Schrumpfende Regionen in Ostdeutschland.

Bleibt die Angleichung der Lebensverhältnisse eine Illusion?

Öffentliche Debatten über die wirtschaftliche und gesellschaftliche Situation in Ostdeutschland verlaufen häufig nach dem gleichen, polarisierenden Muster: Auf der einen Seite "die Ossis", die die Entwertung ihrer Biographien durch die Vereinigung, die unzureichende Teilhabe am öffentlichen Leben und eine ungleiche Verteilung von Karrierechancen, Einkommen und Vermögen beklagen, auf der anderen Seite "die Wessis", die die angebliche Undankbarkeit der Ostdeutschen für finanzielle Hilfen anprangern und der Vereinigung die Schuld dafür geben, daß auch in Westdeutschland die "goldenen" 1980er Jahre lange vorbei sind und man sich nunmehr auf magere Zeiten einzustellen habe. Gewiß, dies ist eine vereinfachende Darstellung, doch zumindest an den Stammtischen in Ost und West scheinen diese Sichtweisen verbreitet - und es gibt Anzeichen dafür, daß sie zunehmend auch die politische Klasse erreichen und damit Einfluß auf politische Entscheidungen gewinnen.1
Die Wahrheit liegt jedoch, wie meistens, eher in der Mitte. Natürlich ist die Wirtschaftslage in Ostdeutschland schlecht, hieran ändern auch beschönigende Darstellungen nichts: Je 100 Erwerbspersonen stehen in Ostdeutschland nur 73 Arbeitsplätze auf dem ersten Arbeitsmarkt zur Verfügung (Westdeutschland: 91 Arbeitsplätze), und die eigene Wirtschaftsleistung liegt mit 64% des westdeutschen Pro-Kopf-Niveaus noch nicht einmal auf dem Niveau von Ländern wie Griechenland oder Portugal. Einziger Lichtblick ist die Entwicklung im Verarbeitenden Gewerbe, das aufgrund von Wettbewerbsvorteilen insbesondere auf der Lohnseite zuletzt ein Produktionswachstum von knapp 9% erreichen konnte. Allerdings ist dieser Sektor viel zu klein, um die fortdauernde Anpassungskrise des Baugewerbes und den Personalabbau im öffentlichen Sektor kompensieren zu können. Und natürlich belasten die Nachwirkungen der Vereinigung auch den Westen: Die Transferleistungen binden mehr als 4% des westdeutschen Bruttoinlandsprodukts, und die den Staat zunehmend lähmende Verschuldung ist auch auf die Kreditfinanzierung der "Kosten der Einheit" zurückzuführen. Daß die Wachstumsdynamik in Westdeutschland so schwach ist, resultiert insoweit auch daher, daß der Osten noch nicht auf eigenen Beinen stehen kann. Doch gleichwohl wäre es zu kurz gegriffen, die Probleme Deutschlands allein oder auch nur überwiegend auf die unbewältigte Vereinigung zurückführen zu wollen, denn letzten Endes krankt das Land vor allem daran, daß unausweichliche und in anderen Ländern schon früher begonnene Strukturreformen in den Sozialversicherungssystemen, auf dem Arbeitsmarkt und auch auf den Gütermärkten hierzulande verschleppt wurden. Insoweit ist ein Politikversagen die Ursache der meisten Probleme - und dementsprechend können sie auch nur durch verändertes Verhalten der Politik aus dem Weg geräumt werden, wenn dies überhaupt noch möglich ist.2
Wegen der enormen wirtschaftlichen Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland gilt die Vereinigung vielen als unvollendet. Hierher rühren Formeln von der "Halbzeit" beim Aufbau Ost, die schon seit Mitte der neunziger Jahre zum ständigen Repertoire von politischen Sonntagsreden zur Lage in Ostdeutschland zählen; hierher rühren aber auch Aussagen wie die, daß Ostdeutschland "auf der Kippe" stünde (Thierse 2001) oder ein "Kurswechsel" (Gesprächskreis Ost 2004) in der Politik dringend erforderlich wäre. Aber natürlich sind derartige Aussagen immer auch von einer (meist nicht offen gelegten) Vorstellung darüber geprägt, wie denn die deutsche Einheit nach ihrer Vollendung auszusehen habe. Zu vermuten ist, daß dies eine Gesellschaft sein soll, die zumindest in wirtschaftlichen Belangen weitgehend derjenigen des Westens entspricht. Ob das aber möglich oder überhaupt nur wünschenswert ist, wird zumeist nicht thematisiert.3

