FMLN legt bei den Parlaments- und Kommunalwahlen zu, verliert aber die strategisch wichtige Hauptstadt San Salvador
Am 18. Januar fanden in El Salvador Parlaments- und Kommunalwahlen statt. Wie so oft nach Wahlen reklamieren gleich mehrere Parteien den Sieg für sich. Die Nationale Befreiungsfront Farabundo Martí (FMLN) ist stärkste Kraft im Parlament und wird voraussichtlich in über 35 Landkreisen mehr regieren als bisher. Die ultrarechte Republikanisch-Nationalistische Allianz (ARENA) wiederum hat nach zwölf Jahren die Hauptstadt San Salvador von der FMLN zurückgewonnen. Der Ausgang der Präsidentschaftswahlen im März jedenfalls ist offener als zuvor.
Seit Monaten hat El Salvador auf den 18. Januar
hingefiebert. Doch der Tag, an dem die 84 Abgeordneten des Parlaments,
die 262 BürgermeisterInnen und Kreisräte sowie die 20 Vertreter El
Salvadors im Zentralamerikanischen Parlament neu gewählt wurden, begann
schleppend. Dies lag jedoch nicht an den WählerInnen, die sich
teilweise schon in den frühen Morgenstunden vor den Wahlzentren
eingefunden hatten. Grund war die schlechte Organisation durch den
Obersten Wahlrat (TSE). Zahlreiche Wahllokale öffneten mit enormer
Verspätung. Doch die Menschen ließen sich nicht abschrecken, die
Wahlbeteiligung lag um einige Prozentpunkte höher als noch bei den
letzten Wahlen vor drei Jahren. Am Ende brachte die Generalprobe für
die Präsidentschaftswahlen am 15. März keine eindeutigen Ergebnisse.
Bei den Parlamentswahlen konnte die FMLN in der WählerInnengunst
zulegen und hat sich mit knapp 43 Prozent der Stimmen von 32 auf 35
Parlamentssitze verbessert. Damit liegt sie klar vor der seit 20 Jahren
regierenden ARENA-Partei, die von 34 auf 32 Sitze zurückfiel.
Allerdings ändert sich damit an den Machtverhältnissen im Parlament
nichts Wesentliches. Gemeinsam mit der Partei der Nationalen Versöhnung
(PCN), in den letzten Jahren stets ein treuer Mehrheitsbeschaffer für
ARENA, verfügt die Rechte nämlich nach wie vor über die äußerst knappe
Mehrheit von 43 Sitzen. Das sehr eigenwillige Verhältniswahlrecht nach
Departamentos sichert der drittstärksten Kraft im Parlament nämlich
meist deutlich mehr Sitze als ihr gesamter Stimmenanteil vermuten
lässt. Jedenfalls kam die PCN mit nur knapp neun Prozent der Stimmen
auf elf (bisher zehn) Parlamentssitze von insgesamt 84.
Verständlicherweise verweigert sich die Rechte seit Jahren einer Reform
dieses und anderer Mängel im Wahlsystem El Salvadors.
Die beiden anderen im Parlament vertretenen Parteien haben weiter an
Bedeutung verloren: Die eher konservativen Christdemokraten (PDC) haben
einen Sitz verloren und kommen nun auf fünf Abgeordnete und die
Mitte-Links-Partei Demokratischer Wandel (CD) hat statt wie bisher zwei
nur noch einen Abgeordneten im Parlament und ist somit gerade noch der
Aberkennung des Parteienstatus entgangen. Von der politischen Landkarte
verschwunden ist hingegen die Frente Democrático Revolucionario (FDR),
die als Sammelbecken für ehemalige FMLN-Mitglieder fungierte und nicht
mehr ins Parlament kam.
Mauricio Funes, FMLN-Kandidat für die Präsidentschaftswahlen, zeigte
sich mit dem Abschneiden seiner Partei zufrieden. Ihren Stimmenzuwachs
kann die Partei in der Tat als Erfolg werten. Falls der populäre
ehemalige Fernsehjournalist neben den eigenen AnhängerInnen auch die
Mehrheit der WählerInnen von CD und FDR und zumindest einen Teil
derjenigen der PDC für sich mobilisieren kann, sind seine rechnerischen
Chancen am 15. März sicherlich nicht schlecht. Im Falle eines Wahlsiegs
wird Funes allerdings gegen eine rechte Parlamentsmehrheit regieren
müssen, die ihm sicherlich jeden Stein in den Weg legen wird, den sie
nur irgendwo finden kann.
Aus wahltaktischer Sicht ist allerdings die Kommunalwahlniederlage in
der Hauptstadt San Salvador noch schlimmer für die Linke. Erstmals nach
zwölf Jahren wird mit Norman Quijano wieder ein ARENA-Kandidat das
Bürgermeisteramt übernehmen. Er holte rund 49,5 Prozent der Stimmen
gegenüber Violeta Menjívar von der FMLN, die gut 46 Prozent erreichte.
Verschiedene Umfragen der letzten Monate hatten der bisherigen
Amtsinhaberin von der FMLN einen Vorsprung von bis zu 15 Prozent
gegeben.
Ein Grund für Quijanos Wahlsieg ist sicherlich, dass er ein Vielfaches
an Geld für seinen Wahlkampf zur Verfügung hatte als seine Gegnerin,
womit er zum Beispiel in den Armenvierteln kostenlos Baumaterialien
verteilte. Für die letzten Wochen mietete er sogar einen Zirkus und
konnte so tausenden BewohnerInnen der Hauptstadt ein kostenloses
Familienvergnügen bereiten. Nicht unumstritten war allerdings auch die
erneute Kandidatur Violeta Menjívars, die in ihrer dreijährigen
Amtszeit in Umfragen meist auf eher schlechte Sympathiewerte gekommen
ist.
