Intellektuelle Eigentumsmonopole und die Erzielung von Renten in der globalen Enteignungsökonomie (*)

Neuerdings flammt die Diskussion wieder auf, inwiefern die aktuelle Konfiguration des Kapitalismus wieder vermehrt durch Vorgänge im Stile der ursprünglichen Akkumulation gekennzeichnet ist.

Die neuerdings entfachte Diskussion darüber, inwiefern die aktuelle Konfiguration des Kapitalismus neben der "normalen" Akkumulation und Aneignung nicht entlöhnter Mehrarbeit wieder vermehrt durch Enteignungsvorgänge im Stile der ursprünglichen Akkumulation gekennzeichnet ist, wirft alte Fragen auf. Bereits Karl Marx und Rosa Luxemburg haben sich eingehend mit diesem Problem beschäftigt. Während der langen Aufschwungphase nach dem 2. Weltkrieg bis in die 1970er hinein verstummte die Diskussion. Die verstärkte neoliberale Offensive mit ihren Privatisierungen und der intensivierten Durchsetzung privater Eigentumsrechte bei Erfindungen und sogar Entdeckungen sowie die aggressive Kriegspolitik der USA und die "neuen Kriege" um natürliche Ressourcen haben wieder zu Diskussionen über Formen enteignender Akkumulation im Sinne einer permanenten ursprünglichen Akkumulation angeregt. Ich versuche in diesem Beitrag die bereits früher genannten unterschiedlichen "Enteignungsprozesse" theoretisch differenzierter zu fassen (Zeller 2004b; 2004e). Das Ziel besteht darin, aufzuzeigen und theoretisch zu begründen, dass in Ergänzung zur "normalen" Akkumulation unterschiedliche Formen von Enteignungsprozessen und Wertetransfers zentrale Kennzeichen der aktuellen Konfiguration des Kapitalismus sind. Die Durchsetzung intellektueller Eigentumsmonopole, als eine Form enteignender Akkumulation, nimmt in diesem Kontext eine besondere Bedeutung ein. Der Beitrag stellt vier Thesen zur Diskussion: Erstens führt die Durchsetzung eines finanzdominierten Akkumulationsregimes, also der Aufstieg eines konzentrierten Anlagekapitals und die damit einhergehenden gesellschaftlichen und institutionellen Veränderungen, dazu, dass die Lohnarbeit verstärkt ausgebeutet und die Teilung des Gesamtprofits zugunsten der Renten- und Zinserträge verschoben wird. Zweitens dauern die Formen von Enteignungsprozessen, die erzwungene Trennung der Produzenten von ihren Produktionsmitteln, die die ursprüngliche Akkumulation ermöglichten, an. Sie sind permanente Kennzeichen des Kapitalismus. Drittens ist im finanzdominierten Akkumulationsregime die Erzielung von Renten, also Einkommen auf der Grundlage von Eigentumsrechten, eine zentrale Form der Aneignung von Ressourcen geworden. Rentenerträge sind nur zu erzielen, wenn Eigentumsrechte monopolisiert werden, und genau das bewirken Patente. Darum ziehe ich den Begriff intellektuelle Eigentumsmonopole dem verschleiernden Begriff der geistigen oder intellektuellen Eigentumsrechte vor, die Rechte auf Eigentum suggerieren. Viertens vereinigt die Durchsetzung und Ausdehnung von geistigen Eigentumsmonopolen diese drei Thesen zu einem dreifachen Prozess: a) entspricht die Errichtung von intellektuellen Eigentumsmonopolen einem Prozess, der ähnlich der ursprünglichen Akkumulation die direkten Wissensproduzenten von ihren Produkten trennt und in den Händen des Kapitals monopolisiert; b) vollzieht sich die Inwertsetzung des monopolistischen intellektuellen Eigentums und monopolisierter natürlicher Ressourcen durch die Erzielung von Renten; c) können (intellektuelle) Eigentumstitel auch der Akkumulation von Geldkapital außerhalb des Wertschöpfungsprozesses (also G - G') dienen. Diese drei Prozesse vollziehen sich auf unterschiedlichen Maßstabsebenen: Sie reichen von der Durchsetzung von Eigentumsrechten über Gensequenzen bis zur Rolle der USA als Rentierstaat im Weltmaßstab. Angesichts der zunehmenden Vergesellschaftung der Arbeit, insbesondere innovativer Tätigkeiten, versucht das Kapital, die direkte Kontrolle über die Menschen und sozialen Zusammenhänge, die über Wissen oder ein Kreativitätspotential verfügen, zu erlangen. Der vorliegende Beitrag ist wie folgt gegliedert: Der nächste Abschnitt erklärt den verstärkten Rückgriff auf Zins und Rente mit dem Aufstieg des Finanzkapitals, also der Durchsetzung eines finanzdominierten Akkumulationsregimes der Vermögensbesitzer. Dieses Regime greift wieder vermehrt auf die ohnehin permanent mit dem Kapitalismus verbundenen Formen der ursprünglichen Akkumulation zurück. Die Durchsetzung intellektueller Eigentumsmonopole entspricht einem Enteignungsvorgang und ist Voraussetzung für die Inwertsetzung natürlicher Ressourcen und intellektueller Errungenschaften in der Form von Rentenerträgen. Der zweite Abschnitt überträgt die Marxsche Rententheorie auf die intellektuellen Eigentumsmonopole. Damit soll zum theoretischen Verständnis der Entstehung, Funktions- und Wirkungsweise der Rente durch das Monopol intellektuellen Eigentums beigetragen werden. Anschließend werden im dritten Abschnitt die Konsequenzen der mit institutionellen Veränderungen einhergehenden Ausdehnung intellektueller Eigentumsmonopole in der Biotechnologie-Industrie aufgezeigt. Die Ausdehnung der Eigentumsmonopole auf die Gesamtheit menschlicher Aktivitäten einschließlich des Rechts auf die Reproduktion von Leben ist ein zentrales Ziel des neoliberalen Programms. Im vierten Abschnitt wird die globale Dimension der neuen Konfiguration und der zahlreichen räuberischen Enteignungsvorgänge erläutert. Der Imperialismus setzt mehr oder weniger gewalttätige Formen der Enteignung durch. Die globale Konfiguration ist von einer Hierarchie gekennzeichnet, an deren Spitze die USA stehen, die aufgrund ihrer Macht den Status einer globalen Rentierökonomie durchsetzen. Zum Schluss ordne ich die Enteignung intellektueller Kreativität und biologischer Ressourcen in die Funktionsweise des finanzdominierten Akkumulationsregimes ein. Das verweist auf die politische und theoretische Tragweite der Aneignung durch Renten und die Auseinandersetzungen über intellektuelle Eigentumsmonopole.

Das konzentrierte Anlagekapital und die Akkumulation durch Enteignung Aufstieg des Finanzkapitals und Teilung des Profits

Die im Zuge massiver Niederlagen der Arbeiterbewegung und der konservativen Revolution seit 1979/80 durchgesetzte Liberalisierungspolitik machte es möglich, dass ein hochzentriertes Finanzkapital seine Bedeutung steigern konnte. Dieses Finanzkapital lässt sich definieren als konzentriertes Kapital in Geldform, dessen Eigner ein Einkommen (Zinsen, Dividenden) und/oder einen Ertrag beim Verkauf des Eigentums- oder Gläubigertitels erwarten. Die institutionellen Investoren wie Anlage- und Investmentfonds waren die hauptsächlichen Profiteure der Deregulierung der Finanzmärkte (Chesnais 2004c; Sauviat 2004). Diese Entwicklungen mündeten in den Durchbruch eines finanzdominierten Akkumulationsregimes, das ausgehend von den USA seine globale Wirkung entfaltet. Damit wurde eine neue Phase des Kapitalismus eröffnet, die aufgrund des allgemeinen Lohndrucks, der Aufsprengung "rigider Arbeitsmärkte" und neuer Formen der Arbeitsorganisation im Vergleich zur Situation in den 1970er Jahren eine Steigerung der Profitrate ermöglichte. Aber die höheren Profite bewirkten aufgrund der beschränkten Märkte nur in wenigen Sektoren eine massive Zunahme der Investitionen. Die Institutionen des Finanzkapitals schleusen einen Teil des Mehrwerts in die Finanzsphäre, wo er einen besonders hohen Ertrag abwerfen soll (Chesnais 1997; 2004c; Husson 2004; Duménil & Lévy 2004). Aufgrund der errungenen Position und Macht kann sich das finanzielle Anlagekapital in der Form von Investment- und Pensionsfonds einen Teil der Gewinne in Form von Einkommen aus Börsenplatzierungen, Mieten und Bodenrenten sowie über den öffentlichen Schuldendienst aneignen. Diese Zins- und Renteneinkommen sind einzig durch das Eigentum an Vermögen legitimiert, auch wenn der Eigentümer außerhalb der Produktion steht (Marx 1894: 390). Dieses Anlagekapital verwertet und vergrößert sich also als zinstragendes und rententragendes Kapital durch Abschöpfung eines Teils des Profits (Marx 1863: 462). Dies erfordert allerdings die Steigerung der Mehrwertrate und eine genügende Akkumulation von produktivem Kapital (Chesnais 2004a: 225; 2004c: 31).

