Freibeuter im Internet

Kriminalisierung

in (10.12.2004)

Statt mit neuen Ideen im "Digitalzeitalter" lief parallel eine drastische Kampagne der Filmindustrie gegen die "Raubkopierer" an. Millionen von Usern werden darin als Schwerverbrecher gebrandmarkt.

Die Musik-Industrie klagt über ihre wirtschaftliche Misere, und mit deutlich an Schärfe gewinnendem Ton weiß sie auch die Schuldige dafür auszumachen: die getauschte und gebrannte Privatkopie. Auf diese hat der Konsument aber sein gutes Recht. Die Hilflosigkeit der Industrie offenbart sich währenddessen in der gezielt verunsichernden "Hart-abergerecht"- Kriminalisierungskampagne.

Mit dem Auftauchen des Magnettonbandes gab es 1965 Anlass, das Urheberrechtsgesetz (UrhG) in seine heutige Form zu bringen.
Das Jammern der Musikindustrie vernahm sich damals ähnlich wie dieser Tage. Der Bundesgerichtshof gab ihr im Zuge einer Klage Recht, denn die Tonbandaufnahme erlaube die Kopie geschützter Werke "ohne Qualitätsverlust". Dem geforderten Verbot der analogen Privatkopie schloss sich der Gesetzgeber dann aber aus vorrangig drei Gründen nicht an: Erstens unterliege das Recht auf "geistiges Eigentum" einer einschränkenden Sozialbindung; darunter fällt der freie Zugang zu (kulturellen) Informationen. Weiter ließe sich ein Verbot nur unter nicht wünschenswerten Einschränkungen von Grundrechten - Denunziation und groß angelegte Wohnungsdurchsuchungen waren die befürchteten Folgen - durchsetzen. Schließlich seien die Künstler und Urheber mehr an einer Vervielfältigung als an der Einschränkung ihrer Werke interessiert. Ergebnis war, die Privatkopie zu erlauben und stattdessen für Kopien geeignete Tonträger und Tonbandträger mit einer Abgabe an die Urheber zu belasten.

Rückwärts in die Zukunft
Im September 2003 und damit fünf Jahre nach dem unerwarteten Erfolg der Musiktauschbörse Napster erfolgte nicht zuletzt auf Druck der in die roten Zahlen getriebenen Unterhaltungsindustrie erneut eine Novellierung des UrhG. Statt mit neuen Ideen im "Digitalzeitalter" lief parallel eine drastische Kampagne der Filmindustrie gegen die "Raubkopierer" an. Millionen von Usern werden darin als Schwerverbrecher gebrandmarkt. Die drastische Rhetorik und das hilflose Fuchteln mit Strafgesetzbuch weisen dabei in die falsche Richtung.

Offensichtlich (il-)legal?
Vor allem ist die strafrechtliche Stigmatisierung faktisch falsch. Denn die neue Gesetzeslage stellt die Vervielfältigung eines urheberrechtlich geschützten Werkes - einer Musik-CD, einer DVD oder einer mp3 - nur dann unter Strafe, wenn keine Einwiligung des Berechtigten oder ein sonstiger gesetzlich zugelassener Fall vorliegt (§ 106 UrhG). § 53 regelt einen solchen Fall: ihm zufolge sind einzelne Kopien zum privaten Gebrauch legal, "soweit nicht zur Vervielfältigung eine offensichtlich rechtswidrig hergestellte Vorlage verwendet wird". Wird eine CD rechtmäßig erworben und kopiert, ist die Kopie legal.
Allerdings ist es auch weiterhin nach § 106 und dem ergänzend eingeführten § 19 a UrhG nicht erlaubt, diese Kopien in einem der sogenannten File-Sharing-Netze einer größeren Öffentlichkeit frei zum Download anzubieten. Ist die Kopie allerdings rechtmäßig erstellt worden - z.B. als mp3-Kopie einer gekauften CD - so ist zumindest das Herunterladen legal.
Die Rechtmäßigkeit einer Kopie in Tauschbörsen lässt sich aber nur bei angebotenen Filmen vor ihrem offiziellen Verkaufsstart sicher nachweisen, solange die Original-DVDs nicht erhältlich sind.

Klarheit für Kazaa und Co
Aufgrund der beklagten Rechtsunsicherheit und anderer Widersprüche (z.B. hinsichtlich des Knackens von Kopierschutzsystemen von Audio-CDs) tagt seit längerem die "AG Urheberrecht Zweiter Korb". Es deutet sich in den bislang vorgestellten Eckpunkten des neuen Referentenentwurfs an, dass in Zukunft "offensichtlich rechtswidrig genutzte Vorlagen" illegal sein werden. Demnach würde die Privatkopie wie bisher legal bleiben, das Bereitstellen wie auch das Herunterladen werden dann jedoch rechtswidrig sein. Man darf aber beruhigt sein: Auch wenn der Wortlaut des Gesetzentwurfes abzuwarten bleibt: Der private Download des neuen Madonna-Songs wird auch weiterhin nicht strafrechtlich verfolgt werden.

Rip, Mix & Copy!
Die Unterhaltungsindustrie muss sich mit der Tatsache abfinden, dass Tauschbörsen und CD-Brenner heute längst Institutionen der Alltagskultur geworden sind. Das Internet wird die Silberscheibe und auch die Musikindustrie in ihrer jetzigen Form überleben.
Letztere, als die Betroffenen, sollten sich fragen, wie es zu dieser Entwicklung kommen konnte, statt nach dem Strafrecht als Korrektiv einer verschlafenen Entwicklung zu schreien. Dann haben sie vielleicht auch noch eine Zukunft.