Gv-Mais auf den Feldern

GID, 183 - August 2007, S. 5 - 6 Der Anbau von gentechnisch verändertem Mais in Deutschland hat in diesem Jahr erneut zugenommen. Über die Gründe lässt sich trefflich spekulieren. Die Rahmenbedingungen haben sich gegenüber den Vorjahren hier und da geändert. Eine Gesamtfläche von 2.700 Hektar wurde, wenn man den Daten des öffentlichen Standortregisters Glauben schenken darf, in diesem Jahr mit gentechnisch verändertem (gv) Mais bepflanzt.1 Da es jedoch Aussagen der Saatgutunternehmen gibt, dass sie nur für etwa 2.000 Hektar Saatgut verkauft haben, wird die tatsächliche Gesamtfläche vermutlich zwischen diesen beiden Werten liegen. Das heißt die Anbaufläche ist im Vergleich zu den beiden Vorjahren (2005: 341 und 2006: 946 Hektar) noch einmal kräftig gestiegen. Allerdings macht sie bei einer gesamten Maisanbaufläche in Deutschland von etwa 1,3 Millionen Hektar auch weiterhin nur einen verschwindend geringen Anteil aus. Zudem wird deutlich, dass die Industrie ihr im Herbst des vergangenen Jahres formuliertes Ziel von 10.000 Hektar klar verpasst hat. Bt-Mais auf der Basis des Genkonstruktes MON810 (dieser Mais produziert ein Insektengift) bleibt nach wie vor die einzige in Deutschland kommerziell angebaute gentechnisch veränderte Pflanze. Ein Blick in die Liste der Anbaustandorte verrät das aus den vergangenen Jahren bekannte Bild: Brandenburg liegt mit 1.346 Hektar an der Spitze vor Mecklenburg-Vorpommern (638 Hektar), Sachsen (556 Hektar) und Sachsen-Anhalt (112 Hektar). Die Länder der alten Bundesrepublik liegen mit 17 (Niedersachsen), sieben (Baden-Württemberg) und fünf Hektar (Bayern) deutlich abgeschlagen auf den Plätzen ...

Warum Bt-Mais?

Es stellt sich zwangsläufig die Frage, was eine Entscheidung für den Anbau bestimmt. Dabei muss in Betracht gezogen werden, dass die Bt-Maissorten nur in den Regionen von Nutzen sind, in denen der Maiszünsler, als wichtigster Schädling beim Anbau von Mais und alleiniger Zielorganismus der in den Mais eingebrachten gentechnischen Veränderung, überhaupt von Bedeutung ist. In groben Zügen beschrieben, treibt der kleine Schmetterling im Osten und im Süden der Republik sein Unwesen: Sind im Osten insbesondere die Gebiete in der Nähe der deutsch-polnischen Grenze vom Maiszünsler-Befall betroffen, liegen die Befallsgebiete im Süden in Bayern und Baden-Württemberg, mit besonderem Schwerpunkt im oberen Rheintal. Der Vergleich der Maiszünsler-Befallsgebiete mit den Anbauregionen des transgenen Mais macht es offenbar: Das Vorkommen des Schädlings ist nicht der alleinige oder entscheidende Grund für den Anbau. Bekannt ist, dass es konventionelle Maßnahmen gibt, den Schädling in Schach zu halten. Dies sind insbesondere das Einhalten einer Fruchtfolge (der Schädling überwintert auf den Feldern und benötigt im Folgejahr die gleiche Frucht - wieder Mais), das Häckseln und das (möglichst tiefe) Unterpflügen der auf dem Acker verbleibenden Reste einer Maisernte (der Schädling überwintert in den so genannten Stubben des Mais). Interessant ist, dass die chemische Bekämpfung des Maiszünslers eine sehr untergeordnete Rolle spielt: Nur auf etwa drei bis fünf Prozent der Anbaufläche von Mais in Deutschland werden Insektizide ausgebracht.