Akkumulation durch Enteignung

Diese Teilung des Profits in Zins respektive Rente und Unternehmensprofit (vgl. Marx 1894: 388ff, 452f, 462ff) bewirkt eine stärkere Ausbeutung der Arbeitenden in Form einer Steigerung der Mehrwertrate und einer Verstärkung von Formen der ursprünglichen Akkumulation. Aufgrund der gesteigerten Profitansprüche trachtet das Anlagekapitals danach, mehr Werte aus der Gesellschaft herauszupressen. Das äußert sich in Reallohnsenkungen, Arbeitsintensivierungen, der Deregulierung der Arbeit, den Angriffen auf soziale Errungenschaften, Privatisierungen und der Aneignung öffentlicher Dienste durch transnationale Konzerne, Enteignungsmechanismen in den so genannten aufstrebenden Märkten (Zinszahlungen, Kapitalflucht) und schließlich in der imperialistischen und kriegerischen Aneignung von Territorien und ihrer Ressourcen (Chesnais 2004c: 43). Die Unterwerfung weiterer gesellschaftlicher Bereiche unter den kapitalistischen Verwertungsprozess nimmt hierbei eine zentrale Rolle ein (Wullweber 2004: 65, 70). Dazu zählen die Einhegung (enclosure) gesellschaftlich produzierten Wissens in Form juristischer Eigentumsmonopole (May 2000) sowie die Aneignung und Inwertsetzung natürlicher Ressourcen, z.B. über Emissionszertifikate oder die Erschließung der Trinkwasserressourcen durch das konzentrierte Anlagekapital. Diese Prozesse verweisen auf die Aktualität und Permanenz von Prozessen der "ursprünglichen Akkumulation". Gemäß Marx' Analyse der ursprünglichen Akkumulation des Kapitals waren zahlreiche Enteignungsprozesses für die Entstehung des Kapitalismus maßgebend (Marx 1867: Kapitel 24). Die Diskussion über die Permanenz von Akkumulationsformen, die einer Ausweitung der kapitalistischen Eigentums- und Produktionsverhältnisse auf Länder oder Sektoren und soziale Aktivitäten entsprechen, die diesen Verhältnissen noch nicht oder nur teilweise unterworfen waren, ist nicht neu. Luxemburg (1913: 397) wies ausdrücklich auf die gewaltbasierte Kapitalakkumulation auf Kosten nichtkapitalistischer Produktionsformen hin. In diesem Sinn bezeichnet Akkumulation die räumliche und soziale Ausweitung der Warenbeziehungen und der kapitalistischen Eigentumsverhältnisse. Die ursprüngliche Akkumulation ist also nicht als historische Phase, sondern als permanenter Charakterzug des Kapitals zu verstehen. "Ursprüngliche Akkumulation des Kapitals und Akkumulation des Kapitals durch Mehrwertproduktion sind nämlich nicht nur aufeinander folgende Phasen der Wirtschaftsgeschichte, sondern auch gleichzeitige Wirtschaftsprozesse. In der ganzen Geschichte des Kapitals bis zum heutigen Tag spielen sich laufend Prozesse der ursprünglichen Akkumulation ab - neben der vorherrschenden Kapitalakkumulation durch Wertschöpfung im Produktionsprozess" (Mandel 1972: 43). Die zeitliche Abfolge ist mit der Etablierung der kapitalistischen Produktionsweise nicht nur eine historische, sondern eine permanente, indem das Kapital die Produzenten kontinuierlich von ihren Produktionsmitteln trennt und diesen Vorgang ausdehnt. Die Trennung der Produzenten von den Produktionsmitteln ist eine gemeinsame Eigenschaft der "normalen" und der ursprünglichen Akkumulation, jedoch unterscheiden sich die Bedingungen der Durchsetzung dieser Trennung. Die Akkumulation reproduziert diese Trennung als kontinuierlichen Prozess. Der Kapitalismus ist also nicht als geschlossenes System zu verstehen, vielmehr kolonisiert das Kapital immer neue Bereiche. Die Enteignung der ländlichen Produzenten zeugt davon ebenso wie die Einhegung gesellschaftlich produzierter Wissensbestände (knowledge commons) (De Angelis 2004). Die ursprüngliche Akkumulation entspricht also einem strukturellen Verhältnis zwischen kapitalistischen und nichtkapitalistischen Produktions- und Lebensweisen, das sich angetrieben durch den Verwertungsprozess des Kapitals in immer neuen Formen konfiguriert (Alnasseri 2003). Die von Marx analysierten Mechanismen der ursprünglichen Akkumulation sind ein wesentliches Kennzeichen des "neuen Imperialismus" (Harvey 2003). Aufgrund der Überakkumulation und den damit zusammenhängenden Verwertungsschwierigkeiten durch die "normale" Akkumulation und der Teilung des Profits zugunsten des Anlagekapitals greift das Kapital wieder verstärkt auf Akkumulation durch Enteignung zurück.

Aneignung und Inwertsetzung

In zwei früheren Publikationen habe ich in Anlehnung an Chesnais (2003: 174) und Harvey (2003: 145ff) fünf Formen der Akkumulation durch Enteignung unterschieden (Zeller 2004b: 13; 2004e: 332). Görg (2004) kritisierte zu Recht, dass diesen fünf Enteignungsvorgängen unterschiedliche Mechanismen zu Grunde liegen. Ich unterscheide hier erstens die Trennung der Produzenten von den Produktionsmitteln, Einhegungen und die Durchsetzung neuer Eigentumsrechte im Sinne der ursprünglichen Akkumulation, zweitens die Ausdehnung kapitalistischen Eigentums in neue Bereiche (z.B. koloniale Aneignung, Privatisierungen) und drittens Enteignungen durch stärkere Akkumulationszentren (z.B. große Konzerne). Die sich hierauf stützende Inwertsetzung kann allerdings durch Lohnarbeit oder auch durch die Erzielung von Zinsen und Renten erfolgen, die ihrerseits wieder auf der Umverteilung angeeigneter Mehrarbeit beruhen. Die Kommodifizierung, Kontrolle und Aneignung intellektueller Kreativität sowie natürlicher Ressourcen wie Wasser und Luft sind aktuelle Schlüsselprozesse der Expansion des Kapitals in neue Felder hinein. Diese neuen Felder sind Quellen regelmäßiger Einnahmen in der Form von Renten. Die Kapitalisierung der Natur und wissenschaftlichen Wissens ist zu einem zentralen Kennzeichen des aktuellen Kapitalismus unter der Dominanz der Finanzkapitals geworden (Chesnais & Serfati 2004). Die Analyse aktueller Entwicklungen in der Pharma- und Biotechnologieindustrie im dritten Abschnitt zeigt, dass Enteignungsprozesse wie die Einhegung des Wissens, die Privatisierung öffentlich finanzierter Forschungsergebnisse, die Abschöpfung und Zentralisierung von Teilen des in anderen sozialen Organisationsformen erzeugten Werts und Mehrwerts durch neue, finanziell, organisatorisch oder institutionell kräftigere Akkumulationszentren und schließlich auch im engeren juristischen Sinne räuberische Vorgänge oftmals miteinander verzahnt sind, also in der Praxis nicht immer scharf trennbar sind. Die Herausforderung besteht darin zu erfassen, wie die unterschiedlichen Enteignungs- und die Inwertsetzungsprozesse zeitlich und räumlich ineinander greifen und sich gegenseitig bedingen und inwiefern sie zu zentralen Formen der Ausbeutungs- und des Ressourcentransfers im aktuellen Akkumulationsregime geworden sind. Enclosures sind nicht nur ein permanenter Charakterzug der Kapitallogik, sie nehmen auch eine zentrale Rolle in den heutigen politischen Auseinandersetzungen ein: Während sich das Kapital neue Bereiche einverleiben will, erwächst dagegen Widerstand von Bevölkerungsteilen, die sich ihre Einflussnahme über diese Bereiche nicht nehmen lassen wollen. Der von den enclosures geschaffene gesellschaftliche Raum für die Akkumulation ist permanent umkämpft (De Angelis 2004: 60, 72). Das Konzept der ursprünglichen Akkumulation hilft in doppelter Hinsicht, die Einhegung gesellschaftlich produzierten Wissens durch Eigentumsmonopole zu analysieren. Die ursprüngliche Akkumulation besteht in der Trennung der Produzenten von ihren Produktionsmitteln und der Überführung von als "Gemeingütern" ehemals frei verfügbaren Produktionsbedingungen in Privateigentum. Die private Aneignung von Land erlaubt den Bodeneigentümern anschließend, einen Teil des Mehrwerts über Renten einzustreichen und damit einen weiteren Aneignungsvorgang durchzusetzen. Genauso entspricht die Einhegung gesellschaftlich produzierten Wissens einem enteignenden Akkumulationsprozess, der anschließend einem zweiten Enteignungsvorgang Platz macht: der Erzielung von Lizenzerträgen durch die Eigentümer der intellektuellen Eigentumsmonopole. Diese Lizenzerträge sind nichts anderes als Renten.

Intellektuelle Eigentumsmonopole als Instrumente der Akkumulation

Wissen und Technologie wurden zentrale Achsen einer Akkumulationsstrategie, die sich auf die massive Ausbreitung der intellektuellen Eigentumsmonopole stützt. Die Verwertung von Wissen ist grundsätzlich nicht neu im Kapitalismus. Kennzeichnend für das finanzdominierte Akkumulationsregime ist hingegen die stark angestiegene Bedeutung von monopolisiertem Wissen und Informationen zur Erzielung von Rentenerträgen. Bevor ich das Rentenkonzept auf intellektuelle Eigentumsmonopole anwende, erläutere ich hier wichtige Besonderheiten der Wissensproduktion und die institutionellen Veränderungen, die die Jagd nach Renten im großen Stil erst ermöglichten.

