Emanzipation im Eigenbau

"Wir machen es uns selbst": Frauenprojekte, Musik, Mode, Medien, Ladyfeste, comic-, art- und grrl-zines, Radio, Fernsehen, Filme … Die IG Kultur stellt es aus.

Das Do-it-yourself-Prinzip ist in Zeiten neoliberalen Selbstmanagements zur Maxime schlechthin geworden. Von der selbstorganisierten Kinderbetreuung bis zur individuell zusammengeschusterten Altersversorgung: Die Möglichkeiten, das eigene Leben selbst in die Hand zu nehmen, sind heute nahezu unbegrenzt. Mit Kinderladen und alternativer Alterswohngemeinschaft hatte es begonnen. Selbstorganisiert heißt selbstbestimmt, unabhängig bedeutet unkorrumpierbar - so wurde ab den frühen 1970ern die Not fehlender Strukturen und finanzieller Mittel euphorisch zur Tugend gemacht. Insbesondere Frauen begannen für sich selbst zu sorgen und mit Feuereifer am neuen Leben zu basteln. Neben Wohnprojekten entstanden auf allen kulturellen Ebenen schnell neue Formen der Selbstvertretung. Frauen entwickelten mit Zeitschriften und Radiosendungen eigene, feministische Medien, veranstalteten Ausstellungen und Musikfestivals und schufen damit überhaupt erst Orte, an denen sie und ihre Arbeit sichtbar werden konnten.

Mit "DIY- Wir machen es uns selbst! Feministische Strategien in der kulturellen Selbstorganisation" wollen Sonja Eismann und Christiane Erharter diese Tradition sowohl ausstellen als auch fortsetzen.
In Wien hatte VALIE EXPORT 1975 die Ausstellung "MAGNA. Feminismus: Kunst und Kreativität" und 1985 "Kunst mit Eigen-Sinn. Aktuelle Kunst von Frauen" organisiert. Ende 2003 war im MUMOK "Mothers of Invention - where is performance coming from" von Carola Dertnig und Stefanie Seibold zu sehen.
Mittlerweile ist es an der Zeit, wieder einmal eine Bestandsaufnahme weiblicher Kulturproduktion zu machen, so Erharter, bei der jedoch nicht allein Kunst von Frauen, sondern feministische Kulturarbeit im weitesten Sinne präsentiert werden soll. Die Kuratorinnen, die gemeinsam bereits das Projekt "Re-Punk Electronic Music!" für die 3. berlin biennale für zeitgenössische kunst 2004 realisiert haben, dokumentieren dafür Fanzines, Artzines, Comiczines und die Aktivitäten feministischer Organisationen ebenso wie neue Spielarten traditionell weiblichen "Kunsthandwerks" (die gestickte Patriarchatskritik des "Radikalen Nähkränzchens" beispielsweise). Frauenprojekte wie die Frauenhetz AEP - Arbeitskreis Emanzipation und Partnerschaft, Stichwort - Archiv der Frauen- & Lesbenbewegung, maiz, das Autonome Integrationszentrum von und für Migrantinnen mit seinem neuen Onlinemagazin
"MigraZine" und die Schwarze Frauen Community haben Gelegenheit, ihre Arbeit vom 10. Mai bis zum 8. Juni in der IG Bildende Kunst vorzustellen. Ausgestellt werden außerdem jede Menge feministischer Medien: die Zeitschriften AUF, an.schläge, Fiber, sic! u. a., aber auch Radiosendungen der FrauenLesben-Schiene von Orange 94.0 und das Fernsehmagazin an.schläge tv.

Dass damit nicht nur konzentrierte Kreativität, sondern auch haufenweise unbezahlte Arbeit an der Wand hängt, soll neben der Würdigung dieser Leistungen jedoch durchaus ebenfalls Thema der Ausstellung sein. Denn "das Ethos des ‚Wir machenÂ’s uns selbst‘ ist zum Fetisch und Lifestyle-Accessoire geworden, der gerade in amerikanischen popfeministischen Magazinen oft in ein neokonservatives Betonen authentischer Handarbeit kippt und prekäre Lebenssituationen nicht mehr mit der nötigen Vehemenz kritisiert", wie Sonja Eismann betont. Ein zentraler Bestandteil des Konzepts ist deshalb die Vermittlung der Ambivalenz von unverzichtbarem Engagement und ganz und gar unemanzipatorischer Selbstausbeutung, die feministische Projekte in den allermeisten Fällen nach wie vor kennzeichnet.
Dabei setzen Erhart und Eismann vor allem auf das Reflexionsvermögen des Gezeigten selbst: des Wiener grrrl-zine Cuntstunt zum Beispiel oder der Arbeit "Ich schau dir in die Augen Â… prekäres, atypisches Leben!", einer "Militanten (Selbst-)Untersuchung" zu Arbeits- und Lebensbedingungen.
Der Informationsdichte soll auch die Ausstellungsarchitektur Rechnung tragen. Stefanie Seibold sorgt für einen Schauraum, in dem gesessen, gelesen und in aller Ruhe geschaut werden kann. Und in dem auch Workshops stattfinden können. Denn ein wichtiger Bereich der Dokumentation ist dem Ladyfest gewidmet, das vom 16. bis 20. Mai heuer bereits zum dritten Mal in Wien stattfindet. Die Geschichte des Ladyfestes, das zum ersten Mal 2000 in Olympia organisiert wurde, sich seither explosionsartig verbreiten konnte und mittlerweile weltweit gefeiert wird, ist Teil der Ausstellung, die Ausstellung gleichzeitig aber auch Programmpunkt des Wiener Ladyfestes. So wird Audrey Samson vom Technikerinnenkollektiv Genderchangers aus Amsterdam ihre Installation ascii threads/, ein interaktives Archiv von Frauengeschichten, nur während des Ladyfestes in der Ausstellung zeigen und daneben DIY-Technikworkshops veranstalten.

Diese vielfältigen Dokumente der Selbstermächtigung legen aber nicht allein Zeugnis von der unglaublichen und unermüdlichen Produktivität von Frauen ab. Sichtbar werden soll dabei auch, wie einflussreich und impulsgebend diese Arbeiten sehr oft für künstlerische, aber auch kulturelle und gesellschaftliche Entwicklungen waren. Ein Umstand, der nicht nur von männlicher Kunst-, Kultur- und Bewegungsgeschichte gerne geleugnet wird. Auch den Protagonistinnen selbst schadet es nicht, hin und wieder daran erinnert zu werden, dass sich das Ergebnis ihrer Anstrengungen zum Glück beileibe nicht im kollektiven Burn-Out oder der Vereinnahmung durch neoliberale Existenzweisen erschöpft.

Dieser Artikel erschien in: an.schläge, das feministische Magazin,
www.anschlaege.at