen etwas über das Selbstverständnis der Parteien, über grundlegende politische Positionen und letztlich auch etwas über ihre Politikfähigkeit aus.

Unterschiedliches Herangehen
Schon die Anlage der beiden Dokumente ist grundverschieden: Im PDS-Programm nehmen die grundlegenden Weg- und Zielvorstellungen, die Beschreibung der Welt und die Selbstveränderung der PDS einen großen Raum ein. Der Teil, der sich mit den programmatischen Zielen auf den einzelnen Politikfeldern befaßt, umfaßt etwa die Hälfte des Programms. Bei den Grünen ist das anders. Hier sind ca. 90 Prozent des Textes den einzelnen Politikfeldern gewidmet, während der grundsätzliche Teil etwa 10 Prozent des ca. 100seitigen Textes umfaßt.

Den beiden Programmen liegen zwei unterschiedliche "Programm-Philosophien" zugrunde: Die Grünen verzichten auf einen gesellschaftlichen Gegenentwurf. Sie wollen über zwölf Schlüsselprojekte die Gesellschaft modernisieren. Bei der PDS ist dies umgekehrt. Sie bleibt bei dem traditionell linken Anspruch, eine andere (sozialistische) Gesellschaft zu schaffen. Die Grünen schreiben ausdrücklich: "Uns eint, uns verbindet ein Kreis von Grundwerten, nicht eine Ideologie". Sie betonen ihre vielfältigen Wurzeln (linke Traditionen, wertkonservative und solche des Rechtsstaatsliberalismus). Die Frauen- und die Friedensbewegung hätten das Profil der Grünen mit geprägt. Die PDS sieht sich in der Tradition der Kämpfe gegen kapitalistische Ausbeutung, ökologische Zerstörung, politische Unterdrückung und verbrecherische Kriege, grenzt sich aber gleichzeitig von den Verbrechen ab, die im Namen des Sozialismus begangen wurden.

Die Grünen erläutern sehr ausführlich ihre Grundwerte 1: Ökologie, Selbstbestimmung, Gerechtigkeit, Teilhabegerechtigkeit, Generationengerechtigkeit, Geschlechtergerechtigkeit, internationale Gerechtigkeit, Solidarität, Demokratie. Besonders beachtenswert sind die Ausführungen zur Gerechtigkeit. Diese gehe über traditionelle Verteilungspolitik hinaus. Bündnisgrüne Politik stehe für Teilhabegerechtigkeit, für Generationengerechtigkeit, für Geschlechtergerechtigkeit und für internationale Gerechtigkeit. Ausdruck der Werteorientierung seien Menschenrechte und Gewaltfreiheit.

Die PDS bettet die Grundwerte 2 in ihr Sozialismusverständnis ein und handelt diese im Unterschied zu den Grünen sehr knapp ab. Ausgangspunkt ist die Frage: "Was brauchen Menschen, um selbstbestimmt leben zu können?" Um die Grundwerte (Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit und Solidarität) durchsetzen zu können, ist nach Meinung der PDS eine andere Regulation von Wirtschaft notwendig. Die Grünen verkürzen die gesellschaftliche Vision auf wenige sehr allgemein gehaltene Sätze.

Die PDS hingegen widmet sehr viel Raum der sozialistischen Zielbestimmung. Dennoch bleibt sie auch hier (zu Recht) allgemein. In einer sozialistischen Gesellschaft müßten die Produktions-, die Verteilungs- und die Konsumtionsweise dem Ziel dienen, allen die Bedingungen für ein selbstbestimmtes und solidarisches Leben zur Verfügung zu stellen. Wie im Programm von 1993 wird einem "abstrakten Geschichtsfahrplan" eine Absage erteilt.

In der Präambel werden die "Profit- und Herrschaftsinteressen der international mächtigsten Teile des Kapitals" als Ursachen für die Gefährdung der menschlichen Zivilisation ausgemacht. Die Grünen hingegen wollen Abschied nehmen "von unkritischem Fortschrittsglauben, sei er sozialistischer, sei er kapitalistischer Ausprägung".

Die neuen Herausforderungen
Auch bei der Bestimmung neuer Herausforderungen zeigen sich große Unterschiede zwischen Grünen und PDS: Während erstere hauptsächlich Veränderungen außerhalb von Produktionsverhältnissen thematisieren wie demographischer Wandel, Wandel in den Produktivkräften, neue Technologien, Migration oder deutsche bzw. europäische Einigung u. ä., liegt der Schwerpunkt der PDS bei der Kritik des neoliberalen Kapitalismus.

Die Grünen meinen, daß die ökologische Herausforderung einen Umbau der ökonomischen und sozialen Systeme erfordere. Die bisherige Wirtschaftsweise der hochindustrialisierten Gesellschaften sei nicht globalisierbar. Im Zusammenhang mit den Anschlägen vom 11. September wird der internationale Terrorismus als Bedrohung des Weltfriedens bezeichnet. Bei der PDS ist es genau umgekehrt: Der Krieg gegen den Terrorismus gefährde den Frieden. Als weitere Herausforderungen nennen die Grünen: Individualisierung, neue Informationstechnologien, Bio- und Gentechnologien, demographischer Wandel, Migration und die Veränderung im Geschlechterverhältnis. Die PDS hingegen formuliert die neuen Herausforderungen eher indirekt im Kontext mit der "neoliberalen Offensive".

