"Ein fester, aktionsfähiger Kern"

in (30.10.2008)

Gegen alle Widerstände organisierte Rosa Luxemburg ab 1914 ein Netzwerk von revolutionären Sozialisten. Stefan Bornost erzählt die Geschichte des Spartakusbundes.

Der Abend des 4. August 1914: Eine handvoll Vertreter der SPD-Linken versammelt sich im Wohnzimmer von Rosa Luxemburg in Berlin-Südende. Die Stimmung ist gedrückt, denn das Unfassbare ist geschehen: Wenige Stunden zuvor hat die SPD-Fraktion im Reichstag den kaiserlichen Kriegskrediten zugestimmt. Damit unterstützte die Partei genau den Krieg, vor dem sie seit Jahren gewarnt hatte.

Bisher vertrat die SPD einen klar anti-militaristischen Standpunkt. Noch zwei Jahre zuvor hatte sie eine Resolution verabschiedet, in der stand: „Falls der Krieg dennoch ausbrechen sollte, ist es die Pflicht der Sozialdemokratie, für dessen rasche Beendigung einzutreten und mit allen Kräften dahin zu streben, die durch den Krieg herbeigeführte wirtschaftliche und politische Krise zur Aufrüttelung des Volkes auszunutzen und dadurch die Beseitigung der kapitalistischen Klassenherrschaft zu beschleunigen." Jetzt, wo den Worten Taten folgen sollten, fiel die SPD-Führung um.

In der SPD bleiben?

Die Linken um Rosa Luxemburg hatten sich getroffen, um zu diskutieren, wie sie mit der Situation umgehen sollten. Die Gruppe war sehr klein - Rosa Luxemburg hatte trotz oftmals großer Differenzen mit der SPD-Führung nie eine feste Gruppe von Gleichgesinnten um sich geschart. Sie hatte gefürchtet, sich so in der Partei zu isolieren.

Allen Anwesenden war klar, dass die gesamte Arbeit jetzt auf den Aufbau einer Anti-Kriegs-Bewegung zu richten sei. Umstritten war jedoch, welche organisatorische Konsequenz die Linken aus dem Verrat der SPD-Führung ziehen sollte. Die Idee eines gemeinsamen, öffentlichkeitswirksamen Parteiaustritts kam auf - und wurde nach kurzer Diskussion von allen Beteiligten verworfen. Rosa Luxemburgs meinte ein paar Jahre später hierzu: „Aus kleinen Sekten und Konventikeln kann man ‚austreten‘, wenn sie einem nicht mehr passen, um neue Sekten und Konventikel zu gründen. Es ist nichts als unreife Phantasie, die gesamte Masse der Proletarier aus diesem schwersten und gefährlichsten Joch der Bourgeoisie durch einfachen ‚Austritt‘ befreien zu wollen und ihr auf diesem Wege mit tapferem Beispiel voranzugehen."

Leo Jogiches, langjähriger Mitstreiter Luxemburgs, nannte klare Kriterien für das weitere Verbleiben in der SPD: „Die Zugehörigkeit zur gegenwärtigen SPD darf von der Opposition nur solange aufrechterhalten werden, als diese ihre selbständige politische Aktion nicht hemmt noch beeinträchtigt. Die Opposition verbleibt in der Partei, nur um die Politik der Mehrheit auf Schritt und Tritt zu bekämpfen und zu durchkreuzen und die Partei als Rekrutierungsfeld für den proletarischen antiimperialistischen Klassenkampf zu benutzen."

Luxemburg und ihre Genossen gingen davon aus, dass an der SPD-Basis große Verwirrung, aber auch Unmut über den Kurswechsel der Führung herrsche. Deshalb beschlossen sie eine Art Doppelstrategie. Zum einen wollten sie sich über Flugblätter direkt an die Arbeiterschaft wenden, um so eine außerparlamentarische Opposition gegen den Krieg aufzubauen. Zum anderen sollte auf allen Ebenen der Kampf um die SPD geführt werden. Die Flugblätter liefen unter dem Titel Spartakusbriefe, und so wurde die Gruppe um Luxemburg in der Partei im Laufe des Krieges als „Spartakusbund" bekannt.

