Gegen alle Widerstände organisierte Rosa Luxemburg ab 1914 ein Netzwerk von revolutionären Sozialisten. Stefan Bornost erzählt die Geschichte des Spartakusbundes.
Der Abend des 4. August 1914: Eine
handvoll Vertreter der SPD-Linken versammelt sich im Wohnzimmer von
Rosa Luxemburg in Berlin-Südende. Die Stimmung ist gedrückt, denn das
Unfassbare ist geschehen: Wenige Stunden zuvor hat die SPD-Fraktion im
Reichstag den kaiserlichen Kriegskrediten zugestimmt. Damit
unterstützte die Partei genau den Krieg, vor dem sie seit Jahren
gewarnt hatte.
Bisher vertrat die SPD einen klar anti-militaristischen Standpunkt.
Noch zwei Jahre zuvor hatte sie eine Resolution verabschiedet, in der
stand: „Falls der Krieg dennoch ausbrechen sollte, ist es die Pflicht
der Sozialdemokratie, für dessen rasche Beendigung einzutreten und mit
allen Kräften dahin zu streben, die durch den Krieg herbeigeführte
wirtschaftliche und politische Krise zur Aufrüttelung des Volkes
auszunutzen und dadurch die Beseitigung der kapitalistischen
Klassenherrschaft zu beschleunigen." Jetzt, wo den Worten Taten folgen
sollten, fiel die SPD-Führung um.
In der SPD bleiben?
Die Linken um Rosa Luxemburg hatten sich getroffen, um zu diskutieren,
wie sie mit der Situation umgehen sollten. Die Gruppe war sehr klein -
Rosa Luxemburg hatte trotz oftmals großer Differenzen mit der
SPD-Führung nie eine feste Gruppe von Gleichgesinnten um sich geschart.
Sie hatte gefürchtet, sich so in der Partei zu isolieren.
Allen Anwesenden war klar, dass die gesamte Arbeit jetzt auf den Aufbau
einer Anti-Kriegs-Bewegung zu richten sei. Umstritten war jedoch,
welche organisatorische Konsequenz die Linken aus dem Verrat der
SPD-Führung ziehen sollte. Die Idee eines gemeinsamen,
öffentlichkeitswirksamen Parteiaustritts kam auf - und wurde nach
kurzer Diskussion von allen Beteiligten verworfen. Rosa Luxemburgs
meinte ein paar Jahre später hierzu: „Aus kleinen Sekten und
Konventikeln kann man ‚austreten‘, wenn sie einem nicht mehr passen, um
neue Sekten und Konventikel zu gründen. Es ist nichts als unreife
Phantasie, die gesamte Masse der Proletarier aus diesem schwersten und
gefährlichsten Joch der Bourgeoisie durch einfachen ‚Austritt‘ befreien
zu wollen und ihr auf diesem Wege mit tapferem Beispiel voranzugehen."
Leo Jogiches, langjähriger Mitstreiter Luxemburgs, nannte klare
Kriterien für das weitere Verbleiben in der SPD: „Die Zugehörigkeit zur
gegenwärtigen SPD darf von der Opposition nur solange aufrechterhalten
werden, als diese ihre selbständige politische Aktion nicht hemmt noch
beeinträchtigt. Die Opposition verbleibt in der Partei, nur um die
Politik der Mehrheit auf Schritt und Tritt zu bekämpfen und zu
durchkreuzen und die Partei als Rekrutierungsfeld für den
proletarischen antiimperialistischen Klassenkampf zu benutzen."
Luxemburg und ihre Genossen gingen davon aus, dass an der SPD-Basis
große Verwirrung, aber auch Unmut über den Kurswechsel der Führung
herrsche. Deshalb beschlossen sie eine Art Doppelstrategie. Zum einen
wollten sie sich über Flugblätter direkt an die Arbeiterschaft wenden,
um so eine außerparlamentarische Opposition gegen den Krieg aufzubauen.
