Opfer Hugenberg

Geschichtslektion am Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Keine Entschädigung für Hugenberg-Clan

Bisher kannte man ihn als Steigbügelhalter Hitlers, nun mutierte der Täter zum Opfer...


Während Leipzig zur Buchmesseeröffnung anläßlich des Todesjahrs des Dichters "schillerte", entschied das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig am Donnerstag den Fall eines schillernden Steigbügelhalters der Faschisten (Urteil vom 17. März 2005, Aktenzeichen BVerwG 3 C 20.04).

Die Erben von Dr. Alfred Hugenberg begehrten eine Entschädigung für "ihr" zu Kriegsende von der sowjetischen Besatzungsmacht enteignetes Rittergut in Uhsmannsdorf bei Weißwasser in der Oberlausitz. Sie wollten für das rund 600 Hektar große Grundstück, das heute von einem gemeinnützigen Verein bewirtschaftet wird, eine Entschädigung in Höhe von 70000 Euro. Das BVerwG verweigerte sie ihnen: keine Ausgleichsleistung für die entschädigungslose Enteignung des Gutes stehe dem Clan zu, da Hugenberg "dem nationalsozialistischen System erheblichen Vorschub geleistet hat", so die Formulierung in dem umstrittenen ersten Paragraphen des Ausgleichsleistungsgesetzes von 1994.
Hugenberg (1865 bis 1951) gründete nach 1916 einen Presse- und Medienkonzern, de um 1928 etwa ein Drittel der rund 1200 deutschen Provinzzeitungen kontrollierte. 1919 wurde er für die Deutschnationale Volkspartei (DNVP) Mitglied der Nationalversammlung und war bis 1945 Reichstagsabgeordneter. 1928 übernahm er den Vorsitz der DNVP. Zusammen mit der NSDAP und anderen gründete er 1931 die "Harzburger Front". Im Januar 1933 wurde er Minister im Kabinett Hitler, trat aber bereits im Juni 1933 zurück.

Eine Rückübertragung des Gutes war 1994 abgelehnt worden. Einen Antrag auf Entschädigung lehnte das Sachsen am 18. April 2001 ab, da Hugenberg unter die im Gesetz vorgesehene Ausschlußklausel für an sich Betroffene falle, nach der Zahlungen für diejenigen ausgeschlossen sind, die "dem nationalsozialistischen oder dem kommunistischen System in der sowjetisch besetzten Zone erheblichen Vorschub geleistet" haben. Die hiergegen gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht Dresden abgewiesen. Das BVerwG hat bestätigt, daß bei Hugenberg die Voraussetzungen für einen Anspruchsausschluß vorliegen.

Ein erhebliches Vorschubleisten im Sinne sei bereits in der Phase der Errichtung des Nationalsozialismus möglich und nicht erst nach dessen Etablierung. Voraussetzung sei in objektiver Hinsicht, daß nicht nur gelegentlich oder beiläufig zugunsten des Nazi-Systems gehandelt wurde. Und der Nutzen für das Regime darf nicht nur ganz unbedeutend gewesen sein. Bei den subjektiven Voraussetzungen, der Motivation, komme es nur darauf an, daß die betreffende Person wußte, was sie so tat - auf die Einstufung im Rahmen der fragwürdigen Entnazifizierungsverfahren nach 1945 komme es nicht an. Der von der britischen Besatzungsmacht Internierte galt anfangs als "Belasteter", schließlich 1950 aber als Entlasteter der "Kategorie V", im Jahr darauf starb er.

Das "Vorschubleisten" sei bei Hugenberg jedoch offenkundig - er habe Hitler erst salonfähig gemacht und dann seinem Regime gedient; die schriftliche Urteilsbegründung, die ein Lehrstück wider die grassierende Opferinflation, den Geschichtsrevisionismus sowie die Bagatellisierung der Verantwortung von Nazi-Wegbereitern sein könnte, liegt noch nicht vor. Bekannt ist aber Hugenbergs Anteil: Von der Aufnahme der NSDAP in das Bündnis gegen den Young-Plan über deren Einbeziehung in die "Harzburger Front" sowie die Initiative zur Auflösung des sozialdemokratisch dominierten Preußischen Landtags, wobei Hugenberg 1931 an der Seite der sektiererischen KPD agierte, bis zum Entschluß 1933, Minister in Hitlers Kabinett zu werden. Ohne Hugenberg, so bei der mündlichen Urteilsbegründung das BverwG, wäre Hitler nicht Reichskanzler geworden, und in seiner Regierungszeit trug Hugenberg die wesentlichen Rechtsakte zur Errichtung des Naziterrorregimes mit.

Der Beitrag erschien zuerst gekürzt in junge Welt vom 21. März 2005