Im Gegensatz zur PDS spielt die Globalisierung als neue Herausforderung im Programm der Bündnisgrünen eine herausragende Rolle. Nach ihrer Auffassung ist die Globalisierung "eine Herausforderung zur Gestaltung einer nachhaltigen, freiheitlichen, demokratischen und solidarischen Welt". Das Hauptproblem sei die "Kluft zwischen ökonomischer Globalisierung und der mangelnden politischen Steuerung und Einbettung dieses Prozesses". Sie sehen in der Öffnung der Märkte der hochindustrialisierten Länder gegenüber den Produkten der ärmeren Länder Afrikas, Asiens und Lateinamerikas den größten Beitrag der Entwicklungszusammenarbeit. Sie treten für mehr Regeln und Standards für Finanztransaktionen sowie für mehr Transparenz der Finanzmärkte ein.

Im PDS-Programm wird von einer "kapitalistischen Globalisierung " gesprochen, der kämpferisch entgegengetreten werden müsse. "Die Regierungen weniger Staaten, die Führungen einiger Weltkonzerne und die Spitzen des Finanzkapitals kontrollieren die wichtigsten internationalen Institutionen. Sie streben uneingeschränkte imperialistische Herrschaft an und wollen die Macht in ihrem Interesse umverteilen." Es wird sogar von "einem neuen Totalitarismus der globalen Herrschaft transnationaler wirtschaftlicher und politischer Gruppen" gesprochen, d. h. im Klartext: den internationalen wirtschaftlichen Institutionen, so offenbar auch der UNO, wird hier jegliche demokratische Kompetenz abgesprochen.

Während die Gefahren der Globalisierung von den Grünen thematisiert werden, ist bei der PDS das Ganze unter den Stichworten "Imperialismus" und "neuer Totalitarismus" abgehandelt. Nach diesen analytischen Textstellen dürfte es keinerlei Spielraum für politische Gestaltung geben, sondern nur Widerstand. Den wollen die Grünen - neben der Gestaltung - auch. Grüne und PDS treffen sich bei einigen politischen Forderungen, wie denen nach sozialen und ökologischen Mindeststandards, Schließung von Steueroasen, Tobin- Tax u. ä.

Demokratie
Bei dieser Frage gibt es eine ganze Reihe von Gemeinsamkeiten und Berührungspunkten, wenn auch die PDS besonders kritisch mit der bundesdeutschen Wirklichkeit umgeht.

Zentrale Ziele der Grünen sind gesellschaftlicher Pluralismus, die Ausgestaltung der multikulturellen Demokratie, die Stärkung des Rechtsstaatsliberalismus, der Ausbau der Bürgerbeteiligung, die Reform der demokratischen Institutionen sowie die Neugestaltung der föderalen Strukturen. Bürgerrechte und demokratische Teilhabe seien Grundorientierungen ihrer Politik. Die Grünen widmen sich auch ausführlich den neuen Herausforderungen für Demokratie und Rechtsstaat (Globalisierung, Mediengesellschaft, Informationstechnologien, internationaler Terrorismus).

Die PDS sieht in der Demokratisierung des Staates, der Wirtschaft und der Gesellschaft die entscheidende Frage jeder Reformalternative. Sie legt ein klares Bekenntnis zu den individuellen und kollektiven politischen Grundrechten, zur parlamentarischen Demokratie, zum politischen Pluralismus, zur Gewaltenteilung und Rechtsstaatlichkeit sowie zur kommunalen Selbstverwaltung ab. Die Partei meint aber, daß sich die "antidemokratischen Tendenzen" verstärkten. Bürgerrechte würden wieder zugunsten staatlicher Eingriffe in die Privatsphäre eingeschränkt, die Befugnisse der Geheimdienste "unmäßig erweitert". Die großen Konzerne und Finanzorganisationen und die WTO würden die Entscheidungssouveränität der Parlamente einschränken usw. Die "Stärkung parlamentarischer Rechte und demokratischer Gegenmächte gegenüber den Interessen von Konzernen, Großbanken und Anlagefonds" gehöre zu den Grundbedingungen von Volkssouveränität. Wie das erfolgen soll, bleibt allerdings offen. Außerdem legt die PDS ein Bekenntnis zur Wirtschaftsdemokratie ab. Die Partei begreift sich auch als "sozialistische Bürgerrechtspartei".

Den Zusammenhang von Staatsaufgaben und Zivilgesellschaft sehen die Parteien ähnlich.

Beide betonen vor allem die Rechte des Bürgers gegenüber dem Staat. Auch bei der Stärkung der Elemente der direkten Demokratie sind die Forderungen der Parteien ähnlich, allerdings unterschiedlich akzentuiert. Die Grünen wollen Elemente der direkten Bürgerbeteiligung wie Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheide auf allen Ebenen stärken. Wie sie den "Einfluß der Bürgerinnen und Bürger auf die personelle Zusammensetzung der Parlamente steigern und gleichzeitig die verhältnismäßige Repräsentanz der Abgeordneten wahren" wollen, bleibt offen. Weiterhin soll die Rolle der Nicht- Regierungsorganisationen, Vereine und Verbände gestärkt werden - aber auch hier fehlen Konkretisierungen.

Während die Grünen die repräsentative Demokratie durch die direkte Demokratie ergänzen wollen, will die PDS beides miteinander verbinden. Sie will auf Bundesebene und im Rahmen der EU Volksentscheide mit niedrigen Einstiegsquoten. Spezifische Forderungen der PDS sind Runde Tische und regionale Wirtschafts- und Sozialräte. Welche Befugnisse diese haben sollen und wie weit sie in die Rechte der parlamentarischen Gremien eingreifen sollen, bleibt offen. Die PDS strebt außerdem die direkte Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an der Haushaltspolitik (partizipative Bürgerhaushalte) an.

