Peter Weiss - Intellektueller in der geteilten Welt

Der Schriftsteller Peter Weiss wäre am 8. November dieses Jahres 90 Jahre alt geworden. Auf seiner Flucht vor dem deutschen Faschismus war der in Nowawes (heute Neubabelsberg) geborene Weiss über ..

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London, Varnsdorf in Böhmen, Prag und die Schweiz Anfang 1939 nach Schweden gekommen, wo der Vater, ein jüdischer Textilfabrikant ungarischer Herkunft, den Neuaufbau eines Betriebes übernommen hatte. Mit verschiedenen künstlerischen Mitteln - als Schriftsteller in schwedischer Sprache, Maler, Filmemacher - versuchte er während der ersten beiden Jahrzehnte im neuen Land, sich von der ihn plagenden Vergangenheit zu befreien. Dies gelang ihm aber erst, als er durch seine politische Stellungnahme eine Grundlage fand, auf der er stehen konnte. In diesem Augenblick hatte er den Schlüssel zu Kunst und Geschichte gefunden, und die deutsche Sprache kehrte zu ihm zurück.1 Anfang der 1960er Jahre erlebte er mit den beiden Prosabänden Abschied von den Eltern (1961) und Fluchtpunkt (1962) seinen Durchbruch als deutschsprachiger Autor. Weltweite Anerkennung erwarb er sich dann mit Marat/Sade (1964) und Die Ermittlung (1965).

Mit seinem literarischen Durchbruch geriet Weiss unmittelbar ins Zentrum politischer Auseinandersetzungen. In einer Zeit restaurativer Tendenzen, in der eine "heile Welt" imaginiert wurde, brachte Weiss mit Marat/Sade großes Weltanschauungstheater auf die Bühne, das politische Grundfragen der Epoche zur Diskussion und angebliche Sekurität in Frage stellte. Besonders brisant war die westdeutsche Debatte im Zusammenhang mit der gemeinsamen Uraufführung des Auschwitz-Stückes Die Ermittlung im Oktober 1965 an 16 Bühnen, u. a. an der Freien Volksbühne Berlin (West) und der Deutschen Akademie der Künste Berlin/DDR. Die politische Auseinandersetzung entzündete sich vor allem daran, dass Weiss die Mitschuld deutscher Monopole an Auschwitz betonte. "Aus der vorgeblichen Kunstdebatte (›Ist Auschwitz auf dem Theater darstellbar?‹) war ein politischer Streit geworden."2

Es waren aber nicht nur seine Stücke, die Weiss zu einem umstrittenen Schriftsteller machten. Einen Monat vor der Uraufführung der Ermittlung hatte er mit seinen programmatischen 10 Arbeitspunkten eines Autors in der geteilten Welt explizit Stellung für die sozialistische Seite in der antagonistischen Welt des Kalten Krieges bezogen. Er hatte damit in den Augen des konservativen literarischen Publikums, aber auch einiger seiner Schriftstellerkollegen, allen voran Günter Grass,3 die Literatur zweifach verraten: durch ihre Operationalisierung für politische Ziele und durch seine politische Parteinahme unter Ausnutzung seiner Autorität als Schriftsteller.4

Mit Marat/Sade und den späteren antiimperialistischen Stücken Gesang vom Lusitanischen Popanz (1967) und Viet Nam Diskurs (1968) gehörte Weiss zu den deutschsprachigen Wegbereitern der neuen internationalen Protestbewegung. Er war auch einer der wichtigsten intellektuellen Impulsgeber und Aktivisten der schwedischen Vietnambewegung (u.a. als einer der Organisatoren des International War Crimes Tribunal (Russell-Tribunal) in Stockholm 1967). Nach einem mehrwöchigen Aufenthalt in Nordvietnam im Frühsommer 1968 - und trotz der militärischen Zerschlagung des "Prager Frühlings", gegen die er öffentlich protestierte - entschloss er sich, der schwedischen Linkspartei Kommunisten (VPK) beizutreten.

Mit seinem "Verrat", der darin bestand, dass er mit seiner Autorität als anerkannter Autor in das politische Geschehen eingriff, erfüllte Peter Weiss gerade eines der Kriterien, um in Sinne Pierre Bourdieus in den Rang eines Intellektuellen gehoben zu werden.

Bourdieu beschreibt den Intellektuellen als ein "bi-dimensionales Wesen". Um den Namen Intellektueller zu verdienen, muss ein Kulturproduzent zwei Voraussetzungen erfüllen: "zum einen muss er einer intellektuell autonomen, d. h. von religiösen, politischen, ökonomischen usf. Mächten unabhängigen Welt (einem Feld) angehören und deren besondere Gesetze respektieren; zum anderen muss er in eine politische Aktion, die in jedem Fall außerhalb des intellektuellen Feldes in engerem Sinn stattfindet, seine spezifische Kompetenz und Autorität einbringen, die er innerhalb des intellektuellen Feldes erworben hat."5 Leider haben viele Intellektuelle "ihre Erkenntnisse, ihr Wissen, ihre Kompetenz in einer Art Schuldbewusstsein dem Proletariat als Opfergabe dargebracht". Der Preis, den sie für ihr politisches Engagement bezahlten, entwertete ihren Status als Intellektuelle. Bourdieu zitiert Blaise Pascals Warnung, dass man sich verdummen muss, wenn man gläubig werden will. Und so erging es laut Bourdieu vielen, die sich einer kommunistischen Partei anschlossen: "Man trat in einen Glauben ein, indem man sich dümmer machte."6 In diesem Zusammenhang sieht Bourdieu die Gefahr, dass Antonio Gramscis organischer Intellektueller 7 in einen "Weggefährten" des Proletariats mutiert.8 Peter Weiss war dieser Gefahr auf existenzielle Weise ausgesetzt.

