Forum Recht ist großartig!

Eine Lobhudelei zum 25. Geburtstag

Forum Recht (FoR) ist großartig (alles andere ist Quark)! Das verdient zu Beginn eines Jubiläums-Beitrags für FoR exponiert und ausdrücklich festgehalten zu werden. Was FoR so großartig macht - darüber gibt es sicher viele Ansichten, und von allen, die an diesem Projekt beteiligt sein durften, eine eigene Geschichte. Hier sind ein paar Reflexionen meinerseits über die Frage, was FoR großartig macht.

Erster Großartigkeitsgrund

Der erste Grund, warum ich der Meinung bin, das FoR großartig ist, ist, dass es die Zeitschrift nach nunmehr 25 Jahre immer noch gibt. Dass ist keine Selbstverständlichkeit, wenn man sich die Rahmenbedingungen vergegenwärtigt, die nicht unbedingt für eine stabile Kontinuität sprechen. So gibt es bspw. keinen festen Sitz, keine Geschäftsstelle, nichts was auf eine selbstständige Institutionalisierung hindeutet. FoR ist und war nie mehr, als das was die Redakteure und Redakteurinnen eingebracht und zusammen auf die Beine gestellt haben. Am faszinierendsten finde ich aber, dass ein Projekt - und man kann FoR immer nur als Projekt, also als Vorhaben auf Zeit, denken - so lange und trotz aller Schwankungen stabil existiert, das unter dem selbst auferlegten Diktat eines permanent für eine institutionalisierte Fluktuation sorgenden Wechselmechanismus überleben muss. Unerbittlich ist (oder war?) das Gesetz, dass auszuscheiden hat, wer fertig war: in der strickten formellen Variante (gab es sie wirklich oder bilde ich mir das nur ein?), wer über zwei Staatsexamina oder ein gleichwertige Abschlussprüfung oder ein festes Einkommen verfügte, in der etwas weicheren Variante, wer nicht formell sonder materiell als ausreichend arriviert empfunden wurde. Jenseits der individuell tragischen und als einschneidend empfundenen Exklusion sorgt dieses Prinzip also für einen permanenten Wechsel in der Redaktion, der Herzkammer der Zeitschrift.

Was auf den ersten Blick anarchisch, wie Wildwuchs und - eben - kontinuitätsgefährdend erscheint, ist tatsächlich genau das Gegenteil: eine wohl organisierte, trotz aller damit verbundenen Tragiken und Probleme eine lebensverlängernde Frischzellenkur. Denn nichts anderes garantiert, dass die Zeitschrift ihrer Zielgruppe treu bleibt, dass sie auf die jungen, noch in Studium und Ausbildung befindlichen Juristinnen und Juristen ausgerichtet ist, dass sie nicht dem universitär-rechtspolitischen Fluidum entwächst, dass das Projekt sich nicht zu sehr personalisiert und gleichsam mit seinem immer langjährigeren Personal verschmilzt und seine Existenz von den Lebensschicksalen einzelner Projektmacher abhängig wird. Denn ist es nicht so: wo die Alten nicht weggeschickt werden, bleiben sie. Und die Neuen kommen nicht oder gehen wieder ohne wirklich Verantwortung bekommen und getragen zu haben. Wie ein Baum, bei dem die frischen Zweige ausbleiben und die starken Äste irgendwann ihre Lust am Wachstum verlieren und morsch werden. Wechsel heißt leben.

 

Zweiter Großartigkeitsgrund

Trotz dieses permanenten Wechsels verfügt die Zeitschrift über ein erstaunlich professionelles Niveau und eine präzise und disziplinierte Arbeitskultur. In der Rückschau finde ich es faszinierend, wie alle Aufgaben dezentral von Einzelnen erledigt werden, wie sich die beträchtliche Gesamtarbeitslast auf viele Schultern verteilt, wie alle weisungsfrei und eigenverantwortlich zusammenarbeiten und es trotz der nicht geringen Menge an Verantwortungsträgerinnen und -trägern selten dazu kommt, dass es knirscht. Und alles unbezahlt, als ehrenamtliches Engagement. Nochmals: ohne Geschäftsstelle, ohne Infrastruktur, ohne lohnarbeitendes Personal.