Zum anderen sollte auf allen Ebenen der Kampf um die SPD geführt
werden. Die Flugblätter liefen unter dem Titel Spartakusbriefe, und so
wurde die Gruppe um Luxemburg in der Partei im Laufe des Krieges als
„Spartakusbund" bekannt.
Gärung in der Partei
Sehr schnell zeigte sich, dass es tatsächlich in der SPD rumorte. Aus
vielen Ortsvereinen wurden Proteste gegen den Vorstand laut. Am 6.
August sprach die überwältigende Mehrheit der Ortsversammlung in
Stuttgart der Reichstagsfraktion das Misstrauen aus. Dort gelang es den
Linken gar, die Rechten aus der Partei auszuschließen und die örtliche
Zeitung zu kontrollieren. Das war kein Einzelfall: Die
Bremer-Bürger-Zeitung, der Braunschweiger Volksfreund, das Gothaer
Volksblatt, Der Kampf in Duisburg, sowie Parteizeitungen in Nürnberg,
Halle, Leipzig und Berlin protestierten ebenfalls gegen die Zustimmung
zu den Kriegskrediten und spiegelten so die Ablehnung großer Teile der
Parteibasis wider.
Dieser Unmut erreichte mit der Zeit auch die SPD-Reichstagsfraktion. Am
4. August hatten noch alle Abgeordneten für die Kriegskredite gestimmt
- auch Karl Liebknecht, ein enger Vertrauter Luxemburgs - um die
Fraktionsdisziplin nicht zu brechen. Nachdem Liebknecht auf
Basisversammlungen scharf für sein Verhalten kritisiert wurde, begann
er, offen in der Fraktion gegen den Krieg zu arbeiten. So konnte er
immer mehr Abgeordnete auf seine Seite ziehen. Bei einer erneuten
Abstimmung über die Kriegskredite am 22. Oktober 1914 verließen fünf
SPD-Abgeordnete aus Protest den Saal. Etwa einen Monat später - am 2.
Dezember 1914 - stimmte Liebknecht dann als erster Abgeordneter gegen
die Kredite. Bei der Abstimmung im März 1915 verließen bereits fast 30
sozialdemokratische Parlamentarier den Saal, und ein Jahr nach
Kriegsbeginn, am 19. August 1915, stimmten schließlich 36
SPD-Abgeordnete gegen die Kredite.
Die Internationale
Um ihre Ideen und ihre Kritik an der SPD-Führung breiter bekannt zu
machen, entschlossen sich Luxemburg und ihre Genossen, eine Zeitschrift
herauszubringen. Diese sollte die namhaftesten Persönlichkeiten der
Opposition zusammenbringen um möglichst breit in die Partei
hineinzuwirken. Außerdem sollte sie helfen, das Netzwerk der
Kriegsgegner auf ein solides ideologisches Fundament zu stellen. Die
Nr.1 von Die Internationale, so der Name der Zeitschrift, kam im April
1915 raus und war ein Riesenerfolg: Von 9.000 gedruckten Exemplaren
gingen allein am ersten Abend 5.000 weg. Der Bedarf nach klaren Worten
und Ideen gegen den Krieg war an der SPD-Basis enorm.
Weil die Erstausgabe der Internationale so erfolgreich war, kam nie
eine zweite Ausgabe heraus - die kaiserlichen Behörden zensierten
gnadenlos. Doch das half nichts: Infolge der einsetzenden
Kriegsmüdigkeit gewann die Bewegung gegen den Krieg an Fahrt.
Am 1. Mai 1916 gingen etwa 10.000 Menschen in Berlin gegen den Krieg
auf die Straße. Liebknecht ergriff das Wort und rief: „Nieder mit dem
Krieg, nieder mit der Regierung". Daraufhin wurde er verhaftet, was
eine Protestwelle auslöste. Am 27. Juni demonstrierten 25.000 Arbeiter
in Berlin für seine Freilassung. Einen Tag später protestierten sogar
55.000 Arbeiter mit einem politischen Streik gegen die Verhaftung.
Parallel zur aufkeimenden Bewegung verschoben sich auch die
Kräfteverhältnisse innerhalb der SPD. 1916 hatte die Opposition
bereits Verbindungen zu SPD-Gliederungen in 300 Städten. Die Führung
geriet immer mehr unter Druck.
