Palästina - Koalition statt Bürgerkrieg

Mit Schüssen in die Luft feierten die Bewaffneten im Gazastreifen das Ende des Kleinkriegs zwischen Fatah und Hamas. Deren Rivalität hatte in den letzten Monaten fast hundert Tote und 500 Verletzte gefordert. Mit der Vereinbarung, die Macht zu teilen, haben der palästinensische Präsident Mahmud Abbas für die Fatah und der Vorsitzende des Politbüros Khalid Maschaal für die Hamas vorerst verhindert, dass die Schießereien zwi- schen den verfeindeten Milizen die palästinensischen Selbstverwaltungsgebiete in einen Bürgerkrieg stürzen. Nicht zum ersten Mal mussten die Palästinenser erleben, dass ihr Kampf um nationale Selbstbestimmung in einen „Bruderkrieg“ mündet. Im kollektiven Gedächtnis ist noch die Niederlage von 1939 lebendig, als die britische Mandatsmacht mit tatkräftiger Unterstützung des vorstaatlichen jüdischen Jischuv die dreijährige Arabische Revolte niedergeworfen hatte, unter den Besiegten das Wort vom „Verrat“ die Runde machte und die Geschlagenen ihre Waffen gegeneinander kehrten. Eine Wiederholung dieser Tragödie, von der sich die palästinensische Nationalbewegung noch nicht erholt hatte, als die Vereinten Nationen acht Jahre später die Teilung Palästinas beschlossen und die Juden daraufhin ihren Staat Israel proklamierten, scheint mit der Vereinbarung vom 8. Februar 2007 vorerst abgewendet.

Einigung in Mekka

Die Vereinbarung von Mekka sieht eine Regierung der nationalen Einheit vor. An die Hamas gehen das Amt des Ministerpräsidenten, das erneut mit Ismail Haniyeh besetzt werden soll, sowie weitere acht Ministerien. Die Fatah erhält das Amt des Stellvertretenden Ministerpräsidenten, für das Muhammad Dahlan aus der „jungen Garde“ der Fatah und deren starker Mann in Gaza, aussichtsreichster Kandidat ist, sowie fünf weitere Ressorts. Vier Posten gehen an kleinere Parteien, sechs an Unabhängige, darunter das Innenministerium. Die bisher allein regierende Hamas, die im Parlament mit 74 von 132 Sitzen eine absolute Mehrheit besitzt, wird im 25-köpfigen Kabinett also künftig nur noch mit neun Amtsinhabern vertreten sein. Die Regierungsmannschaft bedarf der Billigung durch den Präsidenten und der Bestätigung durch ein Vertrauensvotum des Parlaments. Ob die Einigung Bestand haben wird, ist keineswegs sicher. Denn die bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den beiden größten palästinensischen Befreiungsbewegungen waren Ausdruck einer Konkurrenz um den Zugang zu Ressourcen und die Fähigkeit zur Durchsetzung politischer Entscheidungen. Ob der Wille auf Seiten der Führungen allein genügt, um diesen Machtkampf in ausschließlich politische Austragungsformen zu lenken, ist zweifelhaft. Denn die in Mekka demonstrierte Kompromissfähigkeit muss sich nun im Gazastreifen und Westjordanland bewähren. Dort aber wird die Realität nicht allein von den Palästinensern bestimmt, sondern auch und in erster Linie von der israelischen Besatzung. Der Versuch, die Macht zu teilen und die Kräfte für den Kampf gegen die israelische Fremdherrschaft zu bündeln, hat darüber hinaus mit den Interventionen Washingtons und Brüssels zu kalkulieren, ohne deren Pressionen der innerpalästinensische Gewaltausbruch nicht erklärbar ist. Denn sie waren nicht bloße Zuschauer, sondern hatten in dem Ringen der Palästinenser um den erfolgversprechendsten Weg zu einem eigenen Staat Partei für Präsident Abbas ergriffen, den sie als „gemäßigt“ betrachteten, weil er als glaubhafter Verfechter eines reinen Verhandlungskurses ohne Rekurs auf Waffengewalt galt.