Arrangement der Menschen mit den Verhältnissen

Tatsächlich scheint es, daß die Menschen in den neuen Ländern mit ihrer Situation weit weniger unzufrieden sind, als die öffentliche und veröffentlichte Meinung uns weismachen will. Auch wenn es schwerfällt, subjektive Zufriedenheit zu messen, scheinen die Unterschiede zwischen Ost und West erstaunlich gering. So liegen Ergebnisse beispielsweise aus dem Sozioökonomischen Panel des DIW Berlin (SOEP) vor, wonach die allgemeine Lebenszufriedenheit in Ostdeutschland auf einer von 0-10 reichenden Skala immerhin mit einem Wert von 6,1 bewertet wird, während in Westdeutschland ein Wert von 6,8 erreicht wird. Nach den Ergebnissen der Allgemeinen Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften (ALLBUS 2004) bewerten wiederum 34,7% der Befragten aus Ostdeutschland ihre persönliche wirtschaftliche Lage als gut oder sehr gut. Dies ist zwar deutlich weniger ist als in Westdeutschland (42,4%), doch sind immerhin noch 42,5% (Westdeutschland: 38,9%) mit ihrer wirtschaftliche Lage im großen und ganzen zufrieden, so daß die Ergebnisse beider Umfragen durchaus miteinander kompatibel scheinen und vor allem auch Strukturunterschiede zwischen beiden Landesteilen widerspiegeln (höherer Anteil an Arbeitslosen in Ostdeutschland).4 Freilich: Wer mit den Verhältnissen in den neuen Ländern nicht zufrieden ist, wird im Zweifel auch nicht dort bleiben, sondern sein Heil anderswo - und das heißt vor allem: in Westdeutschland - suchen.
Beide Umfragen zeigen, daß sich seit Mitte der 1990er Jahre der Abstand zwischen Ost- und Westdeutschland kaum verändert hat - die Stimmungslage in Ostdeutschland aber auch deutlich besser ist als zu Beginn des Transformationsprozesses.5 Schwankungen dieser Zufriedenheitsindikatoren von einem Jahr zum anderen scheinen wiederum vor allem konjunkturelle Entwicklungen zu reflektieren; daß mangelnde Erfolge beim Aufbau Ost zu einer schlechteren Grundstimmung insbesondere in den neuen Ländern beigetragen hätten, ist anhand dieser Ergebnisse jedenfalls nicht zu erkennen. Ganz offenbar haben sich somit die meisten Menschen in den neuen Ländern in ihrer Situation so gut es geht eingerichtet - von einer allgemeinen Depression unter den Ostdeutschen kann also nicht die Rede sein.
Gleichwohl: Man darf die Situation auch nicht schönreden; unbestritten ist, daß ein Großteil der Wünsche und Erwartungen, die sich an die deutsche Vereinigung knüpften, unerfüllt geblieben sind. Dies hat auch damit zu tun, daß in der Anfangsphase der Vereinigung überzogene Vorstellungen über Ziel und Geschwindigkeit des Aufholprozesses geweckt wurden, die sich auch unter günstigsten Bedingungen nicht hätten erfüllen lassen.6 Die viel beschworene "Angleichung der Lebensverhältnisse" war zumindest aus eigener Kraft überhaupt nicht zu erreichen - zu schlecht war die Ausgangslage, zu groß der Vorsprung, der gegenüber der westdeutschen Wirtschaft hätte aufgeholt werden müssen. So lag das Produktivitätsniveau in Ostdeutschland unmittelbar nach der Vereinigung bei nur einem Drittel des westdeutschen Niveaus,7 und es grenzt schon an ein Wunder, daß der Abstand seither überhaupt so stark - auf nur noch 30% - vermindert werden konnte. Und daß die Überbeschäftigung der DDR unter Marktbedingungen nicht aufrechterhalten werden konnte - daß eine hohe Produktivität als Grundvoraussetzung hoher Einkommen ohnehin nur durch fortschreitenden Technisierung der Produktion und somit durch Substitution von Arbeit durch Kapital erreicht werden konnte -, hätte bei unvoreingenommenem Hinschauen auch 1991 schon jedem klar sein müssen. Die Vorhersage "blühender Landschaften", wiewohl im Wahlkampf ausgesprochen, wurde von den in politischen Dingen unerfahrenen Ostdeutschen aber ernst genommen, und die Erfahrung, daß dergleichen Versprechungen von der Politik nicht eingelöst werden können, hat wohl viel dazu beigetragen, daß viele Ostdeutsche sich bis heute im vereinten Deutschland nicht so recht geborgen fühlen. Daß man in Deutschland gut leben könne, wird zwar auch von der überwiegenden Mehrheit der Ostdeutschen (72,7%) bejaht, aber die Vorbehalte sind dabei doch deutlich zu spüren. In Westdeutschland hingegen ist die Zustimmung zu Deutschland und seinen Institutionen mit 88,5% weitaus stärker ausgeprägt (ALLBUS 2004). Besonders deutlich wird das verbreitete Gefühl der Zweitklassigkeit, wenn man die Menschen danach befragt, ob sie sich gerecht behandelt fühlen: Zwei Drittel der Ostdeutschen, aber nur knapp zwei Fünftel der Westdeutschen geben an, sie würden in materieller Hinsicht weniger bekommen, als ihnen gerechterweise zustünde. Insoweit bestätigen diese Ergebnisse recht deutlich das auch in den (ostdeutschen) Medien häufig reflektierte Gefühl von Zweitklassigkeit vieler Ostdeutscher im Vergleich zu ihren Landsleuten im Westen.

Angleichung der Lebensverhältnisse - fast erreicht ...

