Es gibt nichts zu feiern. 50 Jahre EU

Die Europäische Union ist 50 Jahre nach ihrer Gründung eine Weltmacht. Für den Vordenker der rot-grünen Außenpolitik und Politikwissenschaftler Herfried Münkler ist sie sogar eine Macht, die sic

... endlich "gegenüber den USA als ein Subzentrum des imperialen Raumes" behaupten sollte. Hans-Martin Bury, in der Regierung Schröder-Fischer Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt, fordert, dass sich die EU endlich ihrer "globalen Verantwortung" stellt und zu einem "Global Player" wird. Für den deutschen Kommissar und Vizepräsidenten der Europäischen Kommission, Günter Verheugen (SPD), ist sie bereits eine "Weltmacht", und der "Hohe Vertreter für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik", Herr Javier Solana, fabuliert sogar von einem "liberalen Imperialismus". Ein Grund zu feiern? Wohl kaum.

Die Europäische Union nahm ihren Anfang mit dem Ende des Nationalsozialismus. Dabei überschnitten sich unterschiedliche Interessen: Europäische Staaten, vor allem Frankreich, wollten Deutschland durch die Einbindung in eine politische Union kontrollieren und für immer daran hindern, ein weiteres Mal als Großmacht die Welt mit Kriegen zu überziehen. Die USA hingegen verbanden mit Europa die Strategie, vor den Toren der Sowjetunion eine antikommunistische Gegenmacht hochzupäppeln.

Der realexistierende Sozialismus fand inzwischen sein Ende, und Deutschland führt keinen Krieg, sondern rettet - so zumindest die offizielle Sprachregelung - zusammen mit anderen EU-Staaten und der NATO Menschen durch humanitäre Interventionen. Auch die Europäische Union ist bisher zum Leidwesen der EU-BefürworterInnen noch immer keine schlagkräftige Militärmacht. Das war zuletzt während des Irakkriegs zu beobachten, als die subimperiale Macht eine tief gespaltene Einheit abgab. Ein Grund, warum die deutsche Regierung in ihrem Präsidentschaftsprogramm für sich die Aufgabe formuliert, eine "kohärente Außenpolitik" voranzutreiben.

Der deutsche Vorsitz "strebt ferner weitere Schritte der militärischen Zusammenarbeit in der langfristigen Perspektive einer gemeinsamen europäischen Verteidigung an", heißt es weiter im Strategiepapier für den Präsidentschaftsvorsitz. Für die deutsche Regierung ist es entscheidend, dass "Europas Wohlstand und politisches Gewicht in der Welt ... auf den Erfolgen europäischer Unternehmen auf den Weltmärkten" fußen. Ein Grund mehr, den Kapitalismus im neoliberalen Gewand nicht nur in allen europäischen Staaten durchzusetzen, sondern auch in die weite Welt zu tragen. Bei dem Versuch, die neoliberale Wirtschaftspolitik nun auch per EU-Verfassung in Form zu gießen, sind die politischen Eliten zwar bisher gescheitert. Die Strategie von Lissabon jedoch, die auf dem Treffen des Europäischen Rats 2000 beschlossen wurde und die darauf abzielt, dass die EU "der wettbewerbsfähigste und dynamischste wissensbasierte Wirtschaftsraum der Welt" wird, beherrscht nach wie vor den Geist der europäischen Integration. "Wachstum, Beschäftigung und der Lebensstandard in Europa hängen auch von der Fähigkeit der europäischen Unternehmen ab, auf den globalen Märkten zu bestehen. Der deutsche Vorsitz unterstützt die Initiativen zur Steigerung der externen Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft."

Was globale Wettbewerbsfähigkeit bedeutet, wird den Lohnabhängigen seit Jahren eingebläut: Lohnzurückhaltung, Arbeitsintensivierung und Sozialkürzungen. Die politische Perspektive ist klar: Am kapitalistischen Wesen soll die Welt genesen. Nicht nur innerhalb der Union bleiben dabei viele Menschen auf der Strecke, sondern auch an den wie ein Hochsicherheitstrakt gesicherten europäischen Außengrenzen. Laut der antirassistischen Menschenrechtsorganisation United aus Amsterdam, kommen über 2.000 Menschen pro Jahr bei dem Versuch ums Leben, die "Festung" Europa zu erreichen.

50 Jahre EU sind also wirklich kein Grund, die Sektkorken knallen zu lassen, sondern eher Stoff für einen Polit-Thriller - ohne Happy End. Zumindest wenn ihn Henning Mankell schreibt: "Die Hauptstadt von Europa ist Lampedusa, wo jeden Morgen tote afrikanische Flüchtlinge an Land treiben. Da zeigt sich das wahre, unmenschliche Gesicht dieses privilegierten Kontinents. Ich hasse dieses Europa!"

aus: ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis/Nr. 515/16.3.2007