Besatzung, Herrschaft und Fraktionierung

Mit seiner Absage an den bewaffneten Befreiungskampf knüpfte Abbas an den Oslo-Prozess an, der 1993 das Ende der ersten Intifada eingeläutet, 1994 zur Etablierung einer Selbstverwaltung der Palästinenser im Westjordanland und Gazastreifen geführt und unter den Palästinensern die Erwartung baldiger Eigenstaatlichkeit im Rahmen einer Zweistaatenlösung geweckt hatte. Die Selbstverwaltungsbehörde war von Beginn an auf externe Zahlungen angewiesen, was die Herausbildung eines autoritären Herrschaftssystems neo-patrimonialen Charakters begünstigte. Ursächlich für diese Entwicklung war eine in Jahrzehnten israelischer Besatzung deformierte Wirtschaftsstruktur, die zu einer hohen Abhängigkeit der palästinensischen Wirtschaft von der Arbeitsmigration geführt hatte. Der Export von Arbeitskraft war die wesentliche Einnahmequelle zur Finanzierung des Warenimports, der im Wesentlichen aus Israel stammte. Infolgedessen verfügte die Selbstverwaltungsbehörde nur sehr begrenzt über Einnahmen, die sie selbst in den Autonomiegebieten erhob. Sie musste ihre Ausgaben größtenteils durch Transferzahlungen aus Israel und Unterstützungsleistungen der internationalen Gebergemeinschaft decken. Als sich die hochgespannten Erwartungen der Bevölkerung an den Friedensprozess nicht erfüllten, der Siedlungsbau in den besetzten Gebieten anhielt und sich die wirtschaftliche Lage infolge der israelischen Abriegelungspolitik verschlechterte, bröckelte die Akzeptanz der Selbstverwaltungsbehörde in der eigenen Bevölkerung. Sie kompensierte den Verlust an demokratischer Legitimation durch Patronage und Repression. Nutznießer der klientelistischen Strukturen war die Fatah-Bewegung, die 1969 unter dem Vorsitz Yassir Arafats zur stärksten Fraktion in der überwiegend säkular ausgerichteten Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) aufgestiegen war. In der palästinensischen Selbstverwaltung mutierte die Fatah zur Staatspartei. Sie stellte die Präsidenten, dominierte das Parlament und aus ihren Reihen stammte die Mehrzahl der Staatsangestellten. Zwar wuchs in den unteren Rängen der Fatah die Unzufriedenheit mit der 1994 aus dem Exil zurückgekehrten Führung, zwar kämpfen Bewaffnete der Fatah entgegen dem 1993 geleisteten Gewaltverzicht der PLO in der zweiten Intifada mit. Aber trotz aller Kritik an der alten Garde, die an ihren Führungspositionen festhielt, teilten die jungen Kämpfer deren in Jahrzehnten gewachsene Überzeugung, dass Fatah gewissermaßen auf den Besitz der Staatsgewalt abonniert sei. Hamas durchbrach dieses Monopol. Als Bewegung des politischen Islam ist Hamas einer Strömung in den muslimisch geprägten Staaten zuzurechnen, deren Programmatik als Versuch zu lesen ist, eine eigene Identität des islamischen Südens in politischer, ökonomischer und sozialer Hinsicht zu finden. In ihrer Charta bekennt sich die Bewegung zu den Zielen der Befreiung des ganzen historischen Palästina und der Errichtung eines islamischen Staates auf dem befreiten Territorium. Nach 1993 profilierte Hamas sich durch die Gegnerschaft zum Oslo-Prozess und trug durch Terrorattentate zu dessen Scheitern bei.Aufgrund ihres Netzes an sozialen Einrichtungen und ihrer ideologischen Basis in den Moscheen sowie in der Islamischen Universität von Gaza war Hamas in den Palästinensergebieten fest verankert. Die Bewegung partizipierte durch ihre Repräsentanten in den Gremien von Gewerk - schaften, Berufsverbänden und Universitäten stets auch an den politischen Strukturen der Autonomiegebiete. Mit der Teilnahme an den Kommunalwahlen begann an ihre Transformation zur politischen Partei. 2006 gewann sie die Parlamentswahlen und wurde am 28. März 2006 Regierungspartei.