Der Weg zum politischen Engagement
Seit seiner Vertreibung aus Deutschland war Weiss von einem Gefühl der Unzugehörigkeit geplagt. In Schweden, dessen Staatsbürgerschaft er seit 1946 besaß, galt er bis zum Schluss als "fremder Vogel". Seine Aufenthalte auf geographischen Punkten waren immer nur zufällige Durchgangsstellen, die zu blinden Flecken wurden, "und nur eine Ortschaft, in der ich nur einen Tag lang war, bleibt bestehen. (...) Ich habe keine andere Beziehung zu ihr, als dass mein Name auf den Listen derer stand, die dorthin für immer übersiedelt werden sollten": Auschwitz.9

Im Dezember 1964 hatte Weiss im Rahmen des Frankfurter Auschwitz-Prozesses an einer Ortsbegehung des ehemaligen Konzentrationslagers teilgenommen. Über diesen einen Tag in der "Ortschaft, für die ich bestimmt war und der ich entkam", schreibt er: "Ein Lebender ist gekommen, und vor diesem Lebenden verschließt sich, was hier geschah. (Â…) Jetzt steht er nur in einer untergegangenen Welt. Hier kann er nichts mehr tun. Eine Weile herrscht die äußerste Stille. - Dann weiß er, es ist noch nicht zuende."10

Er hatte lange in der Hoffnung gelebt, dass der zeitweise psychotische Zustand, an dem er nach seiner Emigration litt, sich in dem Augenblick verflüchtigen würde, "in dem meine Arbeit sich einmal als sinnvoll erweisen würde, in dem es gelänge, eine Resonanz, eine Perspektive herzustellen."11 Die Einsicht, dass der Schrecken noch nicht zuende ist, dass wir immer noch in der gleichen Welt, "in der jene lebten, die darin vernichtet wurden",12 gab seiner Arbeit endlich eine Perspektive. 13

Jetzt konnte er die "Schuld" tragen, dass er der vorbestimmten Vernichtung entkommen war. Das Tragen dieser Schuld wird ihm zur existenziellen Verpflichtung, den Opfern die Stimme zu leihen, ihr Schweigen zum Sprechen zu bringen.14 Doch gehörte Weiss nicht zu denen, die im faschistischen Massenmord einen einmaligen Akt unfassbarer Barbarei sahen. Für ihn wurde die "Tradition von Guernica, Lidice und Maidanek" auch nach 1945 weitergeführt.15

Vielfach geteilte Welt
Anfang der 1960er Jahre tritt mit dem Schicksal Patrice Lumumbas die ›Dritte Welt‹ an Weiss heran. Und schon während der Arbeit an Marat/Sade verwoben sich Faschismus und Kolonialismus und prägten seine politische Bewusstwerdung. "Das faschistische Regime in Deutschland wurde besiegt", schreibt er in sein Notizbuch, doch "das Prinzip der Verfolgung und Ausbeutung großer Bevölkerungsgruppen, bis zur Vernichtung besteht weiter".16 Den Grund dieses Prinzips der Unmenschlichkeit findet er im kapitalistischen System, und die Lösungsperspektive kann für ihn nur der Sozialismus sein. In diesem Sinne formuliert er seine 10 Arbeitspunkte eines Autors in der geteilten Welt.17

Die geteilte Welt in der Peter Weiss 1965 politisch Stellung bezieht, ist zunächst und vor allem die antagonistische Welt des Kalten Krieges. Auch wenn er damals schon konstatiert, dass "die Zweiteilung der Welt in sich vielfach gebrochen und von komplizierten, einander oft bekämpfenden Tendenzen durchsetzt ist", so sieht er dennoch "zwei deutliche Machtblöcke": der eine "enthält die vom Kapitalismus bedingte Ordnung", der andere "die teils etablierten, teils sich heranformenden sozialistischen Kräfte, sowie die Freiheitsbewegungen in den ehemals kolonialisierten oder noch unter Gewaltherrschaften stehenden Ländern". Seine Stellungnahme, seine Seitenwahl ist zwar eindeutig, aber keineswegs unkritisch, nicht ohne Vorbehalte. Sie ist die Antwort auf die Frage: "Auf welcher der beiden Seiten sehe ich hinter den Unvollkommenheiten, den Widersprüchen und Fehlern die Möglichkeit zu einer Entwicklung, die meinen Vorstellungen von Humanität und Gerechtigkeit entspricht?" Bei den Wahlmöglichkeiten, "die mir heute bleiben", sieht er nur in der sozialistischen Gesellschaftsordnung die Möglichkeit zur Beseitigung der bestehenden Missverhältnisse in der Welt, vorausgesetzt allerdings, dass "Selbstkritik, die dialektische Auseinandersetzung, die ständige Offenheit zur Veränderung und Weiterentwicklung" als unabdingbare Bestandteile des Sozialismus anerkannt werden.18 Dass es in der DDR, der von ihm gewählten Seite des geteilten Deutschlands, um diese Voraussetzung schlecht bestellt war, wurde ihm schon bald vor Augen geführt, als er nach dem 11. Plenum der SED im Dezember 1965 eine öffentliche Solidaritätserklärung für Wolf Biermann abgab.19

Nach seiner politischen Seitenwahl ist er einem "Kreuzfeuer" von allen Richtungen her ausgesetzt. "Als zwei Pole dieser Angriffe", die innerhalb der westlichen Länder auf ihn zukommen, erklärt er, "können symptomatische Namen wie Grass und Marcuse gestellt werden."20 Diese Kritik war zu verschmerzen. Doch eine andere traf ihn tiefer, weil unerwartet und unvorbereitet. Heiner Müller berichtet von einem Streit mit Weiss nach der DDR-Premiere von Viet Nam Diskurs am Berliner Ensemble. Das Treffen in einer Berliner Wohnung, an dem auch Wolf Biermann teilnahm, "hatte für uns Eingeborene des Sozialismus einen Hauch von Konspiration, was Peter Weiss, der sich mit gutem Gewissen auf der richtigen Seite der Weltbarrikade fand, deutlich nicht verstehen konnte". Das Gespräch ging schnell in einen Streit über, der Aufschluss gab "über die Verschiedenheit der linken Erfahrungen in den Ländern des Westens und der unsern hier, wo die Linke Staat geworden war und Uniform trug". Streitpunkt war "die Leichtigkeit, mit der man im Herzen der Bestie den Imperialismus und den Kolonialismus an den Pranger der Literatur stellen konnte, und die Obszönität der gleichen Anstrengung in unsern Ländern, wo ganze Bevölkerungen im Status von Kolonisierten gehalten wurden im Namen eines Programms, an dessen Realisierung wir zu arbeiten glaubten. Von Vietnam sprechen, heißt von Bautzen schweigen." Der westliche Intellektuelle Weiss glaubte noch, in zwei Welten zu leben, der kapitalistischen und der sozialistischen. Doch letztere bezeichnet Müller als "imaginär". Selbst bewohnte er, wie alle östlichen Intellektuellen, "eine Dritte Welt, in der das kleinste Kollektiv der Schizophrene war".21

