Eine sozialistische Partei wird gebraucht

Die LINKE soll zu einem Instrument gemacht werden, das angesichts der zunehmenden Desillusionierung über die SPD einen bewussten Kampf für sozialistische Perspektiven unterdrückt . . .

Um es marktwirtschaftlich zu formulieren: Die Nachfrage der gesellschaftlichen Praxis nach einer sozialistischen Partei mit stabilem marxistischen Fundament ist umfangreich, umfassend und vielfältig. Im Interesse ihrer gedeihlichen, ihrer friedlichen Entwicklung benötigt die Gesellschaft gesichertes Wissen und die erforderliche politische Kraft, die das Verstehen und das Verändern aller materiellen, politischen, ideologischen Prozesse der Gegenwart ermöglichen. Dies besagen sowohl die historischen Erfahrungen als auch die aktuellen Anforderungen der Entwicklung der menschlichen Gesellschaft. Diese wird heute von grundlegenden, sich beschleunigenden, objektiv Entwicklung ermöglichenden aber auch Widersprüche produzierenden und vertiefenden Prozessen charakterisiert. Das bezieht sich sowohl auf das Tempo und die Tiefe des wissenschaftlich-technischen Fortschritts, der Entwicklung der Produktivkräfte, als auch auf die Dimensionen und Tiefe der sozialen Wandlungen. Es bezieht sich auf die Umgestaltung des Systems der internationalen Beziehungen, auf die Veränderung der internationalen Kräfteverhältnisse, auf die Zunahme imperialistischer Expansion, Aggression und Krieg und auf das Anwachsen der sich vor der Menschheit auftürmenden Probleme bei der Erhaltung der Lebensumwelt. Es bezieht sich aber auch auf eine erschrekkend schnelle und breite Zunahme der reaktionären Entwicklungen und auf den Abbau der Demokratie, der bürgerlichen Rechte und Freiheiten in der kapitalistischen Gesellschaft. Tiefgreifende Veränderungen vollziehen sich aber nicht nur in den objektiven Daseinsbedingungen der Menschen, sondern auch in der Geisteswelt des Menschen, in den Motiven seiner Handlungen, in seinem Verhältnis zur Umwelt und gegenüber sich selbst. Zugleich leben wir auch in einer Welt, deren Funktionieren sehr stark vom Antikommunismus (und damit vom Antimarxismus) geprägt ist, der, vom Kapital finanziert und vom Staat praktiziert, den Menschen zum Träger von Menschenhass und zum antihumanistischen Werkzeug des Kapitalismus machen will.Man sollte aus der Geschichte auch gelernt haben, dass die Diskreditierung des progressiven Zieles Sozialismus im Bewusstsein der Menschen immer zur Folge hat, dass sein Platz von einer reaktionären Utopie eingenommen wird! In dieser Situation ist es notwendiger als je zuvor, die linke Bewegung aus der Bernsteinschen Falle zu befreien, damit sie ihre historische Aufgabe erfüllen kann. Man kann nicht die Gesellschaft umgestalten wollen, ohne zu wissen, wohin die Reise geht. Das Ziel, die Gesellschaft des Kapitals „transformieren“ zu wollen, führt nur zur Beibehaltung des Kapitalismus und nährt den Wunsch seiner „Verbesserung“. Das 20. Jahrhundert hat zahlreiche Beispiele geliefert, die die Standpunkte des Marxismus bestätigen, wonach der Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit nicht der einzige Widerspruch ist, dass er aber der Grundwiderspruch ist, und ohne seine Lösung die anderen Widersprüche nicht gelöst werden können. Ohne Verinnerlichung und Verwirklichung dieser Grundwahrheiten und ohne genaue Vorstellungen über das Ziel zu haben, ist es unmöglich, eine nachhaltig wirksame Strategie und Taktik zu erarbeiten. Solange der Kampf gegen die aktuellen Missstände des Kapitalismus nicht gleichzeitig ein Kampf für eine neue Gesellschaft ist, wird er zur Niederlage verurteilt bleiben. Nicht subjektive oder subjektiv motivierte Einstellungen und Erwartungen gegenüber Personen und Sachverhalten oder konjunkturell-politische Motive können Maßstab für die Bewertung der Fusion und ihres Ergebnisses sein, sondern die objektiv gegebene Realität. Diese sollte eigentlich auch der Maßstab sein, der der Bewertung der Prozesse zu Grunde liegt, die seit 1989/1990 stattgefunden haben und schließlich – als vorläufiger Höhepunkt – zur Fusion von PDS und WASG geführt haben.