Hamas: Von der Bewegung zur Regierung

Seither hatte die Selbstverwaltung eine Doppelspitze: einen Fatah-Präsidenten und eine Hamas-Regierung. Beide waren aus demokratischen Wahlen hervorgegangen. Aber während der Sieger der Präsidentschaftswahl des Jahres 2005 in Washington, Brüssel und Berlin Vorschusslorbeeren als palästinensischer Hoffnungsträger erhielt, sah sich die Siegerin der Parlamentswahl ein Jahr später einem von Israel, den USA und der EU orchestrierten Boykott ausgesetzt. Er sollte die Regierungspartei auf den Weg zwingen, den vor ihr die PLO gegangen war. Schneller als erwartet musste Hamas sich damit auseinandersetzen, dass sie als Regierungspartei nunmehr Verantwortung für das gesamte Gemeinwesen trug. Bei den Wahlen hatte ihre Liste „Wandel und Reform“ nicht mit der Zerstörung Israels geworben, sondern mit einem Programm verantwortlicher Regierungsführung. Der eingegangenen Verpflichtung konnte sie nicht gerecht werden, wenn sie ihr politisches Handeln ausschließlich an den Prinzipien ausrichtete, die sie als Befreiungsbewegung des politischen Islam in ihrer Charta von 1988 niedergelegt hatte. So versuchte Hamas den Spagat und bot funktionale Äquivalente an: Statt förmlicher Anerkennung Israels ein implizites Bekenntnis zur Zweistaatenlösung durch die territoriale Beschränkung des angestrebten Staates Palästina in den Waffenstillstandslinien von 1949, die bis zum 4. Juni 1967 faktisch Grenzen Israels waren; statt eines förmlichen Gewaltverzichts einen langjährigen Waffenstillstand; statt der förmlichen Verpflichtung auf die bisherigen Abkommen deren Einhaltung, sofern es die Interessen des palästinensischen Volkes erlaubten. Mit diesen Angeboten ging Hamas an die Grenze dessen, was die Organisation leisten konnte, ohne eine Spaltung zu riskieren. Den Weg der PLO bis zu Ende zu gehen, verbot sich ihr.Anstoß nahm Hamas vor allem an der Asymmetrie der Vereinbarungen, in denen die PLO wohl Israel anerkannte, Israel aber die PLO nur als Verhandlungspartnerin, nicht aber das Recht der Palästinenser auf einen eigenen Staat akzeptierte. Diese Asymmetrie spiegelte das ungleiche Kräfteverhältnis zwischen Besatzer und Besetzten wider, dem Hamas mit ihrer Unterschrift nicht auch noch Legitimität verleihen wollte. Da Israel sich weigerte, auf der Basis seiner faktischen Anerkennung in den Grenzen 1949/1967 über ein Ende der seit 40 Jahren andauernden Besatzung zu verhandeln, sahen sich auch die Pragmatiker in der Hamas-Führung außerstande, den nach islamischer Rechtsauffassung unzulässigen Verzicht auf „heiligen islamischen Boden“ zu leisten. Eine förmliche Revision ihrer Charta würde die Hamas zum jetzigen Zeitpunkt überfordern – die PLO hatte dafür 30 Jahre benötigt. Denn die Vision, das ganze heilige Palästina für den Islam zurückzugewinnen, hat für Hamas den Stellenwert eines Gründungsmythos.Wer ihn mit einem Federstrich tilgen wollte, würde den Zusammenhalt der Organisation aufs Spiel setzen. Die Weigerung von Hamas, Israel ohne die geforderten Gegenleistungen anzuerkennen und bedingungslos auf Waffengewalt gegen die Besatzung zu verzichten, hat also nicht nur ideologische Quellen, sondern entspricht auch einem organisatorischen Imperativ.