Auf politischer Ebene genießt der Aufbau Ost - zumindest der offiziellen Lesart zufolge - noch immer hohe Priorität. Leitbild dabei ist ganz offenbar die Vorstellung "gleichwertiger Lebensverhältnisse", die bis heute eine Vorgabe des Grundgesetzes für raumordnerisches Handeln und ausgleichsorientierte Regionalpolitiken darstellt. Dabei werden nur zu oft gleichwertige Lebensverhältnisse mit gleichen Lebensverhältnissen verwechselt - und diese zumeist mit gleich hohen Einkommen gleichgesetzt. Anders jedenfalls ist die politische Zielvorgabe für den Aufbau Ost, nämlich die "Angleichung der Lebensverhältnisse", nicht zu verstehen. Darauf hinzuweisen, daß auch in Westdeutschland keineswegs überall "gleiche" Einkommensbedingungen bestehen, daß ohnehin die Politik dieses Ziel nicht auf direktem Wege erreichen kann, scheint hingegen selbst heute keineswegs politisch opportun. Tatsächlich aber ist "der Osten" inzwischen auch schon in weiten Teilen des Westens präsent: Geringe Einkommen, hohe Arbeitslosigkeit und hoher Abwanderungsdruck sind in westdeutschen Regionen ebenso festzustellen wie in Ostdeutschland, auch wenn die alten Bundesländer in dieser Hinsicht noch eher einem Flickenteppich gleichen, während die neuen Länder nahezu flächendeckend Probleme dieser Art aufweisen.8 Dennoch ist es angesichts dieses Bildes immer weniger gerechtfertigt, Lebensverhältnisse nach Himmelsrichtungen zu unterscheiden; weitaus angemessener erscheint eine Abgrenzung, die auf Ähnlichkeit von materiellen Lebenslagen beruht - und hierbei sind Teile des Ruhrgebiets oder auch die Südpfalz durchaus nicht mehr viel anders, als es Eisenhüttenstadt und Cottbus, die Lausitz oder das Erzgebirge sind.
Die Vorstellung, daß gleichwertige Lebensverhältnisse sehr viel mit gleichem materiellem Wohlstand zu tun haben, ist ein Grund für den hohen Grad an Umverteilung in Deutschland - nicht nur zwischen "oben" und "unten", wie zumeist unterstellt, sondern auch zwischen "reichen" und "armen" Regionen. Aufgrund der Überlagerung von Umverteilungsmechanismen auf individueller (Sozialleistungen, Steuersystem) und regionaler (Wirtschaftsförderung, Arbeitsmarktpolitik) Ebene geht es den Menschen in den neuen Ländern denn auch viel besser, als es die niedrige Wirtschaftskraft allein impliziert. Aufgrund der Vielzahl von Transfers unterschiedlicher Art liegt das verfügbare Einkommen der privaten Haushalte in Ostdeutschland heute nämlich durchaus auf einem Westdeutschland vergleichbaren Niveau. Unter Berücksichtigung niedriger Preise für viele Güter des täglichen Bedarfs - Wohnungsmieten, auch viele Dienstleistungen - erreichen die verfügbaren Einkommen je Einwohner inzwischen einen Wert von 87% des westdeutschen Durchschnitts9, und dies bei weitgehendem Fehlen einer wohlhabenden Oberschicht in Ostdeutschland. Dies bedeutet, daß die Angleichung der materiellen Lebensverhältnisse für die große Masse der Haushalte inzwischen trotz fortbestehenden Abstands bei den Lohnsätzen weitgehend vollzogen ist. Die Differenz zu den selbsterwirtschafteten Einkommen - 64% des westdeutschen Durchschnittsniveaus - ist indes erheblich, und man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß Sozialtransfers, zumindest soweit sie politischer Beeinflußbarkeit unterliegen, auch dazu eingesetzt werden, den sozialen und gesellschaftlichen Frieden in Ostdeutschland zu wahren. Ob dies freilich eine kluge Strategie ist, kann zumindest angesichts der Erfolge populistischer Parteien am linken wie am rechten Parteienspektrum in Frage gestellt werden.