Außen- und Sicherheitspolitik
Hier gehen die Positionen beider Parteien weit auseinander. Das beginnt schon bei der Bestimmung von Konflikt- und Kriegsursachen. Nach Auffassung der Grünen 3 sind die Ursachen hauptsächlich in den vom Zerfall bedrohten und instabilen Staaten sowie in ethnisierten Machtkonflikten zu suchen. Im Gegensatz dazu sieht die PDS 4laut Kapitel II.3 ihres Programms die eigentlichen Ursachen in der Hegemonie der USA und der NATO. Diese Position wird im Teil III.2 jedoch wieder relativiert. Dort wird das von den USA und der NATO beanspruchte militärische Weltmonopol als eine der Ursachen von aufbrechenden Konfliktherden genannt.

Die Haltung zur USA und zur NATO ist bei beiden Parteien nahezu gegensätzlich. Im Unterschied zu den Grünen sieht die PDS in den USA und in der von ihr beherrschten NATO das Grundübel der gegenwärtigen Welt. Die PDS sagt auch Nein zur Bildung eines hochgerüsteten westeuropäischen Militärblocks und fordert eine friedenstiftende Korrektur der Außen- und Sicherheitspolitik der EU. Die Grünen hingegen wollen, daß Deutschland bei der Mitwirkung in NATO und EU/WEU auf die Stärkung der kollektiven Sicherheit drängt. Sie lehnen es aber ab, daß die militärische Zusammenarbeit in der NATO zu einem Instrument globaler Ordnungspolitik in Konkurrenz mit den Aufgaben der Vereinten Nationen gemacht wird.

Auch im Hinblick auf Einsätze der Bundeswehr sind die Positionen gegensätzlich. Die Grünen stimmen solchen Einsätzen auch zur Friedensherstellung zu, formulieren aber einige Kriterien: Mittel nichtmilitärischer Krisen- und Konfliktbewältigung müssen Vorrang haben und ausgeschöpft sein. Jede Einzelfallentscheidung müsse gemäß Grundgesetz und Völkerrecht erwogen und beschlossen werden. "Zwangsmaßnahmen nach Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen (›Kampfeinsätze‹) müssen grundsätzlich durch ein klares Mandat des VN-Sicherheitsrates autorisiert werden." Eine Zwei- Drittel-Mehrheit des Bundestages sollte bei der Entscheidung über Auslandseinsätze notwendig sein.

Die PDS stellt demgegenüber fest, daß die Geschichte Deutschlands eine uneingeschränkte Friedenspflicht gebiete, ohne diese näher zu erläutern.

Konfliktprävention wird von beiden Parteien betont. Auch beim Problem der Abrüstung gehen die Forderungen beider Parteien zumindest in eine ähnliche Richtung. Die PDS meint einerseits, daß die Beseitigung potentieller Kriegsursachen und Formen ziviler Konfliktlösung jede Form von Gewaltanwendung ausschließe. An anderer Stelle wird aber das auf der UN-Charta beruhende Völkerrecht (das in bestimmten Fällen Gewaltanwendung erlaubt) verteidigt.

In der Menschenrechtsfrage sind die Positionen von Grünen und PDS gegensätzlich. Vordringliches Ziel der Grünen ist die Verbesserung des Menschenrechtsschutzes. Der Universalitätsanspruch der Menschenrechte toleriere nicht nur die Einmischung in die Menschenrechtsverhältnisse anderer Gesellschaften und Staaten, er mache sie zur Pflicht - auch bei uns. Die PDS hingegen sieht die Menschenrechtsproblematik laut Abschnitt III.2 ihres Programms in Fortsetzung alter Traditionen lediglich als ein Problem ihres Mißbrauchs. Imperiale Politik richte sich gegen Menschenrechte. Die PDS verurteilt jeden Mißbrauch der Tradition der Menschenrechte für militärische Interventionen.

Die Positionierung gegenüber der UNO ist bei beiden Parteien ähnlich (Notwendigkeit der Demokratisierung). Die Grünen stellen fest, daß im Sicherheitsrat und in den internationalen Finanzinstitutionen die nördlichen Industriestaaten dominieren. Demokratisierung und Transparenz seien die Voraussetzungen für die politische und rechtliche Stellung der Vereinten Nationen. Die PDS verurteilt die Nichtachtung und den Mißbrauch des internationalen Gewaltmonopols des Sicherheitsrates (d. h., hier wird es als solches im Unterschied zu anderen Textstellen anerkannt). Sie verteidigt das auf der UN-Charta beruhende Völkerrecht.

Beide Parteien positionieren sich auch gegenüber der Europäischen Union. Die Grünen beklagen ein Demokratiedefizit. Bürokratische Verkrustungen und institutionelle Fehlentwicklungen müßten überwunden werden. Nun gehe es darum, die europäische Verfassung als Fundament der europäischen Demokratie zu schaffen. Mehr Demokratie für die EU bedeute "ein Parlament, das umfassende Haushalts- und Mitentscheidungsrechte sowie wirkungsvolle Kontrollrechte " habe.

Die PDS befürwortet zwar formal die europäische Integration und die Erweiterung der EU "auf einer demokratischen, sozialen, ökologischen und zivilen Grundlage", sieht aber gegenwärtig eine solche Grundlage nicht. Die Kritik der PDS an der EU richtet sich im Unterschied zu den Grünen vor allem auf ihr militärpolitisches Engagement. Gegenwärtig tendiere die EU dazu, zum weiteren Ausbau einer imperialen Weltordnung unter Führung der USA beizutragen und sich als Juniorpartner mit eigenen Großmachtinteressen zu profilieren. Die PDS sieht die EU auch unter dem Gesichtspunkt eines Rahmens für antikapitalistische Kämpfe.

