Weiter so, Europa?

Agenda Merkel und der Verfassungsprozess.

in (20.05.2007)

Agenda Merkel und der Verfassungsprozess.

Angela Merkel stellte ihre Antrittsrede für die deutsche Ratspräsidentschaft der EU vor dem EU-Parlament unter die Überschrift "Europas Seele ist die Toleranz". Daneben fiel ihr noch ein, dass Europa sich auch durch Talente und Technik auszeichne. Alliterationen gegen die Krise der Europäischen Union?

Weiter so?
In diesen langweiligen Begriffen zeigt sich schon auf der ideologischen Ebene, dass trotz dem Scheitern der Volksabstimmungen über den Verfassungsvertrag in Frankreich und den Niederlanden von der deutschen Präsidentschaft nichts zu erwarten ist. Schon gar keine Antwort auf die Krise der Europäischen Union. Stattdessen gilt die Devise "Weiter so!" Erklärtes Ziel der Ratspräsidentschaft ist es, den Verfassungsvertrag doch noch irgendwie durchzupeitschen.

Dabei käme es jetzt darauf an, nicht die Verfassungsleiche wiederzubeleben, sondern einen wirklich neuen Prozess zu beginnen, der demokratisch legitimiert ist und inhaltlich in eine neue Richtung weist. Am liebsten wäre es der deutschen Regierung wohl, die gescheiterte Verfassung einfach als Vertrag umzuetikettieren und dann (zumindest in Frankreich) ohne lästige Volksabstimmungen durchzubringen. Als Joker hat man sich überlegt, noch eine unverbindliche Erklärung zur Sozialpolitik abzugeben. Wie ernst diese zu nehmen wäre, sieht man daran, dass die Politik von Regierungen und EU-Kommission sich weiter an Deregulierung und freiem Wettbewerb orientiert. Um noch einen draufzusetzen, spricht sich Angela Merkel als Ratsvorsitzende auch für eine eigene EU-Armee aus.

"Non! Und was nun?"
Statt den Weg fortzusetzen, der zum Non und Nee in Frankreich und den Niederlanden geführt hat, käme es jetzt darauf an, einen neuen Verfassungsprozess zu initiieren, in dem die europäische Idee mit der Perspektive sozialer, friedlicher und demokratischer Politik inhaltlich gefüllt wird. Weil das aber im Gegensatz zur derzeitigen EU-Politik steht, kommt es auf den Druck von links an. Glücklicherweise zeichnet sich ab, dass die Linke in Europa langsam zu einer pro-europäischen Europakritik findet. Die Erkenntnis, dass die europäische Ebene ebenso wenig wie die nationalstaatliche den Neoliberalen überlassen werden darf, setzt sich allmählich durch. Ein neuer Verfassungsprozess könnte für die Linke eine Chance sein, mit dem Druck der gescheiterten Volksabstimmungen und der Krise der EU im Rücken zu versuchen, fortschrittliche Inhalte durchzusetzen.

Die Rechte wird unterdessen immer mehr zum Bremser für die europäische Idee. Nach Merkels Ansicht solle die EU kein Bundesstaat werden, stattdessen sollten die Nationalstaaten weiter ihre entscheidende Rolle behalten. Hier könnte die Linke ansetzen. Denn gerade für sie sollte doch die Aussicht auf die Überwindung der Nationalstaaten den europäischen Gedanken attraktiv machen.