... aber in Zukunft gefährdet

Daß die bisherige Zielsetzung des Aufbaus Ost - ähnliche Pro-Kopf-Einkommen wie in Westdeutschland - auch in Zukunft aufrechterhalten werden kann, erscheint indes mehr denn je fraglich. Wohlgemerkt, dies ist kein Plädoyer dafür, das Ziel "gleichwertiger" Lebensverhältnisse aus den Augen zu verlieren, wohl aber, es an die Realitäten anzupassen.
Zu diesen Realitäten, denen sich Ostdeutschland (und später dann auch Westdeutschland) stellen muß, gehört vor allem der demographische Wandel. Seit dem Ende der 1960er Jahre liegt die Zahl der Kinder, die eine Frauengeneration zur Welt bringt, in Deutschland unter dem Bestanderhaltungsniveau von 2,1 Kinder je Frau und hat sich seit etwa 1975 auf einem Wert von 1,3 bis 1,4 Kindern je Frau eingependelt. Dieser Wert wird - nach dem einigungsbedingten Einbruch der Geburtenzahlen nach der deutschen Vereinigung - inzwischen auch in Ostdeutschland fast erreicht. Dies aber bedeutet, daß die Bevölkerung sowohl in Ostdeutschland wie in Westdeutschland in den nächsten Jahrzehnten stark schrumpfen wird - ohne deutliche Veränderung des Geburtenverhaltens wird jede kommende Generation nur noch ungefähr zwei Drittel der Elterngeneration ausmachen. Die Bevölkerungsschrumpfung ist dabei zumindest kurzfristig in Ostdeutschland noch viel stärker ausgeprägt, weil aufgrund des Geburteneinbruchs nach der deutschen Einheit und der fortschreitenden Abwanderung insbesondere von jungen Menschen in den nächsten Jahren die potentiellen Eltern fehlen und somit die Geburten sogar überproportional stark zurückgehen werden. Dies wird sich auch nicht ändern, wenn es wider alles Erwarten zu massiver Zuwanderung nach Ostdeutschland kommen sollte oder das Geburtenverhalten sich abrupt ändern würde - zu stark sind die Beharrungstendenzen der Demographie, die in den Verhaltensweisen der frühen 1990er Jahre angelegt sind. Aus diesem Grund sind auch familienpolitische Maßnahmen, so wünschenswert sie sein mögen, für die demographische Entwicklung der nächsten Zukunft ziemlich gleichgültig; notwendig sind "Anpassungsstrategien", nicht primär "Vermeidungsstrategien".
Die Bevölkerungsentwicklung ist damit zumindest großräumig für die nächsten Jahrzehnte weitgehend vorbestimmt: In den ostdeutschen Flächenländern wird die Bevölkerung bis 2020 um rund 10% schrumpfen, bis 2050 sogar um mehr als ein Viertel. Da die Bevölkerungsschrumpfung untrennbar verbunden ist mit zunehmender Alterung - neben fehlenden Geburten schlägt sich hierin auch ein Ansteigen der durchschnittlichen Lebenserwartung nieder - ist der Rückgang der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter (15 bis 65 Jahre) sogar noch stärker ausgeprägt. Schon bis 2020 wird diese Personengruppe um ein Fünftel zurückgehen, bis 2050 wird sogar ein Rückgang um mehr als 40% prognostiziert. Und weil der Nachwuchs fehlt, steigt das Durchschnittsalter der erwerbsaktiven Bevölkerung überproportional an: von derzeit 40,4 Jahren auf 44 Jahre im Jahr 2020. Immerhin, bis 2050 ist wegen des Renteneintritts geburtenstarker Jahrgänge dann wieder ein Rückgang des Durchschnittsalters der Erwerbsbevölkerung auf unter 42 Jahre zu erwarten.
Nicht der Bevölkerungsrückgang an sich, sondern der überproportionale Rückgang der erwerbsaktiven Bevölkerung bzw. deren Alterung ist denn auch die bedeutsamste Herausforderung der nächsten Jahrzehnte. Bei unverändertem Erwerbsverhalten wird der Rückgang der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter nämlich auch die Entwicklung der Wirtschaftsleistung negativ beeinflussen. Natürlich wird das tatsächlich erwirtschaftete Bruttoinlandsprodukt nicht so stark schrumpfen wie die erwerbsfähige Bevölkerung, weil auch in den kommenden Jahrzehnten die Produktivität zunehmen wird und bei längerer Lebenszeit das effektive Renteneintrittsalter kaum auf dem heutigen Stand gehalten werden kann. Hierzu braucht es noch nicht einmal massive staatliche Interventionen; angesichts drohenden Fachkräftemangels und aller Voraussicht nach sinkender Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherungen werden die Marktkräfte schon von sich aus eine Verlängerung der Lebensarbeitszeiten erzwingen. Gleichwohl: Daß das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts in Ostdeutschland über ein bis anderthalb Prozent hinausgehen könnte, ist zumindest für die nächsten 15 Jahre kaum zu erwarten.10 Dies gilt um so mehr, als die Alterung von sich aus bereits produktivitätsdämpfend wirkt, weil zum Beispiel das Qualifikationsprofil älterer Beschäftigter nicht unbedingt modernen Anforderungen entspricht und nur durch forcierte Weiterbildung auf dem erforderlichen Stand gehalten werden kann oder die Risiko- und damit Innovationsbereitschaft älterer Generationen im Zweifel abnimmt.