Private Aneignung vergesellschafteter Wissensproduktion

Mit wachsender Vergesellschaftung der Wissensproduktion wächst das von den Unternehmen selbst produzierte Wissen an, damit sind sie aber zugleich vermehrt auf "intellektuelle Gemeingüter" in Form allgemein verfügbarer Qualifikationen, Informationen und Kenntnisse angewiesen (Jessop 2000). Der dem Kapitalismus eigene Widerspruch zwischen wachsender Vergesellschaftung der Produktion und privater Aneignung tritt bei der Wissensproduktion noch verschärfter zu Tage. Die Erzeugung von Wissen und neuen Technologien ist ein arbeitsteiliger Prozess in komplexen Systemen und Netzwerken, an dem sich oftmals unzählige Personen beteiligen. Dabei nimmt der klassische Widerspruch zwischen volkswirtschaftlicher und betriebswirtschaftlicher Rationalität, also der Privatisierung des Nutzens und Externalisierung des Aufwandes, ein besonderes Gesicht an. Die Unternehmen trachten danach, sich einen freien Zugang zu Wissen und Informationen zu verschaffen, und zugleich wollen sie möglichst viel davon als Privateigentum für sich reservieren. Dazu hat sich im finanzdominierten Akkumulationsregime ein weiterer Widerspruch aufgebaut. Die Interessen des finanziellen Anlagekapitals widersprechen einer langfristigen und schwer kalkulierbaren Forschungs- und Technologiestrategie. Einerseits wollen die finanziellen Anleger ihren Anteil an den Gewinnen (shareholder value) und beschränken damit die Mittel für langfristige Investitionen. Andererseits tritt ihr Interesse, die Gewinne ihrer finanziellen Investitionen kurz- oder mittelfristig zu realisieren in Widerspruch zu den langfristigen Innovationszyklen in wissensbasierten Industrien, vor allem im Bereich der life sciences. Die private Aneignung der Kenntnisse wirft noch weitergehende Fragen auf als die private Aneignung der Produktion materieller Güter. Die Wissensproduktion und ihre Verwertung weist einige Besonderheiten auf, die entscheidend für die Transformation des Regimes der Eigentumsrechte sind (May 2000; Husson 2001: 128; Serfati 2004: 56): Erstens ermöglicht die intellektuelle Tätigkeit beträchtliche kumulative Wirkungen von einer ungleich größeren Tragweite als die in der materiellen Produktion realisierten Produktivitätsgewinne. Der Nutzen von Wissenschaft und Information nimmt in dem Maße zu, je mehr Menschen sie nutzen. Die Kenntnisse entwickeln sich dank der freien Verbreitung. Diese kumulativen Effekte entstehen, weil kodifizierte Informationen und Kenntnisse extrem einfach zirkulieren können. Sie resultieren aus dem kollektiven und offenen Charakter der intellektuellen Tätigkeit. Zweitens erfordert die Produktion wissenschaftlicher Kenntnisse und zahlreicher neuer Technologien sehr umfangreiche, konzentrierte Investitionen, ähnlich den Investitionen in fixes Kapital. Die Verwertung allerdings kann oft mit nur noch geringen zusätzlichen Kosten organisiert werden. Wissensrelevante Informationen können ohne große Kosten vervielfältigt und genutzt werden. Aus diesen Gründen wollen die Unternehmen mit Hilfe von intellektuellen Eigentumstiteln (Patente, Copyrights) und technischen Sicherungen (z.B. Kopierschutz bei Computerprogrammen) die unkontrollierte Verbreitung ihrer Produkte beschränken und künstlich eine Knappheit herstellen. Die intellektuellen Eigentumstitel sollen diese Knappheit im Bereich des Wissens legitim erscheinen lassen (May 1998: 69-70; Sell & May 2001: 472), um andere von der Nutzung auszuschließen oder zur Zahlung von Lizenzgebühren zu zwingen

Institutionelle Veränderungen zur Monopolisierung des intellektuellen Eigentums

Zwischen 1979 und 1997 stieg die Zahl der jährlich bei der World Intellectual Property Organization gemeldeten Patentanträge von weniger als 3.000 auf 54.000, das entspricht 3,5 Millionen einzelnen Patentanträgen (UNDP 2005: 67). Diese explosionsartige Ausdehnung intellektueller Eigentumsmonopole ist weniger Ergebnis der technologischen Umbrüche, sondern vielmehr weitreichender ökonomischer und institutioneller Veränderungen, die mit dem Durchbruch zu einem finanzdominierten Akkumulationsregime verbunden sind. Intellektuelles Eigentum ist ein Machtinstrument und trägt zur weiteren Akkumulation von Macht bei. Die Durchsetzung intellektueller Eigentumsmonopole ist nur auf der Basis spezifischer gesellschaftlicher Machtbeziehungen, organisatorischer und finanzieller Potentiale sowie vor allem der staatlichen Machtgarantie der entsprechenden Rechtstitel möglich. Die Aneignung und Durchsetzung des intellektuellen Eigentumsmonopols ist wesentlich an materielle Ressourcen und Kapitalbesitz gebunden (Brand & Görg 2003: 27). Die Veränderungen bei den Akkumulationsprozessen gingen in den letzten beiden Jahrzehnten in den USA mit einem weitreichenden Wandel des Regimes intellektueller Eigentumsmonopole einher (Orsi 2002; Perelman 2002). Dabei haben sich die Wirkungen verschiedener institutioneller Veränderungen gegenseitig ergänzt und verstärkt. Dazu zählen die Ausdehnung der intellektuellen Eigentumsmonopole, die Ermöglichung exklusiver Lizenzen mit einer Vorzugsbehandlung US-amerikanischer Firmen und der Bedeutungswandel der Universitäten (Coriat u.a. 2003: 182). Diese institutionellen Komplementaritäten haben zusammen mit dem Aufstieg des konzentrierten Anlagekapitals (Anlage-, Investment- und Venture-Captital-Fonds), dem Einstieg von Pensionskassen in Risikokapital und den Veränderungen auf den Finanzmärkten zu einem finanzdominierten Innovationssystem und dem entsprechenden Regime intellektueller Eigentumsmonopole geführt (vgl. Zeller 2003). Europa erlebt, obgleich zeitlich etwas verzögert, dieselbe Entwicklung in Richtung stärkerer intellektueller Eigentumsmonopole (Gröndahl 2002; Cassier 2003: 70; Bödeker u.a. 2005: 18). Das Abkommen für handelsbezogene geistige Eigentumsrechte (Trade Related Aspects of Intellectual Property; TRIPs) trägt entscheidend zur Etablierung eines neuen internationalen Regimes der Eigentumsrechte bei. Das TRIPs-Abkommen schuf Mindeststandards für den Schutz intellektueller Eigentumsmonopole, die für alle WTO-Mitglieder verbindlich sind. Mit der Integration in das WTO-Regelwerk verschafften sich die dominierenden kapitalistischen Staaten auch einen Streitschlichtungsmechanismus mit Sanktionsmöglichkeiten (UNDP 1999; May 2000: 68ff; Wissen 2003: 130).