Über den Weg der PDS

Natürlich ist der Weg der PDS nur als Bestandteil der Gesamtentwicklung zu verstehen, die in Zusammenhang mit den Ereignissen in der Sowjetunion und den sozialistischen Staaten Europas und mit den internationalen Auseinandersetzungen zwischen Kapitalismus und Sozialismus stattgefunden hat. In einer Situation der ökonomischen, politischen und ideologischen Krise und des verschärften international koordinierten Kampfes gegen den Sozialismus musste 1989 eine Lösung gefunden werden, die nicht nur kurzfristig die Situation beruhigt, sondern eine stabile Perspektive der sozialistischen Gesellschaft eröffnet In dieser Situation hat der Beschluss des außerordentlichen Parteitages zur Erarbeitung eines Statuts der Partei am 17.12.1989 u. a. festgelegt: „Die Partei ist eine marxistische sozialistische Partei. Sie strebt die politische Vertretung der Interessen aller Werktätigen an.… Theoretische Grundlage der Partei ist der Marxismus.“ (Außerordentlicher Parteitag der SED/PDS, Berlin, Dezember 1989, S. 139) Aber schon auf dem Parteitag selbst wurden gravierende Differenzen über den weiteren Weg und über den Charakter der Partei deutlich. Angesichts der existenziellen Probleme war man aber offensichtlich geneigt, diese Differenzen zu tolerieren, in der Hoffnung, dass sich im Verlauf der weiteren Entwicklung die Positionen wieder annähern würden. Man betrachtete, wie so oft in der nachfolgenden Periode, solche Gegensätze als vorübergehend, weil man nicht wahrhaben wollte, dass es sich um unterschiedliche, sich zum großen Teil ausschließende Konzepte handelte. Man hat die Situation unterschätzt, weil man nicht wahrhaben wollte, dass es sich um Klassenkampf handelte. Gregor Gysi, der damalige Vorsitzende der Partei, und seine Anhänger weigerten sich von Anfang an, von einer marxistischen Partei zu sprechen. Er erklärte in seinem Referat an den Parteitag: „Diese moderne sozialistische Partei bildet praktische Strategien auf der Grundlage theoretischer Konzeptionen, aber sie verzichtet auf jegliche Beschränkung theoretischer Quellen auf bestimmte Richtungen …“ (ebenda, S. 17). Es ist also nicht zufällig und auch nicht nur nebenbei erfolgt, dass auf die Charakterisierung als „marxistisch“ verzichtet und diese durch „modern“ ersetzt wurde. Damit wurde einerseits allen Richtungen Tür und Tor geöffnet und der Marxismus konnte, ganz nebenbei, als „nichtmodern“, also als „veraltet“ eingeordnet werden. Es wurde in einer Kernfrage der internationalen Auseinandersetzung zwischen Kapitalismus und Sozialismus bzw. internationaler kommunistischer und Arbeiterbewegung – der Frage der Partei und der marxistischen Grundlegung ihrer Tätigkeit – dem Druck der dem Sozialismus feindlichen Kräfte nachgegeben. Die Partei wurde in der Folgezeit ideologisch und theoretisch entwaffnet und in ihren Organisationsprinzipien erschüttert. Man hat sich den Zwängen der äußeren und inneren antikommunistischen Atmosphäre angepasst. Es zeigte sich auch in dieser Situation deutlich, dass in einer Periode des Abflauens und der Niederlage der sozialistischen Entwicklung sich die vorherigen Mitläufer nicht selten auf die Seite der Reaktion schlagen. In der Folgezeit wurde die PDS bewusst und schrittweise „sturmreif“ für neue Projekte gemacht. Das geschah von Parteitag zu Parteitag und von Parteiprogramm zu Parteiprogramm. Es war kein zufälliger oder spontaner Schritt, sondern wurde sorgfältig entsprechend vorgegebenem Ziel und eindeutigem Konzept abgearbeitet. Das Ziel bestand darin, die PDS zu einer Partei zu formen, die zwar nicht den Kapitalismus dafür aber den Marxismus und die sozialistische Idee überwindet. Die Voraussetzungen hat die Führung der