Politische Stellungnahme als persönliche Haltung
Weiss wollte mit seiner politischen Stellungnahme den toten und den lebenden Opfern seine Stimme leihen. Doch darf dies nicht als eine Stellvertreterrolle verstanden werden. Er sah sich nicht, wie es Enzensberger mit mitleidigem Verständnis ausdrückte, als "Wortführer der Armen Welt".22 Weiss nahm politisch Stellung als Autor und als Individuum. Seine Stellungnahme war Ausdruck eines persönlichen Bedürfnisses, sie war eine persönliche Haltung. Für ihn konnte nur eine solche Haltung zu widerstandsfähigem Verhalten führen, das seinerseits Voraussetzung ist für eine haltbare politische Solidarität.23

Er hatte lange geglaubt, schreibt Weiss in den 10 Arbeitspunkten, dass ihm "die künstlerische Arbeit eine Unabhängigkeit verschaffen könnte, die mir die Welt öffnete. Heute aber sehe ich, dass eine solche Bindungslosigkeit der Kunst eine Vermessenheit ist (Â…). Jedes meiner in vermeintlicher Freiheit gewonnenen Arbeitsresultate hebt sich ab von der Notlage, die für den größten Teil der Welt noch gegeben ist. Ich sage deshalb: meine Arbeit kann erst fruchtbar werden, wenn sie in direkter Beziehung steht zu den Kräften, die für mich die positiven Kräfte dieser Welt bedeuten."24

Trotz seiner bürgerlichen Herkunft charakterisierte er seine reale Biographie in einem bestimmten Sinne als "proletarisch". In einem Brief an Klaus Scherpe schreibt er, dass er aufgrund seiner Erfahrungen von früh an den Begriff des Proletariats erweitert hatte. Er weist auf sein "Unbeheimatetsein" hin, auf "die ständige existentielle Unsicherheit, (...) das Außenseitertum des Emigranten, seine Unerwünschtheit in jedem Land". Wichtig an dieser Selbstvergewisserung ist laut Scherpe nicht die Frage, ob Weiss einen richtigen oder falschen Begriff vom Proletariat hatte, auch geht es nicht um Selbstlegitimierung. Wichtig ist das Benennen eines historischen Zustands, einer Erfahrung.25 Diese eigene "proletarische" Erfahrung des Nicht-Identischen, des Nicht- Geborgenseins, der Sprachlosigkeit, des Ausgeschlossenseins war für ihn die Grundlage für seine politische Standortbestimmung, d. h. für seine Zugehörigkeit zu diesem erweiterten globalen Proletariat und damit zu den "positiven Kräften dieser Welt", die seine literarische Arbeit erst sinnvoll und fruchtbar machen würde.

Er hatte endlich seine Unzugehörigkeit überwunden. Glaubte er.

Zusammenbruch
Fünf Jahre später notiert er in sein Tagebuch: "Es klang richtig, wenn ich von meiner Zusammengehörigkeit mit ihnen sprach, wenn ich darauf hinwies, dass ich sie verstand, dass ich seit jeher auf der Seite der Getretenen gewesen war (...). Es gab mir neuen Mut, neue Ausdauer, es gab mir Genugtuung in der Arbeit, da ich mir einbildete, nicht mehr nur für mich allein zu versuchen, aus dem Morast herauszukommen, aus dem Gestrüpp mir einen Weg zu bahnen, da ich meine eignen Mühen als Bestandteil größerer organisierter Bestrebungen sah, da ich nicht länger isoliert hinter der Schanze meines Schreibtischs lauerte und grübelte, sondern einem Internationalismus anzugehören meinte. Und doch war es dieser Umweg, auf dem ich zu den politischen Stellungnahmen gekommen war, der ein ständig nagendes schlechtes Gewissen zurückließ, eine Empfindung, dass meine Solidarität ungerechtfertigt sei, dass ich sie mir erschlichen, gestohlen hatte. (...) Eins sein mit dir selbst, im Vollbesitz deiner Fähigkeiten leben, Sicherheit verspüren, dich an einer Zugehörigkeit erfreuen, welche Illusion, welche Verstiegenheit, da du in der großen Zersplitterung und Brutalisierung, in dem ständigen Aufeinanderprallen von Feindseligkeiten, in der hektischen Spannung zwischen Katastrophen froh sein kannst, wenn es dir gelingt, einen Bruchteil deines Anliegens zur Sprache zu bringen, wenn du sogar zwischen den Phasen der Niedergänge, der Bewusstlosigkeit, ein paar Bücher, ein paar Stücke angefertigt hast. Für diese Halbheit, für das äußerst Geringe was ich erreicht hatte, wollte ich mich rechtfertigen, als ich mich in jener Nacht, Anfang Juni, wiederholt rufen hörte, ich habe das Richtige getan ...".26

Am 6. Juni 1970 erlitt Peter Weiss einen Herzinfarkt, den er als eine politische Krankheit bezeichnete. Was war geschehn? Nach seinem Stück über Trotzki, "den Antichrist des Kommunismus",27 erreichte ihn der Schatten der Inquisition. Trotzki im Exil, das im Januar 1970 im Schauspielhaus Düsseldorf uraufgeführt wurde, war sein spezieller Beitrag zum Leninjahr 1970. Als ein Autor, "dessen gesamte Arbeit darauf abzielt, die Muster von Lüge, Ungerechtigkeit und Unterdrückung aufzuzeigen, und nach Mitteln zu suchen, sie zu beheben", wollte er mit diesem Stück eine Debatte über ein Tabu entfachen.28