Gärung in der Partei

Sehr schnell zeigte sich, dass es tatsächlich in der SPD rumorte. Aus vielen Ortsvereinen wurden Proteste gegen den Vorstand laut. Am 6. August sprach die überwältigende Mehrheit der Ortsversammlung in Stuttgart der Reichstagsfraktion das Misstrauen aus. Dort gelang es den Linken gar, die Rechten aus der Partei auszuschließen und die örtliche Zeitung zu kontrollieren. Das war kein Einzelfall: Die Bremer-Bürger-Zeitung, der Braunschweiger Volksfreund, das Gothaer Volksblatt, Der Kampf in Duisburg, sowie Parteizeitungen in Nürnberg, Halle, Leipzig und Berlin protestierten ebenfalls gegen die Zustimmung zu den Kriegskrediten und spiegelten so die Ablehnung großer Teile der Parteibasis wider.

Dieser Unmut erreichte mit der Zeit auch die SPD-Reichstagsfraktion. Am 4. August hatten noch alle Abgeordneten für die Kriegskredite gestimmt - auch Karl Liebknecht, ein enger Vertrauter Luxemburgs - um die Fraktionsdisziplin nicht zu brechen. Nachdem Liebknecht auf Basisversammlungen scharf für sein Verhalten kritisiert wurde, begann er, offen in der Fraktion gegen den Krieg zu arbeiten. So konnte er immer mehr Abgeordnete auf seine Seite ziehen. Bei einer erneuten Abstimmung über die Kriegskredite am 22. Oktober 1914 verließen fünf SPD-Abgeordnete aus Protest den Saal. Etwa einen Monat später - am 2. Dezember 1914 - stimmte Liebknecht dann als erster Abgeordneter gegen die Kredite. Bei der Abstimmung im März 1915 verließen bereits fast 30 sozialdemokratische Parlamentarier den Saal, und ein Jahr nach Kriegsbeginn, am 19. August 1915, stimmten schließlich 36 SPD-Abgeordnete gegen die Kredite.

Die Internationale

Um ihre Ideen und ihre Kritik an der SPD-Führung breiter bekannt zu machen, entschlossen sich Luxemburg und ihre Genossen, eine Zeitschrift herauszubringen. Diese sollte die namhaftesten Persönlichkeiten der Opposition zusammenbringen um möglichst breit in die Partei hineinzuwirken. Außerdem sollte sie helfen, das Netzwerk der Kriegsgegner auf ein solides ideologisches Fundament zu stellen. Die Nr.1 von Die Internationale, so der Name der Zeitschrift, kam im April 1915 raus und war ein Riesenerfolg: Von 9.000 gedruckten Exemplaren gingen allein am ersten Abend 5.000 weg. Der Bedarf nach klaren Worten und Ideen gegen den Krieg war an der SPD-Basis enorm.

Weil die Erstausgabe der Internationale so erfolgreich war, kam nie eine zweite Ausgabe heraus - die kaiserlichen Behörden zensierten gnadenlos. Doch das half nichts: Infolge der einsetzenden Kriegsmüdigkeit gewann die Bewegung gegen den Krieg an Fahrt.

Am 1. Mai 1916 gingen etwa 10.000 Menschen in Berlin gegen den Krieg auf die Straße. Liebknecht ergriff das Wort und rief: „Nieder mit dem Krieg, nieder mit der Regierung". Daraufhin wurde er verhaftet, was eine Protestwelle auslöste. Am 27. Juni demonstrierten 25.000 Arbeiter in Berlin für seine Freilassung. Einen Tag später protestierten sogar 55.000 Arbeiter mit einem politischen Streik gegen die Verhaftung.

Parallel zur aufkeimenden Bewegung verschoben sich auch die Kräfteverhältnisse innerhalb der  SPD. 1916 hatte die Opposition bereits Verbindungen zu SPD-Gliederungen in 300 Städten. Die Führung geriet immer mehr unter Druck.

Drei Strömungen

Zu dieser Zeit war die SPD in drei innerparteiliche Strömungen zerfallen. Auf der ganz linken Seite standen die revolutionären Internationalisten. Dazu gehörten neben Rosa Luxemburg und dem Spartakusbund auch noch Zusammenschlüsse wie zum Beispiel die „Bremer Linke".

Die Internationalisten standen auf den politischen Grundlagen, wie sie die Vorkriegs-Sozialdemokratie formuliert hatte: Keine Zusammenarbeit mit der eigenen herrschenden Klasse im Krieg, sondern internationale Solidarität aller Arbeiter, um den Krieg zu beenden. Sie hielten es mit der Analyse des französischen Sozialisten Jean Jaurès: „Der Kapitalismus trägt den Krieg in sich wie die Wolke den Regen." Sie wollten deshalb die Herrschaft der Kapitalisten stürzen. Als Mittel hierzu sahen sie Proteste und Massenstreiks von Arbeitern und Soldaten.