Renten als Form der Enteignung

Dank der neoliberalen Politiken vermochte das Finanzkapital seinen Aktionsradius über die Produktion hinaus auszudehnen. Es transformiert die gesellschaftliche Reproduktion in Instrumente der Verwertung. Die Eigentumsmonopole auf intellektuelle Aktivitäten und auf biologische Lebensformen (Patentierbarkeit von Ressourcen, die zum genetischen Erbe gehören) dehnen die rentenartigen Formen der Aneignung von Werten und Reichtümern massiv aus (Serfati 2004: 15). Allgemein kann Rente als Einkommen definiert werden, das der Besitzer von Eigentumstiteln durchsetzt, selbst wenn er außerhalb der Produktion steht. Eigentumsrechte zur Durchsetzung von Renten: Das Konzept der Rente ist eng mit dem Konzept des Surplusprofits verknüpft. Die Erzielung von Surplusprofiten, also überdurchschnittlichen Profiten, ist zentrale Triebfeder für die Unternehmen in der kapitalistischen Konkurrenz. Allerdings bestehen solche Surplusprofite in der Regel nur zeitweilig und werden durch Zufluss von Kapital ausgeglichen (Mandel 1991: 257ff). Nun ist es aber nicht angebracht, Renten nur als spezielle Form von Surplusprofiten abzuhandeln, denn Renten entstehen unter ganz spezifischen institutionellen Rahmenbedingungen, nämlich Eigentumsrechten. Diese sorgen dafür, dass die Rentenerträge nicht wieder erodieren wie Surplusprofite, sondern über Jahrzehnte stabilisiert werden können. Es sind also Eigentumsrechte sowie politische und ökonomische Macht, die den monopolistischen Eigentümern eine lang andauernde Aneignung von Renten erlauben. Diese Renten sind keine zusätzlichen Werte, sondern entstehen durch die Teilung des Profits, also letztlich des von den Lohnabhängigen produzierten und von den Unternehmen angeeigneten Mehrwerts. Ich versuche nun, die Entstehung, Funktions- und Wirkungsweise von Renten durch das Monopol der intellektuellen Eigentumsrechte aufzuzeigen und dabei die spezifische Wirkungsweise unterschiedlicher Renten zu erfassen. Die Skizze soll dazu beitragen, die Rententheorie zum Verständnis der intellektuellen Eigentumsmonopole nutzbar zu machen. Marx unterschied vier verschiedene Formen der Rente: Monopol-, absolute und zwei Formen der Differentialrente. Allerdings sind die Ausarbeitungen Marx' mehr von der Auseinandersetzung mit der klassischen Ökonomie als von einer umfassenden eigenständigen Theoretisierung der Rente geprägt. Daher ist das theoretische Verständnis der Rente weiterhin eine Baustelle (Harvey 1982: 349). Die Dynamik des Kapitalismus offenbart, dass rentenartige Einkommen nicht nur aus dem Monopol des Grundeigentums, sondern auch aus anderen monopolistischen Eigentumsformen erwachsen. Marx entwickelte seine Rententheorie auf der Basis des monopolistischen Grundeigentums. So wie die Einhegungen der ursprünglichen Akkumulation zur Entstehung der kapitalistischen Bodenrente geführt haben und immer noch führen, so bringen die neuen Einhegungen der geistigen Eigentumsrechte spezifische Rentenformen hervor. Zugleich weisen Zins und Rente in ihren Funktionsweisen und Wirkungen große Ähnlichkeiten auf. Darum bezeichnet Chesnais (2005: 7) die Stellung der finanziellen Investoren als jene von Rentiers. So wie die Rente eine Zahlung an den Landeigentümer ist, für das Recht das Land mit seinen Ressourcen und Gebäuden zu nutzen, so vermitteln die Lizenzzahlungen an den Eigentümer des Eigentumstitels dem Lizenznehmer das Recht die durch das Patent eingezäunte, also monopolisierte Technologie oder Information zu nutzen. Marx hält verallgemeinernd fest: "Das Grundeigentum setzt das Monopol gewisser Personen voraus, über bestimmte Portionen des Erdkörpers als ausschließliche Sphären ihres Privatwillens mit Ausschluss aller andern zu verfügen" (Marx 1894: 628). Allerdings hängt der Gebrauch des Bodens von den konkreten ökonomischen Bedingungen ab. Genauso vermitteln intellektuelle Eigentumstitel ein Monopol über immaterielle "bestimmte Portionen des Erdkörpers". Im nachfolgenden Abschnitt zeige ich, dass im neuen Regime der intellektuellen Eigentumsmonopole die mit den Patenten verbundenen Eigentumstitel sich zu einer renteneinbringenden Finanzanlage entwickelt haben. Lizenzeinnahmen als Rentenerträge: Das intellektuelle Eigentum ist Produkt von Arbeit. Das Problem besteht aber darin, dass die einmal erarbeiteten Informationen und Technologien in der Regel einfach reproduzierbar sind und damit die Realisierung des Tauschwerts in Frage gestellt wird. Nur durch die künstliche Schaffung eines Monopols in Form intellektueller Eigentumstitel kann die Information gehandelt werden und den erwünschten Tauschwert erzielen. Gleich dem Kauf von Land "verschafft" nun der Erwerb von Eigentumstiteln respektive die Durchsetzung von Eigentumsrechten "dem Käufer einen Titel auf Empfang der jährlichen Rente" (Marx 1894: 816). "Der Bodenpreis ist nichts als die kapitalisierte und daher antizipierte Rente" (Marx 1894: 816). Gleichermaßen entspricht der Preis einer monopolisierten Information den erwarteten Lizenzerträgen im Falle einer Auslizenzierung des Patentrechts. Hier zeigt sich die von Chesnais (2005) betonte Ähnlichkeit mit dem zinstragenden Kapital. Jeder Einkommensfluss (wie eine jährliche Rente) kann als der Zins eines imaginären, fiktiven Kapitals betrachtet werden. Für den Käufer figuriert die Rente als Zins auf das für den Kauf des Landes oder des monopolisierten geistigen Eigentums ausgelegte Geld und unterscheidet sich prinzipiell nicht von ähnlichen Investitionen in Regierungsschulden, Aktien, Konsumentenschulden etc. Das ausgelegte Geld ist in jedem Fall zinstragendes Kapital. Der Boden oder das monopolisierte geistige Eigentum nehmen die Form fiktiven Kapitals an und der Bodenmarkt sowie die Märkte von geistigen Eigentumsrechten, und abgeleitet auch die Aktienmärkte von Hochtechnologieunternehmen, funktionieren einfach als eine besondere Abteilung - trotz einigen besonderen Charakteristika - der Zirkulation des zinstragenden Kapitals. Die Attraktivität geistigen Eigentums für Investments macht es verletzlich für Surpluskapital. Je mehr überschüssiges Kapital vorhanden ist, also Überakkumulation besteht, desto eher wird monopolisiertes geistiges Eigentum von der allgemeinen Kapitalzirkulation absorbiert werden. Die rasante Ausdehnung und Durchsetzung der geistigen Eigentumsrechte im Stile einer enteignenden Akkumulation in neue Bereiche schafft die Voraussetzungen für die Inwertsetzung dieses Eigentums in der Form aufgeblähter Börsenkurse von Hochtechnologieunternehmen und expandierender Märkte von geistigem Eigentum durch Aus- und Einlizenzierungen von patentierten Informationen. Monopolrente: In der Regel konkurrieren Nutzer um durch Patente eingehegte unterschiedliche Informationen und die Patenteigentümer konkurrieren ebenfalls um die möglichen Rentenerträge auf Produkte ähnlichen Nutzens. Allerdings gibt es Situationen, in denen diese Konkurrenzbedingungen nicht bestehen (Marx 1894: 783; vgl. Harvey 1982: 349-350; 2001: 395). Eigentümer von intellektuellen Eigentumsmonopolen, die besonders hohe Erträge vermuten lassen, sind in der Lage, Monopolrenten von jenen zu erzielen, die diese intellektuellen Eigentumsmonopole erwerben oder einlizenzieren wollen und aufgrund der besonderen Qualität bereit sind, eine Prämie zu bezahlen. Allerdings können die Eigentümer auch eine Monopolrente beim Verkauf von Produkten, die auf diesen Eigentumstiteln beruhen, erzielen. Andererseits können Eigentümer von geistigen Eigentumstiteln sich weigern, Patente auszulizensieren oder zu verkaufen und auf künftige Preissteigerungen spekulieren. Diese Konstellationen sind in der Praxis oft nicht klar zu unterscheiden. Letztlich hängt die Monopolrente von der Fähigkeit des nutzenden Unternehmens ab, den Monopolpreis für das Produkt wie z.B. ein Medikament zu realisieren. Oder es hat sich in der Industrie die Einschätzung durchgesetzt, dass dieser Monopolpreis in Zukunft realisierbar sein wird. Die Monopolrente entspricht einem Einbehalt aus dem gesamtgesellschaftlich produzierten Mehrwert, sie basiert also auf einer Umverteilung von aggregiertem Mehrwert (Marx 1894: 834, 838). Die Rente entsteht also auf Grund einer systematischen Verknappung des Angebots durch das Eigentumsmonopol des Anbieters eines Schlüsselprodukts, das auf keine direkte Konkurrenz von Substitutionsgütern stößt. Die Höhe der Monopolrente ist abhängig von den konkreten Nachfrage- und Angebotsbedingungen. Je unelastischer die Nachfrage auf Preissteigerungen reagiert, desto größer die Rente. Wenn Substitutionsgüter existieren, ist die Nachfrage elastischer und damit die Monopolrente kleiner. Je strategisch wichtiger das Patent in einem technologischen Entwicklungspfad lokalisiert ist oder auch je breiter das durch das Patent abgedeckte Feld ist, desto stärker wirkt das Monopol und desto höhere Lizenzgebühren kann der Eigentümer von jenen einfordern, die das Patent zur Entwicklung von Technologien und Produkten nutzen wollen. Im Unterschied zur Differentialrente, die aufgrund unterschiedlich günstig gelegener oder fruchtbarer Landstücke entsteht, kann keine Informations-Differentialrente entstehen, da jede eingezäunte Information in der Regel der Herstellung jeweils spezifischer Produkts dient. Absolute Informationsrente durch Eigentumsmonopole über Information: Nun stellt sich die Frage, ob die auf den intellektuellen Eigentumsmonopolen beruhenden Einnahmen nur aus der Erzielung von Monopolrenten hervorgehen, oder ob sich weitere Arten von Renten identifizieren lassen. Die Monopolrente ist nur von den Wettbewerbsbedingungen abhängig. Marx suchte eine weitere Erklärung jenseits der Konjunkturen des Marktes: Kann also eine Rente auch auf dem am wenigsten fruchtbaren kultivierten Land existieren, wenn sich Angebot und Nachfrage entsprechen, und damit keine Marktmacht besteht, das Getreide über seinem Wert zu verkaufen (Murray 1977: 110)? Damit sind wir beim Problem der organischen Zusammensetzung des Kapitals und des Ausgleichs der Profitrate. Die Mobilität des Kapitals sorgt im Zuge der kapitalistischen Konkurrenz für einen Ausgleich der Profitraten in einer Gesellschaft, sie lässt also die Surplusprofite nach einiger Zeit wieder wegschmelzen. Allerdings können Knappheiten infolge natürlicher Gegebenheiten wie Land oder Bodenschätze, die nicht erneuerbar oder ersetzbar sind, oder die Errichtung institutioneller Schranken wie das Privateigentum an Boden und Bodenschätzen, die den Zugang für weiteres Kapital verhindern, diese Mobilität einschränken. Unter solchen Bedingungen können die Surplusprofite für Jahrzehnte stabilisiert und damit in Renten umgewandelt werden. Die Bodenrenten und Bergwerksrenten waren in Marx' Zeit die wichtigsten Arten von Renten (Marx 1894: 770ff). Marx' Theorie der Bodenrente und Mineralrente kann zu einer allgemeinen Rententheorie erweitert werden, die auf alle Bereiche anwendbar ist, wo erhebliche und lang andauernde Hürden für die Mobilität des Kapitals errichtet werden. Inwiefern hilft nun das Konzept der absoluten Grundrente die Wirkungsweise von Eigentumsmonopolen durch Patente zu verstehen? Ähnlich dem Grundeigentum bewirkt das Eigentumsmonopol durch Patente, dass kein zusätzliches Kapital in den durch den Eigentumstitel eingezäunten Sektor einströmen und sich verwerten kann. Das führt dazu, dass der in diesem "geschützten" Bereich produzierte Mehrwert nicht in den allgemeinen Ausgleich fließen kann. Der Ausgleich der Profitrate wird also verhindert. Nun spricht viel dafür, dass die (erwartete) Profitrate in diesem Bereich höher als im gesellschaftlichen Durchschnitt ist, also einen Surplusprofit ermöglicht. Wissens- und Technologieproduktion ist personalintensiv, daher ist die organische Zusammensetzung eher unterdurchschnittlich. Zudem kommen alle Faktoren ins Spiel, die auch ohne die Eigentumstitel über Technologien und Wissen Surplusprofite begünstigen (u.a. technologische Vorsprünge, monopolistische oder oligopolistische Vorteile). In Bezug auf die organische Zusammensetzung des Kapitals stellt sich aber noch das Problem der unterschiedlichen Phasen im Innovationsprozess, die bei langen Entwicklungszeiten relevant werden können. Die Phase der Produktion des Wissens und der Information, die nachher mit einem Patent angeeignet werden, ist in der Regel von einem hohen Anteil variablen Kapitals gekennzeichnet. Hier entsteht ein potentiell großer Mehrwert, der aber noch nicht realisiert ist. Dieser Mehrwert geht aufgrund des Eigentumsmonopols nicht in den Ausgleich der Profitrate ein, analog der absoluten Grundrente, und zwar unabhängig von den konkreten Wettbewerbsbedingungen. Anschließend kann das Unternehmen auf der Basis spezifischer Machtverhältnisse die Information - produziert durch allgemeine gesellschaftliche Arbeit (Marx 1894: 113) - durch ihre Einhegung mit Hilfe von Patenten aneignen, das heißt privatisieren. Die Verwertung des monopolisierten intellektuellen Eigentums kann direkt, indirekt oder als Finanzanlage verselbständigt erfolgen. Bei der direkten Verwertung entwickelt das Unternehmen mit Hilfe des intellektuellen Eigentums ein kommerzialisierbares Produkt. Wie das Unternehmen, das sich selbst ohne Bankkredite finanziert, den Zins selbst einstreicht, so kassiert das Unternehmen, das ein erfolgreiches, patentiertes Produkt produziert und vermarktet, die Rente ebenfalls selbst ein. Die Auslizensierung oder gar der Verkauf der Eigentumstitel entspricht einer indirekten Verwertung. In diesem Falle will das Unternehmen die Rente unmittelbar einstreichen. Der Verkauf des Patents kann letztlich zu einer selbständigen Verwertung des Patents als Finanzanlage führen. Der neue Eigentümer hat in diesem Falle nichts mit der industriellen Verwertung zu tun, sondern interessiert sich nur dafür, den Eigentumstitel, strategisch gut platziert auszulizensieren und damit regelmäßige Renteneinkommen einzustreichen. Die Eigentumstitel sind frei handelbar und können sich verselbständigen. Sie werden ein Anlageobjekt des liquiden Anlagekapitals oder werden ein Objekt zur strategischen Eintreibung von Renten durch Industrieunternehmen und (öffentliche und private) Forschungsinstitute. Was wie bei allen solchen Formen fiktiven Kapitals gehandelt wird, ist ein Anspruch auf künftige Einkommen. Das bedeutet einen Anspruch auf künftige Profite aus der Nutzung der geistigen Eigentumsmonopole, oder direkter, auf künftige unbezahlte Mehrarbeit (vgl. Harvey 1982: 347). In Anlehnung an Marx' absolute Grundrente lässt sich also eine absolute Informationsrente identifizieren, die sich die Eigentümer des rechtlich geschützten, monopolisierten intellektuellen Eigentums in forschungsintensiven Hochtechnologiesektoren aneignen können, sogar wenn ihre Produkte durch ähnliche Produkte konkurrenziert werden. Die absolute Rente tritt in der Pharma- und Biotechindustrie auch auf, wenn Unternehmen sich mit Substitutionsgütern konkurrenzieren. Das Monopol beschränkt sich also auf den Eigentumstitel eines Medikaments, nicht auf den Markt eines spezifischen Indikationsgebiets. Das heißt, dass sogar wenn ein Medikament der Konkurrenz durch Medikamente für dieselbe Indikation ausgesetzt sind - die eigentliche Monopolrente sich daher reduziert -, können Pharmakonzerne noch immer eine absolute Rente erzielen.

