Zwei, drei, viele Häuser

in (03.06.2008)

Mitte April fanden die internationalen Squatting Days statt, bei denen es auch in Österreich zu Hausbesetzungen und einem Workshop zum Thema queer-feministische Raumnahme kam.

Im Rahmen der Aktionstage für Besetzungen und autonome Räume wurden österreichweit Häuser besetzt und andere, deutliche Zeichen gesetzt. In einigen Städten fanden Demos statt. In Wien stand dabei vor allem die prekäre Situation der Wagenburg im Vordergrund, am ersten Abend wurde deshalb für eine Nacht ein Wagenplatz besetzt, um dort eine Party zu feiern. Die am nächsten Tag anberaumte "Bim-Party", ein von Musik und Sekt begleiteter Partyzug durch die öffentlichen Verkehrsmittel, endete in Wien mit der Aneignung des Hauses in der Spitalgasse 11. Auch die Demo in Innsbruck fand ihren Abschluss in der Besetzung der Talstation der alten Hungerburgbahn. In Linz wurde ein Haus besetzt und in Anlehnung an eine französische Feministin aus der Pariser Commune "Louise" getauft - die Aneignung fand allerdings in erster Linie für eine Party statt. Nachdem in Graz im vergangenen Jahr bereits zweimal versucht wurde, der Forderung nach einem Sozialen Zentrum durch die Besetzung leerstehender Häuser Nachdruck zu verleihen, kam es im Rahmen der Squatting Days nun zur Aneignung der Räumlichkeiten in der Annenstraße 3. Fast eine Woche konnten diese von den BesetzerInnen gehalten werden. Die Besetzungen in Wien und Innsbruck wurden bereits am gleichen Wochenende von der Polizei geräumt.
Ausgangspunkt war bei allen Aktionen die Forderung nach selbstverwalteten, autonomen Räumlichkeiten, "um die Notwendigkeit von atopischen Räumen in den Blickwinkel des witzlosen Alltags zu katapultieren"1. Diese Forderung bleibt auch nach den Aktionstagen aufrecht und die Menschen, die sie stellen, auch weiterhin umtriebig. Zuletzt wurde am 9. Mai die ungenützten Grundstücke der Brachmühle in Wien Floridsdorf besetzt, aufgrund mangelnder Unterstützung und großem Polizeiaufgebot wurde die Besetzung jedoch selbst wieder aufgelöst, so dass es zu keinen weiteren Anzeigen kam.

Trotz mangelnder Raum- und Geldressourcen kommt es zumindest in Wien in der "Szene" keinesfalls zu einem Stillstand. Neben Langzeitprojekten wie dem EKH (Ernst Kirchweger Haus), dem V.E.K.K.S. (Verein zur Erweiterung des kulturellen und künstlerischen Spektrums) oder dem Tüwi lassen sich in Wien auch eine Vielzahl neuerer Projekte in selbstverwalteten Räumlichkeiten wie der I:DA (Idee: Direkte Aktion), dem Kindercafé Lolligo oder der KuKuMa (Vernetzung von Gruppen und Projekten aus den Bereichen Kunst (Ku) Kultur (Ku) und Medien (M) mit dem Vereinslokal Kaleidoskop) finden. Auch die Bike Kitchen fand vor kurzem eine Werkstatt für ihr hierarchie- freies offenes Kollektiv.
Neben der "Pankahyttn", einem Haus in der Johnstraße, das die Stadt Wien nachlangem Kampf vor wenigen Monaten den Wiener PunkerInnen zur Verfügung stellte, konnte sich vor fast zwei Jahren auch in Wien ein Wagenplatz etablieren. Er war jedoch von Anfang an bedroht und über sein Fortbestehen und künftigen Aufenthaltsort herrscht weiterhin Unklarheit. Ähnlich verhält es sich auch mit den meisten anderen Projekten. Das Überleben dieser selbstverwalteten Initiativen ist deshalb keinesfalls selbstverständlich oder langfristig gesichert, sondern vielmehr ständigen Schikanen von Stadt, Polizei, AnrainerInnen und VermieterInnen ausgesetzt.