Die Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts ist aber kein sinnvoller Maßstab der Wohlstandsmessung, auch wenn dies medial häufig so dargestellt wird; viel entscheidender sind Wachstum und Niveau des Bruttoinlandsprodukts pro Kopf. Die Bevölkerungsschrumpfung allein stellt dabei keine Bedrohung dar, denn diese läßt das Pro-Kopf-Einkommen weitgehend unverändert: Es wird weniger produziert, aber diese Produktion verteilt sich eben auch auf weniger Köpfe. Da die Bevölkerungsschrumpfung aber untrennbar mit der Alterung verbunden ist, es also zu einer Verschiebung von erwerbsaktiver zu erwerbsinaktiver Bevölkerung kommt, wird das Bruttoinlandsprodukt je Einwohner in den kommenden Jahren in Ostdeutschland nur noch wenig wachsen können. Von einer schnellen Angleichung der Einkommensverhältnisse ist man damit weit entfernt. Nach Projektionsrechnungen des IWH11 ist unter plausiblen Annahmen über die Entwicklung von Produktivität und Erwerbstätigkeit im Durchschnitt der ostdeutschen Länder bis 2020 nur ein Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt von lediglich 70% des westdeutschen Wertes zu erreichen. Immerhin: Die Unterbeschäftigungsquote dürfte deutlich auf nur noch 8% zurückgehen. Weniger gut Qualifizierte werden dabei aber weiterhin große Schwierigkeiten haben, in den Arbeitsmarkt reintegriert zu werden, während gut ausgebildete Fachkräfte Mangelware sein werden.
Ein besonderes Problem dabei ist, daß die demographische Entwicklung keineswegs regional gleichförmig verläuft. Auch bei weitgehend ähnlichem Gebärverhalten in den einzelnen Regionen resultiert eine divergierende Entwicklung der Bevölkerungszahl insgesamt, bedingt vor allem durch die Wechselwirkung zwischen Demographie und wirtschaftlicher Aktivität. Um die ostdeutschen Ballungszentren - also die großen Städte vor allem in Sachsen und Thüringen, aber auch Berlin und sein Umland - wird man sich dabei weniger Sorgen machen müssen, denn hier wird es nicht zuletzt wegen der Möglichkeit einer Spezialisierung auf wertschöpfungs- und damit einkommensintensive Produktionen zu Zuwanderungen aus der Peripherie und damit nur zu geringem Bevölkerungsrückgang kommen. Wo aber schon in der Vergangenheit die Zukunftsperspektiven als schlecht eingeschätzt wurden (mit der Folge erhöhter Abwanderung), werden weniger Kinder geboren, bleibt die Nachfrageentwicklung hinter den allgemeinen Trends zurück und werden infolge Fachkräftemangels auch weniger Investitionen getätigt. Damit verschlechtern sich die Zukunftsaussichten weiter - ein Teufelskreis von schrumpfender Bevölkerung und nachlassender Wirtschaftskraft beginnt. Vor allem in den peripheren Regionen der neuen Länder, wie der Uckermark, der Oberlausitz oder auch dem Erzgebirge, ist dieses Szenario bereits jetzt zur traurigen Realität geworden. Ähnliches gilt aber auch für durchaus zentral gelegene Regionen, nämlich dann, wenn diese in einer solchen Entfernung zwischen den Ballungszentren liegen, daß weder ein Pendeln von Arbeitskräften in die Zentren zumutbar erscheint noch eine Belieferung der Märkte in den Zentren von diesen Standorten aus zu vertretbaren Kosten möglich ist. Regionen wie die Prignitz, die Altmark oder auch der Norden Thüringens zählen hierzu. Es wird nicht ausbleiben, daß im Zuge dieser regional differenzierten Bevölkerungsentwicklung einzelne kleine Orte faktisch von der Landkarte verschwinden werden - eine Vorstellung, die uns heute noch ziemlich fremd erscheint, aber in längerfristiger Betrachtung keineswegs ungewöhnlich ist. Die zuweilen anzutreffende Ortsbezeichnung "Wüstung" deutet auf das hin, was demnächst auch auf Ostdeutschland zukommen könnte.
In den besonders benachteiligten Regionen kann es daher sogar zu einer Verminderung des materiellen Wohlstandsniveaus (gemessen am Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt) kommen - wenn schon nicht in absoluten Werten, so doch relativ zu Westdeutschland bzw. den besser gestellten Regionen der neuen Länder. Die Differenzierung der Lebens- und Einkommensverhältnisse wird daher künftig eher zunehmen als abnehmen - und in gewisser Weise stellt dies auch ein Anknüpfen an räumliche Entwicklungen dar, die zumindest grosso modo bereits in der Vorkriegszeit angelegt waren und durch die Schließung der Grenzen zwischen der DDR und der Bundesrepublik lediglich hinausgezögert wurden.12
Diese doch auf den ersten Blick pessimistisch stimmenden Aussichten für die weitere wirtschaftliche Entwicklung in den strukturschwachen Regionen der neuen Länder sollen jetzt jedoch nicht so verstanden werden, daß der Osten gleichsam auf verlorenem Posten stünde. Daß es in einem räumlich abgegrenzten Gebiet weniger Menschen geben wird, kann man auch positiv sehen: In einer dicht besiedelten Region, wie es Mitteleuropa auch künftig sein wird, eröffnet der regional differenzierte Bevölkerungsrückgang beispielsweise Chancen für die Schaffung ökologischer Ausgleichsflächen oder für die Verwirklichung von Lebenskonzepten, die nicht in die modernen Schemata urbanen Lebens passen. Und auch wirtschaftlich können sich in entleerenden Regionen neue Zukunftschancen ergeben - so beispielsweise, indem Standortchancen für Produktionen entstehen, die in Räumen mit hoher Bevölkerungsdichte unerwünscht sind, wie umweltintensive Branchen (hier muß man nicht gleich an Betriebe der Chemieindustrie denken; auch Schweinemastbetriebe oder Geflügelfarmen stoßen in dichter besiedelten Räumen auf verständliche Vorbehalte) oder auch Branchen mit hohem Flächenbedarf. Schließlich bieten auch der Tourismus (auch im Nahbereich für die in den Zentren lebenden Menschen), die Gesundheits- und Altenpflege oder auch die "grüne" Biotechnologie gute Einkommenschancen für diese Regionen. Schließlich: Gelingt es, die Peripherie durch attraktive und leistungsfähige Verkehrsanbindungen an die Wirtschafts- und Ballungszentren West- und Ostdeutschlands und des nahen Auslands anzubinden oder der Telearbeit ein breiteres Anwendungsfeld zu geben, so ist auch hierdurch ein Beitrag geleistet, die Probleme regional unausgewogener Arbeitsmarkt- und Einkommensentwicklungen zu verringern.