Die Schärfe und Unerbittlichkeit der Reaktion aus seinem Lager, vorgetragen in "der sturen Sprache des Antihumanismus",29 verletzte ihn tief. Das Signal zum Angriff gab die Zeitschrift des sowjetischen Schriftstellerverbands Literaturnaja Gaseta Ende März 1970. Die DDR verweigerte ihm die Einreise. Er wurde "in einem Holzverschlag in den untern Gelassen des Bahnhofs Friedrichstraße festgehalten. Nach stundenlangem Warten erfuhr ich, dass ich in der Deutschen Demokratischen Republik nicht erwünscht sei. (...) Ich wurde ausgewiesen, abgeführt, an den Kontrollschaltern vorbei, durch die Sperren, hinauf zum Bahnsteig". Zwei Jahre lang war er persona non grata in der DDR.30

Ende Mai kam auch ein Echo aus der eigenen Partei. Die Zeitung der nordschwedischen Kommunisten Norrskensflamman veröffentlichte den Artikel eines Altstalinisten unter der Rubrik "Ein Wolf im Schafsfell". Darin wurde Weiss als ein im Bürgertum verwurzelter "Glücksritter" in der kommunistischen Bewegung diffamiert und angedeutet, dass seine jüdische Abstammung ihn für Trotzki Partei ergreifen ließ. Ihm wurde nahe gelegt, die Partei zu verlassen.31 Kurz danach erlitt Weiss den Herzinfarkt.

Suche nach Wahrheit
In sein Tagebuch Rekonvaleszenz, das er in den folgenden sechs Monaten führte, notierte er: Nach "der Absetzung meiner Stücke, dem Verbot meiner Bücher, meiner Ernennung zum Renegaten, zum Sowjetfeind ", füllte ihn Scham darüber, dass er "für die gleiche Ideologie eintrat, die auch jene für sich in Anspruch nahmen, die die historische Fälschung, das primitive Tabu, die Unterdrückung der Kritik, die Aufhebung der freien Meinungsäußerung für vereinbar halten mit dem dialektischen Materialismus".32 Ihn plagte immer und immer wieder diese Frage: "wie kannst du den Gedanken der Entwicklungsfähigkeit des Sozialismus vertreten, da Stagnation, Unterdrückung, Inhumanität in seinem Namen stattfinden, was hast du zur Verteidigung deines sozialistischen Bildes anzuführen, da dessen Wächter sich mit ihrer ganzen Gewalt gegen dich stellen, dich unmündig erklären, dich aburteilen, dich verbannen."33

Weiss hat immer wieder den Dialog gesucht, vor allem mit der DDR. Ihm fehlten "die produktiven Beziehungen zur DDR" in seiner "Tätigkeit als Stückeschreiber". Die Verurteilungen im Osten hatten eine Einseitigkeit hergestellt, die schwer erträglich war und ihn "politisch in ein Vakuum führte".34 Deshalb setzte er gewisse Hoffnungen auf die Aussprache mit Kurt Hager und Alexander Abusch, die auf Vermittlung Konrad Wolfs, des Präsidenten der Akademie der Künste der DDR, - nach einer erneuten Zurückweisung an der Grenze -, Ende November 1971 stattfand. Doch von Seiten der beiden führenden Kulturpolitiker der DDR gab es "nicht das geringste Entgegenkommen", "keine Möglichkeit des Eindringens mit andern Argumenten".35

Weiss spürte Zorn darüber, "dass sich die Fragen, die dich beschäftigen, nicht dort austragen lassen, wo sie hingehören, in Ost-Berlin, in Moskau, und dass du gezwungen bist, den Disput einseitig zu führen. Schweigen aber kannst du nicht. Gerade das Stillschweigen, das Akzeptieren, der Verzicht auf das eigene Werturteil zugunsten der vorgehaltenen Richtschnur, die missverstandene Parteidisziplin hat den Sozialismus deformiert und untergraben." Er, der westliche Intellektuelle, der gerade einen Herzinfarkt erlitten hatte, begann auch Heiner Müller zu verstehen, der auf die viel kompliziertere, "schizophrene" Lage der östlichen Intellektuellen hingewiesen hatte. "Die Gebrochenheit des Charakters, die Ich-Auflösung, die Zerteilung der Persönlichkeit", schreibt er jetzt, "ist mir an Freunden in der DDR oder der Sowjetunion, immer wieder aufgefallen." Doch spricht er sie keineswegs frei von persönlicher Schuld. Sie sind nicht nur Opfer "des Systems", sie haben es vielmehr durch ihr Verhalten selber mitgeformt. Enttäuscht von der fehlenden Solidarität mit ihm, dem "in Ungnade gefallenen Freund", schreibt er: "Tiefstes Schweigen von Seiten meiner Kollegen an der Ostberliner Akademie umfing mich, da niemand wagte, meine Ernennung zum Klassenfeind zu überprüfen (...). Und so wie die Genossen ihren Freund verleugnen, so verleugnen sie sich selbst, sie werden zu Untertanen, zu Jasagern, und in ihrer einmütigen Menge verhindern sie - die für eine neue gerechte Gesellschaftsordnung eintreten sollten - jede Möglichkeit zur Herstellung einer sozialistischen Gemeinschaft."36

