Rechte Tendenzen: „Die Bundeswehr wird nur selten aktiv“

Während die deutsche Nationalhymne lief, soll ein Hilfsausbilder für die Grundwehrdienstleistenden den „Hitlergruß" gezeigt haben - dies war nur einer von 121 gemeldeten extrem rechten Vorkommnissen bei der Bundeswehr im vergangenen Jahr. Wie steht es um rechte Tendenzen in der deutschen Armee? Wir haben darüber mit Lucius Teidelbaum vom Arbeitskreis „Braunzone Bundeswehr?" gesprochen.

utopia: Heute sollen über 1.000 Soldatinnen und Soldaten vor dem Berliner Reichstag aufmarschieren: 400 Angehörige eines Wachbataillons sollen, unterstützt von über 600 anderen Soldaten, ihr „Gelöbnis" ablegen. Die Bundeswehr führt das Zeremoniell absichtlich am 20. Juli durch, dem Tag an dem 1944 ein Anschlag von Wehrmachtsoffizieren auf Adolf Hitler scheiterte. Damit möchte sie sich in die Tradition des so genannten ‚Widerstands' gegen die Nationalsozialisten stellen - ist das legitim?

Lucius Teidelbaum: Grundsätzlich geht es beim Bezug auf die so genannten Stauffenberg-Attentäter um eine Einteilung in ‚gute' und ‚schlechte' Wehrmacht. Die gute Wehrmacht wird - laut Bundeswehr - unter anderem durch Claus Schenk Graf von Stauffenberg und Generalfeldmarschall Erwin Rommel vertreten. Teile der Wehrmacht sollen also von den Verbrechen im Nationalsozialismus freigesprochen werden. Besonders Stauffenberg wird durch die Bundeswehr verklärt und als Vorzeigedemokrat dargestellt - das war er aber überhaupt nicht. Der Kreis der Attentäter bestand aus national-konservativen, zum Teil sogar aus nationalsozialistisch eingestellten Menschen. Unter den Attentätern waren selbst Massenmörder, die an der Judenvernichtung beteiligt waren. Einige ‚Widerständler' wollten nach ihrer Machtergreifung alle Juden ins Ausland deportieren - Antisemitismus war also auch unter ihnen weit verbreitet. Auch die militärischen ‚Widerständler' sind mit nach Polen einmarschiert. Einziger Unterschied zu den anderen Wehrmachts-Anhängern war, dass die ‚Widerständler' das Scheitern des Kriegs erkannten. Dann wollten sie das retten, was zu retten ist. Ein wirklicher Widerstandskämpfer ist Georg Elser, der schon am 8. November 1939 ein Attentat auf Adolf Hitler verübte. Der undogmatische Kommunist ist jedoch gescheitert und wurde später auf Hitlers Befehl hin ermordet. Auf ihn bezieht sich die Bundeswehr nicht.

Erst kürzlich zog die Bundeswehr die wehrmacht-verherrlichenden Handbücher „Einsatznah ausbilden" und „Üben und schießen" aus dem Verkehr. Warum wurden die Inhalte 64 Jahre nach Ende des zweiten Weltkriegs noch immer nicht geändert?

Bei diesen Büchern dachte die Bundeswehr scheinbar, dass sie noch einen gewissen Wert für die Ausbildung neuer Rekrutinnen und Rekruten hätten. Ich würde die Wehrmachts-Verherrlichung in der Bundeswehr aber nicht allein an diesen Büchern fest machen - da gibt es viel mehr. In beinahe jeder Garnison gibt es Traditionsräume in denen die Patenschaften der Bundeswehr-Einheiten mit Wehrmachts-Einheiten festgehalten werden. Nach dem zweiten Weltkrieg haben die Wehrmachts-Einheiten Patenschaften für die neu gegründete Bundeswehr übernommen - was die neue deutsche Armee auch dankend angenommen hat.

Auch beim jährlichen Treffen der Gebirgsjäger im bayerischen Mittenwald soll die Wehrmacht von der Bundeswehr verherrlicht werden...