PDS/Linkspartei geschaffen, indem sie ihre Mitglieder ursprünglich mit einem „dritten Weg“, dann mit „demokratischem Sozialismus“ getäuscht hat, um schließlich „gar keinen Sozialismus“ anzustreben. Zu ihrer ideologisch-theoretischen Positionierung und zur Ausrichtung der Parteiprogrammatik äußerten sich dabei die oft zitierten „Vordenker“ Andre Brie, Dieter Klein und Michael Brie wie folgt: „Wir gehören nicht zu den orthodoxen Marxisten der II. und anderer Internationalen, die Enteignung und Sozialisierung als Heilsweg zu Freiheit und Gleichheit ansahen.“ Offensichtlich fühlten sie das Bedürfnis, dieses Geständnis bzw. diesen Schwur im Zentralorgan des deutschen Kapitals, in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, abzulegen.Als Autoren des damaligen Programmentwurfs der PDS konnten sie berichten, dass dieser „ganz im Sinne der Philosophie einer offenen Gesellschaft, wie sie von Karl Popper formuliert wurde“ erarbeitet wurde. (FAZ, 28.08.2001) Die Berufung auf Karl Popper und die Verinnerlichung seiner „offenen Gesellschaft“ einerseits und marxistische Begründung bzw. sozialistischer Charakter eines Parteiprogramms andererseits vertragen sich miteinander, wie Feuer und Wasser. Das Problem besteht darin, dass sie dies nicht als Privatpersonen, sondern als Mitglied der Programmkommission der PDS erklärt und mit Unterstützung der führenden Köpfe der PDS und unter Duldung der in der Zwischenzeit ideologisch präparierten Mehrheit der Mitglieder der Partei verwirklicht haben. Sie haben damit einen wichtigen Beitrag für das Wandern der PDS nach rechts, auf den Spuren der SPD, geleistet und die praktizierte Politik gerechtfertigt. Laut Popper, Begründer des „kritischen Rationalismus“ und ein Ideengeber des „Programms 2000“ der SPD, waren Platon, Hegel und Marx die „Philosophen der Horde“. Schon 1965 hat er behauptet, „dass die Lehre von der geschichtlichen Notwendigkeit der reinste Aberglaube ist und bleibt, wie sehr sie sich auch als ‚wissenschaftlich’ gebärden mag, und dass man den Lauf der Geschichte nicht rational voraussagen kann“. (K. R. Popper, Das Elend des Historismus, 1965, S. VII) Im „Spiegel“ vom 23.03.1992 erklärte er dann: „… der kommunistische Wahnsinn besteht im wesentlichen darin, und das findet sich schon in Marx, dass die so genannte kapitalistische Welt als teuflisch angesehen wird. Das, was Marx Kapitalismus genannt hat, hat es nie auf der Welt gegeben, auch nicht etwas Ähnliches“. Es fällt schwer, eine solche Position sachlich zu kommentieren. Sie ist aber exemplarisch für das Weltbild und den geistigen Standort auch von maßgeblichen Politikern der PDS bei ihren Anstrengungen zur programmatischen Festlegung und politischen Ausrichtung der Partei. Ihre Methoden reichen von der Entstellung der Wahrheit über den Kapitalismus über seine Verharmlosung bis zur Verhöhnung von Marx und seinen Erkenntnissen. Ein Hauptziel ist die Verklärung und Umdeutung der Vorstellungen über den Kapitalismus Bei der Vorstellung des Programmentwurfs im Februar 2003 sagte A. Brie, dass die Autoren sich mit der Frage beschäftigt hätten, „…warum der moderne Kapitalismus ganz im Gegensatz zum Realsozialismus so entwicklungsund durchsetzungsfähig war und ist.… Der Kapitalismus mit dem wir es heute zu tun haben, hat sich nicht nur in seinen Erscheinungsformen radikal, eben revolutionär verändert.