Wirtschaft
Beide Parteien wollen die Wirtschaft auf eine soziale und ökologische Wirtschaftsweise und auf Nachhaltigkeit orientieren. Allerdings unterscheiden sich die programmatischen Aussagen sehr stark im Hinblick darauf, wie dieses Ziel erreicht werden soll.

Die PDS setzt in erster Linie auf demokratische Gegenkräfte gegenüber Wirtschaftsinteressen, auf Veränderungen der Regulationsweise. Die Grünen profilieren sich vor allem als Partei der Verbraucherinnen und Verbraucher, der Förderung der kleinen und mittleren Unternehmen und einer ökologischen Finanzreform (Reformierung des gesamten Steuer- und Abgabensystems nach ökologischen Kriterien). Während die PDS bei der Regulierung vor allem auf den Staat und alternative Bewegungen setzt, wollen die Grünen 5 sehr diffus mit staatlichen Mitteln arbeiten, aber den Staat zugunsten der Zivilgesellschaft zurücknehmen. Das Bruttosozialprodukt könne nicht mehr der alleinige Maßstab des Wohlstands sein, es komme darauf an, den Reichtum der kulturellen und sozialen Beziehungen der Menschen zu steigern. Ähnliche Gedanken finden sich im PDS-Programm.6

Die Grünen wollen den gemeinwohlorientierten, den genossenschaftlichen und den selbstverwalteten Sektor der Wirtschaft unterstützen. Außerdem widmen sie auch ein Kapitel dem regionalen Wirtschaften. Im Kapitel "nachhaltige Finanzpolitik" sprechen sich die Grünen dafür aus, die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit auszurichten, die nicht nach Einkunftsarten oder Einkunftsquelle unterscheidet. Steuerausnahmen und Sonderregelungen müßten weiter diskutiert, das Finanzsystem transparenter gemacht werden. Die Grünen wollen eine höhere finanzielle Förderung für Kinder statt der Subventionierung des Trauscheins. (Hier will die PDS auch das Ehegattensplitting abschaffen). Der Abbau der öffentlichen Verschuldung sei ein zentraler Baustein für mehr Generationengerechtigkeit. Die Rolle der Kommunen soll gestärkt werden.

Die Positionen der PDS treffen sich zwar in dem einen oder anderen Detail mit denen der Grünen. Vor allem in der Absage an die gegenwärtige Konsumtionsweise sind sich beide Parteien einig. Dennoch versteht sich die PDS im Gegensatz zu den Grünen als eine alternative Kraft zur gegenwärtigen Wirtschaftspolitik. Die Grünen hingegen wollen lediglich Korrekturen vornehmen. Während sich die Grünen von der traditionellen Verteilungspolitik immer mehr absetzen, hebt die PDS diese ausdrücklich hervor.

Bei der PDS gibt es aber auch sich widersprechende bzw. nicht eindeutige Aussagen, so bei der Eigentumsfrage, die breit thematisiert wird. Mehrfach wendet sich die PDS gegen Privatisierungen und für die Bewahrung von öffentlichem Eigentum, um anschließend zu schreiben, daß der Übergang staatlichen Eigentums in die Verfügung anderer Träger auch möglich sei. Geht man nach der Häufigkeit der sich widersprechenden Aussagen, so ist wohl die erstere Position dominierend.

Auf der einen Seite befürwortet die PDS ein Wirtschaftswachstum, daß sich auf ökologischen Umbau, auf anspruchsvolle humanund wissensorientierte Dienstleistungen und die Infrastruktur für selbstbestimmte Lebensweisen konzentrieren soll. Auf der anderen Seite wird aber die Erhöhung der Massenkaufkraft verlangt.

Einerseits fordert die PDS in der Tradition linker Kräfte stehend, ein zukunftsorientiertes Investitionsprogramm für Arbeit, Bildung, Umwelt und Infrastruktur, das in konjunkturschwachen Zeiten geeignet sei, den Binnenmarkt zu stabilisieren. Andererseits schreibt sie aber, daß "die Verringerung von Defiziten ein mittel- und langfristiges Ziel (ist), das bereits gegenwärtige Konsequenzen erfordert ". Eine rigide Sparpolitik wird aber auch explizit abgelehnt.

Im Unterschied zu den Grünen fordert die PDS klar die Wiedererhebung der Vermögenssteuer, eine gerechtere, in den oberen Bereichen angehobene Erbschaftssteuer auf große Privatvermögen, eine gewinnabhängige Körperschaftssteuer, die Aufhebung der Steuerfreiheit aus dem Verkauf von Devisentransaktionen und Börsengewinnen.

Arbeit
Beide Parteien betonen, daß Arbeit ein Mittel zur (sozialen) Integration und wichtigste Bedingung für gesellschaftlichen Reichtum (PDS) bzw. mehr als bloßer Broterwerb ist (Grüne). Während die Grünen positiv die Arbeit als "ein Mittel zur Selbstbestätigung und zur persönlichen Entfaltung" bestimmen, kritisiert die PDS in marxistischer Tradition, daß Erwerbsarbeit für "90 Prozent der Erwerbstätigen fremdbestimmte, abhängige Arbeit" sei, deren Ergebnisse zu beträchtlichen Teilen von den Kapitaleigentümern angeeignet würden. Deshalb meint sie auch, daß Profit nicht länger das entscheidende Maß für Zuteilung, Organisation und Bewertung der Arbeit bleiben dürfe. Langfristig müsse abhängige Arbeit aus einem ökonomischen Zwangsverhältnis in eine Bedingung realer Freiheit verwandelt werden. Wie das geschehen soll und wie das dann aussehen soll, bleibt offen.