Nawaro mit Bt-Mais

Neu - und im Moment schwer abzuschätzen - ist der Einfluss der nachwachsenden Rohstoffe (Nawaro) auf den Einsatz transgener Pflanzen. Für die unter anderem in Penkun und Güstrow (beides Mecklenburg-Vorpommern) aktive Nawaro BioEnergie AG ist der Einsatz von gentechnisch verändertem Mais durchaus eine Option für die Zukunft.2 Ähnliches ist auch von einzelnen Landwirten zu vernehmen. Die Erträge des gv-Maisanbaus werden in der hofeigenen Biogasanlage genutzt. So lässt sich die Diskussion um den Einsatz der Gentechnik in der Lebensmittelproduktion vermeintlich geschickt umschiffen. Vermeintlich, denn bekanntermaßen sind die Probleme beim Anbau zentraler Teil der Auseinandersetzung, geht doch von den gv-Maissorten nicht unerhebliche Gefahr auch für die Umwelt aus.3 In Hessen haben sich dagegen unlängst die Kasseler Stadtwerke als Betreiber einer Biogasanlagen gegen den Einsatz der GVO bei der Herstellung der benötigten Biomasse ausgesprochen. Dem taz-Blog der Initiative Save our Seeds zufolge schreibt das Aktionsbündnis "Keine Gentechnik auf Hessens Feldern und in Hessens Lebensmitteln", auch Eon-Mitte, der regionale Gasnetzbetreiber, denke über entsprechende Auflagen nach. Auch die Verbio AG, der größte Agrar-Ethanol-Hersteller in Deutschland, nimmt für sich in Anspruch, auf gentechnisch veränderte Maissorten zu verzichten (siehe das Interview mit Alexandra Mühr auf Seite 11 in diesem Heft). Die Firma setzt insgesamt eher auf andere Getreidesorten wie Roggen, Weizen und Triticale. Bei den Getreiden rät die Verbio den Landwirten, wegen des besseren Verhältnisses von Stärke zu Protein, zu älteren Sorten. In Anbetracht dieser aktuellen Firmenpolitiken stellt sich die Frage nach deren Zuverlässigkeit. Im Moment sind diese Bekenntnisse leicht abgegeben. Die gentechnischen Pflanzen bieten nicht wirklich interessantes für die Landwirte, insbesondere außerhalb der Befallsgebiete des Maiszünslers.

Raiffeisen statt Märka

Ebenfalls unklar ist die Rolle des Landhandels. Die Märkische Kraftfutter (Märka) ist nach der Übernahme durch die Sauter Verpachtungsgesellschaft nicht mehr als Kooperationspartner für Monsanto im Spiel. Hatte sie in den Jahren 2005 und 2006 doch noch die Ernten von den Nachbarn der GVO-Landwirte ungetestet aufgekauft, und so die Auskreuzungsproblematik ökonomisch abgefedert. In diesem Frühjahr hat sich die Raiffeisen Gesellschaft angeboten, entsprechend tätig zu werden. Ob sie auch, wie dies die Märka getan hatte, aktiv Werbung für die gentechnischen Sorten macht, wird vermutlich erst der Winter zeigen. Es lässt sich trefflich spekulieren, was den Ausschlag bei der Entscheidung gibt, ob die gentechnisch veränderten Sorten zum Einsatz kommen. Genannt werden - unter anderem und mit besonderer Hervorhebung mal des einen, mal des anderen Argumentes: 1. Die Betriebe in den östlichen Bundesländern verfügen über einen insgesamt höheren Industrialisierungsgrad. Es werden größere Flächen bewirtschaftet, der Technisierungsstand ist höher. Die Betriebe bewirtschaften deutlich größere Gesamtflächen, nicht selten über 1.000 Hektar. Die einzelnen Schläge sind größer, was den Umgang mit der Auskreuzungsproblematik erleichtert. 2. Die großen Betriebe in den östlichen Bundesländern werden häufig nicht von im Ort ansässigen Landwirten besessen oder von Betriebsleitern geführt. Der Grad der Nutzung des eigenen Bodens ist verhältnismäßig gering. 3. Bereits in den Jahren vor dem kommerziellen Anbau seit 2005 gab es bei Sorten- und Freisetzungsversuchen der Saatgutindustrie in den östlichen Bundesländern Kooperationen. 4. Der Bt-Mais funktioniert technisch bei der Kontrolle des Maiszünslers und erhöht den wirtschaftlichen Ertrag der Flächen. 5. Das Haftungsrisiko, das sich aus möglichen Auskreuzungen und den damit verbundenen Schäden an den Ernten der Nachbarn ergibt, ist den Landwirten zu groß. Der Deutsche Bauernverband, die mitgliederstärkste Vertretung der Landwirte, hebt diesen Punkt hervor und rät ihren Mitgliedern vom GVO-Anbau ab. 6. Der soziale Druck durch den Widerstand gegen die Agro-Gentechnik allgemein und gegen den Anbau ganz konkret ist den Landwirten zu groß. 7. Landwirte fürchten wegen der Patente auf die Sorten die zu groß werdende Konzernmacht der Saatgutindustrie.