Die wachsende Bedeutung von Renten in Innovationssystemen der Bio- und Pharmaindustrie

Die wirtschaftlichen und institutionellen Veränderungen in der Pharma- und Biotechnologieindustrie im Laufe der letzten drei Jahrzehnte zeugen von der mit der Durchsetzung eines finanzdominierten Akkumulationsregimes und eines Regimes monopolisierter intellektueller Eigentumsrechte einhergehenden Bedeutungszunahme von Renten in den Akkumulationsstrategien von Unternehmen. Die über die Ausdehnung der intellektuellen Eigentumsmonopole geschaffenen Märkte verbinden die akademischen Forschungsinstitute, die oftmals von universitären Forschern gegründeten Biotechunternehmen und die großen Pharmakonzerne. Im Folgenden erläutere ich beispielhaft fünf Enteignungsvorgänge durch die Erzielung von Rentenerträgen und durch direkte Aneignungsprozesse: die Erzielung von Renten durch Eigentumsmonopole über Medikamente, die Abschöpfung von Renten durch Finanzunternehmen, die Aneignung öffentlich finanzierter Forschungsleistungen und gesellschaftlichen Wissens sowie die Aneignung biologischer Ressourcen.

Abschöpfung von Renten durch Pharmakonzerne und Biotechunternehmen

Die Unternehmen verfolgen verschiedene Strategien der Erzielung von Renten. Grundsätzlich können monopolistische Eigentumsrechte entlang der ganzen Wertschöpfungskette durchgesetzt werden. Der Einfachheit halber unterscheide ich verkaufsorientierte und technologieorientierte Monopole. Die Pharmaindustrie rechtfertigt die Patente in der Regel mit den hohen Forschungs- und Entwicklungsausgaben von über 800 Millionen US$ für ein Medikament (Tufts 2001; DiMasi u.a. 2003). Diese Summe wird von Public Citizen, einer Verbraucherorganisation in den USA, und von Marcia Angell, der ehemaligen Herausgeberin des New England Journal of Medicine, heftig bestritten. Diese beiden Studien errechnen bloß Kosten von durchschnittlich 150 Millionen US$ (Public Citizen 2001) respektive 175 Millionen US$ (Angell 2004: 40) pro Medikament. Das Marketing verschlingt mittlerweile noch höhere Anteile an den Umsätzen (teilweise mehr als 25 %) als die F&E-Ausgaben. Die Gewinne der profitabelsten großen Pharmakonzerne sind höher als ihre F&E-Ausgaben (Angell 2004: 54; Zeller 2004d). Die Marktentwicklung des Grippemedikaments Tamiflu von Hoffmann-La Roche illustriert die nach Renten strebenden Strategien in der Pharmaindustrie. Die Wirksubstanz wurde ursprünglich von Gilead Sciences (Kalifornien) gefunden. Roche führte die klinischen Studien durch und entwickelte das Medikament. Ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit Relenza, einer Substanz des kleinen australischen Biotechunternehmens Biota, die der britische Konzern GlaxoSmithKline entwickelte, entschied Roche zu ihren Gunsten. Fünf Jahre nach der Einführung lag 2004 der Marktanteil von Tamiflu trotz unbefriedigenden Umsätzen bei 98 %. Die Hoffnung, dass Tamiflu die Wirkung der Vogelgrippe begrenzt, bescherte dem Produkt im Jahr 2005 einen explosionsartigen Aufstieg und Roche gigantische Monopolrenten. Es wird sich zeigen, ob politischer Druck Roche zur (teilweisen) Aufgabe der Monopolrechte bewegen kann, damit das Medikament entsprechend den weltweiten gesellschaftlichen Bedürfnissen von qualifizierten Unternehmen produziert werden kann. Die Ausdehnung der Patentierbarkeit hat letztlich dazu geführt, dass viele Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung in der Biotechnologie unter die Kontrolle bilateraler Monopole geraten sind. So wurde die bekannte "Harvard Maus" im Rahmen eines exklusiven Lizenzabkommens als patentgeschütztes Werkzeug in der Krebsforschung dem Konzern Dupont Corporation überlassen. Das Brust- und Eierstockkrebsgen (BRCA1 Gen) wurde der Universität Utah, den National Institutes of Health (NIH) und der Firma Myriad Genetics gemeinsam zugestanden. Myriad Genetics genießt aber die Exklusivrechte über die Erträge, die aus der Diagnose dieses Gens erwachsen. Das Abkommen mit der Universität Utah und den NIH gesteht Myriad Genetics das Recht zu, exklusive Lizenzen zur Nutzung des Gens zu verkaufen (Coriat & Orsi 2002: 1499; Orsi 2002: 84). Die genetischen Gegebenheiten werden durch das Regime des intellektuellen Monopols zur Ware. Ganze Bevölkerungsgruppen, insbesondere solche, die über lange Zeit in isolierten Zusammenhängen lebten, werden zum Ziel der Erfassung, um genetische Datenbanken zu erstellen. So hat das Unternehmen deCode Genetics gegen den Protest zahlreicher Wissenschaftler ein Abkommen mit der isländischen Regierung abgeschlossen, das ihm die exklusiven Rechte zur Erforschung der genetischen Zusammensetzung der isländischen Bevölkerung verleiht. In einer von 1998 bis 2002 dauernden Kooperation mit deCode sicherte sich Hoffmann-La Roche für 200 Millionen US$ die Rechte an den Genen für zwölf spezifische Krankheiten. Im Januar 2002 wurde die Allianz um zwei Jahre verlängert und auf die Erforschung von Medikamentenwirkstoffen für vier Krankheiten ausgeweitet (Perelman 2002: 152; Cassier 2003: 74; Roche MI 2002). Die Erlangung monopolisierter Eigentumsrechte über Technologien und Substanzen ist eine entscheidende Waffe auf dem Schlachtfeld der oligopolistischen Rivalität. Die Patente erlauben es den Firmen, die Surplusprofite in dauerhafte Renten umzuwandeln, sogar wenn der technologische Vorsprung bereits geschmolzen ist. Die Monopolrechte eröffnen die Möglichkeit, die Preise der Medikamente in die Höhe zu treiben. Im Falle von Tamiflu schöpft Roche sowohl eine Monopolrente als auch eine absolute Rente ab. Sollten sich bald mit Tamiflu vergleichbare Substitutionsprodukte auf dem Markt befinden, verbleibt den verschiedenen Anbietern immer noch eine absolute Rente. Bei den anderen beiden Beispiele hängt die Höhe der technologischen Monopolrente davon ab, inwiefern die monopolisierte Technologie mit anderen Technologien zu umgehen ist.