Viele dieser Projekte verstehen sich in ihrem Agieren und Auftreten nach innen wie nach außen explizit als "politisch" und "emanzipatorisch". Selbstbestimmung, Herrschaftsfreiheit und Kollektivität machen dabei meist zentrale Aspekte des jeweiligen Selbstverständnisses aus. So grenzen sich die meisten dieser Initiativen nicht nur vom kommerzialisierten, hierarchischen Alltag ab, sondern versuchen auch, Freiräume von gesellschaftlichen Diskriminierungsphänomenen wie Sexismus, Rassismus, Antisemitismus, Homophobie oder anderen diskriminierenden Verhaltensweisen zu schaffen, wie es beispielsweise im Selbstverständnis der I:DA betont wird.
Dass die dazugehörige Praxis jedoch nicht immer so einfach umsetzbar ist und die genannten Ansprüche selten tatsächlich umfassend verwirklicht werden können, ist ein verbindendes Problem vieler dieser Projekte. Ein Beispiel dafür sind sexualisierte Übergriffe, die eben nicht nur außerhalb dieser Freiräume stattfinden, sondern alle paar Jahre auch szeneintern in den selbstverwalteten Räumlichkeiten selbst. Dass Sexismus nicht erst bei Übergriffen, sondern in viel subtileren Erscheinungsformen zutage tritt, ist dabei ebenso offensichtlich wie die Tatsache, dass es im Kampf gegen diesen alltäglichen Sexismus in linken Zusammenhängen nach wie vor große Leerstellen gibt.
Aber auch hinsichtlich Heteronormativität hält sich die Umsetzung vielfach diskutierter Strategien nach wie vor in Grenzen. Weshalb sich die Frage stellt, was genau einen Raum feministisch macht und welche Vorarbeit geleistet werden muss, um Räumlichkeiten als feministisch bezeichnen zu können.

Wie queer-feministische Raumnahme aussehen könnte, haben sich an die fünfzig TeilnehmerInnen im Vorfeld der Besetzung in der Spitalgasse überlegt. Denn auch im Aufruf zu den Squatting Days wurden feministische Überlegungen oder Ansprüche kaum berücksichtigt. Dabei haben bisherige Erfahrungen gezeigt, dass die subversive Aneignung von Raum nicht notwendigerweise mit einer subversiven Unterwanderung hegemonialer Geschlechterverhältnisse einhergehen muss. So lautete der Anspruch dieser Sammlung von Menschen aus unterschiedlichen Kontexten, dass an "diesem Aktionswochenende die permanente praktische und theoretische Auseinandersetzung, über Normierung von Raum sowie den damit verbundenen allzu oft männlichen und heteronormativen Verhaltensweisen, im Vordergrund stehen [soll]. Im Sinne queerfeministischer Intervention und anti-heteronormativer Aktion wollen wir uns Raum jenseits von Sexismus und Mackertum aneignen und etablieren."2
Die Ergebnisse des Workshops wurden in den besetzten Räumen publik gemacht, feministische Transparente aufgehängt, auf Redeverhalten geachtet und auch eigene Frauenschlafräume eingefordert. Diese Zielsetzungen schienen für die anderen BesetzerInnen jedoch keinesfalls so selbstverständlich zu sein wie für die TeilnehmerInnen des Workshops. Vielmehr liegt die Vermutung nahe, dass an dem Workshop eher Menschen teilnahmen, die ohnehin schon Bewusstsein und Sensibilität für queer-feministische Alltagspraxen aufbringen, dies den anderen AktivistInnen aber nicht näher bringen konnten. Auch in der Außenwirkung, vor allem in den bürgerlichen Medien, fand der Workshop oder der queer-feministische Anspruch zugunsten der Fortsetzung des altbekannten Bildes des "männlichen, gewaltbereiten, (deutschen) Autonomen" kaum bis keine Erwähnung.
Dieses Beispiel queer-feministischer Raumaneignung demonstriert daher, wie wichtig die Forderung nach feministischer Praxis ist und wie viel weiterhin fehlt, damit sie zu einer Alltagspraxis werden kann. Denn es ist nicht damit getan, sich feministische Transparente an die Fassaden
zu heften.

1 http://at.indymedia.org/node/9845
2 http://131.130.141.146/

Dieser Artikel erschien in: an.schläge, das feministische Magazin,
www.anschlaege.at