“ (Pressedienst der PDS, Nr. 11/ 2003) Die tatsächliche Entwicklung des Kapitalismus in den letzten Jahren widerlegt eigentlich diese Phantasien.Die ohne Zweifel beeindrukkenden Fortschritte im Bereich der Wissenschaft und Technik brachten weder die versprochenen „blühenden Landschaften“ noch die „Wirtschaft des freien Schöpfertums“, sondern Hartz IV und die „Wirtschaft der billigen Arbeitskraft“. Die Ausbeutung wurde verschärft und dazu die Abhängigkeit der Werktätigen nicht nur vom Kapital, sondern auch von den staatlichen Institutionen erhöht. Das kapitalistische Privateigentum setzte sein heiliges Prinzip immer offener durch. Der Profit wird erhöht, die Demokratie wird abund die Expansion des Kapitals wird ausgebaut. Es bleibt nur eine Schlussfolgerung: die Gesellschaft, die der Marxismus von Anfang an analysierte, kritisierte und die er zu verändern trachtet, existiert weiter. Und damit das so bleibt, soll wenigstens der Marxismus „transformiert“ werden, weil es mit dem Kapitalismus nicht klappt.Das ist die Funktion der reformistischen Politik und Politiker in der Gegenwart. Es soll verhindert werden, dass sich die Menschen ihrer Lage bewusst werden und organisiert gegen den Kapitalismus vorgehen. Dabei schreckt man auch vor dümmsten Simplifizierungen nicht zurück. Dieter Klein, ein anderer maßgeblicher Autor der Parteiprogramme der PDS auf ihrem Weg zu einer reformistischen Partei, formulierte Vorstellungen über das Verschwinden des Kapitalismus wie folgt: „Es ist wie beim rieselnden Sand, der einen Kegel bildet.Während sich scheinbar nichts verändert, wachsen zwischen den Körnchen die Spannungen. Irgendwann rutschen dann die Planken weg, und der Kegel ist kein Kegel mehr.Das ist der gute Umschlag in eine neue Qualität.“ (Sächsische Zeitung vom 25./26.11. 2000) Der „Leichtigkeit“ in der Argumentation Kleins folgend, muss man schlussfolgern: Nur schade, dass der Kapitalismus kein Sand und die kapitalistische Gesellschaft kein Sandkegel ist. Wesentlich für solche „Vordenker“ war und ist, dass die Mitglieder der Partei zur Schlussfolgerung veranlasst werden sollen: Wenn der Kapitalismus sowieso zusammenbricht, braucht man keinen Antikapitalismus, braucht man keine antikapitalistische Ausrichtung von Programm, Politik und Aktion der Partei, keinen Klassenkampf! Unverbindliche Kapitalismus-„Kritik“, ausgerichtet auf die Wählergewinnung zur Sicherung parlamentarischer Plätze und „Transformation“ des Kapitalismus tun es auch! Mit dem Bezug auf Popper macht man nicht mehr und nicht weniger als die Existenz und das Wirken gesellschaftlicher Gesetze zu leugnen. Man möchte „beweisen“, dass historische Voraussagen (Beseitigung des Kapitalismus) und gesamtgesellschaftliche Voraussicht (Errichtung des Sozialismus) auf wissenschaftlicher Grundlage unmöglich sind. Damit schafft man sich Bewegungsfreiheit, um reformistische Politik und Regierungsbeteiligungen der PDS durch pseudowissenschaftliche Standpunkte zu rechtfertigen. Die Führung der PDS und in ihrem Gefolge ein großer Teil der Mitgliedschaft der Partei hat mit der Aneignung solcher Grundpositionen und mit der damit verbundenen Diskreditierung von Grundkategorien des Marxschen Gedankengebäudes ihre historische Verbundenheit mit dem Marxismus endgültig gekappt. Statt die Arbeiterklasse und alle vom Kapital Abhängigen aus der ideologischen Gefolgschaft der herrschenden Klasse herauszulösen, ihr klar zu machen, wie ihr Klasseninteresse dem des Kapitalisten entgegensteht, betreibt sie eine „Entideologisierung“, eine ideologische Entwaffnung der Arbeiterbewegung. Damit wird der Raum für ein weiteres Eindringen der bürgerlichen Ideologie und für ein breites Spektrum der Akzeptanz der reformistisch begründeten Politik frei gemacht. Auf dem so gepflügten Acker entwickelt die PDS eine Politik, die sich darauf beschränkt, für Änderungen zu agitieren, die nicht die Beseitigung der Grundlagen der herrschenden kapitalistischen Klasse erfordern, sondern für Änderungen, die mit der Erhaltung dieser Grundlagen vereinbar sind.