Für den weiteren Präsidentschaftswahlkampf ist die
FMLN-Kommunalwahlniederlage in der Hauptstadt jedenfalls eine
Steilvorlage für ARENA. Noch am Wahlabend hatte der eher schwache
ARENA-Präsidentschaftskandidat Rodrigo Ávila eine Parallele von der
Hauptstadt zu den Prä sidentschaftswahlen gezogen. Denn auch Ávila
liegt seit Monaten in den Umfragen deutlich hinter Funes. Zudem hatten
siegesgewisse FMLN-Vertreter noch am Wahlmorgen erklärt, der sichere
Sieg Violeta Menjívars sei ein erster Schritt auf dem Weg zum Wahlsieg
bei den Präsidentschaftswahlen.
Wäre nicht die Niederlage in San Salvador, könnte die FMLN mit dem
Ausgang der Kommunalwahlen höchst zufrieden sein. Nach bisher 58 wird
die FMLN nun voraussichtlich über 93 Landkreise regieren. Wie bisher
regiert die FMLN in fast allen bevölkerungsreichen Kommunen des
Großraums San Salvador. Gewonnen hat die Linke aber auch in der
zweitgrößten Stadt Santa Ana und den Departementohauptstädten Usulután
und La Unión. Außer in San Salvador hat ARENA deutlich verloren und
muss das Rathaus in mindestens 27 Kreisen an die Opposition übergeben.
Dabei verfügt ARENA über deutlich mehr finanzielle Mittel, die nicht
nur für massive Wahlpropaganda und Wahlgeschenke, sondern vermutlich
auch weiterhin für einen schmutzigen Wahlkampf eingesetzt werden. Neben
ARENA selbst ist es vor allem die ominöse Fuerza Solidaria aus
Venezuela, die sich der Verleumdung des politischen Gegners
verschrieben hat und zahlreiche Lügen über die FMLN und ihr
Kandidatengespann Mauricio Funes und den Vizepräsidentschaftskandidaten
Salvador Sánchez Ceren verbreitet.
Aber auch die Regierung selbst setzt auf eine Diffamierungskampagne
gegen die FMLN. Anfang Dezember hatte das Verteidigungsministerium
verkündet, in El Salvador existierten 40 bewaffnete illegale Gruppen
und brachte diese mit der FMLN in Verbindung. Der Leiter der
EU-Wahlbeobachterdelegation, Luis Yañez-Barnuevo, hat dies bereits als
ein reines Wahlkampfmanöver abgetan. Trotz mehrmaliger Aufforderung in
den letzten Wochen habe die Regierung, so Yañez-Barnuevo, keinerlei
Beweise vorgelegt.
Kritik gab es jedoch auch am Wahlprozess selbst. Im Landkreis San
Isidro, an der Grenze zu Honduras gelegen, muss die Wahl nachgeholt
werden, nachdem sich die VertreterInnen von FMLN und den anderen
Oppositionsparteien dort geweigert hatten, die Wahllokale zu öffnen.
Ihr Vorwurf: Die örtliche ARENA-Führung habe zahlreiche Personen aus
Honduras mit falschen Ausweisen ausgestattet zur Wahl nach San Isidro
gebracht, um ARENA die Mehrheit zu sichern.
An mehreren Orten des Landes wurden ganze Busse mit Menschen aus den
Nachbarländern Guatemala, Honduras und Nicaragua entdeckt, die, so der
Vorwurf von OppositionsvertreterInnen, zur Wahl angekarrt wurden.
Zusätzlich hätten tausende SalvadorianerInnen aus anderen Landesteilen
noch kurz vor den Wahlen einen Personalausweis mit Wohnsitz San
Salvador erhalten, um die Wahl zugunsten des ARENA-Kandidaten zu
entscheiden.
Der Wahltag selbst verlief relativ ruhig. In den letzten drei Wochen
vor dem 18. Januar war es jedoch zu mehreren gewalttätigen
Zwischenfällen im Wahlkampf gekommen, die zahlreiche Verletzte vor
allem auf Seiten der FMLN zur Folge hatten. Anfang Januar waren sogar
zwei FMLN-Aktivisten im östlichen Departement Morazán von schwer
bewaffneten Männern erschossen worden. María Silvia Guillén,
Präsidentin der Menschenrechtsorganisation FESPAD, macht vor allem
ARENA für die steigende Gewalt verantwortlich.
El Salvador steht bis zur Entscheidung über die Präsidentschaft ein
äußerst harter Wahlkampf bevor. Die Chancen, nach zwanzig Jahren die
Vorherrschaft der Rechten in El Salvador zu brechen, stehen nicht
schlecht. Denn im Gegensatz zum Überraschungssieger Norman Quijano in
San Salvador, der auf eine gewisse Distanz zu ARENA gesetzt hat, wird
Präsidentschaftskandidat Ávila eindeutig mit der aktuelle
ARENA-Regierung von Antonio Saca identifiziert. Als deren
zwischenzeitlicher Polizeichef und Vizeminister für Öffentliche
Sicherheit hat er zwar auf eine „harte Hand“ gesetzt, ist mit der
Reduzierung der enorm hohen Gewaltrate im Land – El Salvador zählt seit
Jahren weltweit zu den Ländern mit den höchsten Raten bei
Tötungsdelikten – jedoch klar gescheitert.
Text: Michael Krämer
Ausgabe: Nummer 416 - Februar 2009