Der Boykott

Dass Israel keine Bereitschaft zeigte, die Angebote der Hamas im Sinne einer konstruktiven Ambiguität zu interpretieren, ist nicht weiter verwunderlich. Die rechtsnationale Regierung Ehud Olmerts hatte offenkundig kein Interesse daran, dass sich auf der anderen Seite ein verlässlicher Partner etabliert, der sich in den Augen der Bevölkerung an deren Interessen orientiert und darum in der Lage ist, für Ordnung und die Einhaltung von Verträgen zu sorgen. Ihre Annexionspläne konnte sie besser unilateral verfolgen. Dass die USA Israels Beharren auf den drei Forderungen bedingungslos unterstützten, ist nicht überraschend, hat sich die Administration doch bereits vor Jahren entschieden, den expansionistischen Zielen der „einzigen Demokratie im Nahen Osten“ nicht im Wege zu stehen. Dass die EU und hier insbesondere die deutsche Regierung den Schulterschluss mit dem Verbündeten übte, war auch zu erwarten, bot sich so doch die Möglichkeit, die über den US-Krieg gegen den Irak entstandenen transatlantischen Risse zu kitten. Mit vereinten Kräften suchten Israel, die USA und die EU die widerspenstige Regierung der Palästinenser in die Knie zu zwingen. Auf den ersten Blick ist ein geeigneterer Kandidat für den Einsatz von Geld als Waffe kaum vorstellbar: 90 Prozent des Jahresbudgets der Selbstverwaltung von 1,6 Mrd. Euro kamen aus dem Ausland. Davon trugen die EU einschließlich ihrer Mitgliedstaaten, die USA und Israel je ein Drittel – wobei Israel lediglich die von den palästinensischen Arbeitern in Israel einbehaltene Mehrwertsteuer und die Zollabgaben erstattete, die es als Kontrolleur der äußeren Grenzen stellvertretend für die Palästinenser erhebt. Israel behielt nunmehr die Steuern und Zölle ein, die USA und die EU setzten ihre Hilfszah- lungen aus, und aus Furcht vor US-Pressionen leiten die Banken Zahlungen aus der „arabischen Welt“ nicht an die palästinensische Regierung weiter. Nach wenigen Wochen konnte die Regierung die Gehälter der rund 160 000 Staatsangestellten nicht mehr bezahlen. Finanziell stranguliert gelang es der regierenden Hamas nicht, das für einen respektablen Quasi-Staat unerlässliche staatliche Gewaltmonopol durchzusetzen. Fatah reagierte zwiespältig auf den Boykott der gewählten palästinensischen Regierung. Auf der einen Seite konnte sie ihn nicht gutheißen, weil die Zahlungsunfähigkeit der Regierung die ohnehin notleidende Bevölkerung noch tiefer ins Elend stürzte. Auf der anderen Seite ließ sich die Aussicht auf ein Scheitern der Regierung auch als Chance begreifen, die verloren gegangene Macht zurückzuerobern.

Wer kontrolliert den Sicherheitsapparat?

Dass Fatah handfeste Gründe hatte, an diese Chance zu glauben, lässt sich am Streit um die Kontrolle des Sicherheitsapparats demonstrieren, in dem zwischen 55 000 und 73 000 der Staatsangestellten beschäftigt sind. Bei 3,8 Millionen Einwohnern weisen die palästinensischen Selbstverwaltungsgebiete die höchste Polizeidichte der Welt auf – wobei die meisten „Polizisten“ auch militärisch ausgebildet sind. Die palästinensische Verfassung ist in der Kompetenzfrage nicht eindeutig formuliert. Während in Artikel 39 der Präsident als „Oberster Befehlshaber der palästinensischen Truppen“ bezeichnet wird, liegt laut Artikel 70 (7) die Aufrechterhaltung für die öffentliche Ordnung und innere Sicherheit im Verantwortungsbereich der Regierung. Der Präsident stützt sich im Wesentlichen auf die Präsidentengarde, den Präventiven Sicherheitsdienst und die Nationalen Sicherheitskräfte. Die Präsidentengarde ist die am besten ausgebildete Truppe des Sicherheitsapparates, während der als geheime Staatspolizei fungierende Präventive Sicherheitsdienst als besonders schlagkräftig gilt. Die Nationalen Sicherheitskräfte, die von allen palästinensischen Einheiten am ehesten einer Armee ähneln, sind die größte dem Präsidenten unterstellte Truppe – die Zahlenangaben schwanken zwischen 20 000 und 40 000 Mann; sie gilt allerdings als schlecht ausgebildet. Die Zivile Polizei ist formell der Regierung bzw. dem Innenminister unterstellt. Ihre Kommandeure sind indes mehrheitlich mit der Fatah liiert, so dass ihre Loyalität zur Hamas-Regierung in Frage stand. In dieser Situation schuf sich die Hamas-Regierung eine eigene Truppe, deren Operationsraum allerdings weitgehend auf den Gazastreifen beschränkt war. Diese so genannten Vollzugskräfte sind nicht Teil des offiziellen Sicherheitsapparats. Während in den arabischen Staaten die Warnungen vor einem Bürgerkrieg immer lauter wurden, wobei die iranischen Finanzhilfen für die Hamas-Regierung vor allem Saudi-Arabien ein Dorn im Auge waren, griffen die USA in die Auseinandersetzungen ein, indem sie ein 76 Mio. Dollar schweres Programm zur Stärkung der Truppen des Präsidenten auflegten. Sie stellten sogenannte nicht-tödliche Ausrüstung und Trainingseinheiten zur Verfügung, während Jordanien und Ägypten Waffen und Munition lieferten.