Nachdem er "in den Bannkreis jenes Zwangs geraten (war), den die Angeklagten in den Moskauer und Prager Prozessen kennen gelernt hatten"37, und nach dem Tag "als der Endpunkt überdeutlich vor mir stand", formuliert er für sich diese intellektuelle Maxime: "Das Wissen, dass jeder Tag der letzte sein kann, und dass der letzte Augenblick voller Versöhnung ist, begleitet mich seitdem, es entsteht daraus keine großartige Lebensphilosophie, es stellt sich dar als eine einfache, allgemeingültige Tatsache, es stärkt mich darin, dass der Lüge, dem Betrug, der Fälschung einer Sache, der Unterdrückung des eigenen Wahrheitsbedürfnisses nie nachgegeben werden darf, und dass es keine Instanz gibt, die mich dazu zwingen könnte. Der einzige Maßstab, der Gültigkeit hat vor diesem entscheidenden Augenblick, ist das eigene Urteil, kann ich eintreten für das, was ich erreicht habe, bin ich selbst ganz darin enthalten."38

Vielleicht, meint er resignativ, ist angesichts des der Führungsmächte in West und Ost, "für die Moral, Ethik, Ideologie nicht gilt", der "Kampf um die Wahrheitsfindung der einzige revolutionäre Kampf, den wir noch führen können".39

Wahrheit in der "Epoche der Ambivalenzen"
In seiner Vorlesung bei der Verleihung des Nobelpreises für Literatur "Kunst, Wahrheit & Politik" unterschied Harold Pinter zwischen zwei verschiedenen Verhaltensweisen gegenüber dem Wahrheitsbegriff. Für ihn als Autor, betonte er, gibt es bei der Erforschung der Wirklichkeit keine scharfen Grenzen zwischen wahr und unwahr: "Etwas ist nicht unbedingt entweder wahr oder unwahr; es kann beides sein, wahr und unwahr." Aber als Bürger, hielt er dagegen, muss man immer die Frage stellen und sie zu beantworten suchen: Was ist wahr? Was ist unwahr? 40 Für Peter Weiss war es weitaus schwieriger, künstlerische und politische Wahrheitsbegriffe zu unterscheiden und das Spannungsverhältnis zwischen ihnen auszuhalten.

In seiner Rede anlässlich der Entgegennahme des Lessing-Preises der Stadt Hamburg im April 1965 betonte Weiss, dass in seinem Schreiben, "jedes Wort, mit dem er eine Wahrheit gewinnt, aus Zweifeln und Widersprüchen hervorgegangen" ist.41 Seine schriftstellerische Methode der Annäherung an die Wahrheit kann als antithetisch oder diskursiv bezeichnet werden. Diese Methode gilt für ihn aber auch beim Kampf um die Wahrheit in der politischen Wirklichkeit. Künstlerische und wirkliche politische Wahrheiten bilden für ihn eine Einheit, ja, sie bilden in ihrer Einheit sein "schöpferisches Leben überhaupt".42 Doch sein Versuch, diese Einheit zu leben, scheiterte an der Wirklichkeit.

Beim Stückeschreiben erhalten seine Zweifel, sein hin und her Geworfensein "eine feste Ebene, auf der sich unterschiedliche Ansichten, Behauptungen und Lösungsvorschläge gegeneinander ausspielen lassen". Die Übertragung "dieser manchmal unerträglichen Zerreißprobe auf eine Vielzahl von Sprechern, die die für mich unlösbare Problematik in verteilten Rollen aufnehmen und prismatisch beleuchten, ist eine Therapie, mit der sich die Schwierigkeit, als Einzelner zu haltbaren Ergebnissen zu kommen, überwinden lässt". In politischen Zusammenhängen aber wird von ihm gefordert, "Eindeutiges und Konkretes auszusagen". Gewiss: er hält an seiner einmal getroffenen antikapitalistischen Grundentscheidung fest; er weiß, auf welcher Seite er steht. Auch ist das politische Ziel, eine sozialistische Gesellschaftsordnung, die seinen Grundwerten entspricht, bestimmt und von allen Zweifeln befreit, "doch die Bewegung auf dieses Ziel hin ist geprägt vom Dualismus".43

Dennoch tritt ständig an ihn, den Intellektuellen und Mitglied der Linkspartei der Kommunisten, der Zwang heran, "sich aus taktischen Gründen zu vereinfachen, sein Wahrheitsbedürfnis einzuschränken, sich mit halben Wahrheiten, mit Fälschungen zu begnügen, sich aus traditionellen Gründen Parteidirektiven anzupassen und seine eigene Meinung zu zensurieren".44 Er weist diese Forderungen zurück und fordert seinerseits von der Partei - angesichts der offensichtlichen Perspektivlosigkeit ihres bisherigen Wirkens - eine Umwertung des Disziplinbegriffs und eine erneuerte Auffassung von Wahrheit, denn allzu deutlich "zeichnen sich vor unserm kritischen Blick die Mängel des Parteiinstruments ab, als dass wir uns noch auf die Disziplin berufen könnten, die von uns die loyale Befolgung der ausgegebenen Richtlinien verlangt." Verbleiben wir dennoch in der Partei, fährt er fort, "weil wir in ihr die Grundlage zur notwendigen Massenorganisation sehn, so müssen wir damit eine Umwertung des Disziplinbegriffs verbinden, das heißt, wir haben die Forderung an die Partei zu stellen, dass sie einer erneuerten Auffassung von Wahrheit entspricht."45

Seine Erfahrungen in der "Epoche der Ambivalenz u(nd) der Kontroversen " lässt ihn zu dem Schluss kommen, dass es unmöglich ist, "eine absolut richtige, zutreffende Ansicht zu haben"; man kommt "der Wahrheit am nächsten, wenn man den bestehenden Zwiespalt in die Analyse des Sachverhalts (einbezieht)".46 Wie W. F. Haug betont, ist dieser Zwiespalt, sind diese Widersprüche, nicht nur "draußen", in der Gesellschaft. Sie müssen vielmehr als zerreißende Widersprüche linker Politik selbst verstanden werden.47 Weiss machte schon früh auf einen solchen zerreißenden Widerspruch aufmerksam, dessen Nichtbeachtung oder Nichtbewältigung seine Partei zu politischer Sterilität verurteilten sollte. Seit Beginn der 1970er Jahre wies er auf die akute Gefahr des Auseinanderdriftens der beiden Strömungen aufmerksam, die später als soziale und als kulturelle Linke bezeichnet wurden. Er beklagte das Unvermögen seiner Partei, unter Berücksichtigung der bestehenden widersprüchlichen Motive, Wertvorstellungen und Interessen, ihrer je spezifischen "Register" oder "Grammatiken"48, den beiden Bewegungen eine gemeinsame, einander befruchtende Richtung zu geben 49. Im Versagen vor dieser entscheidenden Aufgabe beweist sich laut Weiss der atavistische Charakter der Partei und ihrer monolithischen Grundhaltung.50