Drei Strömungen
Zu dieser Zeit war die SPD in drei innerparteiliche Strömungen
zerfallen. Auf der ganz linken Seite standen die revolutionären
Internationalisten. Dazu gehörten neben Rosa Luxemburg und dem
Spartakusbund auch noch Zusammenschlüsse wie zum Beispiel die „Bremer
Linke".
Die Internationalisten standen auf den politischen Grundlagen, wie sie
die Vorkriegs-Sozialdemokratie formuliert hatte: Keine Zusammenarbeit
mit der eigenen herrschenden Klasse im Krieg, sondern internationale
Solidarität aller Arbeiter, um den Krieg zu beenden. Sie hielten es mit
der Analyse des französischen Sozialisten Jean Jaurès: „Der
Kapitalismus trägt den Krieg in sich wie die Wolke den Regen." Sie
wollten deshalb die Herrschaft der Kapitalisten stürzen. Als Mittel
hierzu sahen sie Proteste und Massenstreiks von Arbeitern und Soldaten.
Auf der rechten Seite befanden sich die „Sozialpatrioten" - jene
Sozialdemokraten, die sich auf die Seite des Kaisers gestellt hatten
und den Krieg unterstützen. Einige von ihnen ließen sich sogar vom
Kaiser und der Regierung für Kriegspropaganda einspannen. Die
Sozialpatrioten kontrollierten zudem die gewerkschaftlichen Führungen
und versuchten, kampfbereite Arbeiter in den Betrieben zurückzuhalten,
um den „Burgfrieden" mit der Regierung nicht zu gefährden. Den
aufkeimenden Protest in der SPD versuchten die „Sozialpatrioten"
autoritär zu unterdrücken, indem sie Kriegsgegner aus Gremien
ausschlossen oder auch an die Polizei auslieferten.
Zwischen diesen beiden Flügeln stand das „Zentrum". Seine Vertreter
verfolgten eine Politik des „Sowohl-als-auch". Anfänglich hatten sie
mehrheitlich den Krieg unterstützt. Durch die zunehmenden
Horrormeldungen von der Front und unter dem Einfluss der revolutionären
Internationalisten bewegten sie sich in Richtung Kriegsgegnerschaft.
Gleichzeitig wollten die Zentrumsleute keinen offenen Kampf gegen die
„Sozialpatrioten" führen, um die Einheit der Partei nicht zu gefährden.
Um den Krieg zu beenden, appellierten sie an Kaiser und Militärführung,
in Friedensverhandlungen einzutreten - erfolglos. Der Aufbau einer
Anti-Kriegs-Bewegung und deren Ausweitung in eine revolutionäre
Bewegung lehnten sie entweder ab oder unterstützten sie nur halbherzig.
An der Spitze dieser Strömung stand der bekannte marxistische
Theoretiker Karl Kautsky. Sie schloss sich im März 1916 zur
„Sozialdemokratischen Arbeitsgemeinschaft" (SAG) innerhalb der SPD
zusammen.
Wie mit dieser schwankenden Strömung umgehen? Das war eine große Frage,
vor der Rosa Luxemburg und ihre Genossen standen. Ein Vorschlag war,
eine gemeinsame Organisation innerhalb der SPD zu bilden. Luxemburg war
dagegen. Als eine Konferenz der Kriegsgegner im Winter 1916 einberufen
werden sollte, schrieb sie: „Unsere Taktik auf dieser Konferenz müsste
dahin gehen, nicht etwa die ganze Opposition unter einen Hut zu
bringen, sondern umgekehrt aus diesem Brei den kleinen, festen und
aktionsfähigen Kern herauszuschälen, den wir um unsere Plattform
gruppieren können. Mit organisatorischer Zusammenfassung hingegen ist
große Vorsicht geboten. Denn alle Zusammenschlüsse der ‚Linken‘ führen
nach meiner bitteren langjährigen Parteierfahrung nur dazu, den paar
aktionsfähigen Leuten die Hände zu binden."
