Ihr Geschäft heißt Krieg

Gemeinsam gegen die NATO-Kriegskonferenz in München 3.-5. Februar 2006

Einen bereits angekündigten Pressetermin hat der Veranstalter ohne Angaben von Gründen abgesagt, die Namen der Teilnehmer will er auch drei Wochen vor der Konferenz nicht nennen und das ...

... "Regionalthema" für den zweiten Konferenztag stehe auch noch nicht fest, heißt es knapp auf der offiziellen Webseite (www.securityconference.de). Kurz vor der "42. Münchner Konferenz für Sicherheitspolitik", der früheren "Wehrkundetagung", hält sich der Deutschland-Chef des US-Rüstungskonzerns Boeing, Horst Teltschik, äußerst bedeckt. Völlig anders agierte Teltschik vor der letzten Nato-Kriegskonferenz 2005, als der ehemalige Kanzlerberater von Helmut Kohl und frühere BMW-Manager bereits Monate vorher auf zahlreichen Veranstaltungen und Pressekonferenzen eine Image-Kampagne für den ramponierten Ruf des weltweit wichtigsten Militärtreffens startete: Das Motto heißt seitdem "Frieden durch Dialog". Den gleichnamigen Preis durfte 2005 Ministerpräsident Stoiber UN-Generalsekretär Kofi Annan überreichen, dessen Einladung der Tagung einen neuen Anstrich geben sollte. Doch den Protest gegen die "Nato-Kriegstagung" konnte auch diese PR-Maßnahme nicht stoppen. Bereits zum fünften Mal in Folge mobilisiert ein breites Bündnis für den 4. Februar 2006 zu einer internationalistischen Großdemonstration gegen kapitalistische Globalisierung und den globalen Krieg der Nato-Staaten und will den "Folterherren, Kriegsverbrechern und Waffenhändlern" einen "gebührenden Empfang bereiten": Auftaktkundgebung ist dieses Jahr am Lenbachplatz in Sichtweite zum Nobelhotel Bayerischer Hof, wo Angela Merkel wohl ihren ersten großen internationalen Auftritt im eigenen Land haben wird. Dort "dreht sich am Samstag alles um die Außen- und Sicherheitspolitik der neu gewählten deutschen Bundesregierung und die Zukunft der transatlantischen Beziehungen", kündigt Teltschik an: Unter dem Titel "Europa und die Vereinigten Staaten - die Erneuerung der transatlantischen Partnerschaft" werde "die Crème de la Crème internationaler Sicherheits- und Verteidigungsexperten die sicherheitsrelevanten Fragen unserer Zeit erörtern".

Von freundlichen Worten bis zu Marschflugkörpern

In aller Offenheit propagierte Angela Merkel bereits bei der Konferenz im Jahr 2004 Angriffskriege der EU: Um "Politik und Handeln anderer Nationen zu beeinflussen" und um "den Interessen und Werten der eigenen Nation zu dienen", müssten wir "alle Mittel in Betracht ziehen (...) von freundlichen Worten bis zu Marschflugkörpern". Diese "verblüffend einfache Definition" müsse nicht nur für die US-Politik Gültigkeit haben, "sondern sollte - besser muss - auch Maßstab einer europäischen Außen- und Sicherheitspolitik sein", stellte die heutige Bundeskanzlerin schon damals klar. Die selbst ernannte "Friedensmacht Europa" bereitet sich längst intensiv darauf vor, ähnlich wie die USA, eigenmächtig Krieg führen zu können. Dieses neue Selbstbewusstsein hatte bereits auf den letzten Konferenzen zu scharfen Auseinandersetzungen besonders zwischen VertreterInnen der Bundesregierung und der US-Delegation unter Donald Rumsfeld geführt. Daran wird sich wenig ändern - dafür sorgen die innerimperialistische Konkurrenz um billige Rohstoffe in Afrika, der Kampf um die Absatzmärkte in Asien und die Frage von politischen Bündnissen bzw. Konflikten mit der künftigen Supermacht China. Wie eng dabei der weltweite Zusammenhang von ökonomischen Interessen und ihrer militärischen Absicherung ist, beweist am 3. Februar erneut eine "Finanzierungskonferenz" der Deutschen Banken und der Industrie- und Handelskammer in München: Nachdem letztes Jahr der strategisch wichtige Raum Nordafrika und die Mittelmeerregion auf der Agenda standen, wird dieses Jahr Südostasien und der Pazifikraum verhandelt. Pünktlich zur feierlichen Eröffnung der Sicherheitskonferenz am Freitagabend wechseln die TeilnehmerInnen mit Shuttlebussen und unter Polizeischutz vom Haus der bayerischen Wirtschaft in den Bayerischen Hof. Dort werden die Delegationen über einen Präventivschlag gegen den Iran genauso diskutieren und streiten wie über die Konzepte sowie die gemeinsamen und unterschiedlichen Interessen im globalen Krieg gegen den Terror. Denn auch nach dem Scheitern des EU-Verfassungsentwurfs treibt die EU ihre Militarisierungspläne weiter voran. Auskunft über die Ziele der zukünftigen Militärmacht Europa gibt das "European Defence Paper", das im Auftrag der EU-Regierungschefs erstellt wurde. In diesem Dokument steht: Zweck zukünftiger EU-"Missionen" sei der "Stabilitätsexport zum Schutz der Handelswege und des freien Flusses von Rohstoffen". Die EU müsse "militärische Eskalationsdominanz" erringen, um auch "Kriege in einem anspruchsvollen Szenario wagen und gewinnen zu können." Und unter "anspruchsvoll" verstehen die Militärplaner Kriege "von der gleichen sogar einer größeren Dimension wie der Golfkrieg 1990-1991". Deshalb sei "die Transformation Europäischer Streitkräfte von der Landesverteidigung in Richtung Interventions- und Expeditionskriegszüge eine unabdingbare Voraussetzung für eine effektive Europäische Sicherheitsstrategie."

"Finanzierungskonferenz" meets "Sicherheitskonferenz"

Bis zum Jahr 2010, so das "Planziel", soll die globale Interventionsfähigkeit erreicht werden. Im Zentrum der Anstrengungen stehen Milliarden-Rüstungsprogramme, um die EU-Streitkräfte in einem Radius von 6.000 Kilometern kriegseinsatzfähig zu machen: Flugzeugträger und neue Schlachtschiffe, der Eurofighter, Großraum-Militärtransporter und Kampfhubschrauber, Marschflugkörper, Militärsatelliten- und Navigationssysteme. Mit der Parole "Entschieden für Frieden" feierte die Bundeswehr monatelang 50 Jahre Wiederbewaffnung und versuchte durch Gelöbnisse gesellschaftliche Akzeptanz für Aufrüstung und Militarisierung zu erlangen - dagegen setzt die Demonstration "Wiederentwaffnung jetzt!", denn dieser "Frieden bedeutet Krieg", diese "Zivilisation bringt Folter". AutorInnenKollektiv SehStörung Infos zur Großdemo am 4. Februar 2006 um 12 Uhr am Lenbachplatz in München, Demos und Kundgebungen am Freitag und den Antikriegsveranstaltungen unter: www.no-nato.de; www.muenchen-gegen-krieg-und-rassismus.de; www.indynews.de; www.attac-muenchen.de; www.muenchner-friedensbuendnis.de; www.wiederentwaffnung.de.vu ak - analyse & kritik - Zeitung für linke Debatte und Praxis/Nr. 502/20.1.2006