Was tun mit 2,5 Milliarden Euro?

in (20.01.2006)

Deutschland ist ein reiches Land. Nach Ansicht der Bundesregierung kann es sich 180 Eurofighter leisten. Für den Preis eines einzigen dieser Militärflugzeuge könnte man 20 000 Hüftgelenke beschaff

beispielsweise.
Jetzt gerät der Eurofighter in Verruf. Hans-Peter Bartels (SPD), Mitglied im Verteidigungsausschuß des Bundestags, will auf 68 weitere "Herren der Lüfte" (Bundeswehr-Website) verzichten und so 2,5 Milliarden Euro einsparen. Um uns vor einer Erhöhung der Mehrwertsteuer zu schützen? Um den Ministerinnen und Ministern der anderen Ressorts finanzielle Spielräume für Gesundheit, Arbeit, Soziales, Bildung, Familie oder gar Entwicklung zu verschaffen? Weit gefehlt. "Es gibt andere Vorhaben, die wichtiger sind", sagt Bartels und meint damit, daß das Geld für schwere Transporthubschrauber oder das bodengebundene Raketenabwehrsystem MEADS verwendet werden soll.

Schon am 22. April vergangenen Jahres schwärmte er im Bundestag von MEADS: Das neue System werde gebraucht, weil "die bisherigen ›Patriot‹-Fähigkeiten eben nicht ausreichen ... Im Unterschied zum alten ›Patriot‹-System, das Radar und Startgeräte stets in Hauptkampfrichtung aufstellen muß, kann MEADS ... jederzeit Ziele aus jeder Richtung erfassen und zerstören ... Darüber hinaus wird MEADS mit dem neuen Bundeswehr-Airbus in jedes Einsatzgebiet verlegbar sein, anders als ›Patriot‹."

Bartels hat nicht Abrüstung im Sinn, sondern Umrüstung der Bundeswehr in eine Interventionsarmee, die überall auf der Welt einsetzbar ist - um deutsche Konzerninteressen zu verteidigen. Denn welche Aufgaben der Bundeswehr jetzt zugedacht sind, nachdem es keine "Hauptkampfrichtung" mehr gibt, erläutern die am 21. Mai 2003 vom Bundesminister der Verteidigung erlassenen Verteidigungspolitischen Richtlinien unter anderem so: "Die deutsche Wirtschaft ist aufgrund ihres hohen Außenhandelsvolumens und der damit verbundenen besonderen Abhängigkeit von empfindlichen Transportwegen und -mitteln zusätzlich verwundbar." Da sich "die deutsche Wirtschaft" global von Kräften bedroht sieht, die sich ihr nicht unterwerfen, ist, wie der mächtigste Unternehmerverband, der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), herrisch verlangt, "die Transformation der Bundeswehr von einer klassischen Verteidigungsarmee hin zu hochmobilen Krisen-Interventionskräften zwingend erforderlich". Was das für den Eurofighter bedeutet, erklärt Thomas Kröter in der Frankfurter Rundschau: "Die Schlachten, für die er geplant wurde, zählen nicht zu den wahrscheinlichen Einsatzoptionen der Bundeswehr, ob am Hindukusch oder Hindelang."

Eine Bundesregierung, die die "Einsatzoptionen" der Bundeswehr erweitert - auch um "Optionen" im Innern -, denkt folglich nicht an Kürzung des Wehr-etats. Statt die 2,5 Milliarden Euro, die bei Verzicht auf weitere 68 Eurofighter übrig bleiben, "für Bildung oder Gesundheit einzusetzen", wie Paul Schäfer, verteidigungspolitischer Sprecher der Fraktion Die Linke, fordert, steht auf der Agenda der Bundesregierung die Aufstockung des offiziellen Verteidigungsetats (Einzelplan 14) um 700 Millionen Euro im kommenden Jahr. Und schon für dieses Jahr hat der Minister für Aufrüstung, Franz Josef Jung (CDU), durchgesetzt, "daß neue Auslandseinsätze nicht aus seinem Einzelplan 14, sondern dem Haushaltstitel 60 (Allgemeine Ausgaben) finanziert werden" (FR 3.11.05). Außerdem sollen die laufenden Betriebskosten "gesenkt werden, damit wieder mehr investiert werden kann". In allgemeinverständliches Deutsch übersetzt heißt das: Es soll mehr Kriegsgerät beschafft werden.