Das heißt nicht, dass Luxemburg gegen die konkrete praktische
Zusammenarbeit aller Kriegsgegner war. Sie glaubte allerdings, dass die
inhaltlichen Gegensätze zwischen Zentrum und Revolutionären so groß
waren, dass bei einem organisatorischen Zusammenschluss die
Handlungsfähigkeit der Revolutionäre leiden würde. So gab es zum
Beispiel in der Frage, ob Arbeiterstreiks gegen den Krieg
unterstützenswert seien, keine Einigkeit. Ein Streit darüber hätte eine
gemeinsame Plattform gelähmt.
USPD und Spartakusbund
Ab Ende 1916 driftete die SPD unaufhaltsam auf die Spaltung zu. Im
Herbst jenes Jahres entschieden sich immer mehr Ortsvereine, dem
Parteivorstand keine Mitgliederbeiträge mehr zu überweisen. Nachdem die
Opposition am 7. Januar 1917 eine erste Reichskonferenz organisiert
hatte, beschloss die SPD-Führung den Ausschluss aller Oppositionellen -
sowohl der Revolutionäre als auch großer Teile des Zentrums. Die
Spaltung der SPD war vollzogen. Zu Beginn des Weltkrieges hatte die
Partei eine Million Mitglieder. Nach der Spaltung waren es nur noch
200.000 - vier Fünftel der Mitgliedschaft vergraulte die SPD-Führung
durch ihren politischen Kurs.
Die Ausgeschlossenen organisierten Anfang April 1917 in Gotha eine
weitere Reichskonferenz. Dort beschlossen sie die Gründung der
Unabhängigen Sozialdemokratische Partei Deutschlands (USPD). An der
Gründungsversammlung nahmen Delegierte aus 91 sozialdemokratischen
Wahlkreisorganisationen und 15 Reichstagsabgeordnete teil. Die USPD
bestand aus einer heterogenen Mitgliedschaft: Unter ihren prominenten
Gründern waren Kriegsgegner der ersten Stunde wie Hugo Haase oder Kurt
Eisner, marxistische Theoretikern wie Karl Kautsky, aber auch
theoretische Wegbereiter der Rechten wie Eduard Bernstein (siehe
Hintergrund „Der Wandel der SPD" auf Seite 32), der zwar die
Kriegsbeteiligung ablehnte, aber keine revolutionäre Umgestaltung der
Gesellschaft anstrebte.
Nach der Gründung der USPD stellte sich für Revolutionäre die
Organisationsfrage neu. Die Arbeit in der SPD war durch
disziplinarische Maßnahmen der Parteiführung unterbunden worden, jetzt
musste das Verhältnis zur neuen Partei bestimmt werden. Ist es besser,
unabhängig von der USPD zu agieren oder Fraktionsarbeit innerhalb der
Partei zu betreiben? Die Revolutionäre spalteten sich an diesem Punkt.
Die „Bremer Linke" trat nicht der USPD bei, weil sie den vormaligen
Zentrumsleuten ihre schwankende und halbherzige Haltung vorwarf.
