Der Tony und sein Kumpel Bob

Editorial (iz3w Nr. 286)

Werden sich die Spice Girls eigens wiedervereinigen? Kommen Robbie Williams und Madonna? Wird Sting wieder ein Duett mit Phil Collins singen? Fragen über Fragen...

Werden sich die Spice Girls eigens wiedervereinigen? Kommen Robbie Williams und Madonna? Wird Sting wieder ein Duett mit Phil Collins singen? Fragen über Fragen, die die Welt bewegten, als Mitte Mai erste Gerüchte über eine Neuauflage des Live Aid-Spektakels von 1985 die Runde machten. Damals hatten Stars wie David Bowie, Queen oder eben Sting und Phil Collins unter Anleitung von Bob Geldof das bislang größte Charity-Event aller Zeiten ausgerichtet. Rund 1,5 Milliarden Menschen verfolgten weltweit an den Bildschirmen das simultan in London und Philadelphia ausgetragene Doppel-Benefizkonzert, das umgerechnet 84 Mio. Euro "zur Bekämpfung des Hungers in Afrika" einspielte. Der seinerzeit wegen Auflösung seiner Band Boomtown Rats beschäftigungslose Geldof wurde für seinen uneigennützigen Einsatz zum "Sir" geadelt.

Nach dem Willen von Geldof sollte Live Aid ein einmaliges Ereignis bleiben, weil es nicht mehr getoppt werden könne. Doch der Popstar, zusammen mit U2-Sänger Bono die wohl prominenteste Betriebsnudel des globalen Wohltätigkeitsgeschäftes, besann sich im Frühjahr 2005 eines Anderen. Zur Klärung der Frage, warum er es tat, muss hier ein wenig ausgeholt werden.
Geldofs guter Kumpel Tony Blair ist schon seit längerem in Schwierigkeiten. Seit dem Irakkrieg sind die Sympathiewerte des britischen Premiers trotz notorischem Grinsekatzentum im Keller. Es musste also dringend was getan werden in Sachen Imagepflege. Was lag da näher als Afrika, jener Kontinent, der sich der Zuwendung aus dem Norden noch nie so recht erwehren konnte? Und mit dem sich heutzutage am meisten moralischer Mehrwert erzielen lässt, ohne dass ernsthafte politische Veränderungen damit einhergehen müssen? Blair gründete - wie immer in solchen Fällen - erst mal eine Kommission und setzte sich selbst als Vorsitzenden ein. Neben Geldof und dem ehemaligen IWF-Chef Michel Camdessus bestellte er auch einige AfrikanerInnen und nach ausgiebigen Beratungen wurde ein 450seitiger Abschlussbericht mit dem Titel "Our Common Interest" vorgelegt.
Der Bericht der Commission for Africa kommt zu der bahnbrechenden Einsicht, dass Hunger, Kriege oder AIDS auch in Afrika kein Schicksal sind, sondern interne und externe Ursachen haben und überwunden werden können. Welche Akteure für welche Ursachen verantwortlich sind, bleibt hingegen weitgehend offen. Womöglich hätte Camdessus sonst seinen ehemaligen Arbeitgeber bloßstellen müssen. Oder die Führer (solange Angela Merkel nicht Kanzlerin ist, ist hier das große Binnen-I nicht angezeigt) der acht mächtigsten Industrieländer, die sich zu den G8 zusammen geschlossen haben.

Doch mit denen hat Blair noch etwas vor. Vom 6. bis zum 8. Juli treffen sie sich nämlich im schottischen Gleneagles zum Gipfel, um auf Betreiben des britischen Premiers und derzeitigen G8-Vorsitzenden "Initiativen für Afrika" voranzutreiben. Denn, so Blair: "Afrika ist ein wunderbarer, vielfältiger Kontinent mit einer außergewöhnlichen, dynamischen und unverwüstlichen Bevölkerung. Aber es wird auch von so ernsthaften Problemen geplagt, dass kein Kontinent sie alleine bewältigen könnte." Woraus er umgehend einen Auftrag für sich und seine Kollegen ableitet: "Zurecht erwartet die Welt von den G8, hinsichtlich Afrika Führungsstärke zu zeigen."
Kommissionsberichte und noch so führungsstarke Politikertreffen sind freilich nicht unbedingt das, wonach die Medienöffentlichkeit giert. Hier kommt Geldof erneut ins Spiel. Er trommelt jetzt kurzentschlossen möglichst viele und prominente Popstars zum so genannten Live 8 zusammen. Am 2. Juli, kurz vor dem G8-Gipfel, soll im Londoner Hyde Park sowie in Paris, Philadelphia, Rom und Berlin eine maximale Weltöffentlichkeit für die Afrika-Offensive seines Freundes generiert werden. Denn noch zieren sich die G8-Staatschefs, Afrika wirklich alle Schulden zu erlassen und ab dem nächsten Jahr 25 Mrd. Dollar für Entwicklungsfinanzierung bereit zu stellen, wie es der Bericht der Commission for Africa vorschlägt. Und da soll Geldof mit seinen Stars ein bisschen nachhelfen. Zum Vorteil von Blair, der anderen G8-Staatschefs sowie der Popstars selbst, die sich allesamt als großzügige Anhänger von "globaler Gerechtigkeit" präsentieren können.

Wenn's aber nicht so ganz klappen sollte in Gleneagles, ist es für Blair nicht weiter schlimm. Denn er hat sich wohlweislich gehütet, im Vorfeld verbindliche Zusagen für den britischen Beitrag zu Schuldenerlass und Entwicklungsfinanzierung zu machen. Nach einem nicht ganz ausgeschlossenen Scheitern seiner Afrika-Initiative beim G8-Gipfel kann er damit ohne Verluste sagen, er hätte ja gerne, aber die anderen...
Und so ließe sich ausnahmsweise einmal Sir Bob Geldof zustimmen, auch wenn er es bestimmt anders meinte, als von einer seiner vielen Reisen den Tony Blair aus dem äthiopischen Addis Abeba anrief und in dem ihm eigenen Duktus klagte: "Africa is fucked".

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