Non, non, non, a ta constitution?

Kommentar

in (10.06.2004)

Der Verfassungsgebungsprozess in der Europäischen Union ist gestockt. Vor allem hinsichtlich der Repräsentation der Einzelstaaten und der Ausgestaltung der Organe der EU...

konnte zwischen den Staaten keine Einigung erreicht werden. Wann der Prozess abgeschlossen sein wird, ist derzeit unklar.
In der Präambel des vom Europäischen Verfassungskonvent erarbeiteten Entwurfs einer Verfassung für die Europäische Union wird die EU als "Raum der Sicherheit, der Freiheit und des Rechts" beschrieben. Auch wurde von den Protagonisten der Verfassungsgebung stets der friedfertige Charakter der EU hervorgehoben. Große Ziele also, die mit dem Projekt einer EU-Verfassung verbunden werden. Der Verfassungstext selbst scheint sie allerdings teilweise zu unterlaufen.
Soll die EU tatsächlich ein Garant des Friedens sein, so muss sie auch nach außen hin friedfertig agieren, hierzu eine umsichtige Außen- und Verteidigungspolitik schaffen, die auf Abrüstung und die Etablierung ziviler Konfliktlösungen setzt, wie es von Deutschland und Frankreich im Zuge des letzten Irakkriegs immer wieder betont wurde. Schlecht verträglich ist dies mit der im Verfassungsentwurf vorgesehenen Verpflichtung an die Einzelstaaten ihre militärischen Potentiale zu erweitern, sowie dem Vorhaben ein Europäisches Amt für Rüstung, Forschung und militärische Fähigkeiten einzurichten.
Mit der Festlegung auf den "Grundsatz der offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb" würde der verfassungsmäßigen wirtschaftlichen Neutralität, wie sie in zahlreichen Einzelstaatsverfassungen zu finden ist, ein Ende gesetzt. Den Begründungsmustern vorherrschender neoliberaler Sozialkahlschlagspolitik, die stets auch auf Privatisierung und der Herstellung von Marktförmigkeit in allen Dienstleistungsbereichen fußen, wird hier eine zusätzliche Legitimationsgrundlage geschaffen. Auch vor diesem Hintergrund ist das im Verfassungsentwurf vorgesehene Festhalten am Stabilitätspakt sowie die Nichtharmonisierung direkter Steuern, wie beispielsweise der Unternehmenssteuern, zu kritisieren. Denn hiermit beraubt sich die EU selbst essentieller wirtschaftspolitischer Steuerungsinstrumente. Diese klare wirtschaftspolitische Tendenz stellt sicherlich keine Grundlage für die soziale Sicherheit der EU-BürgerInnen dar.
Die Aufnahme der Grundrechte-Charta in die Verfassung ist zu begrüßen - gleichwohl muss die Einklagbarkeit dieser Rechte gewährleistet sein. Es bedarf noch vieler grundlegender Korrekturen am Entwurf, um tatsächliche Rechtssicherheit auf europäischer Ebene zu garantieren. Vor allem an der rechtlichen Einhegung europäischer Sicherheits- und Gefahrenabwehrpolitik mangelt es derzeit stark. Ebenfalls positiv zu bewerten am Verfassungsentwurf ist die Aufwertung des Europaparlaments - ein wichtiger Schritt zur weiteren Demokratisierung der EU.
Wie auch immer der Verfassungsentwurf aussehen wird, der letztendlich die Grundlage für eine EU-Verfassung sein wird: Es bleibt die Frage nach dem Prozess der Verfassungsgebung. Soll die Verfassung tatsächlich eine Verfassung aller EU-Bürgerinnen und -bürger sein, und nicht eine der einzelstaatlichen Regierungen, müssen es schließlich auch diese sein, die das letzte Wort haben.