Bei der Schaffung von Arbeitsplätzen setzen die Grünen in erster Linie auf ökologische Politik. Bündnisgrüne Reformen im Gesundheitswesen, die Umstellung in der Landwirtschaft, die Energiewende und eine ökologische Verkehrspolitik würden zusätzliche Arbeitsplätze schaffen. Weiterhin betonen sie, "Beschäftigungsbrücken" müßten zwischen Arbeitslosigkeit und Beschäftigung, zwischen Teilzeit- und Vollbeschäftigung, zwischen selbständiger und abhängiger Beschäftigung, zwischen Bildungs- und Beschäftigungssystem, zwischen Kindererziehung, Erwerbstätigkeit und Ehrenamt, Pflegearbeit sowie zwischen Erwerbstätigkeit und Rente gebaut werden.

Die PDS will auch den freiwilligen Wechsel zwischen Erwerbsarbeit, Eigenarbeit, Weiterbildung und gesellschaftlichem Engagement und Phasen selbstbestimmter Kombination dieser unterschiedlichen Tätigkeiten. Ansonsten lehnt sie sich im Unterschied zu den Grünen stark an gewerkschaftliche Forderungen an: Verteidigung der Flächentarifverträge, Neuregelung und Erweiterung der betrieblichen Mitbestimmung, Stärkung der "umweltbewußt genutzten" Massenkaufkraft, Ausschöpfung von Verteilungsspielräumen, europäische Koordinierung der Tarifpolitik und Einführung von Mindestlöhnen". (Letzteres wird in den Gewerkschaften unterschiedlich gesehen). Ähnlich wie die Grünen sieht auch die PDS im ökologischen Umbau der Wirtschaft und Gesellschaft und im Ausbau qualifizierter Human- und wissensorientierter Dienstleistungen neue Möglichkeiten für die Erwerbsarbeit.

Völlig unterschiedlich ist hingegen das Herangehen an die Arbeitszeitpolitik. Die Grünen wollen eine flexiblere und sozial verträgliche Arbeitszeitpolitik, die größere individuelle Wahlmöglichkeiten eröffnet. Teilzeitarbeit müsse auch zu einer Domäne für die Männer werden. Überstunden und Mehrarbeit müßten zum Freizeitausgleich über Arbeitszeitkonten, zu Sabbaticals, zur Qualifikation, zur Erziehungsarbeit oder zur Erholung vorangebracht werden. Unternehmen und die Tarifparteien sollen "angeregt" werden, "neue Wege für die beschäftigungsfördernde Arbeitszeitverkürzung" zu finden.

Die PDS hingegen setzt soll auf das traditionelle Modell der starren Arbeitszeitverkürzung (generelle Einführung der 35-Stunden- Woche und Reduzierung auf die 30-Stunden-Woche sowie gesetzliche Begrenzung der wöchentlichen Arbeitszeit auf 40 Stunden).

Ein Schwerpunkt für die PDS ist nach wie vor die öffentlich geförderte Beschäftigung. In dem Zusammenhang betont sie wiederum die Idee von den öffentlich geförderten Beschäftigungssektoren (ÖBS) zwischen Staat und Privatwirtschaft. Die Grünen sehen in öffentlich finanzierten Arbeitsplätzen lediglich eine Zusatzmaßnahme. Hier gelte es, die bestehenden Ansätze lokaler Ökonomie weiterzuentwickeln.

Für die Grünen ist die Senkung der Lohnnebenkosten ein wichtiges Thema, um der Massenarbeitslosigkeit zu begegnen. Die PDS thematisiert das nicht.

Sozialpolitik
In der Sozialpolitik gibt es sowohl Gemeinsamkeiten und Berührungspunkte, aber auch Unterschiede und Gegensätze. Die Grünen meinen, daß soziale Gerechtigkeit mehr sei als reine Umverteilungspolitik. Vorrangiges Ziel grüner Politik sei es, Armut und soziale Ausgrenzung zu vermeiden und die soziale Lage der am schlechtesten Gestellten zu verbessern. Nach ihrer Auffassung könne aber soziale Gerechtigkeit "nicht länger allein als Ausgleich zwischen oben und unten begriffen werden". Das Gegenteil aber steht bei der PDS im Mittelpunkt. Eigeninitiative und Eigenvorsorge spielt bei den Grünen eine große Rolle, bei der PDS nicht.

Die PDS verteidigt den solidarischen Charakter der sozialen Sicherungssysteme. Dieser Charakter müsse ausgebaut und eine Privatisierung abgelehnt werden. Sie begreift den demographischen Wandel als eine grundsätzliche Herausforderung an die Gesellschaft. Konsequenzen sieht sie hier für die Arbeitswelt, für Wissenschaft und Forschung, Bildung und Weiterentwicklung, für Architektur, Städteplanung und Dienstleistungen, offenbar aber nicht (im Gegensatz zu den Grünen) für die sozialen Sicherungssysteme!

Für beide Parteien nimmt die bedarfsorientierte Grundsicherung einen zentralen Stellenwert für die zukünftige Sozialpolitik ein. Nach Auffassung der Grünen müsse die Einführung einer bedarfsorientierten Grundsicherung sicher stellen, daß Menschen unbürokratische Hilfe bei Armut, bei Arbeitslosigkeit, in anderen Notlagen oder beim Wechsel zwischen unterschiedlichen Arbeitsformen und Weiterbildung bekommen können.