Offene Fragen

Ist nach der Eingung von Mekka die Gefahr eines Bürgerkrieges gebannt? Das Kabinett, auf das man sich geeinigt hat, wird aus einer Koalition aller relevanten politischen Kräfte bestehen. Die drei strategischen Ressorts Finanzen, Auswärtiges und Inneres gehen weder an Fatah noch an Hamas. Hamas hat sich verpflichtet, die Abkommen der PLO mit Israel zu respektieren und ließ ihren früheren Vorbehalt – sofern es die Interessen des palästinensischen Volkes erlaubten – fallen. Da sie außerdem den saudischen Friedensplan von März 2002 akzeptiert hat, hat sie sich – zumindest im Prinzip – eine Zwei-Staaten-Lösung zu eigen gemacht. Fatah und Hamas werden auch weiterhin um den richtigen Weg im Befreiungskampf streiten. Wenn dieser Streit künftig unter Ausschluss von Waffengewalt ausgetragen werden soll, ist eine Reform des Sicherheitsapparats dringend geboten. Er darf weder, wie unter Arafat, als Instrument der Patronage und Repression dienen, noch darf er den Parteien gehören. Ein unparteiischer Sicherheitsapparat wird außerdem gebraucht, um der Banden in Gaza Herr zu werden, die weder zu Fatah noch zu Hamas gehören und sich auf dem Schwarzmarkt mit Waffen eindecken, um ihren kriminellen Geschäften nachzugehen. Wenn diese Aufgabe gelöst wird, bleibt noch genug Zündstoff. Die Teilung der Macht beschränkt sich ja nicht auf die Verteilung der Ministerien. Es wird ebenfalls darum gehen, wichtige Posten im diplomatischen Corps und in der Administration zu verteilen, die gegenwärtig noch durch Kader der Fatah besetzt sind. Diese Personalpolitik hatte den Palästinensern einst die inkompetente und korrupte Verwaltung beschert, die sie mit dem Votum für Hamas loszuwerden gehofft hatten. Es wäre allerdings ein Novum, nicht nur in den Palästinensergebieten, wenn solche Posten nach Eignung und nicht nach Parteizugehörigkeit besetzt würden. Damit ist nicht zu rechnen, wünschenswert wäre aber als geringeres Übel eine ausgewogene Besetzung der Ämter. Werden Israel, die USA und die EU der Regierung den Raum geben, sich diesen Aufgaben zu stellen und damit die Energien wieder auf eine Beendigung der Besatzung richten zu können? Wird sich die Entscheidung einer Befreiungsbewegung für Verhandlungen anstelle des bewaffneten Kampfes am Ende doch als zielführend erweisen? Wird die Zivilisierung einer Bewegung des bewaffneten Befreiungskampfes durch die Übernahme von Regierungsverantwortung gelingen? Wird schließlich die Demokratisierung eines Landes durch eine Organisation des politischen Islam glücken? Keine dieser Fragen wird sich allein mit Blick auf den Palästina-Konflikt beantworten lassen. Viel mehr steht inzwischen auf dem Spiel. In den Sommerkriegen des vergangenen Jahres 2006 machte das Wort von den Stellvertreterkriegen die Runde: USA gegen Iran.Wenn die Region im Chaos versinkt, weil die USA die iranischen Nukleareinrichtungen bombardieren, wird der Traum der Palästinenser von einem demokratischen Palästina ausgeträumt sein.

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