Auf der rechten Seite befanden sich die „Sozialpatrioten" - jene Sozialdemokraten, die sich auf die Seite des Kaisers gestellt hatten und den Krieg unterstützen. Einige von ihnen ließen sich sogar vom Kaiser und der Regierung für Kriegspropaganda einspannen. Die Sozialpatrioten kontrollierten zudem die gewerkschaftlichen Führungen und versuchten, kampfbereite Arbeiter in den Betrieben zurückzuhalten, um den „Burgfrieden" mit der Regierung nicht zu gefährden. Den aufkeimenden Protest in der SPD versuchten die „Sozialpatrioten" autoritär zu unterdrücken, indem sie Kriegsgegner aus Gremien ausschlossen oder auch an die Polizei auslieferten.

Zwischen diesen beiden Flügeln stand das „Zentrum". Seine Vertreter verfolgten eine Politik des „Sowohl-als-auch". Anfänglich hatten sie mehrheitlich den Krieg unterstützt. Durch die zunehmenden Horrormeldungen von der Front und unter dem Einfluss der revolutionären Internationalisten bewegten sie sich in Richtung Kriegsgegnerschaft. Gleichzeitig wollten die Zentrumsleute keinen offenen Kampf gegen die „Sozialpatrioten" führen, um die Einheit der Partei nicht zu gefährden. Um den Krieg zu beenden, appellierten sie an Kaiser und Militärführung, in Friedensverhandlungen einzutreten - erfolglos. Der Aufbau einer Anti-Kriegs-Bewegung und deren Ausweitung in eine revolutionäre Bewegung lehnten sie entweder ab oder unterstützten sie nur halbherzig. An der Spitze dieser Strömung stand der bekannte marxistische Theoretiker Karl Kautsky. Sie schloss sich im März 1916 zur „Sozialdemokratischen Arbeitsgemeinschaft" (SAG) innerhalb der SPD zusammen.

Wie mit dieser schwankenden Strömung umgehen? Das war eine große Frage, vor der Rosa Luxemburg und ihre Genossen standen. Ein Vorschlag war, eine gemeinsame Organisation innerhalb der SPD zu bilden. Luxemburg war dagegen. Als eine Konferenz der Kriegsgegner im Winter 1916 einberufen werden sollte, schrieb sie: „Unsere Taktik auf dieser Konferenz müsste dahin gehen, nicht etwa die ganze Opposition unter einen Hut zu bringen, sondern umgekehrt aus diesem Brei den kleinen, festen und aktionsfähigen Kern herauszuschälen, den wir um unsere Plattform gruppieren können. Mit organisatorischer Zusammenfassung hingegen ist große Vorsicht geboten. Denn alle Zusammenschlüsse der ‚Linken‘ führen nach meiner bitteren langjährigen Parteierfahrung nur dazu, den paar aktionsfähigen Leuten die Hände zu binden."

Das heißt nicht, dass Luxemburg gegen die konkrete praktische Zusammenarbeit aller Kriegsgegner war. Sie glaubte allerdings, dass die inhaltlichen Gegensätze zwischen Zentrum und Revolutionären so groß waren, dass bei einem organisatorischen Zusammenschluss die Handlungsfähigkeit der Revolutionäre leiden würde. So gab es zum Beispiel in der Frage, ob Arbeiterstreiks gegen den Krieg unterstützenswert seien, keine Einigkeit. Ein Streit darüber hätte eine gemeinsame Plattform gelähmt.

USPD und Spartakusbund

Ab Ende 1916 driftete die SPD unaufhaltsam auf die Spaltung zu. Im Herbst jenes Jahres entschieden sich immer mehr Ortsvereine, dem Parteivorstand keine Mitgliederbeiträge mehr zu überweisen. Nachdem die Opposition am 7. Januar 1917 eine erste Reichskonferenz organisiert hatte, beschloss die SPD-Führung den Ausschluss aller Oppositionellen - sowohl der Revolutionäre als auch großer Teile des Zentrums. Die Spaltung der SPD war vollzogen. Zu Beginn des Weltkrieges hatte die Partei eine Million Mitglieder. Nach der Spaltung waren es nur noch 200.000 - vier Fünftel der Mitgliedschaft vergraulte die SPD-Führung durch ihren politischen Kurs.

