Keine Plattform für Nazis - Zum Umgang mit Nazis auf Veranstaltungen

Was tun, wenn sie aufkreuzen (wollen)?

in (15.12.2007)

Was tun, wenn sie aufkreuzen (wollen)?Problemlage und Lösungsstrategien

Wortergreifung

Ende Januar 2007 besuchte eine Gruppe Neonazis aus der NS-Szene in Rheinhessen, eine Veranstaltung der SPD in Bingen bei Mainz. Die Veranstaltung sollte über die extreme Rechte in Rheinland-Pfalz informieren.
Obwohl die VeranstalterInnen noch vor der Veranstaltung von AntifaschistInnen über die Anwesenheit des NS-Kaders und seiner KameradInnen informiert worden waren, verzichteten sie darauf, die Neonazis des Saales zu schicken. Stattdessen wurden die AntifaschistInnen, die gegen die Anwesenheit der Nazis protestierten, des Saals verwiesen. Der Vorfall in Bingen ist nicht der erste seiner Art in Rheinhessen.

Diese Aktionen sind Teil der so genannten "Wortergreifungsstrategie" der NS-Szene. Diese propagierte der NPD-Bundesvorsitzende Udo Voigt eigens in seiner Rede zum Bundesparteitag 2004: "Drängen wir ihnen unsere Gedanken auf, ja zwingen wir sie dazu, sich mit uns, unseren Forderungen und Zielsetzungen zu beschäftigen."
Zu dieser Strategie gehört es, Veranstaltungen des politischen Gegners - und dazu zählen für Neonazis beileibe nicht nur linke AntifaschistInnen - für die eigene Propaganda zu nutzen und, wenn möglich, den Verlauf der Veranstaltung zu bestimmen. Nach außen wird dieses Vorgehen als gewöhnliche Teilnahme am ‚demokratischen Meinungsbildungsprozess‘ verkauft. Bei ernst zunehmender antifaschistischer Bildungsarbeit muss aber darauf geachtet werden, den menschenverachtenden und der Meinungsfreiheit grundsätzlich feindlich gesonnenen Positionen von Neonazis kein Forum zu bieten. In Bingen ist die SPD auf diese Strategie hereingefallen.

Ziele
Für OrganisatorInnen antifaschistischer Bildungsveranstaltungen sollte klar sein, dass die Anwesenheit von NationalsozialistInnen nicht geduldet werden kann. Potentielle Ziele der "Wortergreifungs"-Aktionen sind Veranstaltungen über NS-Strukturen. Hierbei sind nicht so sehr dezidierte Antifa-Gruppen im Fokus. Der Grund liegt auf der Hand: Bei Antifas rechnen die Nazis mit Widerstand. Derartige Veranstaltungen sind dementsprechend eher Ziel von Anti-Antifa-Aktionen und gewaltsamen Übergriffen.

Zum Umgang mit Neonazis auf Veranstaltungen
VeranstalterInnen muss es zunächst um den Schutz der TeilnehmerInnen gehen. Daher sollte am Beginn einer Planung die Analyse der Gefahr eines Besuchs der Veranstaltung durch Nazis oder gar eines gewaltsamen Übergriffs stehen. Hierbei können oft regionale Antifa-Gruppen helfen. Sie kennen sich mit den örtlichen Nazi-Strukturen meist am besten aus, können das Risiko genauer einschätzen.
Eine "Wortergreifung" kann häufig schon dadurch verhindert werden, dass die Nazis nicht in den Saal gelassen werden. Szenekundige Personen können schon an den Türen dafür sorgen. Hierbei hilft es, wenn ein explizites Hausverbot durch den oder die VeranstalterIn ausgesprochen wird. Öffentlich beworbene Veranstaltungen sind jedoch prinzipiell jedem und jeder zugänglich. So ist es auch schon vorgekommen, dass sich Nazis mit Hilfe der Polizei das Recht erstritten, an einer Veranstaltung teilzunehmen. Bei Veranstaltungen, bei denen mit Besuch aus dem rechten Lager gerechnet wird, kann deshalb schon bei der Ankündigung klar werden, dass diese nicht erwünscht sind.
Falls dennoch Nazis an der Veranstaltung teilnehmen, sollte der Leiter/die Leiterin der Veranstaltung den Nazis das Wort entziehen. Dabei muss den anderen TeilnehmerInnen jedoch plausibel gemacht werden, warum dies notwendig ist. Bei fortdauernder Störung kann man die Nazis des Saals verweisen. Lässt sich dies nicht durchsetzen, sollte man auch bereit sein, die Polizei zu rufen.
In jedem Fall gilt es, eigene Veranstaltungen nicht zu Plattformen neonazistischer Selbstdarstellung werden zu lassen.

Jens Büttner arbeitet im Antifaschistischen Infobüro Rhein-Main
Nähere Infos zum Thema in der Broschüre der "Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin": www.mbr-berlin.de