Starr vor Schrecken mussten wir unsre Wahl treffen
Während seiner Arbeit am schwierigen Abschluss der Ästhetik des Widerstands, als er die Hinrichtung der antifaschistischen Widerstandskämpfer beschreiben muss, wird er an seine Arbeit am Auschwitz- Stück Die Ermittlung erinnert. Doch jetzt ist alles noch schlimmer, "meine eigne Lebenssituation mit hineinreissend, mich selber wieder ganz entwurzelnd, unzugehörig machend. Manchmal scheint es unmöglich, weiter leben zu können".51

Damals, vor fünfzehn Jahren, hatte er noch eine realistische Alternative zum Kapitalismus gesehen, die seinen humanistischen Vorstellungen entsprechen könnte. Als er jetzt das Roman-Ich der Ästhetik 1945 in die geteilte Nachkriegswelt schauen ließ, stand vor diesem eine andere Wahl als die, die er selbst in den 10 Arbeitspunkten noch zu sehen glaubte: "Zwischen zwei Schrecklichkeiten", lässt er das Roman-Ich in seinen Notizbüchern sagen, "zogen wir die eine vor, die vielleicht noch einen Ausweg, eine Möglichkeit zur Verbesserung enthielt. Starr vor Schrecken mussten wir unsre Wahl treffen."52

Rückblickend gab Weiss kurz vor seinem Tod der schwachen Hoffnung Ausdruck, dass sich später einmal die wahre Vernunft zeigen werde, doch das nüchterne Resümee lautet anders: "Aus all den blutigen Erfahrungen der letzten Jahre hat nicht die Arbeit gelernt sondern das Kapital. Das Kapital hat einen neuen Höhepunkt seiner Macht erreicht und es auch, wie nie zuvor, verstanden, diese Position zu verschleiern."53 Die Zeit des Neoliberalismus war angebrochen.

Nach seinem Herzinfarkt im Juni 1970 begann er mit dem Stück Hölderlin. Anatoli Lunatscharski zitierend notierte er: "Hölderlins Krankheit ist eine soziale Erscheinung. Sein Organismus reagiert auf die Dissonanzen der Epoche."54 Mit Hölderlin schuf er eine Gestalt, die eine Problematik ausdrückt, die für ihn selbst aktuell war. Er wollte "etwas schildern von dem Konflikt, der in einem entsteht, der bis zum Wahnsinn an den Ungerechtigkeiten, den Erniedrigungen in seiner Umwelt leidet (...), und doch nicht die Praxis findet, mit der dem Elend abzuhelfen ist, der zerrieben wird zwischen seiner poetischen Vision und einer Wirklichkeit von Klassentrennung, Staatsmacht, Militärgewalt (...). Er geht nicht zugrunde, weil er sich in ein geschlossenes privates Reservat zurückziehn will, sondern weil er versucht, seinen Traum mit der äußeren Realität zu verbinden, er geht zugrunde, weil eine solche Einheit noch nicht möglich ist, jedenfalls nicht zu seinen Lebzeiten, und vielleicht zu meinen auch nicht." 55

Peter Weiss starb entkräftet am 10. Mai 1982 in Stockholm, ein halbes Jahr nach Erscheinen des dritten und letzten Bandes der Ästhetik des Widerstands.

Werner Schmidt - Jg. 1944; Dr. phil., Historiker, Dozent an Södertörns högskola, Stockholm. Publizierte zuletzt eine Biographie über den ehemaligen Vorsitzenden der schwedischen Linkspartei Kommunisten (VPK): "C-H Hermansson - en politisk biografi" (2005).

1 Vgl. Olof Lagercrantz, Anwalt gemordeter und versklavter Millionen, in: Gunilla Palmstierna-Weiss und Jürgen Schutte (Hrsg.): Peter Weiss. Leben und Werk, Frankfurt/Main 1991, S. 16 f.

2 Manfred Haiduk: Vom Turm zum Neuen Prozess, in: Peter Weiss. Leben und Werk, S. 180 ff.

3 Über Grass und einige andere Kollegen schreibt Weiss in seinen Notizbüchern: "weil sie meine politische Einstellung ablehnen, lehnen sie auch meine literarischen Arbeiten ab. Ihre spöttischen Bemerkungen zu meiner polit. Haltung betreffen ebenso meine Bücher. Politik u Schreiben ist für mich eins. Für sie auch, aber bei ihnen ist die Politik liberal, reformistisch. Immer wieder: eine uralte parteipol. Gegnerschaft, übertragen aufs Kulturelle". Peter Weiss, Notizbücher 1971-1980. Erster Band, Frankfurt am Main 1981, S. 56 f.

4 Vgl. Günter Giesenfeld: "Politisches Engagement ist altmodisch". Peter Weiss und die Dritte Welt, in: Peter Weiss. Leben und Werk, S. 205.

5 Pierre Bourdieu: Die Intellektuellen und die Macht, Hamburg 1991, S. 42.

6 Ebenda, S. 19 f.

7 Gramscis Konzeption geht von der Hegemonieproblematik aus und bezieht sich auf die organisierende gesellschaftliche Funktion der Intellektuellen (Siehe Alex Demirovic¡, Peter Jehle: Intellektuelle, in: Historischkritisches Wörterbuch des Marxismus, Bd. 6/II, Hamburg 2004, S. 1273 ff.).

8 Bourdieu 1991, S. 62 f.

9 Peter Weiss: Meine Ortschaft, in: Peter Weiss: In Gegensätzen denken. Ein Lesebuch, ausgewählt von Rainer Gerlach und Matthias Richter, Frankfurt am Main 1988, S. 199.