Für eine Neuinterpretation des Begriffs der "gleichwertigen Lebensverhältnisse"

Um aber den zu Beginn dieses Beitrags gesponnenen Faden wieder aufzunehmen: Das Postulat gleichwertiger Lebensverhältnisse kann sich angesichts der demographischen Entwicklung und ihrer wirtschaftlichen Folgen ganz offensichtlich nicht auf das materielle Wohlstandsniveau beziehen, und es kann auch keine Garantie dafür beinhalten, den Menschen in der Nähe ihres derzeitigen Wohnortes einen Arbeitsplatz zu gewährleisten. Man wird damit leben müssen, daß das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf zwischen strukturstarken und strukturschwachen Regionen in Zukunft deutlich stärker differiert, als es in der Vergangenheit akzeptabel schien, und daß auch die Arbeitsmarktchancen weiterhin ungleich verteilt sein werden. Dies wird auch künftig zu ausgleichspolitischen Maßnahmen Anlaß geben. Man sollte sich aber auch nicht der Illusion hingeben, daß Maßnahmen der Wirtschaftsförderung hieran viel ändern könnten, denn es zeigt sich, daß diese schon in der Vergangenheit keineswegs zu uneingeschränkten Erfolgen geführt hat - Regionen, die schon in den 1970er und 1980er Jahren zum Fördergebiet der (west-)deutschen Regionalförderung gehörten, zählen zu einem großen Teil auch heute noch dazu (z.B. das frühere Zonenrandgebiet, die westliche Pfalz, das nordwestliche Niedersachsen). Zudem ist nicht ausgemacht, daß günstigere Entwicklungen in geförderten Regionen auch tatsächlich ursächlich auf die Förderung zurückgeführt werden können.
Neben wirtschaftlichen Implikationen der demographischen Entwicklung ergibt sich die Notwendigkeit einer Rückbesinnung auf den realisierbaren Gehalt der gleichwertigen Lebensverhältnisse aber auch aus einem ganz profanen Grund, nämlich dem Mangel an Geld nicht nur beim Bund, sondern auch (und in noch stärkerem Maße) bei den ostdeutschen Ländern. Diese stehen, mit Ausnahme Sachsens, schon heute am Rande der Haushaltsnotlage und würden, gäbe es keine bundesstaatliche Solidargemeinschaft, kaum mehr als kreditwürdig eingestuft werden. Da zudem der Solidarpakt II, der in erheblichem Maße zur Sicherung der finanziellen Handlungsfähigkeit der ostdeutschen Haushalte dient, in den kommenden Jahren allmählich ausläuft, werden sie ihre Ausgaben drastisch einschränken müssen. Dies klingt dramatisch, ist aber letzten Endes auch nichts anderes als die Rückkehr zur Normalität: Bislang sind die ostdeutschen Länder und ihre Gemeinden finanziell weitaus besser ausgestattet als die finanzschwachen westdeutschen Länder, ihre Pro-Kopf-Einnahmen liegen derzeit um 20% über dem Niveau der Vergleichsländer in Westdeutschland. Insoweit leben die ostdeutschen Länder heute über ihre Verhältnisse, was sicherlich kein dauerhaft tragfähiger Zustand ist.
Dies alles führt zu der Schlußfolgerung, daß das Gebot gleichwertiger Lebensverhältnisse künftig anders zu interpretieren ist, als es zumindest in der öffentlichen und politischen Diskussion bislang zumeist geschieht. Auf einer gedanklichen Ebene könnte man dies erreichen, indem ein umfassenderer Wohlstandsindikator gewählt wird, in welchen neben materiellen Faktoren auch immaterielle Faktoren wie eine hohe Lebensqualität einbezogen werden; tatsächlich ist dies aber wenig operational, da der Begriff der Lebensqualität kaum objektiv zu konkretisieren ist. Aus politischer Sicht sollte das Postulat gleichwertiger Lebensverhältnisse daher so umformuliert werden, daß den Menschen unabhängig von ihrem Wohnort gleiche Zukunftschancen gegeben werden; so durch Zugang zu Bildungseinrichtungen, zu Informationen, zur politischen und gesellschaftlichen Teilhabe. Letzten Endes wird damit das Gebot gleichwertiger Lebensverhältnisse umformuliert in eine Vorschrift, daß der Staat für bestimmte, für Chancengleichheit sorgende Institutionen Mindeststandards garantieren muß - nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Mindeststandards zu setzen, heißt aber nicht, daß diese an jedem Ort gleich sein müssen. Tatsächlich ist dies auch heute schon nicht so: Ein erstklassiges Krankenhaus gibt es eben nicht in jedem Ort, sondern nur in größeren Städten mit einem entsprechend weiten Einzugsgebiet; gleiches gilt für Universitäten, Theater und Fußballstadien. Die Diskussion muß also darüber geführt werden, wie diese Einzugsgebiete künftig zu konzipieren sind und welche Kosten dem Einzelnen dafür aufgebürdet werden können und dürfen, die Angebote öffentlicher Daseinsvorsorge zu nutzen. Da die Bevölkerung insgesamt abnimmt, bedeutet dies konkret, daß die im Regelfall noch aus den frühen 1990er Jahren (mit größerer Bevölkerung und weitaus optimistischeren Bevölkerungsprognosen) stammenden raumordnerischen Systeme von zentralen Orten unterschiedlicher Kategorie ausgedünnt und neu geordnet werden müssen.
Wichtig ist dabei aber, daß eine staatlich organisierte Grundversorgung mit öffentlichen Leistungen auch bei allfälligen Konsolidierungsmaßnahmen erhalten bleibt. Hierzu gehören mindestens: leistungsfähige Verkehrsverbindungen, um eine gute Erreichbarkeit peripherer Regionen zu gewährleisten; qualitativ hochwertige Angebote insbesondere im Bildungsbereich (wozu neben der Schulausbildung ausdrücklich auch die vorschulische Bildung zählen sollte); eine patientengerechte Krankenversorgung; und schließlich auch eine hinreichend präsente Polizei, um legitimen Sicherheitsbedürfnissen in dünn besiedelten Regionen nachkommen zu können. Sozial und kulturell orientierte Angebote dürften zwar kaum zu den Pflichtangeboten der öffentlichen Hand zählen, erfüllen aber gerade in den strukturschwachen Regionen eine stabilisierende Funktion, die unter Umständen Eigeninitiative erst ermöglichen.
Weniger Ober- und Mittelzentren, vermutlich auch weniger Grundzentren; dies bedeutet unausweichlich zusätzliche Belastungen für die Bürger, die nun weitere Entfernungen zur nächsten weiterführenden Schule, zum nächsten Postamt oder zum nächsten Krankenhaus werden zurücklegen müssen. Um zu gewährleisten, daß die Versorgung mit öffentlichen Leistungen trotzdem nicht über Gebühr leidet, sollte daher auch nach "innovativen" Lösungen für das Angebot derartiger Dienste gesucht werden. So stellen Ärztehäuser (wie es sie in der DDR schon einmal gab und die auch heute in den neuen Ländern noch recht weit verbreitet sind) ein Substitut für Krankenhäuser dar, für die medizinische Grundversorgung können wenigstens zum Teil auch angelernte Kräfte von Polizei und Feuerwehr eingesetzt werden, Sammelbriefkästen an Verkehrsknotenpunkten können die Versorgung mit Postdienstleistungen erleichtern, jahrgangsübergreifender Schulunterricht kann zumindest in der Primarstufe wieder eingeführt, in höheren Klassen auf Modelle des e-learning zurückgegriffen werden. Hier bieten sich Konzepte aus anderen, ebenfalls dünn besiedelten Ländern an; auch früher (bei geringerer individueller Mobilität) bereits einmal verwirklichte Ideen sollten daraufhin geprüft werden, inwieweit sie auch unter heutigen Bedingungen verwendet werden können.
Letzten Endes wird all dies aber darauf hinauslaufen, daß das Verhältnis von staatlichen zu privaten Aufgaben neu austariert werden muß. Eine Reihe heute vom Staat übernommener Aufgaben können ebensogut oder besser von Privaten erfüllt werden; hierzu wird es auch in dem Maße kommen, wie staatliche Vor- und Fürsorge ausfällt. Das spricht dafür, sich bereits heute darüber Gedanken zu machen. Neben Eigeninitiativen betroffener Bürger (z.B. im Bereich der Kinder- und Seniorenbetreuung) sind dabei auch marktliche Angebote (so im Bereich der haushaltsnahen Dienstleistungen) denkbar. Hier ist vor allem Phantasie der Betroffenen gefragt - daß es ausgereifte Konzepte derzeit noch nicht gibt, sollte dabei nicht schrecken, denn auf Probleme gibt es im Regelfall erst dann eine Antwort, wenn diese akut werden. Freilich darf dies kein Argument für einen vollständigen Rückzug des Staates aus öffentlicher Daseinsvorsorge sein.