Sie strebten nach einer anderen Partei

Parallel dazu wurden auch konzeptionelle Überlegungen zur Schaffung eines neuen politischen Instruments zur Durchsetzung der auf dieser Grundlage erarbeiteten Politik angestellt. Die reformistischen Kräfte nutzten die krisenhafte Entwicklung in der Partei, die um den Geraer Parteitag herum entstanden war. Sie kritisierten, dass bis Ende 2001 die „Strategiediskussionen und die notwendige innere Modernisierung der Partei nicht auf den Weg gebracht wurden“ (M. Chrapa, Beitrag auf Workshop der RLS am 7.01.2003) Auf dieser Grundlage legten sie Vorstellungen für eine „moderne Partei“ vor. Für diese Partei dürfe nicht „das Führen von Abwehrkämpfen und die scharfe Kritik an den kapitalistischen Zuständen“ charakteristisch sein. Sie dürfe sich nicht „vor allem als ‚systemkritische Kampfpartei’ darstellen“ und müsste sich dementsprechend vor allem als „regierungsorientierte Reformpartei“ definieren. Eine ergänzende Variante orientierte auf die PDS als „gestaltende Oppositionskraft“, was nur bedeuten könne, „radikaldemokratische Positionen in allen Bereichen der Gesellschaft zur Geltung zu bringen“ (Chrapa). Das schließt Regierungsbeteiligung nicht aus, „ordnet sie aber der Opposition gegenüber dem Neoliberalismus in seinen verschiedenen Spielarten unter“. Es ging also nicht mehr um Antikapitalismus, um Opposition gegen den Kapitalismus und seine Politik, sondern man beschränkte sich freiwillig auf die Gegnerschaft zum Neoliberalismus! Die Frage einer Alternative zum Gesellschaftssystem des Kapitalismus wurde „erfolgreich“ verdrängt. In diesem Zusammenhang verstärkten sich auch die Anstrengungen, jeden Hinweis auf das Wort „sozialistisch“ zu vermeiden, ganz gleich, ob es um die Charakterisierung der Partei oder um ihr Programm bzw.Ziel ging. „Die Rolle der PDS könnte bei einem solchen Herangehen als ‚Partei der politischen Gesellschaft’ charakterisiert werden“. So wurde die Neubestimmung des Profils der PDS als demokratische „Oppositionsund Reformkraft“ gesehen. Wurde vorher noch allgemein davon gesprochen, dass die PDS ein „linkssozialistisches“ bzw. ein „sozialistisches“ Projekt sei, war jetzt die „weiterentwickelte“ Marschrichtung gegeben: Es ging in der Folgezeit darum, die Aufgaben und Probleme der PDS bei der Ausprägung ihres Profils als „linksdemokratische Partei“ zu begreifen. Damit folgte man sowohl in der programmatischen Ausrichtung als auch in der Politik dem Beispiel Italien, obwohl man die Ergebnisse dieser Politik in Italien und die Folgen schon kannte.

Kompatibilität wird hergestellt

Neben vielen anderen Aspekten, die in diesem Zusammenhang berücksichtigt werden müssten, sei die Tatsache hervorgehoben, dass das Vorherrschen solcher Standpunkte in Programm und Politik der PDS die ideologische bzw. ideologisch-theoretische Grundlage bildet, die das Anbahnen der späteren Kontakte und die folgende Entwicklung der Zusammenarbeit zwischen Linkspartei und WASG bildete. Sie ist die Plattform, die die Einbeziehung des ehemaligen Vorsitzenden der SPD, Oskar Lafontaine, in diesen Prozess, der dann zur Parteienfusion führte, ermöglicht hat. Inhaltlich hat dies zur Neutralisierung und zur Eliminierung der Standpunkte geführt, die Anfang der 90er Jahre in Bezug auf den Marxismus, den Sozialismus und den Antikapitalismus noch vorhanden waren. Von der Führung der PDS bzw. der Linkspartei wurde der Anti-Neoliberalismus zum Identität stiftenden Grundkonsens erhoben, der nicht nur die ideologisch-theoretische und programmatische Grundlage der PDS revidierte, sondern auch die Politik der Regierungsteilnahme auf dieser Basis ermöglichte (siehe Berlin,Mecklenburg-Vorpommern). Der Anti-Neoliberalismus wurde auch zur Verständigungsgrundlage