Die Abschöpfung von Renten durch Venture Capital, Investment Fonds und Lizenzfirmen

Trotz dem bemerkenswerten Aufstieg des Biotechsektors schafften es nur die wenigsten Biotechunternehmen profitabel zu werden. Die Börsenkapitalisierung nahm bis zum Ende des Börsenbooms weit stärker zu als die Umsätze aus Produktverkäufen. Angesichts der langsamen Zunahme von Produktverkäufen und der fehlenden Profitabilität stützt sich die Bewertung der Unternehmen zu einem großen Teil auf die Bewertung der intangiblen Resourcen (wie intellektuelle Eigentumstitel) und die angenommenen Zukunftsaussichten. Die Umwandlung von Wissen in Ware liegt also im Kern der Bewertung des Biotechsektors durch die Finanzwelt. Die öffentliche Ankündigung der Vergabe von Patenten treibt die Bewertung von Unternehmen an den Börsen jeweils in die Höhe (Robbins-Roth 2000: 203; Coriat & Orsi 2002: 1501; Abate 2003: 10ff). Unter dem Druck der finanziellen Anleger trachten Biotechunternehmen danach, ihre intellektuellen Eigentumstitel zu vervielfachen. Eigentumsmonopole können dazu beitragen, den Preis bei einem Börsengang (IPO) in die Höhe zu treiben. Die Prämie kassieren dann die Venture Capital Firmen, die ihre Anteile an die nächsten Investoren verkaufen. Die Patente können aber nicht nur Gradmesser für die Bewertung von Biotechunternehmen durch das Anlagekapital sein, sie können auch direkt und unmittelbar Gegenstand von Anlagestrategien werden. Wie das zinstragende Kapital sich verselbständigen kann, so kann sich auch das rententragende Kapital zur "selbständigen Sorte" absondern (vgl. Marx 1894: 390). Hierzu ein Beispiel: Im Jahr 1997 geriet das Biotechunternehmen Xoma in Berkeley in einen akuten Finanznotstand. Deswegen verkaufte es Patentrechte und die damit verbundenen Rechte auf Lizenzeinnahmen an einem im November 1997 zugelassenen Medikament gegen eine spezielle Art von Krebs an das auf Patentgeschäfte spezialisierte Unternehmen Pharmaceutical Partners. Das Medikament wird in den USA von Genentech und IDEC Biogen unter dem Namen Rituxan und im Rest der Welt (außer Japan) von Roche unter dem Namen MabThera vermarktet. Für 17 Millionen US$ in bar veräußerte Xoma die Rechte auf die künftigen Lizenzerträge. Pharmaceutical Partners, ein Tochterunternehmen der in der Schweiz lokalisierten Firma Royalty Pharma, streicht nun die Lizenzeinnahmen aus dem Verkauf von Rituxan/MabThera ein. Dieser Deal war für Pharmaceutical Partners äußerst profitabel, denn Rituxan/MabThera entwickelte sich zum Blockbuster mit einem Umsatz von 3,154 Milliarden US$ im Jahr 2005 (InfoService Biotechnology 2006). Parallel zum Markterfolg von Rituxan/MabThera stieg auch der Börsenkurs des federführenden Unternehmens IDEC Pharmaceuticals. Er multiplizierte sich in den viereinhalb Jahren zwischen Anfang 1995 und Ende Juni 1999 um den Faktor 36. Nach der Zulassung von Rituxan/MabThera im November 1997 stieg er von rund 30 US$ auf gegen 100 US$ gut zwei Jahre später! Xoma, das die Eigentumsrechte an den Lizenzeinnahmen verkaufte, ging außer den 17 Millionen US$ leer aus (Xoma NR 1998; Robbins-Roth 2000: 159, 216). Dieses Beispiel ist kein Einzelfall (Royalty Pharma 2005). Patentrechte sind also nicht nur ein Gradmesser für die Bewertung von Biotechunternehmen an der Börse, das Patent erlangt in solchen Fällen direkt den Charakter eines Wertpapiers. Royalty Pharma verfolgt nicht das geringste industrielle Interesse. Das Interesse ist rein finanziell: aus Geld mehr Geld zu machen. Das zinstragende und das rententragende Kapital verschmelzen also.

Aneignung öffentlich finanzierter Vorleistungen

Die private Aneignung öffentlich finanzierter Forschungsleistungen erfolgt im Wesentlichen über zwei Mechanismen. Der erste geschieht über Kooperationsabkommen zwischen universitären Instituten und privaten Unternehmen. Der zweite vollzieht sich über die Ausgründung von Unternehmen aus universitären Instituten. Die Auslizenzierung von Medikamentenkandidaten und Technologien, die oftmals dank öffentlicher Forschungsbeihilfen gefunden wurden, ist eine zentrale Einnahmequelle von Biotechunternehmen und Universitäten. Biotechnologiefirmen nehmen oftmals eine vermittelnde Rolle ein. Sie transformieren und entwickeln das in öffentlich finanzierten Instituten produzierte Grundlagenwissen. Erfolg versprechende Projekte können sie dann zusammen mit Pharmaunternehmen weitertreiben oder an diese auslizenzieren. Die Aneignung von Kenntnissen, die in öffentlichen Forschungsinstituten geschaffen wurden, vollzieht sich auch über die Gründung von Start-up-Unternehmen von Forschern aus dem öffentlichen Sektor, die sich die Erfindungen mit Patenten aneignen, die sie zuvor mit ihren Gruppen und dank der öffentlichen Finanzierung gemacht haben. Die öffentlich finanzierte Forschung ist eine essentielle Voraussetzung für die Produktion von anwendungsorientiertem Wissen. Wie in anderen wissenschaftsbasierten Industrien wären die Inventions- und Innovationsaktivitäten in den Biotech- und Pharmaunternehmen unmöglich ohne die Aneignung der Resultate öffentlich finanzierter Forschungsinstitute (Angell 2004; Zeller 2003). Das Innovationssystem beruht also darauf, dass durch die öffentlich finanzierte Forschung wichtige Grundlagenerkenntnisse geschaffen werden, die sich anschließend Unternehmen über verschiedene Kanäle aneignen können, die wiederum über die Monopolisierung der Eigentumsrechte auch Gewinne daraus erzielen können.

Nutzung des "sozialen Kapitals" durch Konzerne, Aneignung der Kreativität und sozialer Kontexte

Unternehmen, die technologiebasierte, neue Produkte herstellen, sind auf längerfristige Investitionen, auf Wissenserwerb durch Training und längerfristige Lernprozesse unter den Beschäftigten angewiesen. Dieses spezifische Wissen wird durch die Beschäftigten mit ihren sozialen Beziehungen produziert und verkörpert. Die durch Regierungen getätigten öffentlichen F&E-Ausgaben und das Bildungssystem, insbesondere die höhere Bildung, sowie die langfristig angelegte und nicht direkt profitorientierte Grundlagenforschung sind zentrale Komponenten eines Innovationssystems. Die großen Pharmakonzerne tragen ihre oligopolistische Rivalität um technologische Vorsprünge auch aus, indem sie sich in die sozialen Kontexte von räumlich konzentrierten Innovationssystemen einzuweben versuchen. Sie knüpfen intensive Bindungen mit Schlüsselakteuren und verankern sich in den regionalen Arenen und sozialen Kontexten der Technologiepotentiale, um sich das an soziale Kontexte gebundene Wissen zu erschließen, zu kodifizieren und wenn immer möglich ihre intellektuellen Eigentumsmonopole auszudehnen. Daher lokalisieren nahezu alle großen Pharmakonzerne ihre Forschungszentren in rund einem Dutzend Hochtechnologieregionen auf der Welt. Mit diesen Strategien eignen sich die Konzerne frei zugängliche Kenntnisse an, die aber in den sozialen Kontexten dieser Regionen schlummern (Zeller 2004d: 105).

Enteignung von biologischen Lebensformen und Biopiraterie

Die Schaffung von Eigentumsmonopolen auf Saatgut ist durch die Enteignung der Produzenten und Gemeinschaften gekennzeichnet. Sie erinnert an die Vertreibungen, Enteignungen und Verelendungen, die Bauern in England bei der Durchsetzung der enclosures und dann die Bauern der kolonisierten Länder während der weltweiten Expansion des Kapitalismus (des Imperialismus vor mehr als hundert Jahren) erlebten. Die Biopiraterie betrifft die Aneignung genetischer Ressourcen und Kenntnisse der indigenen Bevölkerung und lokalen Gemeinschaften durch private, meist transnationale Unternehmen und durch öffentliche Forschungsinstitute in den reichen kapitalistischen Ländern. Die Biopiraterie bedient sich unterschiedlicher Verfahren und Verhältnisse. Letztlich handelt es sich aber immer um die Privatisierung von Ressourcen, die öffentlich, kollektiv und zum Allgemeinwohl bestimmt waren (Ribeiro 2002; Wullweber 2004a: 135). Patentieren die Unternehmen auf diese Weise angeeignete Ressourcen, verschaffen sie sich Monopolrechte, die es ihnen erlauben monopolistische Renteneinkommen zu erzielen.