Die Ausgeschlossenen organisierten Anfang April 1917 in Gotha eine weitere Reichskonferenz. Dort beschlossen sie die Gründung der Unabhängigen Sozialdemokratische Partei Deutschlands (USPD). An der Gründungsversammlung nahmen Delegierte aus 91 sozialdemokratischen Wahlkreisorganisationen und 15 Reichstagsabgeordnete teil. Die USPD bestand aus einer heterogenen Mitgliedschaft: Unter ihren prominenten Gründern waren Kriegsgegner der ersten Stunde wie Hugo Haase oder Kurt Eisner, marxistische Theoretikern wie Karl Kautsky, aber auch theoretische Wegbereiter der Rechten wie Eduard Bernstein (siehe Hintergrund „Der Wandel der SPD" auf Seite 32), der zwar die Kriegsbeteiligung ablehnte, aber keine revolutionäre Umgestaltung der Gesellschaft anstrebte.

Nach der Gründung der USPD stellte sich für Revolutionäre die Organisationsfrage neu. Die Arbeit in der SPD war durch disziplinarische Maßnahmen der Parteiführung unterbunden worden, jetzt musste das Verhältnis zur neuen Partei bestimmt werden. Ist es besser, unabhängig von der USPD zu agieren oder Fraktionsarbeit innerhalb der Partei zu betreiben? Die Revolutionäre spalteten sich an diesem Punkt. Die „Bremer Linke" trat nicht der USPD bei, weil sie den vormaligen Zentrumsleuten ihre schwankende und halbherzige Haltung vorwarf.

Auch Rosa Luxemburg nahm nichts von ihrer Kritik an den Halbheiten des Zentrums zurück - im Gegenteil. Trotzdem argumentierte sie, und das mit Erfolg, für einen Eintritt des Spartakusbundes in die USPD. Ihre Überlegung war folgende: Die deutsche Arbeiterbewegung braucht eine revolutionäre Massenpartei, die nicht nur gegen den Krieg, sondern auch gegen das kapitalistische System als Ganzes den Kampf aufnimmt. Eine solche Partei fällt jedoch nicht vom Himmel, sondern ist das Ergebnis eines Gärungsprozesses, dessen erste Phase mit der organisatorischen Spaltung der SPD und der Gründung der USPD abgeschlossen ist. Die USPD stellt einen bedeutenden Schritt nach links von substanziellen Teilen des SPD-Apparates und der SPD-Anhängerschaft dar. Gleichzeitig ist die neue Partei so uneinheitlich und die Spannbreite ihrer Flügel so groß, dass in Folge einer großen gesellschaftlichen Krise, wie zum Beispiel einer revolutionären Massenbewegung, eine Krise der USPD selbst unausweichlich ist.

Leo Jogiches fasste zusammen: „Es gilt ebenso, die neue Partei, die größere Massen in sich vereinigen wird, als Rekrutierungsfeld für unsere Ansichten, für die entschiedene Richtung in der Opposition auszunutzen; es gilt schließlich, die Partei als ganzes durch rücksichtslose Kritik, durch unsere Tätigkeit in den Organisationen selbst wie auch durch unsere selbständigen Aktionen vorwärts zu treiben, eventuell auch ihrer schädlichen Einwirkung auf die Klasse entgegenzuwirken."

Die „Bremer Linke" kritisierte den Schritt in die USPD scharf und behauptete, der Spartakusbund hätte seine politische Eigenständigkeit aufgegeben. Dem war keinesfalls so. Durch ihre Arbeit für die USPD ließen sich die Spartakisten nicht in ihren Aktivitäten in der Anti-Kriegs-Bewegung behindern. Im Gegenteil: Während einer riesigen Streikwelle mit einer Million Beteiligten im Januar 1918 standen Spartakisten an vorderster Stelle. Dagegen schafften es die Bremer Linken nie, über einen kleinen Kreis hinauszukommen.

Die Linke in der Revolution

Im November 1918 kam der von den Spartakus-Leuten lang ersehnte Moment: Die Revolution begann. Der Spartakusbund hatte bis zu diesem Zeitpunkt sein Organisationsnetz weiter ausgebaut. Er brachte acht verschiedene Publikationen mit Auflagen von 25.000 bis 100.000 Exemplaren heraus - zu einem Zeitpunkt, als nahezu die gesamte Leitung der Spartakisten im Gefängnis saß. Dennoch war der Spartakusbund im Verhältnis zu der gigantischen Bewegung, die jetzt hereinbrach, winzig klein: Die Organisation hatte gerade einmal 3.000 Mitglieder.

Rosa Luxemburg befürchtete, dass sich die SPD an die Spitze der revolutionären Bewegung setzen würde, um sie abzuwürgen. Schon im Oktober 1918 war die Partei vom angeschlagenen Kaiser in die Reichsregierung berufen worden. Luxemburg schrieb damals: „Der Regierungssozialismus stellt sich mit seinem jetzigen Eintritt in die Regierung als Retter des Kapitalismus der kommenden proletarischen Revolution in den Weg." Deshalb kämpfe sie nach dem Beginn der Revolution dafür, dass sich die USPD ohne Wenn und Aber auf die Seite der revoltierenden Arbeiter und Soldaten stelle. Ihr wesentliches Argument: Wenn die Revolution nicht weitergetrieben wird, wenn die Arbeiter den Fabrikherren nicht die Macht entreißen, dann wird die alte Ordnung zurückkehren und fürchterlich Rache nehmen.