zwischen den am Fusionsprozess beteiligten Seiten.Die Identität der neuen Partei speist sich weitgehend aus ihm. Diese „Plattform“ dient als geeignete Grundlage für die Erarbeitung eines Parteiprogramms, das die politischen Absichten der interessierten Seiten, vor allem der reformistischen Kräfte der Linkspartei.PDS und der Führungskreise der WASG, in Übereinstimmung bringen kann. Ein solches „Programm“ kann der neuen Partei ein neues Selbstverständnis vermitteln. Es wird aber die historische Verbindung der neuen Partei zur Geschichte und Tradition der revolutionären deutschen Arbeiterbewegung kappen. Weil es nicht auf den Grund der Probleme gehen kann, die die Entwicklung der kapitalistischen Gesellschaft in der Gegenwart aufwirft, wird es auch keine nachhaltigen Lösungen für die Widersprüche der kapitalistischen Gesellschaft anbieten können. Die LINKE soll zu einem Instrument gemacht werden, das angesichts der zunehmenden Desillusionierung über die SPD einen bewussten Kampf für sozialistische Perspektiven unterdrückt und eine Radikalisierung des Kampfes der Werktätigen verhindert. Dafür sollen die sozialreformistischen Illusionen in Zusammenhang mit einem Programm aufrechterhalten werden.

Neue Sichten – für wessen Zukunft?

Die Einschränkung auf den Anti-Neoliberalismus ermöglicht es den „Erbauern“ der neuen Partei, die theoretische Grundlage der neuen Programmatik zu „erweitern“, indem man auf „neue Namen“ zurückgreift und deren Theorien den Umständen und politischen Absichten anpasst. Marx, Engels, Lenin, die Lehren aus der Geschichte der Arbeiterbewegung hat man unterwegs zur neuen Partei verloren gehen lassen. Dafür nimmt man mit Erstaunen den Satz von Oskar Lafontaine zur Kenntnis: „… ich kann heute sagen, die katholische Soziallehre könnte eine Grundlage unseres Programms sein. Es ist doch verblüffend, dass einer der radikalsten Kritiker des Kapitalismus Johannes Paul II. war“ (Berliner Zeitung vom 29.05.2007). Wollen wir uns die Aussage eines der „radikalsten Kritiker des Kapitalismus“ ansehen. In seiner dritten Sozialenzyklika von 1991 antwortete Johannes Paul II. auf die Frage, ob der Kapitalismus Ziel der Anstrengungen der Länder ist, die „ihre Wirtschaft und ihre Gesellschaft neu aufzubauen versuchen“: „Wird mit ‚Kapitalismus’ ein Wirtschaftssystem bezeichnet, das die grundlegende und positive Rolle des Unternehmens, des Marktes, des Privateigentums und der daraus folgenden Verantwortung für die Produktionsmittel, …anerkennt, ist die Antwort sicher positiv. … Wird aber unter ‚Kapitalismus’ ein System verstanden, in dem die wirtschaftliche Freiheit nicht in eine feste Rechtsordnung eingebunden ist, die sie in den Dienst der vollen menschlichen Freiheit stellt und sie als eine besondere Dimension dieser Freiheit mit ihrem ethischen und religiösen Mittelpunkt ansieht, dann ist die Antwort ebenso entschieden negativ.“ (zitiert nach Anton Rauscher – Johannes Paul II. und die weltweite soziale Frage) Es gehört schon allerhand dazu, solche Aussagen als radikale Kritik am Kapitalismus zu charakterisieren. Sowohl im ersten als auch im zweiten Teil der Aussage wird der Kapitalismus vom Papst als Alternative zum Sozialismus empfohlen.Auch im zweiten Teil stellt Johannes Paul II. nicht den Kapitalismus in Frage, sondern stellt die Bedingung, dass die „wirtschaftliche Freiheit … in eine feste Rechtsordnung eingebunden ist“. Das ist aber keine Lösung der gesellschaftlichen Widersprüche des Kapitalismus. Werden die ökonomischen Verhältnisse durch Rechtsordnungen geregelt, oder entspringen nicht umgekehrt die Rechtsverhältnisse aus den ökonomischen? Offensichtlich lautet die Antwort von Lafontaine auf diese Frage ähnlich der Position des Papstes. Es geht ihm also nicht um die Ablösung der kapitalistischen Gesellschaft, sondern um die Reparatur ihrer Gebrechen. Der „Reparaturbetrieb“ kann nach seinen Vorstellungen der kapitalistische Staat sein. „Erst ein starker Staat, der die Schutzrechte der Schwachen sichert, ermöglicht eine freie Gesellschaft.