10 Ebenda, S. 208.

11 Peter Weiss: Rekonvaleszenz, Frankfurt am Main 1991, S. 106.

12 Peter Weiss: Brief an H. M. Enzensberger, August 1965, in: Ders.: Rapporte 2, Frankfurt am Main 1980, S. 37.

13 Wenn Weiss nach seinem Aufenthalt in Auschwitz schreibt, dass sich vor ihm, dem Besucher, verschlösse, was da geschah, und dass er dort, in Auschwitz, nichts mehr tun könne, dann bedeutet das nicht, dass es sich um Dinge handele, die wir nicht fassen könnten. "Und doch zeigt es sich", betont er in seiner Kontroverse mit H. M. Enzensberger, "dass auch das Schrecklichste immer noch menschliche Proportionen besitzt, und dass alles was von Menschen in die Wege geleitet worden ist, seinen Ursprung und seine Erklärung hat. Wir sind zufällig von der Macht, die jene Lager errichtete, verschont geblieben - doch haben wir deshalb das Recht, von uns als ›Verschonte‹ zu sprechen, im Gegensatz zu denen, die wir die ›Betroffenen‹ nennen können? Besteht ein kategorischer Unterschied zwischen den Verschonten und den Betroffenen? Wir leben immer noch in der gleichen Welt, in der jene lebten, die darin vernichtet wurden." Ebenda, S. 36 f.

14 Vgl. Alfons Söllner: Widerstand gegen die Verdrängung. Peter Weiss und die deutsche Zeitgeschichte, in: Peter Weiss. Leben und Werk, S. 286.

15 In einem Artikel in Dagens Nyheter (2. 8. 1966) schreibt Weiss: "Seit dem Kampf, der gegen Hitlers Faschismus und um die ökonomische Machtstellung in der Welt geführt wurde, sind jedes Jahr in Europa, Asien, Afrika und Lateinamerika unzählige Menschen, die sich dem System des ›Freien Unternehmertums‹ und der der kolonialistischen Ausbeutung widersetzen, von der Polizei und dem Militär der Machthabenden unschädlich gemacht worden. Die Besitztümer der reichen Nationen sind verpestet von Aasgeruch. (Â…) Amerika, dieses Land, das so viele wahre Demokraten beherbergt, steht heute vor den Völkern, die nach Freiheit und Unabhängigkeit streben, als Weiterführer der Tradition von Guernica, Lidice und Maidanek."

16 Notizbücher 1960-1971, a. a. O., S. 374.

17 Peter Weiss, 10 Arbeitspunkte eines Autors in der geteilten Welt, in: Ders., Rapporte 2, a. a. O., S. 14-23. Die 10 Arbeitspunkte erschienen auf Schwedisch und Deutsch in Dagens Nyheter (1. 9. 1965) und Neues Deutschland (2. 9. 1965).

18 Es ist dies die gleiche Grundhaltung, mit der später das Roman-Ich der Ästhetik des Widerstands sich der kommunistischen Partei anschließen wird: "Mitgliedschaft Prinziperklärung - ideologische Zugehörigkeit - Abwesenheit von Zwang u. Dogmatismus - Linie Luxemburg- Gramsci - Voraussetzung: Aufklärung der histori. Fehler - die lebendige kritische Wissenschaft, Ablehnung jeglicher Illusionsbildungen, Idealismen, Mystifikationen". Notizbücher 1971-1980. Zweiter Band, Frankfurt a. M. 1981, S. 608, Eintragung 1. 3. 1977.

19 Siehe Peter Weiss: Antwort auf einen Offenen Brief von Wilhelm Girnus an den Autor in der Zeitung "Neues Deutschland", in: Rapporte 2, S. 24-34. Zum 11. Plenum siehe z. B. Werner Mittenzwei: Die Intellektuellen. Literatur und Politik in Ostdeutschland von 1945 bis 2000, Leipzig 2001, S. 229 ff.

20 Er verdeutlicht: "Grass, aus seiner bürgerlich liberalen Sicht, verurteilte meinen sozialistischen Standpunkt, er, der Reformist, konnte mein Vorhaben nur verhöhnen als Hofnarrentum. Marcuse, seinerseits, seinen Rang als Oberpriester der Revolution schwindend sehend, beschimpfte mich von seiner Villa an der französischen Riviera aus, weil ich über Viet Nam schrieb, anstatt mit der Maschinenpistole in Indochina den Imperialismus zu bekämpfen." Rekonvaleszenz, S. 77.

21 Heiner Müller: Erinnerung an Peter Weiss, in: Peter Weiss. Leben und Werk, S. 21 f.

22 Siehe Peter Weiss: Brief an Enzensberger, in: Rapporte 2, S. 35.

23 Vgl. Klaus R. Scherpe: Die Ästhetik des Widerstands. Peter WeissÂ’ Traum von der Vernunft, in: Peter Weiss. Leben und Werk, S. 258.

24 10 Arbeitspunkte Â…, S. 23.

25 Scherpe 1991, S. 252.

26 Rekonvaleszenz, Frankfurt a. M. 1991, S. 24 f. (Eintrag 16. 8. 1970).

27 Ebenda, S. 18.

28 Ebenda, S. 18 und Peter Weiss: Offener Brief an Lew Ginsburg, in: Rapporte 2, S. 15 (der Brief erschien gekürzt in Süddeutsche Zeitung, 18. 4. 1970).

29 Rekonvaleszenz, S. 32.

30 Notizbücher 1971-1980, Zweiter Band, S. 691 f.

31 Der damalige Parteivorsitzende Hermansson, der mit Weiss befreundet war, verurteilte den Artikel scharf. Siehe Werner Schmidt: C-H Hermansson - en politisk biografi, Stockholm 2005, S. 486 f.