Für die PDS ist die schrittweise Einführung einer am Bedarf orientierten sozialen Grundsicherung ein zentrales Element für die Weiterentwicklung sozialer Sicherungssysteme. Sie will dies zu einem Bürgerrecht ausbauen. Um der Grundsicherung den Weg zu ebnen, fordert die PDS die Einführung von Mindestlöhnen.

In der Gesundheitspolitik kommen sich beide Parteien nahe, wenn auch die Abschnitte unterschiedlich formuliert sind. Die Grünen gehen mehr ins Detail (Grüne: 5 Seiten, PDS: ca. 0,5 Seiten). Die Grünen wollen die Gesetzliche Krankenversicherung zu einer modernen Versicherung aller Bürgerinnen und Bürger weiterentwickeln, in der durch das Prinzip der Leistungsfähigkeit bei der Finanzierung und das Prinzip der Bedarfsgerechtigkeit bei der Leistungserbringung in allen sozialen Situationen eine hohe Versorgungssicherheit besteht. Weiterhin sei mehr Partizipation von Patientinnen und Patienten sowie Versicherten bei der Planung, Ausgestaltung und Kontrolle des Gesundheitssystems notwendig.

Ziel für die PDS bleibt eine für alle gleichermaßen zugängliche Gesundheitsversorgung, in der Vorbeugung und Nachsorge größeres Gewicht gewinnen. Der Weg in die Zweiklassenmedizin müsse versperrt werden. Die Arbeitsbedingungen für das medizinische Personal müßten verbessert werden. Dringlich seien Maßnahmen zur stabilen Qualitätssicherung. Eine wichtige Aufgabe sei es, die Selbstverwaltung vereinheitlichter Krankenkassen voranzubringen.

Beide Parteien wollen die solidarische Finanzierung des Gesundheitswesens erhalten bzw. ausbauen. Die Grünen begrüßen darüber hinaus den Wettbewerb zwischen den Krankenkassen sowie zwischen Anbietern und Anbieterinnen von Leistungen dort, wo er zu mehr Qualität und Wirtschaftlichkeit führt, indem Strukturen überprüft, Verwaltungen gestrafft und Kosten eingespart werden. Wettbewerb müsse sich auf Qualität und Wirtschaftlichkeit begründen, nicht auf Selektion von Patientinnen und Patienten. Die Grünen wollen den "sukzessiven Abbau" der Sonderregelungen für Beamte, Selbständige (Einbeziehung in die Versicherungspflicht) und Besserverdienende (Wegfall der Versicherungspflichtgrenzen).

Die PDS geht davon aus, daß durch Gesundheitszentren wie Polikliniken, durch eine bessere Kooperation von Privatpraxen, Gemeinschaftseinrichtungen und Krankenhäusern, durch die Einführung einer Positivliste sowie durch eine gerechtere Bewertung medizinischer Leistungen die Finanzierung des Gesundheitswesens entlastet würde. Der Einfluß der Pharmaindustrie und Gerätehersteller auf medizinische Leistungen und Kosten müsse eingeschränkt werden. Die Selbstverwaltung vereinheitlichter Krankenkassen müsse vorangebracht werden.

Zusammenfassend bleibt festzustellen, daß das Programm der Grünen weitgehend "regierungskonform" und deshalb auch nicht zugespitzt formuliert ist. 7 Es überwiegen lange "lyrische" Passagen.

Das PDS-Programm zeigt alle Merkmale eines Kompromißpapiers verschiedener Parteiflügel, ausgenommen der besonders harten kommunistischen Dogmatiker. Im Programm überwiegen der linke Traditionalismus und Kapitalismuskritik, besonders seiner neoliberalen Spielart, bzw. ein diffuser Antikapitalismus. 8

Die größten Unterschiede gibt es in der Bewertung der gegenwärtigen internationalen, europäischen wie nationalen gesellschaftlichen Verhältnisse. Besonders deutlich übt die PDS Kritik an den USA. Die Grünen hingegen bleiben hier zurückhaltend. Die PDS beschreibt die heutige Ausprägung der Kapitalverhältnisse ("Kapitalismus im Zeitalter von Informations- und Kommunikationstechnologien") und sieht es als ihre Aufgabe an, die geistige und politische Hegemonie der neoliberalen Ideologie und Politik in Deutschland und in der Europäischen Union zu überwinden.

Während es beim allgemeinen Herangehen und beim Gesellschaftsverständnis die deutlichsten Unterschiede und Gegensätze gibt, sind sie auf einzelnen Politikfeldern teilweise nicht so stark ausgeprägt, wenn man die besonders deutlich formulierte Kritik an den gegenwärtigen Zuständen (PDS) relativiert. Die Unterschiede und Gegensätze sind im Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik am größten.

Große Unterschiede bzw. Gegensätze gibt es auch in den Kernbereichen Wirtschaft und Arbeit. In der Sozialpolitik gibt es mehr Gemeinsamkeiten (Grundsicherung, solidarische Krankenversicherung). In den Bereichen Ökologie, Umweltschutz, Demokratie/ Zivilgesellschaft und Staat sowie auch Bildung, Wissenschaft und Kultur, die wir hier nicht untersucht haben, liegen die Parteien näher beieinander - wobei an dieser Stelle noch einmal darauf aufmerksam gemacht werden muß, daß es hier nicht um Politik, sondern um Programmatik geht. Bei der Ablehnung von mehr Konsum und im Eintreten für eine selbstbestimmte Lebensweise liegen PDS und Grüne programmatisch am nächsten beieinander.