“(faz.net) Lafontaine glaubt offensichtlich in einem „starken Staat“ einen Verbündeten im Kampf gegen das Kapital zu finden.Wo gibt es aber einen solchen neutralen Staat, der unabhängig von der an der Macht befindlichen Klasse ist? Ein solches Konzept kann man nur vertreten, wenn der Marxismus vorher entsorgt wurde, wenn jegliche wissenschaftliche und klassenmäßige Grundlage für die Beurteilung des Staates im Kapitalismus auf der Strecke geblieben ist. Die Quellen derartiger programmatischer Ansichten liegen bei F. Lassalle, Kautsky, Renner u.a., die das Klassenwesen des kapitalistischen Staates als politisches Instrument der Herrschaft des Kapitals negierten und die Marxschen Auffassungen zu Staat und Recht zu revidieren versuchten. Bewahrheitet hat sich aber bisher in der Geschichte der Arbeiterbewegung immer die Erkenntnis von Marx, „dass Revolutionen nicht durch Gesetze gemacht werden.“ (MEW, Bd. 23, S.778) Auch die Erfahrungen des Kampfes der deutschen Arbeiterbewegung (das Scheitern der Novemberrevolution 1918 in Deutschland) zeigen sehr deutlich, wie verhängnisvoll das von Bernstein, Kautsky u. a. verfolgte Konzept der „Sozialisierung“ im Rahmen bürgerlicher Rechtsverhältnisse war. Es trug wesentlich dazu bei, dass die Chance der Errichtung der neuen Macht historisch verspielt wurde. Was von den Revisionisten als „rechtsstaatlicher Sozialismus“ dargestellt wurde, war in Wirklichkeit der Verrat der Revolution und spielte von vornherein den gegenrevolutionären Kräften in die Hände. In seinem in der FAZ veröffentlichten Artikel über „Freiheit durch Sozialismus“ fordert Lafontaine „um das Übel bei der Wurzel zu packen, Schlüsselbereiche der Wirtschaft einer demokratischen Kontrolle zu unterwerfen“. Dazu zählt er die Waffenindustrie, die Energiewirtschaft. Bereiche wie Bahn, StromGasund Wasserversorgung sowie Telekommunikation müssen in gesellschaftlicher Verantwortung bleiben. Es besteht kein Zweifel, dass diese Forderungen als Bestandteil des antikapitalistischen Kampfes von großer Bedeutung für die Herstellung demokratischer Verhältnisse sind. Auch über die Notwendigkeit des Kampfes für ihre Realisierung besteht wohl kein Missverständnis. Es stellt sich die Frage, wie? Wird es vielleicht möglich sein, dies auf der Grundlage eines breiten gesellschaftlichen Konsensus zu erreichen? Oder stellt sich – wenn die Frage mit der notwendigen Konsequenz gelöst werden soll – das Erfordernis, entgegengesetzte Klasseninteressen mit adäquaten Mitteln zu lösen, um sie dauerhaft zu gestalten? Lafontaine fordert gleichzeitig mit den genannten Maßnahmen, „die alten Begriffe der Verstaatlichung und Vergesellschaftung mit neuem Inhalt“ zu füllen. Es ist aber nicht zu erkennen, dass er damit eine Annäherung an marxistische Standpunkte anstreben will. Seine Überlegungen werden u.a. durch Auffassungen des Ökonomen Walter Eucken beeinflusst, der schon lange vor der Erfindung des „demokratischen Sozialismus“ die Theorie von der „sozialen Marktwirtschaft“ verfaßt hat. Lafontaine sieht zwar ein, dass selbst Ludwig Erhard – ein erklärter Nachfolger und Fortsetzer von Eucken – sich trotz seiner Machtposition als Wirtschaftsminister und Bundeskanzler nicht durchzusetzen vermochte, um durch die Politik des Staates die „wirtschaftlichen Machtgruppen aufzulösen oder ihre Funktionen zu begrenzen“. Diese Erkenntnis findet aber keinen Niederschlag in Lafontaines konzeptionellem Denken. Ein