Blick über die Grenzen

Auch in anderen Ländern der Europäischen Union hatte mit der neuen Gesetzgebung auf der europäischen Ebene seit 2005 der kommerzielle Anbau von gentechnisch veränderten Maissorten begonnen. So zum Beispiel in Frankreich, wo nach der Freischaltung des neu eingerichteten Standortregisters in der laufenden Anbausaison knapp 19.000 Hektar Bt-Mais gepflanzt wurden, nach etwa 6.000 Hektar im vergangenen Jahr. Weitere Länder der EU, in denen ein kommerzieller Anbau auf bisher sehr niedrigem Niveau (unter 1.000 Hektar in 2006) stattfand, sind Portugal, die Tschechische Republik und die Slowakei. Wie die Situation in Spanien aussieht, ist im Moment nicht klar. Hier wird Bt-Mais bereits seit 1998 angebaut. Gerechnet werden muss für dieses Jahr mit einer Anbaufläche des Bt-Mais in der Größenordnung des Jahres 2006, das heißt mit etwa 60.000 Hektar.

Alle raten ab

Alle Verbände, die in Deutschland Landwirte vertreten, raten vom GVO-Anbau ab4 und in verschiedenen Gerichtsverfahren wird die rechtliche Situation des Bt-Maisanbaus überprüft.5 Außerdem zeigt sich die Bewegung der gentechnikfreien Regionen lebhaft wie nie: Insgesamt wurden jetzt mehr als 950.000 Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche von mehr als 27.000 Landwirten als gentechnikfrei deklariert. Unter diesen Rahmenbedingungen bestehen gute Chancen, dass der Anbau der transgenen Sorten auch in den nächsten Jahren eher eine Ausnahmeerscheinung bleiben wird. Fußnoten: 1. Das Standortregister im Internet unter: bvl.bund.de. Dort können alle Felder, die in Deutschland mit GVO bestellt wurden, eingesehen werden. Das Register deckt die Zeit seit 2005 ab und gibt die exakten Flurstück-Koordinaten ab, die allerdings etwas kompliziert mit Karten in Deckung zu bringen sind. Auch versuchsweiser Anbau, die so genannten Freisetzungen, sind dort zu finden. 2. In Penkun und in Güstrow wird je eine 20 Megawatt-Anlage gebaut, bei denen jeweils 40 standardisierte 500 Kilowatt-Einzelanlagen, wie sie auch als Hofanlage verwendet werden, zusammen betrieben. Wird sie zum Beispiel ausschließlich mit Mais betrieben, verbraucht eine 500 Kilowatt-Einheit im Jahr den Ertrag von zirka 250 Hektar. 3. Siehe zum Beispiel den Artikel von Martha Mertens "Bt-Mais wirkt auch am Ziel vorbei", GID 177, August/September 2006, im Netz unter: www.gen-ethisches-netzwerk.de. 4. Siehe dazu auch den Artikel "Gentechnikgesetz-Novelle" von Christof Potthof in diesem Heft. 5. Siehe dazu die Meldung unter "Landwirtschaft und Lebensmittel - kurz notiert" in diesem Heft. Christof Potthof ist Biologe, Mitarbeiter des Gen-ethischen Netzwerkes und Redakteur beim Gen-ethischen Informationsdienst (GID).