Unterschiedliche Wege für die Umsetzung der politischen Ziele
Für die politische Umsetzung der programmatischen Ziele sehen beide Parteien wiederum sehr unterschiedliche, teilweise gegensätzliche Wege vor. Die Grünen sehen sich nicht mehr als die "Anti- Parteien-Partei", sondern als die "Alternative im Parteiensystem". Sie wollen ihre politischen Visionen und Ziele durch eine "langfristig angelegte Reformstrategie" erreichen. In nicht zu überbietender Allgemeinheit schreiben sie, daß zur "Erreichung des grundlegenden gesellschaftlichen Wandels, für den wir eintreten, auch weiterhin viele Kämpfe auszufechten sein werden". Gegen wen und mit wem diese Kämpfe geführt werden sollen, bleibt völlig im dunkeln. Sehr diffus wird von der Weiterentwicklung der Bürgergesellschaft und dem zivilgesellschaftlichen Engagement geschrieben.

Demgegenüber sieht die PDS ihren Platz bei den sozialen Bewegungen gegen die Kapitalisierung der Gesellschaft, Demokratieabbau und Krieg. Das wichtigste politische Ziel sieht die PDS darin, ihren Beitrag "zur Formierung eines breiten sozialen und politischen Bündnisses für den grundlegenden Richtungswechsel der Politik in Deutschland und Europa zu leisten". Die PDS erklärt sich zwar bereit, "langfristig an einem Mitte-Links-Bündnis mitzuwirken", das auf demokratische, soziale und ökologische Alternativen gerichtet ist - zugleich aber grenzt sie sich explizit und deutlich von der SPD und den Grünen ab. Offenbar sieht sie in absehbarer Zeit keine Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit der SPD und den Grünen, im Gegenteil, sie will grundsätzlich Widerstand gegen deren Politik leisten. Deshalb will sie auch zu einem "anerkannten Teil des gesellschaftlichen Widerstands gegen den Neoliberalismus" werden und "mit eigenen Vorstellungen und Projekten bei der Kräftigung von starken gesellschaftlichen Reformkräften" mitwirken. Wenn es auch die eine oder andere inhaltliche Gemeinsamkeit auf bestimmten Politikfeldern mit den Grünen gibt, sieht sich die PDS - traditionell gesprochen - auf der anderen Seite der Barrikade. In diesem Sinne führt sie die Tradition der kommunistischen Bewegung fort, ohne deren klassische Prämissen zu übernehmen.

Horst Dietzel - Jg. 1943; Dr. sc. phil., Sozialwissenschaftler. Zuletzt in UTOPIE kreativ: Wohin geht die PDS? Zur Richtungsdiskussion in der Partei, Heft 149 (März 2003).

Das PDS-Programm ist im Internet unter www.pdsonline.de abrufbar, das Programm der Grünen unter www.gruene-partei.de.

1 "Unsere Vision ist eine Gesellschaft, in der die Menschenrechte unteilbar und universell gültig sind und in der Selbstbestimmung in Verantwortung verwirklicht werden kann. Unsere Vision ist die Verwirklichung von Gerechtigkeit in allen ihren Dimensionen. Wir stärken die Demokratie und verteidigen sie gegen Angriffe. (...)Unsere Grundposition heißt: Wir verbinden Ökologie, Selbstbestimmung, erweiterte Gerechtigkeit und lebendige Demokratie" (Bündnis 90/Die Grünen, Grundsatzprogramm, Präambel).

2 "Die sozialistische Idee ist durch ihren Missbrauch als Rechtfertigung von Diktatur und Unterdrückung beschädigt worden. Die Erfahrungen der DDR einschließlich der Einsicht in die Ursachen ihres Zusammenbruchs verpflichten uns, unser Verständnis von Sozialismus neu zu durchdenken. (...) Sozialismus entsteht (...) nicht in der Folge eines abstrakten Geschichtsfahrplans, sondern geht von den gesellschaftlichen Realitäten, den wirklichen Bedürfnissen und Interessen der Menschen aus. Sozialismus entsteht in demokratischen Kämpfen, die geführt werden, um die strukturellen Bedingungen für Unfreiheit, Ungleichheit und Ausbeutung sowie jene Macht- und Eigentumsverhältnisse, auf denen diese beruhen, zurückzudrängen und zu überwinden" (Programm der PDS, I. Sozialismus - Ziel, Weg und Werte).

3 "Vom Zerfall bedrohte Staaten sowie ethnisierte Machtkonflikte drohen in zahlreichen Weltregionen zu Kriegen und humanitären Katastrophen zu eskalieren, wenn die Staatengemeinschaft nicht rechtzeitig gewaltmindernde Maßnahmen ergreift. Der internationale Terrorismus erfordert gemeinsames Handeln der Staatengemeinschaft sowohl bei der unmittelbaren Gefahrenabwehr wie auch bei der langfristigen Ursachenbekämpfung" (Bündnis 90/Die Grünen, Grundsatzprogramm, Aufbruch nach Europa und in die Eine Welt VII.).

4 "Die imperiale Hegemonie der USA und der NATO samt ihrer Konzeption von Angriffskriegen soll den Erhalt der ausbeuterischen und zerstörerischen Strukturen garantieren und vertieft zugleich die Ursachen der realen Gefahren. (...) Sie provoziert die Weiterentwicklung von Massenvernichtungswaffen und offensiven militärischen Konzepten. Sie führt zu politischer und völkerrechtlicher Diskriminierung von Staaten, zur Ausbreitung von regionalen Konflikten, von Kriegen und des internationalen Terrorismus, zur Missachtung der Menschenrechte sowie zur Marginalisierung der UNO und ihrer Charta" (Programm der PDS, II.3.).