Der Verlauf der Revolution und des bald folgenden Bürgerkriegs sollte ihr Recht geben, doch im revolutionären Überschwang im November 1918 vertraten Rosa Luxemburg und der Spartakusbund eine Minderheitenposition. Als die SPD verkündete, sie wolle eine gemeinsame Regierung mit der USPD bilden, willigte deren Führung ein.

Noch einmal versuchten die Spartakus-Leute, das Ruder rum zu reißen: Sie forderten einen USPD-Sonderparteitag, um eine Debatte über den neuen Kurs zu führen. Als sie damit scheiterten, entschieden sie, die USPD zu verlassen und eine neue Partei zu gründen. Luxemburg verkündete, dass es „für eine Partei der Halbheit und Zweideutigkeit in der Revolution keinen Platz mehr" gebe.  Die Spartakisten erwarteten das baldige Auseinanderbrechen der USPD. Zur Bilanz der Arbeit sagte Luxemburg: „Wir haben der USPD angehört, um aus der USPD herauszuschlagen, was herausgeschlagen werden kann, um die wertvollen Elemente der USPD voranzutreiben, um sie zu radikalisieren. Das, was erreicht wurde, war außerordentlich gering. Mittlerweile dient die USPD als Feigenblatt für die Ebert-Scheideman."

Vom 30. Dezember 1918 bis zum 1. Januar 1919 fand der Gründungsparteitag einer neuen Partei statt: Der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD). Sie war im Wesentlichen eine Zusammenführung des Spartakusbundes mit den „Bremer Linken". Die Delegierten der Gründungsversammlungen hatten hohe Erwartungen.

Zunächst stellten sich aber einige ihrer Grundannahmen als falsch heraus: Die USPD brach nicht auseinander. Im Gegenteil - sie wuchs rasant: Nachdem die Partei Ende Dezember 1918 die gemeinsame Regierung mit der SPD verlassen hatte, verdreifachte sich ihre Mitgliederzahl - von 100.000 im November auf 300.000 im Januar. Eine große Streikbewegung im Ruhrgebiet, die Bayerische Räterepublik und der Kapp-Putsch führten zu einem weiteren Wachstum der Partei. Im Oktober 1920 kam sie auf fast 900.000 Mitglieder. Bei der Reichstagswahl im Juni 1920 erreichte die USPD mit 17,9 Prozent der Stimmen nur knapp weniger als die SPD, die auf 21,3 Prozent kam. Nicht nur, dass viele durch die Revolution neu radikalisierte Arbeiter bei der USPD landeten - die Partei radikalisierte sich auch und bewegte sich nach links.

Die KPD hingegen griff nicht in die Arbeiterschaft aus. Sie wurde Anfang 1919 verboten und war nach der Ermordung Luxemburgs, Liebknechts und Jogiches - wenige Wochen nach der Gründung der Partei - ihrer erfahrensten Führungspersönlichkeiten beraubt. Zudem war sie durch interne Streitigkeiten gelähmt, die schließlich 1920 zu einer neuerlichen Spaltung führten. Bei der Juni-Wahl kam sie gerade einmal auf 2,1 Prozent der Stimmen.

Neues Leben wurde der KPD ausgerechnet durch die Spaltung der Partei eingehaucht, die viele ihrer Mitglieder zwei Jahre zuvor verlassen hatten. Rosa Luxemburg hatte Recht behalten: Die USPD zerbrach an ihren inneren Widersprüchen. Auf dem Parteitag am 12. Oktober 1920 kam es zum Bruch. Teile der Mitgliedschaft hatten sich so weit nach links entwickelt, dass sich die Parteitagsmehrheit für einen Zusammenschluss mit der KPD aussprach. Zwar folgte nicht die gesamte Mitgliedschaft, dennoch gewann die KPD über Nacht mehr als 300.000 neue Mitglieder und wurde zu einer Massenpartei. Die Vereinigte Kommunistische Partei Deutschlands (VKPD) sollte die Weimarer Republik maßgeblich mit prägen. In der nächsten Ausgabe von marx21 erzählen wir ihre Geschichte.

Zum Autor:
Stefan Bornost ist leitender Redakteur von marx21.