32 Rekonvaleszenz, S. 31.

33 Rekonvaleszenz, S. 140.

34 Notizbücher 1971-1980, S. 25 (Eintrag 23. 11. 1971).

35 Ebenda, S. 24 ff.

36 Rekonvaleszenz, S. 142.

37 Ebenda, S. 31.

38 Ebenda, S. 178 f.

39 Ebenda, S. 136.

40 http://nobelprize.org/literature/laureates/2005/pinter-lecture-s.html; deutsch: http://linkszeitung.de/content/view/5295/47/

41 Peter Weiss: Laokoon oder Über die Grenzen der Sprache, in: Peter Weiss: In Gegensätzen denken, S. 224.

42 Notizbücher 1971-1980, Erster Band, S. 185 (Eintrag 23. 12. 1972).

43 Rekonvaleszenz, S. 169 f. und 178 f.

44 Rekonvaleszenz, S. 82.

45 Ebenda.

46 Notizbücher 1971- 1980, Erster Band, S. 177 (Eintrag 28. 10. 1972).

47 Wolfgang Fritz Haug, Frigga Haug (Hrsg.): Unterhaltungen über den Sozialismus nach seinem Verschwinden, InkriT 2002, S. 29. Peter Weiss folgend hebt Haug für das Hier und Heute hervor: "Die Bearbeitung der Widersprüche linken Politik-Machens scheint mir geboten, weil so die sonst spontan sich einstellenden Spaltungslinien und Fraktionierung nicht ohne weiteres zum Zug kommen. Stattdessen wird ihr sachlicher Grund selber zum Thema. (...) Das Feld linken Politik-Machens abschreitend werden wir überall auf solche Konflikte in der Sache selbst stoßen, zu denen sich linke Politik verhalten muss, will sie nicht von ihnen zerrissen werden. " S. 29 f.

48 Siehe z. B. Bernd Hüttner: Soziale und kulturelle Linke, in: Z. Nr. 64, Dezember 2005; Luc Boltanski, Eve Chiapello: Der neue Geist des Kapitalismus, Konstanz 2003.

49 Allzu oft, beklagt er, ist "die neue linke Generation" von den alten Kommunisten "vor den Kopf gestoßen worden", habe "allzu viel sture Ablehnung" zu hören bekommen, Ausschlag "von kleinbürgerlicher Obstinatheit gegen neue Lebensformen, Gebräuche, Interessen". Es machte sich "ein Atavismus breit zwischen den Wortführern der praktischen Handlungen, und alles saß fest in uralten antiintellektuellen Vorurteilen" Rekonvaleszenz, S. 52 f./72.

50 In diesem Zusammenhang ringt er sich auch zur Einsicht durch, dass es "in unsern Ländern die bestimmte Klasse, die sich Proletariat nennen ließe, nicht mehr (gibt), hier bestehn nur die großen Blockbildungen von Menschen, die miteinander durch die gleichen Interessen, die gleichen Wünsche, den gleichen Überdruss verbunden sind (wie von Gramsci definiert)". Notizbücher 1971- 1980, Zweiter Band, S. 749 (Eintrag 14.-15. 10. 1978).

51 Notizbücher 1971- 1980, Zweiter Band, S. 876 (Eintrag 22. 2. 1980).

52 Ebenda, S. 723 (Eintrag 10. 7. 1978).

53 Unveröffentlichtes Notizbuch 48, 26. Juni 1981-Mai 1982, zit. in: Haiduk 1991, S. 191.

54 Notizbücher 1971- 1980, Zweiter Band, S. 861 (Eintrag 6. 11. 1979).

55 Rekonvaleszenz, S. 173 und 105.

in: UTOPIE kreativ, H. 193 (November 2006), S. 965-973


aus dem Inhalt:

VorSatz; Essay WERNER SCHMIDT: Peter Weiss - Intellektueller in der geteilten Welt; Partei ohne Bewegung ERHARD CROME: Nach der Wahl ist vor der Wahl; WOLFRAM ADOLPHI: Kaderpartei. Skizze für ein HKWM-Stichwort; JÖRN SCHÜTRUMPF: Rosa Luxemburg, die Bolschewiki und "gewisse Fragen"; Gesellschaft - Analysen & Alternativen CAREN LAY: Abschied vom "Ernährermodell". Zur Familien-, Sozial- und Arbeitspolitik der Neuen Linken; CARSTEN HERZBERG Der Bürgerhaushalt - ein Transformationsprojekt der Linken?; MARCUS HAWEL: Normalisierte Außenpolitik. Zum Verhältnis von Vergangenheitsbewältigung und der Restauration des ius ad bellum in Deutschland; Konferenzen & Veranstaltungen BRIGITTE HOLM: Gemeinsam sind wir Stadt; Festplatte WOLFGANG SABATH: Die Wochen im Rückstau; Bücher & Zeitschriften Hermann Weber, Ulrich Mählert, Bernhard H. Bayerlein, Horst Dähn, Bernd Faulenbach, Jan Foitzik, Ehrhart Neubert, Manfred Wilke (Hrsg.): Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung (REINER TOSSTORFF); Gunnar Heinsohn, Otto Steiger: Eigentumsökonomik (ULRICH BUSCH); Christoph Henning: Philosophie nach Marx. 100 Jahre Marxrezeption und die normative Sozialphilosophie der Gegenwart in der Kritik (INGO ELBE); Matthias Steinbach (Hrsg.): Universitätserfahrung Ost. DDR-Hochschullehrer im Gespräch (KAI AGTHE); Günther Glaser: "Â…auf die andere Seite übergehen". NVA-Angehörige in Krise und revolutionärem Umbruch der DDR. Studie mit Dokumenten (22. September - 17./18. November 1989) (PAUL HEIDER); Mike Davis: Die Geburt der Dritten Welt. Hungerkatastrophen und Massenvernichtung im imperialistischen Zeitalter (ULRICH VAN DER HEYDEN); Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut (Hrsg.): WSI Tarifhandbuch 2006 (MARCUS SCHWARZBACH); Bernd Hüttner, Gottfried Oy, Norbert Schepers (Hg.): Vorwärts und viel vergessen. Beiträge zur Geschichte und Geschichtsschreibung neuer sozialer Bewegungen (PETER BIRKE); Summaries