5 "Wir wollen die Lohnnebenkosten senken. Auch dafür ist die Reform der sozialen Sicherungssysteme dringend erforderlich. Hohe Lohnnebenkosten wirken sich gerade bei Teilzeitarbeit und bei niedrigen Einkommen als strukturelles Beschäftigungshemmnis aus, und befördern Schwarzarbeit. Die Senkung der Lohnnebenkosten ist ein effektiver Beitrag zur Beschäftigungsförderung mit positiven Auswirkungen auf Arbeitsangebot und Arbeitsnachfrage. Auch können Job-Rotation, berufliche Weiterbildung, Förderung älterer Arbeitnehmer, öffentlich geförderte Beschäftigung sowie zusätzliche Förderung neuer Selbständigkeit regional aufs Sinnvollste miteinander kombiniert werden" (Bündnis 90/Die Grünen, Grundsatzprogramm, Aufbruch in eine emanzipative Sozialpolitik IV.).

6 "Um den anhaltend schwachen Binnenmarkt zu kräftigen, misst die PDS der Erhöhung der Massenkaufkraft durch gezielten Abbau der Arbeitslosigkeit erstrangige Bedeutung zu. Sie lehnt jedwede Absenkung von Lohnersatzleistungen bzw. Sozialtransfers als wirtschafts- und gesellschaftsschädigend ab. Sie fordert die Einführung von Mindestlöhnen und unterstützt gewerkschaftliche Auseinandersetzungen für Lohnerhöhungen. Die PDS hält an ihrer Forderung fest: Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit!" (Programm der PDS, III.3.).

7 "Inzwischen sind wir nicht mehr ›Anti-Parteien-Partei‹, sondern die Alternative im Parteisystem. Die entscheidende Veränderung war, dass wir uns zu einer Reformpartei entwickeln wollten und mussten, um erfolgreich zu bleiben. Unsere politischen Visionen und Ziele wollen wir heute durch eine langfristig angelegte Reformstrategie erreichen. (...) Als erfolgreiche ModernisiererInnen haben wir die Grundlage geschaffen für breite gesellschaftliche Reformbündnisse. Wir finden heute PartnerInnen auch dort, wo vor Jahrzehnten nur Widerstand zu finden war" (Bündnis 90/Die Grünen, Grundsatzprogramm, Präambel III.).

8 "Unser wichtigstes politisches Ziel ist es, unseren Beitrag zur Formierung eines breiten sozialen und politischen Bündnisses für den grundlegenden Richtungswechsel der Politik in Deutschland und Europa zu leisten. Die soziale Basis eines solchen Bündnisses sehen wir in der Verbindung der Interessen der Menschen, die durch herrschende Politik in soziale Unsicherheit und Verarmung gedrängt werden, mit denen, die sozial besser gestellt sind, sich aber nicht abfinden wollen... Um einen solchen Politikwechsel möglich zu machen, wollen wir mit unseren Aktivitäten auf eine Veränderung der Kräfteverhältnisse in der Gesellschaft hinwirken" (Programm der PDS, IV.).

 

in: UTOPIE kreativ, H. 161 (März 2004), S. 227-237

aus dem Inhalt

Essay ULRIKE KÖPP Der fremde und der vertraute Blick; Gesellschaft - Analyse & Alternativen WOLFGANG FRITZ HAUG Was tun? Die verwandelte Wiederkehr einer Gründungsfrage; JÖRG ROESLER Die New Economy - ein Wiederholungsfall? Überlegungen zu ihrer Einordnung in die Wirtschaftsgeschichte des 19. bis 21. Jahrhunderts; Politik aktuell HORST DIETZEL Mehr Gegensätze als Gemeinsamkeiten. Ein Vergleich der Grundsatzprogramme von PDS und Bündnis 90/Die Grünen; MONIKA VON DER LIPPE Die PDS in der überregionalen Tagespresse. Eine Analyse im Kontext der Bundestagswahl 2002 und mit Blick auf die Europawahlen 2004; SED historischULLA PLENER "Sozialdemokratismus" - Instrument der SED-Führung im Kalten Krieg gegen Teile der Arbeiterbewegung (1948-1953); Rußland heute KARL-HEINZ GRÄFE Die Wiedergeburt des Kapitalismus in Rußland; Konferenzen & VeranstaltungenAufruf der sozialen Bewegungen und Massenorganisationen Mumbai, Indien, Januar 2004; ULRICH BUSCH Perspektiven kapitalistischer Ökonomie; Bücher & Zeitschriften Rudolf Böhlke, Joachim Spill, Gerd W. Stürz: Das entfesselte Wirtschaftswunder. Ein Gedankenspiel zur Zukunft Deutschlands (ARNDT HOPFMANN); Klaus Kinner (Hrsg.) Menetekel 17. Juni 1953 (ERNST WURL); Roland Müller: Wege zum Ruhm. Militärpsychiatrie im Zweiten Weltkrieg - das Beispiel Marburg (PEER HEINELT); Wilfriede Otto: Die SED im Juni 1953. Interne Dokumente (JOCHEN CERNY); Klaus Schubert, Martina Klein: Das Politiklexikon (FRIEDHELM WOLSKI-PRENGER); "Dem freien Geiste freien Flug". Beiträge zur deutschen Literatur für Thomas Höhle. Hrsg. v. Dieter Bähtz, Manfred Beetz u. Roland Rittig (KAI AGTHE)