Ostdeutschland als Vorbild für den Westen

Bei alledem gilt: Das, was schon in den nächsten Jahren in Ostdeutschland akut wird, wird über kurz oder lang auch den Westen einholen. Von 2030 an wird die Bevölkerung in Westdeutschland in etwa so stark zurückgehen wie in den ostdeutschen Bundesländern 15 Jahre zuvor. Auch dort wird es dann Regionen geben, die in den Teufelskreis niedriger Wirtschaftskraft und niedriger Bevölkerungsdynamik hineingeraten können - mit allen negativen Folgen, die in diesem Beitrag thematisiert wurden.
Insoweit nimmt der Osten eine Vorreiterrolle gegenüber dem Westen ein. Der Nachteil dabei ist, daß es bislang noch keine rechten Vorstellungen dazu gibt, wie die demographische Schrumpfung zu bewältigen ist - der Vorteil aber, daß zumindest in Grenzen auf westdeutsche finanzielle Ressourcen zurückgegriffen werden kann, um den Wandel zu bewältigen. Diese Option wird den Regionen Westdeutschlands später kaum noch offenstehen - mit der Folge, daß die notwendigen Anpassungsschritte dort dann noch weitaus einschneidendere Folgen haben könnten, als es jetzt schon in Ostdeutschland der Fall ist. Insoweit dürfte die Abkehr von der Vorstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse, wie sie derzeit nur mit Bezug auf die neuen Bundesländer diskutiert wird, dann auch für viele westdeutsche Regionen (und nicht nur für Hunsrück und Eifel) die einzig realistische Perspektive sein.