Auch Rosa Luxemburg nahm nichts von ihrer Kritik an den Halbheiten des
Zentrums zurück - im Gegenteil. Trotzdem argumentierte sie, und das mit
Erfolg, für einen Eintritt des Spartakusbundes in die USPD. Ihre
Überlegung war folgende: Die deutsche Arbeiterbewegung braucht eine
revolutionäre Massenpartei, die nicht nur gegen den Krieg, sondern auch
gegen das kapitalistische System als Ganzes den Kampf aufnimmt. Eine
solche Partei fällt jedoch nicht vom Himmel, sondern ist das Ergebnis
eines Gärungsprozesses, dessen erste Phase mit der organisatorischen
Spaltung der SPD und der Gründung der USPD abgeschlossen ist. Die USPD
stellt einen bedeutenden Schritt nach links von substanziellen Teilen
des SPD-Apparates und der SPD-Anhängerschaft dar. Gleichzeitig ist die
neue Partei so uneinheitlich und die Spannbreite ihrer Flügel so groß,
dass in Folge einer großen gesellschaftlichen Krise, wie zum Beispiel
einer revolutionären Massenbewegung, eine Krise der USPD selbst
unausweichlich ist.
Leo Jogiches fasste zusammen: „Es gilt ebenso, die neue Partei, die
größere Massen in sich vereinigen wird, als Rekrutierungsfeld für
unsere Ansichten, für die entschiedene Richtung in der Opposition
auszunutzen; es gilt schließlich, die Partei als ganzes durch
rücksichtslose Kritik, durch unsere Tätigkeit in den Organisationen
selbst wie auch durch unsere selbständigen Aktionen vorwärts zu
treiben, eventuell auch ihrer schädlichen Einwirkung auf die Klasse
entgegenzuwirken."
Die „Bremer Linke" kritisierte den Schritt in die USPD scharf und
behauptete, der Spartakusbund hätte seine politische Eigenständigkeit
aufgegeben. Dem war keinesfalls so. Durch ihre Arbeit für die USPD
ließen sich die Spartakisten nicht in ihren Aktivitäten in der
Anti-Kriegs-Bewegung behindern. Im Gegenteil: Während einer riesigen
Streikwelle mit einer Million Beteiligten im Januar 1918 standen
Spartakisten an vorderster Stelle. Dagegen schafften es die Bremer
Linken nie, über einen kleinen Kreis hinauszukommen.
Die Linke in der Revolution
Im November 1918 kam der von den Spartakus-Leuten lang ersehnte Moment:
Die Revolution begann. Der Spartakusbund hatte bis zu diesem Zeitpunkt
sein Organisationsnetz weiter ausgebaut. Er brachte acht verschiedene
Publikationen mit Auflagen von 25.000 bis 100.000 Exemplaren heraus -
zu einem Zeitpunkt, als nahezu die gesamte Leitung der Spartakisten im
Gefängnis saß. Dennoch war der Spartakusbund im Verhältnis zu der
gigantischen Bewegung, die jetzt hereinbrach, winzig klein: Die
Organisation hatte gerade einmal 3.000 Mitglieder.
Rosa Luxemburg befürchtete, dass sich die SPD an die Spitze der
revolutionären Bewegung setzen würde, um sie abzuwürgen. Schon im
Oktober 1918 war die Partei vom angeschlagenen Kaiser in die
Reichsregierung berufen worden. Luxemburg schrieb damals: „Der
Regierungssozialismus stellt sich mit seinem jetzigen Eintritt in die
Regierung als Retter des Kapitalismus der kommenden proletarischen
Revolution in den Weg." Deshalb kämpfe sie nach dem Beginn der
Revolution dafür, dass sich die USPD ohne Wenn und Aber auf die Seite
der revoltierenden Arbeiter und Soldaten stelle. Ihr wesentliches
Argument: Wenn die Revolution nicht weitergetrieben wird, wenn die
Arbeiter den Fabrikherren nicht die Macht entreißen, dann wird die alte
Ordnung zurückkehren und fürchterlich Rache nehmen.
Der Verlauf der Revolution und des bald folgenden Bürgerkriegs sollte
ihr Recht geben, doch im revolutionären Überschwang im November 1918
vertraten Rosa Luxemburg und der Spartakusbund eine
Minderheitenposition. Als die SPD verkündete, sie wolle eine gemeinsame
Regierung mit der USPD bilden, willigte deren Führung ein.