Die Widersprüche der intellektuellen Eigentumsmonopole

Es sind menschliche Arbeit und Kreativität, die das Wissen produzieren. Die durchgesetzten Eigentumsmonopole dienen dazu, einen Teil des durch diese Arbeit hergestellten Mehrwerts über Rentenerträge anzueignen. Der Begriff der Rente ist unzertrennlich mit jenem der Eigentumsrechte verbunden. Die Eigentumsrechte respektive Eigentumstitel können in der aktuellen Steigerung gewissen Individuen sogar ermöglichen, die Reproduktion der Lebensprozesse zu verhindern oder in ihrem Sinne zu steuern und damit aus dem genetischen und kulturellen Erbe eine Ware zu machen. Da der Besitz von Eigentumsmonopolen (Patente, Marken, Autorenrechte) die Quelle von Einkommen bildet, wird ihre Multiplikation ein erstrangiges Ziel. Die intellektuelle Tätigkeit ist dem Menschen inhärent, daher bieten sich praktisch unbegrenzte Möglichkeiten der Privatisierung an. Die Verteidiger einer Ausdehnung der geistigen Eigentumsmonopole argumentieren mit der Stimulierung der Inventionstätigkeiten. Allerdings widerspricht die private Aneignung, zu der die Regierungen ermuntern, der Tatsache, dass die Wissensproduktion heute noch mehr denn je Ergebnis kollektiver Tätigkeiten ist und eine maximale Freiheit des Austauschs und der Kommunikation unter den Wissensarbeiterinnen und Wissensarbeitern erfordert. Das Regime intellektueller Eigentumsmonopole im Kontext des finanzdominierten Akkumulationsregimes hemmt letztlich die Innovationspotentiale und begünstigt einen enormen Verschleiß menschlicher und materieller Ressourcen. Die Privatisierung der allgemeinen Arbeit ist eine Antwort auf Probleme der Akkumulation. Aber sie ruft neue Widersprüche hervor wie alle Versuche, kapitalistischen Krisen entgegenzuwirken. Zu diesen Widersprüchen zählen Phänomene, die auch zunehmend von Autoren benannt werden, die intellektuelle Eigentumsmonopole nicht grundsätzlich ablehnen, aber die mit dem neuen Regime verbundenen Gefahren und Nachteile zur Diskussion stellen. Dazu zählen die Jagd nach Patenten um Wettbewerbern die Nutzung einer Technologie zu verwehren, das Anti-Commons-Regime bei einer fragmentierten Landschaft von intellektuellen Eigentumsmonopolen (vgl. u.a. Heller & Eisenberg 1998: 699; Eisenberg & Nelson 2002: 1397; Coriat & Orsi 2002: 1498; Foray 2002; Orsi 2002: 74; Gröndahl 2002), der Anreiz zur Geheimniskrämerei (Perelman 2002: 43), die Schwächung und Kommerzialisierung der Grundlagenforschung sowie die Infragestellung der republic of science (Foray 2002; Nelson 2004), die Kommerzialisierung der höheren Bildung (Perelman 2002; Krimsky 2003), exzessive Patentstreitigkeiten (Sherwood 2004), Preissteigerungen zum Beispiel bei Medikamenten (Baker & Chatani 2002), Orientierung auf kaufkräftige Nachfrage (Serfati 2004: 71; Zeller 2001: 200, 616f) und der Einsatz von intellektuellen Eigentumsmonopolen als geoökonomisches Machtinstrument wie z.B. im Rahmen des TRIPs.

Renten, Staat und Imperialismus

Der Staat war und ist für die Durchsetzung von Eigentumsrechten und Märkten entscheidend. Das reicht von der ursprünglichen Akkumulation bis zu den heutigen Formen enteignender Akkumulation. Der Staat subventioniert das Bildungssystem und Forschungstätigkeiten. Zudem stützt sich der Staat auf seine Zwangsmittel, um die Eigentumsrechte durchzusetzen. Da die unerlaubte Aneignung von geistigem Eigentum weniger offensichtlich ist als der Diebstahl physischer Güter, entfaltet der Schutz intellektueller Eigentumsmonopole weit stärkere Wirkungen als vergleichbare Bestrebungen zum Schutz physischer Güter. So können Eigentümer intellektueller Eigentumstitel bisweilen Anbieter von Waren dazu zwingen, ihre Produkte zu modifizieren und dabei ihre Nützlichkeit zu vermindern. So wie der Staat unabdingbar für die Durchsetzung der Akkumulationsbedingungen und der Reproduktion der Kapital-Arbeit-Beziehungen ist, so ist staatliches Handeln Voraussetzung zur Durchsetzung von Bedingungen, die die Extraktion von Renten ermöglichen (Murray 1978: 28). Das gilt für die Verhandlungen über die Landwirtschaftspolitik im Rahmen der WTO, wo die USA, die EU und einige Landwirtschaftsexporteure aus dem Süden über den Export von Landwirtschaftsüberschüssen Renten realisieren wollen. Das trifft für die Raum- und Stadtplanung zu, wo der Staat die Erzielung von Renten durch die Landeigentümer ermöglicht (Jäger 2003). Und schließlich ist die Errichtung und Durchsetzung intellektueller Eigentumsmonopole ohne gezieltes staatliches Handeln undenkbar. Der Anteil der Rente am jährlich produzierten Wert einer Gesellschaft, der in Form von Löhnen, Renten, Zinsen, Unternehmensgewinnen und Steuern verteilt wird, ist allerdings auch ein Ergebnis der Klassenkämpfe, also der gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse (Harvey 1982: 362). Zugleich ist die Verfügung über wissenschaftliche und technologische Potentiale ein bestimmender Faktor internationaler Dominanz- und Abhängigkeitsverhältnisse geworden (Sachs 2000). Die Zahlungen von Lizenzgebühren fließen vor allem zwischen den reichen Ländern, wobei die Flüsse noch konzentrierter sind als jene des Welthandels und der Direktinvestitionen (vgl. Zeller 2004c: 88ff.). Die reichen kapitalistischen Länder hielten Mitte der 1990er Jahre 97 % aller Patente weltweit. Im Jahr 1995 wurden mehr als die Hälfte aller Lizenzgebühren an Unternehmen und Institutionen in den USA bezahlt, die meisten aus Japan, Großbritannien, Frankreich, Deutschland und den Niederlanden. 1993 kamen gerade mal zehn Länder für 84 % der weltweiten Forschungs- und Entwicklungsausgaben auf und kassierten mehr als 90 % der grenzüberschreitenden Lizenzgebühren. Zudem wurden 80 % der in Entwicklungsländern gewährten Patente Bürgern der Industrieländer zugesprochen (UNDP 1999: 68). Firmen in den kapitalistischen Metropolen erhielten im Jahr 2001 97 % der Lizenzzahlungen, das entspricht jährlich 71 Milliarden US-$ (Maskus 2003: 17; UNDP 2005: 135). Die Zahlung der Lizenzgebühren für Patente kommt einem Nettotransfer an die Konzerne der Metropolen gleich. Mit dem von der WTO durchgesetzten TRIPs Abkommen verstärken die Technologieproduzenten, allen voran die USA, ihre Rolle als Empfänger von Lizenzgebühren, also von Rentenzahlungen. Der Süden wird in die Rolle des günstigen Ressourcenlieferanten ohne Souveränität abgedrängt. Die weltweite technologische Kluft verstärkt sich. Die USA sind das einzige Land, in dem das finanzdominierte Akkumulationsregime auch ein Wachstumsregime ist. Allerdings stützen die USA ihr Wachstum zu einem beträchtlichen Teil auf Kapitalimporte und die Einfuhr kostengünstiger Produkte. Das Wachstum der US-amerikanischen Wirtschaft in den 1990er Jahren während der New Economy und auch danach ist einzigartig. Diese Besonderheit erklärt sich durch die Art der politischen und militärischen Beziehungen, die die USA mit dem Rest der Welt im Rahmen der geopolitischen Transformationen der 1990er Jahre unterhalten. Die USA verfügen über das Monopol, ein Regime des Produktions- und Konsumwachstums aufrechtzuerhalten, das immer mehr von der Fähigkeit des Rests Welt abhängt, freiwillig oder erzwungen das dreifache Defizit (Handel, Haushalt und Konsum) der USA zu finanzieren (Serfati 2004: 19, Kap. 6; Zeller 2004c: 137). Dieses Regime und die räuberischen Beziehungen, die die USA zum Rest der Welt unterhalten, stehen in einem Zusammenhang mit ihrer Außen- und Militärpolitik (Chesnais 2004c: 44). Die strategische Agenda der USA trägt diesen ökonomischen Gegebenheiten Rechnung. Das Dokument über die nationale Sicherheitsstrategie ist explizit und betont den Schutz der Eigentumsrechte (The White House 2002). Die Hervorhebung der USA in diesem Beitrag will nicht sagen, dass die Mechanismen des finanzdominierten Akkumulationsregimes und des neuen Regimes intellektueller Eigentumsmonopole sich nur in den USA durchsetzten. In Europa vollziehen sich ähnliche Entwicklungen, namentlich bei der Herausbildung eines europäischen Militarismus (Serfati 2004: Kap. 9). Bedeutsam ist, dass die ökonomischen und institutionellen Veränderungen in den USA aufgrund ihrer ökonomischen, politischen und militärischen Bedeutung eine weltweite Tragweite haben. Zusammengefasst entspricht die aktuelle Phase des Imperialismus einer Ära der politischen Herrschaft des Finanz- und rententragenden Kapitals. Die Durchsetzung von Rentenerträgen ist in den Kontext umfassenderer Tendenzen der Rekolonialisierung einzuordnen (Serfati 2004: 30-50). Die sogenannten aufstrebenden Märkte sind zwar Ziel großer Direktinvestitionen geworden. Doch seit 1998 sind diese Länder Nettofinanzierer der reichen Länder. Lateinamerika sendet bereits seit mehr als zwei Jahrzehnten mehr Geld in die Metropolen, als es von diesen erhält. Zudem sind die Direktinvestitionen vorsichtig zu betrachten. Denn offensichtlich besteht eine Korrelation zwischen den Flüssen der Direktinvestitionen der Transnationalen Konzerne und den Einnahmen aus den Privatisierungen (IMF 2003). Direktinvestitionen zum Erwerb privatisierter Unternehmen entsprechen eher einer Aneignung ehemals staatlicher Betriebe als einem Kapitalfluss, um in die Ausdehnung der Produktion zu investieren. Das Ziel der Repatriierung von Profiten scheint in den meisten Fällen erreicht zu werden, übertrifft doch die Rentabilitätsrate (return on equity) US-amerikanischer Tochterunternehmen im Süden gemäß einer im Jahr 2002 von der Weltbank erstellten Studie die Rentabilität ihrer Niederlassungen in den Ländern des Nordens (Serfati 2004: 34). Die Übernahmen und Fusionen machten 2004 und 2005 weltweit rund 40 % der Direktinvestitionen aus, in Lateinamerika waren es gar 60 % (UNCTAD 2004). Hinter dieser Zunahme stehen also nicht zuletzt umfassende Privatisierungsprogramme. Der Schuldendienst, insbesondere der sogenannten aufstrebenden Länder, ist der zweite große Kanal des Wertetransfers. Zwischen 1980 und 2002 haben die Entwicklungsländer mehr als 4600 Milliarden US$ an ihre Gläubiger zurückbezahlt. Das entspricht einer acht Mal höheren Summe als sie geliehen haben. Die abhängigen peripheren Länder sind also weiterhin fruchtbare Quellen für die Entnahme von Reichtümern (Serfati 2004: 38). Eine weitere Form enteignender Akkumulation, die den Formen der ursprünglichen Akkumulation sehr nahe kommt, ist die Konstituierung einer industriellen Reservearmee auf Weltebene. Millionen von Menschen werden aus ihren Lebenszusammenhängen gerissen und gezwungen, ihre Arbeitskraft in den Megastädten und auf den Plantagen des Südens oder in den Metropolen des Nordens unter den schlechtestmöglichen Bedingungen zu verkaufen, Bedingungen, die nicht selten jenen der Zwangsarbeit und Sklaverei ähneln. Die informellen Arbeiterinnen und Arbeiter machen in vielen Ländern des Südens die Mehrheit der erwerbstätigen Bevölkerung aus und sehen sich einer besonders brutalen Form der Lohnabhängigkeit unterworfen (Serfati 2004: 40ff). Die Globalisierung einer industriellen Reservearmee führt dazu, dass die Lohnabhängigen zunehmend mehr auf Weltebene gegeneinander in Konkurrenz gestellt werden.

