Ausgezeichnete Überwachung

Neue Polizeigesetze in Rheinland-Pfalz und Hessen

in (01.02.2004)

Zusammen mit einigen anderen Bundesländern wurde Rheinland-Pfalz im Oktober 2003 für sein neues Polizeigesetz - das bislang noch als Kabinettsentwurf vorliegt - mit dem "Big Brother Award" prämiert. Die Auszeichnung wird jährlich von Bürgerrechtsorganisationen
für besonders gravierende Grundrechtseingriffe
verliehen. Auch in Hessen existiert seit November 2003 ein Kabinettsentwurf für ein neues Polizeigesetz, der gute Aussichten auf den Negativpreis gehabt hätte. Die beiden Nachbarländer sind vorne dabei, wenn es um Überwachung ihrer BürgerInnen geht.

Spähen, Lauschen, Ballern

Die geplanten Polizeigesetze in Rheinland- Pfalz und Hessen zeichnen sich in ihrer Gesamtheit durch eine Verlagerung polizeilicher Aufgaben weg von der Verbrechensbekämpfung hin zur "Prävention" aus - kein Wunder,
denn begründet wurden die Neuauflagen mit der Terrorgefahr nach dem 11.September.
Während Rheinland-Pfalz direkt nach den Anschlägen in den USA nach Aussage des Innenministers Walter Zuber nicht gefährdet war, scheinen sich nun viele terroristische Kräfte in Pfalz, Eifel und Hunsrück angesiedelt zu haben. Denn die neuen polizeilichen Befugnisse haben es in sich: Am Aufsehen erregendsten ist die Einführung des "Spähangriffs" - der zeitlich unbegrenzte Einsatz von Wanzen und Videokameras in Wohnungen.
Auch was via Telefon zu hören ist, wird bald belauscht - sofern die Annahme besteht, dass die Person "zukünftig schwerwiegende Straftaten" begeht. Ähnlich in Hessen, wo neben der Ausweitung des Lausch- und Spähangriffs auch die Möglichkeit der Überwachung wichtiger Verkehrsknotenpunkte mit einem "Kennzeichen-Lesegerät" vorgesehen ist, das Autonummernschilder automatisch erfassen und mit einer Fahndungsdatei abgleichen soll. Als Abrundung der polizeilichen Aufrüstung führt Hessen den sogenannten "finalen Rettungsschuss", also die Legalisierung der Tötung durch die Polizei zur Abwehr "einer Lebensgefahr" ein.

Daten, Daten, Daten

Unspektakulärer, aber ebenso sensibel sind neue Datenerhebungen. Dass Telekommunikationsdaten wie Internetverbindungen gespeichert und der Polizei zugänglich gemacht werden müssen, ist schon seit 2002 für die gesamte BRD geregelt. Neu ist, dass alle von öffentlichen Stellen gespeicherten Daten auf Wunsch an Ermittlerinnen herausgegeben werden sollen und "vorbeugende Rasterfahndung" geplant ist. In Rheinland-Pfalz waren bis vor kurzem sogar präventives Lauschen zur "Gefahrenabwehr" und neue Antwortpflichten für Personen, die eigentlich zeugnisverweigerungsberechtigt sind (also z.B. Anwältinnen, Ärzte, Journalistinnen oder Priester) im Gesetzentwurf vorgesehen. Auch die hessische Polizei soll auf Telekommunikationsinhalte zugreifen können - dazu kommt die Legalisierung von IMSI-Catchern, mit deren Hilfe die Standortbestimmung von Handys möglich ist. Einen riesigen Schritt zur Verdatung der gesamten Bevölkerung unternimmt Hessen indes alleine: Bei Verdacht auf schwere Straftaten soll selbst bei Kindern unter 14 Jahren zur "Vorbeugung" von Straftaten ein Gen- Test durchgeführt werden können. Unklar ist, was mit diesen umfangreichen persönlichen Daten geschehen wird.

Es trifft ja keine Unschuldigen ?!

Das unschöne rheinland-pfälzische Paket riss sogar den ansonsten wenig pingeligen Landesdatenschutzbeauftragten Rudolf zu harscher Kritik hin, die auch auf Hessen übertragbar ist. Vor allem die Reihung vieler unbestimmter Rechtsbegriffe als Hürde zur Überwachung wird zu Recht scharf moniert - mit schwammigen Begründungen können langdauernde und nahezu allumfassende Überwachungen gegen "noch" unbescholtene BürgerInnen und ihre Kontaktpersonen angeordnet werden. Und auch hinterher muss niemand der Tatsache seiner Überwachung ins Auge blicken, denn eine Information der Opfer ist nicht zwingend vorgesehen. Erfahrungen mit dem "Großen Lauschangriff" zeigen, dass sogar bei Informationspflicht nur ein Bruchteil der Betroffenen tatsächlich davon erfährt, im Visier der Fahnder gewesen zu sein. Wie gerne Behörden freiwillig von ihren Überwachungen berichten werden, kann jede und jeder sich also ausmalen. Für beide Gesetze gilt: Die Gefahr möglichen Missbrauchs der erhobenen Daten lässt erhebliche Zweifel an der Verhältnismäßigkeit
der Mittel aufkommen.
Eine Überprüfung der "Erfolge" ähnlicher Überwachungsmaßnahmen in anderen Ländern, wie sie jetzt in beiden Landespolizeigesetzen vorgesehen sind, fand und findet vor ihrer Einführung nicht statt. Präventive Eingriffe zu rechtfertigen ist allerdings generell problematisch: Sie sollen Verbrechen verhindern, von denen noch kein Mensch wissen kann, ob sie wirklich stattfinden werden.

Eben darum bestraft der Rechtsstaat eigentlich auch nur vollendete und beweisbare Taten - keine bösen Gedanken.

- Dieser Text erschien in der Ausgabe 1/2004 der "Zündstoff" (Regionalausgabe der Tendenz für Rheinland-Pfalz& Hessen)