Allenthalben wird über Finanzlöcher im Bundeshaushalt geklagt. Entstanden sind sie großenteils durch Erlaß der Steuer auf Veräußerungsgewinne und Senkung anderer Unternehmenssteuern. Stopfen will man sie nun durch Kürzung von Ausgaben - aber niemals im Wehretat. Stattdessen muten uns Volksvertreter wie Bartels - die ganze große Koalitionsmehrheit des Bundestags - Kürzungen bei der Pendlerpauschale, bei den Zuschüssen für die Arbeitsmarktförderung der Erwerblosen und bei den Renten zu. Den Lohnabhängigen, die bei Verlust ihres Arbeitsplatzes eine Abfindung erhalten, verlangen sie dafür eine zusätzliche Steuer ab. Im nächsten Jahr soll es so weitergehen. Dann will die Bundesregierung beispielsweise den Krankenkassen nicht mehr den bisherigen Bundeszuschuß von 1,7 Milliarden Euro aus der Tabaksteuer überweisen. Die Kassen werden daraufhin entweder ihre Leistungen mindern oder die Beiträge erhöhen - oder beides.

Bei aller Empörung darüber, daß unser Geld, das für Bildung, Gesundheit, Altenpflege, Rente, Umweltschutz und damit für sinnvolle Arbeitsplätze verwendet werden müßte, an die Rüstungskonzerne verschleudert wird, dürfen wir den eigentlichen Zweck dieser Umverteilung nicht übersehen - er ist nicht weniger empörend: Durch die permanente Aufrüstung wandelt sich die EU mit Deutschland an der Spitze zu einem immer gefährlicheren militarisierten Akteur der Weltpolitik. "Schon das Europa der 15 gab 2001 mehr als 172 Mrd. US-Dollar für das Militär aus und behauptet damit unangefochten Platz zwei in der Welt. Damit gab die EU ebensoviel Geld für Waffen und Soldaten aus wie China, Japan, Rußland, Afrika, Lateinamerika und Südasien zusammen" (wie die AG Friedensforschung an der Universität Kassel kürzlich errechnet hat). Wozu dieser immense Aufwand?

Im gnadenlosen Standortkonkurrenzkampf von EU- und US-Konzernen geht es bei Strafe des Untergangs um Höchstprofite. Wenn sich EU- gegen US-Konzerne mit der (wie Marx und Engels es einst formuliert haben) "schweren Artillerie der wohlfeilen Preise ihrer Waren", das heißt mit Produktionskostensenkung durch Arbeitsplatzabbau, allein nicht mehr durchsetzen können - werden sie dann auf die Option von Krieg oder Stellvertreterkrieg setzen, um sich den Zugang zu Absatzmärkten, Ressourcen und billigen Arbeitskräften zu sichern? Was versteht Rainer Arnold, verteidigungspolitischer Sprecher der SPD, unter "militärischen Zukunftsvorhaben, die sonst" - ohne die von Bartels avisierten "frei werdenden Milliarden" - "nicht möglich wären"?

2,5 Milliarden Euro - wenn dieser Betrag innerhalb eines Jahres eingespart würde, entspräche das der Forderung von Teilen der Friedensbewegung, den Verteidigungsetat um zehn Prozent zu kürzen. Entsetzlich, daß es in der großen Koalition gar keine Auseinandersetzung darüber gibt, ob unsere Steuergelder für zivile Zwecke oder für die militarisierte Außenpolitik verwendet werden sollen. Stattdessen streitet man sich, welche Angriffswaffen die angemesseneren seien. Es ist dringend notwendig, sich einzumischen und den Rüstungshaushalt auf den Prüfstand zu stellen.