Kernelement seiner Auffassungen fasst er wie folgt zusammen: „Die Kontrolle jeder Art von Macht, also auch wirtschaftliche Macht, ist ein Kernanliegen der Linken. In den ehemaligen sozialistischen Ländern hatte der Staat zu viel Macht. In den kapitalistischen Ländern haben die Konzerne zu viel Macht. Franz Böhm, der ebenso wie Walter Eucken der Freiburger Schule angehörte, nannte den Wettbewerb ‚das genialste Entmachtungsinstrument der Geschichte’. Für die neue Linke ist der Wettbewerb eine öffentlich-rechtliche Veranstaltung, die ein starker und unparteiischer Staat organisieren muß“.(faz.net) Damit folgt Lafontaine dem von der Sozialdemokratie nach dem zweiten Weltkrieg gepflegten Mythos vom bürgerlichen Staat als Organ der „allgemeinen Wohlfahrt“. Schon in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts wurde von den führenden Parteien der Sozialistischen Internationale die These programmatisch vertreten, dass der Staat zu einer Kraft heranwachse, die über der Gesellschaft stehe und die Rolle eines Regulators spiele (vor allem auf dem Gebiet der Wirtschaft). Die Konzeption vom klassenindifferenten Staat trennt den Staat von den Monopolen. Sie stellt ihn jenem Subjekt entgegen, dessen Objekt (Instrument) er tatsächlich ist. Der bürgerliche Staat greift zwar in den Prozeß der kapitalistischen Produktion ein.Er macht das aber im Interesse des Kapitals. Seine regulierenden Maßnahmen bedrohen weder das kapitalistische Eigentum und dessen Positionen noch untergraben sie die Grundlage der kapitalistischen Ordnung. Wenn Lafontaine oben genannten Leitsatz trotzdem aufstellt, so zeigt er, dass er keineswegs von der Notwendigkeit einer revolutionären Umgestaltung der Gesellschaft ausgeht. Übereinstimmend mit einer Hauptthese der Programmgestalter und Politikausrichter der PDS geht auch er davon aus, dass der „moderne“ Kapitalismus keine revolutionäre Ablösung der kapitalistischen Ordnung durch die sozialistische erfordert, sondern der „moderne“ Kapitalismus gestaltet selbst die kapitalistische Gesellschaft von Grund auf um! Die Kompatibilität zwischen den beiden Seiten, die den Fusionsprozess getragen haben, ist also vorhanden. Damit dürfte auch eine tragende Säule der Ausrichtung des künftigen Parteiprogramms der LINKEN sichtbar geworden sein. Auch bei der Behandlung der anderen Grundfragen des künftigen Programms der LINKEN muss man davon ausgehen, dass: a) die Ergebnisse der „Vorarbeiten“ der „Vordenker“ und ihrer Förderer mit den Positionen, die in der ehemaligen WASG und vor allem von Oskar Lafontaine vertreten werden, kompatibel sind und b) dazu führen, dass wissenschaftliche, marxistische Begründung von Programm und Politik der neuen Partei radikal entsorgt werden soll. Der Vorsitzende der neuen Partei Die LINKE hat sein Credo wie folgt zusammengefasst formuliert: „Zukünftige Generationen mögen darüber nachdenken, ob sie weiter nach kapitalistischen Grundsätzen wirtschaften wollen oder nicht und nach besseren Alternativen suchen. Für meine Generation ist die Entscheidung gefallen: Eine bessere Alternative war jener Staatssozialismus, der bis 1990 real existierte, mit Sicherheit nicht, und nirgends zeichnet sich derzeit im Grundsätzlichen eine bessere ab. Deshalb kämpfe ich politisch nicht für die Abschaffung, sondern für die soziale Ausrichtung der kapitalistischen Wirtschaftsordnung, für die Regulierung der Märkte zum Wohle aller.“ (Oskar Lafontaine, Meine Politik, Unveröffentlichtes Manuskript. Zitiert nach: Junge Welt vom 10.03.2007) Eine klare, für jeden verständliche Aussage, die für sich spricht! Leider verspricht sie nicht eine politische Kraft, die sich dem Ziel Sozialismus verschrieben hat!

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