Anmerkungen

1 Erinnert sei nur an die viel beachtete Titelgeschichte des SPIEGEL über die "Tabuzone Ost" (SPIEGEL 2004) oder an das ebenso häufig zitierte Buch von U. Müller (2005), die mit reißerischerem Vokabular vor allem westdeutsche Vorurteile bedienten.
2 Auch unternehmerisches Fehlverhalten ist eine Ursache für die Wachstums- und Beschäftigungsprobleme des Landes. Allerdings reagieren Unternehmen im Regelfall auf die ihnen vorgegebenen Rahmenbedingungen, so daß sich die Politik nicht mit dem Hinweis auf mangelnden Patriotismus oder heuschreckenartiges Verhalten von internationalen Finanzinvestoren aus ihrer Verantwortung zurückziehen darf.
3 Zu einer kritischen Auseinandersetzung mit der bisherigen Vereinigungspolitik: Bahrmann, Links (2005); mitd dem Stand des Aufbaus Ost: Busch (2005).
4 Schlüsselt man die Angaben des ALLBUS auf eine 10er Skala um, so ergibt sich für den Osten ein durchschnittlicher Zufriedenheitswert von 6,4 für den Westen ein Wert von 6,2.
5 Zu kritischeren Ergebnissen kommt der Sozialreport (2004).
6 Dies soll nicht heißen, daß im Vereinigungsprozeß keine Fehler begangen worden wären; das Gegenteil ist der Fall. Zugute halten muß man den damals Verantwortlichen aber, daß sie selbst auch einer grundlegenden Fehleinschätzung über die Leistungskraft der DDR-Wirtschaft unterlagen und sich insoweit auch selbst Illusionen über die Möglichkeiten eines raschen Aufholprozesses gemacht haben.
7 Würde man die statistischen Basiseffekte der Jahre 1990 und 1991 mit berücksichtigten, fielen die Werte für Ostdeutschland allerdings deutlich schlechter aus.
8 Vgl. hierzu die illustrativen Graphiken bei Jakszentis, Hilpert (2005).
9 Nach den Angaben des Arbeitskreises "VGR der Länder" betragen die nominalen Einkommen je Einwohner rund 83% des westdeutschen Niveaus. Der angegebene Wert ergibt sich, wenn man für Ostdeutschland gleiche Preise wie in Westdeutschland unterstellt. In individualisierten Umfragen wie dem SOEP werden hingegen zum Teil deutlich niedrigere Werte ermittelt. Es ist unklar, inwieweit dies strategisches Antwortverhalten der Befragten oder auch Unkenntnis über die tatsächlichen Einkommensverhältnisse widerspiegelt.
10 Vgl. zu Projektionen der wirtschaftlichen Entwicklung in Ostdeutschland z.B. Ragnitz (2005); DB Research (2004).
11 Vgl. Ragnitz (2005).
12 Zumindest gilt dies für Teile Mecklenburg-Vorpommerns und Brandenburgs; der mitteldeutsche Raum (Sachsen, das südliche Sachsen-Anhalt und Thüringen) gehörte hingegen vor dem Zweiten Weltkrieg zum industriellen Kernland des Deutschen Reiches. Die schlechten Wirtschafts- und Bevölkerungsprognosen für dieses Gebiet sind daher eher Folge der Abwanderung von Industrieunternehmen in der unmittelbaren Nachkriegszeit und keine Wiederaufnahme zuvor angelegter Entwicklungen.

Literatur

ALLBUS 2004: Allgemeine Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften, ZUMA (Mannheim), http://www.gesis.org/Datenservice/ALLBUS/Daten/all2004.htm.
Bahrmann, H.; Links, C. 2005: Am Ziel vorbei. Die deutsche Einheit - eine Zwischenbilanz, Berlin.
Busch, Ullrich 2005: Aufbau Ost - Bilanz und Perspektiven, in: Berliner Debatte Initial 16, Heft 1, 79-91.
DB Research 2004: Perspektiven Ostdeutschlands - 15 Jahre danach, Aktuelle Themen 306, Frankfurt a.M.
Gesprächskreis Ost der Bundesregierung 2004: Kurskorrektur des Aufbau Ost. Endfassung (mimeo), Berlin.
Jakszentis, A.; Hilpert, U. 2005: Regionale Entwicklungsunterschiede in Ostdeutschland im Vergleich. Otto-Brenner-Stiftung (Hg.), Arbeitsheft Nr. 42, Berlin.
Müller, U. 2005: Supergau Deutsche Einheit, Berlin.
Ragnitz, J. 2005: Demographische Entwicklung in Ostdeutschland und Länderfinanzausgleich, in: Wirtschaft im Wandel, Heft 3, Halle.
SOEP: Das Sozio-ökonomische Panel, DIW Berlin;
http://www.diw.de/deutsch/sop
Sozialreport 2004: Daten und Fakten zur sozialen Lage in Ostdeutschland, Berlin.
SPIEGEL 2004: Tabuzone Ost. Nr. 15, 5. April.
Thierse, W. 2001: Fünf Thesen zur Vorbereitung eines Aktionsprogramms für Ostdeutschland, in: Die ZEIT, 3. Januar.

Dr. Joachim Ragnitz, Volkswirtschaftler, Institut für Wirtschaftsforschung Halle

aus: Berliner Debatte INITIAL 16 (2005) 6, S. 4-12