Ein Ausdruck dieser disziplinierten und hochprofessionellen Arbeitskultur ist der strukturierte, präzise festgelegte, immer wiederkehrende, mitunter anstrengende, Kräfte zehrende und Schlaf raubende Ablauf der Redaktionswochenenden. Und überhaupt: die sich überlappenden, über mehrere Stationen und Redaktionssitzungen erstreckenden Arbeitsabläufe zur Erstellung der einzelnen Heftausgaben. So werden auf jeder Redaktionssitzung die Artikel für das anstehende Heft intensiv von allen diskutiert, Betreuungen festgelegt und Überarbeitungsaufträge definiert, die Seiten vergeben, die Heft-Titel - ein Schmankerl für Tiefindernacht - erdacht. Für das dann folgende Heft werden die Schwerpunkt-Artikel vergeben, also entschieden, wer was schreiben soll oder wer andere potenzielle Autor/innen anfragt; für das danach folgende Heft wird am Exposé gefeilt. Für die weitere Zukunft müssen Schwerpunktthemen ausgewählt werden. Immer wieder gibt es geschäftliches und personelles (auch persönliches) zu besprechen, ist das Selbstverständnis zu klären (was gehört noch zum Spektrum? Muss mit Binnen-I oder sonst wie geschlechtsneutral geschrieben werden? Ist es Zensur oder Ausdruck von Pressefreiheit, eine Verlautbarung einer akj-Gruppe nicht zu drucken?). Und immer mal wieder muss der Wechsel vorbereitet und organisiert werden.

Ich glaube, FoR wäre für Ethnologen ein hervorragendes Beispiel dafür, wie Kultur tradiert wird. Für die Frage also, wie die Kultur einer Organisation die sie tragenden Individuen überdauert. Für das alles mag es irgendwo Merkzettel und Richtlinien, gar amtliche, in Protokollen festgehaltene Redaktionsbeschlüsse gegeben haben - aber maßgeblich ist doch die mündliche Überlieferung und Art und Weise wie neue Redakteure in die Gruppe aufgenommen, in das kollektive Wissen eingeweiht wurden und ihnen wachsende Verantwortung übertragen wurde.

Ich hatte vorhin eher nebenbei von Lust auf Wachstum gesprochen: aus der Perspektive des Einzelnen ist es vielleicht gerade die Lust auf Wachstum, die bei FoR gefördert wird und sich verwirklichen kann. Denn alles hat irgendwann einen Anfang, und damals war ich stolz dazugehören zu dürfen und ehrfurchtsvoll vor denen, die schon dazu gehörten oder gar den Ton angaben. Die Ehrfurcht schwindet, der Respekt nie, und die Zugehörigkeit, die Gemeinsamkeit wächst. Irgendwann stellt man fest, dass man nicht mehr neu ist. Und noch mal irgendwann später, dass man nun selbst einer von denen geworden ist, die ein bisschen mit Ton angeben. Wenn es vorbei ist, weiß man, dass das auch Warnung hätte sein müssen, denn es ist zugleich der Hinweis darauf, dass alles endlich ist.

 

Dritter Großartigkeitsgrund

Nie davor und nie danach hatte ich das Vergnügen, mit anderen so ernsthaft, verantwortungsvoll, herrschaftsfrei zusammen zu arbeiten, zugleich auf einem solch guten inhaltlichen Niveau engagiert, aber zugleich respektvoll und unverletzend in der Sache zu streiten. Andere Zusammenhänge, die ich kennen gelernt habe, waren entweder von weitaus weniger Hingabe und Ernsthaftigkeit geprägt, oder das Gruppengefüge wies viel deutlichere Hierarchie-Unterschiede auf, oder es ging um Macht und Einfluss, so dass hinter jeder Diskussion zugleich die Machtfrage lauerte. Aus der Sicht der Jura-Studierenden bzw. Referendare bietet die Arbeit in der Redaktion die Möglichkeit, zu fundierten Diskussionen zu allen denkbaren Aspekten des Rechts (nur das Bienenrecht im BGB hatten wir nicht thematisiert), und zwar in einem herrschaftsfreien Setting: keine Benotung, kein Prof, kein Seminarleiter.

FoR hat Freundschaften gegründet, mitunter sogar Familien, und wenn es FoR nicht schon gäbe, müsste man es erfinden. Aber es ist gut, dass es FoR schon gibt - wer weiß, ob heute noch jemand auf die Idee kommen würde, eine solche Zeitschrift zu gründen.


Jochen Goerdeler war Ende der 1990er FoR-Redakteur und ist jetzt Geschäftsführer der Deutschen Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen e.V.