Noch einmal versuchten die Spartakus-Leute, das Ruder rum zu reißen:
Sie forderten einen USPD-Sonderparteitag, um eine Debatte über den
neuen Kurs zu führen. Als sie damit scheiterten, entschieden sie, die
USPD zu verlassen und eine neue Partei zu gründen. Luxemburg
verkündete, dass es „für eine Partei der Halbheit und Zweideutigkeit in
der Revolution keinen Platz mehr" gebe. Die Spartakisten erwarteten
das baldige Auseinanderbrechen der USPD. Zur Bilanz der Arbeit sagte
Luxemburg: „Wir haben der USPD angehört, um aus der USPD
herauszuschlagen, was herausgeschlagen werden kann, um die wertvollen
Elemente der USPD voranzutreiben, um sie zu radikalisieren. Das, was
erreicht wurde, war außerordentlich gering. Mittlerweile dient die USPD
als Feigenblatt für die Ebert-Scheideman."
Vom 30. Dezember 1918 bis zum 1. Januar 1919 fand der
Gründungsparteitag einer neuen Partei statt: Der Kommunistischen Partei
Deutschlands (KPD). Sie war im Wesentlichen eine Zusammenführung des
Spartakusbundes mit den „Bremer Linken". Die Delegierten der
Gründungsversammlungen hatten hohe Erwartungen.
Zunächst stellten sich aber einige ihrer Grundannahmen als falsch
heraus: Die USPD brach nicht auseinander. Im Gegenteil - sie wuchs
rasant: Nachdem die Partei Ende Dezember 1918 die gemeinsame Regierung
mit der SPD verlassen hatte, verdreifachte sich ihre Mitgliederzahl -
von 100.000 im November auf 300.000 im Januar. Eine große
Streikbewegung im Ruhrgebiet, die Bayerische Räterepublik und der
Kapp-Putsch führten zu einem weiteren Wachstum der Partei. Im Oktober
1920 kam sie auf fast 900.000 Mitglieder. Bei der Reichstagswahl im
Juni 1920 erreichte die USPD mit 17,9 Prozent der Stimmen nur knapp
weniger als die SPD, die auf 21,3 Prozent kam. Nicht nur, dass viele
durch die Revolution neu radikalisierte Arbeiter bei der USPD landeten
- die Partei radikalisierte sich auch und bewegte sich nach links.
Die KPD hingegen griff nicht in die Arbeiterschaft aus. Sie wurde
Anfang 1919 verboten und war nach der Ermordung Luxemburgs, Liebknechts
und Jogiches - wenige Wochen nach der Gründung der Partei - ihrer
erfahrensten Führungspersönlichkeiten beraubt. Zudem war sie durch
interne Streitigkeiten gelähmt, die schließlich 1920 zu einer
neuerlichen Spaltung führten. Bei der Juni-Wahl kam sie gerade einmal
auf 2,1 Prozent der Stimmen.
Neues Leben wurde der KPD ausgerechnet durch die Spaltung der Partei
eingehaucht, die viele ihrer Mitglieder zwei Jahre zuvor verlassen
hatten. Rosa Luxemburg hatte Recht behalten: Die USPD zerbrach an ihren
inneren Widersprüchen. Auf dem Parteitag am 12. Oktober 1920 kam es zum
Bruch. Teile der Mitgliedschaft hatten sich so weit nach links
entwickelt, dass sich die Parteitagsmehrheit für einen Zusammenschluss
mit der KPD aussprach. Zwar folgte nicht die gesamte Mitgliedschaft,
dennoch gewann die KPD über Nacht mehr als 300.000 neue Mitglieder und
wurde zu einer Massenpartei. Die Vereinigte Kommunistische Partei
Deutschlands (VKPD) sollte die Weimarer Republik maßgeblich mit prägen.
In der nächsten Ausgabe von marx21 erzählen wir ihre Geschichte.
Zum Autor:
Stefan Bornost ist leitender Redakteur von marx21.