Schlussfolgerungen

Die Ausdehnung von Eigentumsmonopolen hat im Verlaufe der letzten beiden Jahrhunderte zur Konzentration und Zentralisation des Kapitals und somit auch der Arbeit, einschließlich der spezialisierten intellektuellen Arbeit beigetragen (Serfati 2004: 60). Doch mit der Durchsetzung eines finanzdominierten Akkumulationsregimes ist auch die Schaffung eines Regimes intellektuellen Eigentums verbunden, das die Eigentumsmonopole in neue Bereiche ausdehnt. Auf der Suche nach neuen Feldern der Verwertung enteignet das Kapital unterschiedliche Akteure, seien dies Forscherinnen und Forscher, Facharbeiterinnen und Facharbeiter oder auch bäuerliche Gemeinschaften, von ihren Arbeitsprodukten und Arbeitsmitteln, letztlich von dem Wissen und den Informationen, die sie in gemeinschaftlicher Arbeit generieren. Um die aktuellen Prozesse zu verstehen, ist eine einfache Dichotomie zwischen Mehrwertproduktion durch Lohnarbeit und Formen enteignender Akkumulation im Stile der ursprünglichen Akkumulation zu vermeiden. Mit der imperialistischen Globalisierung differenzieren sich die Formen der Aneignung des produzierten Wertes und der bestehenden Reichtümer stärker aus. Den einen Pol bildet die Produktion von Wert im Rahmen des Lohnarbeitsverhältnisses, wie es in den Jahrzehnten der Nachkriegszeit in den reichen kapitalistischen Ländern vorwiegend existiert hat. Es betrifft weltweit nur eine Minderheit der Arbeiterinnen und Arbeiter, die mehrheitlich in den Metropolenländern leben. Ihre Qualifikation bewahrt sie vor einer gefährlichen Konkurrenz. Am anderen Pol sehen wir die Ökonomie der Plünderung. Die Enteignung der Wissensproduzenten durch die Ausdehnung intellektueller Eigentumsmonopole ist eine der wissensbasierten Ökonomie entsprechende und besonders entwickelte Form von Akkumulation durch Enteignung. Zwischen beiden Polen beruht die Wertproduktion auf einer industriellen Reservearmee von Produzenten, die eine große Diversität an Ausbeutungsformen der Arbeitskraft bietet. Die "normale" Akkumulation ist also stark verflochten mit Formen der ursprünglichen Akkumulation und der diese begleitenden staatlichen und nichtstaatlichen Gewalt (Harvey 2003). Diese fortdauernde und wieder verstärkte Akkumulation durch Enteignung in ihren unterschiedlichsten Formen und Erscheinungen ist eine Antwort des Kapitals auf das Problem der Überakkumulation. Wie jede Strategie des Kapitals zur Lösung von Widersprüchen schafft die Monopolisierung des Wissens und der Informationen durch eine Ausdehnung der Eigentumsrechte zwar neue Möglichkeiten der Inwertsetzung, ruft zugleich aber neue Widersprüche und Probleme hervor. So bewirken die Monopolisierung des intellektuellen Eigentums und seine zunehmende Konzentration bei den transnationalen Konzernen eine krasse Unternutzung und oftmals sogar einen Verschleiß an kreativen Potentialen der Gesellschaft. Die Innovationsprozesse im Bereich der Pharma- und Biotechnologieindustrien bieten hierfür zahlreiche Beispiele. Der Aufstieg neuer Technologien wie der Informations- und Kommunikationstechnologien und der Biotechnologien ist Ausdruck einer sehr langen sozialen Akkumulation von wissenschaftlichem Wissen und technischen Kenntnissen. Das patentierte Produkt resultiert immer aus einer langen Akkumulation von Wissen, das unabhängig vom patentierenden Unternehmen produziert wurde und auf Arbeiten staatlich finanzierter Forscherinnen und Forscher in öffentlichen Forschungsinstituten oder in kleinen Firmen beruht. Das Patent legalisiert einen Prozess der Enteignung von Wissensarbeiterinnen und Wissensarbeitern sowie öffentlichen Haushalten, die sie finanzieren. Mit dieser Privatisierung transformiert das Patent ein soziales Wissen in einen Mechanismus zur Extraktion von Renten und ein machtvolles Instrument der gesellschaftlichen und politischen Herrschaft. In der aktuellen Phase des Kapitalismus, die durch die Macht des rentensuchenden Finanzkapitals geprägt ist, nimmt die Kontrolle des Wissens eine zentrale Rolle ein. Das verweist auf die theoretische Herausforderung, eine Synthese einer kritischen Theorie des wissensbasierten Kapitals und einer kritischen Theorie des Kapitalismus der Vermögensbesitzer herzustellen (Chesnais 2003: 179). Der vorliegende Artikel soll zum theoretischen Verständnis eines wissensbasierten Kapitalismus mit seinen Formen der Enteignungsökonomie insbesondere in Gestalt der Renten beitragen: Das Verständnis der alleine durch den Besitz von Eigentumstiteln legitimierten Einstreichung von Renten eröffnet einen Weg, die brennenden Fragen aktueller Formen der Ressourcenenteignung und -aneignung besser zu erfassen, sei es zwischen unterschiedlichen Klassen, sei es zwischen Gruppen herrschender Klassen, beispielsweise der Ressourcen- und Mehrwerttransfer zwischen und innerhalb von Unternehmen. Darüber hinaus bieten sich auch neue Zugänge an für das Verständnis der Interdependenzen zwischen der ökonomischen Entwicklung und der Artikulierung politischer und militärischer Macht sowie der räumlich und zeitlich äußerst differenzierten ungleichen Entwicklung. In einer emanzipatorischen Perspektive stellt sich unmittelbar die Herausforderung, Vorschläge zu entwickeln, die die demokratische Gestaltung der technologischen Entwicklung in unterschiedlichen maßstäblichen Konfigurationen fördern. Voraussetzung hierfür sind breite gesellschaftliche Debatten über erwünschte technologische Entwicklungen, über die Prioritäten der öffentlichen und privaten Investitionen in Technologien sowie über die Organisation der Arbeitsteilung. Die Ausdehnung intellektueller Eigentumsmonopole stellt den zentralen Widerspruch des Kapitalismus, jener zwischen der gesellschaftlichen Produktion und der privaten Aneignung der Waren auf die Spitze. Gerade darum kann die Infragestellung intellektueller Eigentumsmonopole auch eine Einstiegstür sein, um die Konzentration der strategischen Produktionsmittel in den Händen großer Konzerne zur Diskussion zu stellen.

Anmerkung

(*) Ich danke Daniel Kumitz, Markus Schär und zwei Gutachtern der Zeitschrift PERIPHERIE für kritische und hilfreiche Kommentare zu früheren Versionen des Artikels.

Literatur

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Aus: PERIPHERIE Nr. 101/102: "Eigentum: Aneignen - Enteignen - Nutzen", 26. Jg. 2006, Verlag Westfälisches Dampfboot, Münster, S. 119-146

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