...zu den Treffen gehörte sogar eine Einheit der Waffen-SS. Auch diese war im Kameradenkreis der Gebirgsjäger organisiert. Noch in diesem Jahr stellte die Bundeswehr ein Blasorchester und einen Redner für das Treffen bereit. Solche Wehrmachts-Bundeswehr-Treffen werden von der Bundeswehr auch nicht kritisch gesehen - der Skandal kam erst nach Kritik von außen. Dass die Wehrmachts-Gebirgsjäger Massaker an Griechen und Italienern vorgenommen haben, spielt bei den jährlichen Treffen ebenfalls keine Rolle, obwohl diese Verbrechen eindeutig bewiesen wurden.

Protest-Mittenwald

Protestaktion gegen das jährliche Treffen von Wehrmachts- und SS-Soldaten in Mittenwald. Auch die Bundeswehr nimmt an dem Treffen teil. Foto: www.geloebnix.de

Weg von der Wehrmacht - hin zur Gegenwart: Der Vorsitzende der rechtsextremen Partei NPD, Udo Voigt, war Offizier in der deutschen Armee und ist noch immer Mitglied im Reservistenverband der Bundeswehr. Ein Einzelfall?

Nein - der Reservistenverband würde das wohl lieber vertuschen. Hätte Udo Voigt beispielsweise nicht in seiner Biografie nicht immer mit seiner Mitgliedschaft geprahlt, hätte es auch keine Probleme gegeben. Nun will der Reservistenverband Voigt loswerden, was aber gar nicht so einfach ist. Es gibt oft NPD-Leute, die bei der Bundeswehr waren. Das gehört in rechtsextremen Kreisen zum guten Ton. Ein weiteres Beispiel ist Karl Richter, der für den NPD-Ableger ‚Bürgerinitiative Ausländerstopp' im Stadtrat von München sitzt. Der hat auch noch vor einigen Jahren Rekruten ausgebildet.

Bekleiden die Rechtsextremisten denn eher niedere Ränge in der Bundeswehr-Hierarchie oder gibt es auch in der Führungsebene extrem rechte Tendenzen?

Es gibt einige Generäle, die sich nach ihrer Bundeswehr-Karriere als extrem rechts geoutet haben. Als sie noch im aktiven Dienst waren, haben sie sich das meist nicht getraut, heute halten diese Leute beispielsweise Vorträge vor Burschenschaften oder schreiben für national-konservative Medien. Zu nennen ist dabei vor allem der Geschichtsrevisionist und ehemalige Bundeswehr-Generalmajor Gerd Schultze-Rhonhof. Er hat militärisches Fachwissen und sagt eben genau das, was extrem rechte Kreis hören wollen, beispielsweise dass Deutschland den zweiten Weltkrieg nicht begonnen hat. Die Bundeswehr kann die Leute aber auch rausschmeißen: Der ehemalige Brigadegeneral der Armee-Spezialeinheit Kommanod-Spezialkräfte - KSK - Reinhard Günzel musste schon während seiner Zeit als Bundeswehr-Ausbilder die Armee verlassen, da er sein antisemitisches Weltbild öffentlich machte.

Es gab schon zahlreiche Skandale um extrem rechte Tendenzen in der deutschen Armee. Wie geht die Bundeswehr mit Rechtsextremisten in ihren Reihen um?

Von selbst wird die Bundeswehr nur selten aktiv. Erst wenn Ereignisse an die Außenwelt gelangen - in die Medien - handelt die deutsche Armee und die Leute werden manchmal auch bestraft. Die rechtsextremen Vorfälle, die in die Öffentlichkeit gelangen, sind aber nur die Spitze des Eisbergs. Ob so etwas überhaupt gemeldet wird, hängt viel von den verschiedenen Einheiten ab - ob ein Offizier es meldet, wenn seine Untergebenen rechtsextreme Musik hören, ist unterschiedlich. Vielleicht hört er die Musik ja sogar selbst und sympathisiert. Vieles wird auch schlicht ignoriert.

Kommen diese Tendenzen denn von außen - sprich von neuen Rekrutinnen und Rekruten in die Bundeswehr - oder entspringen sie der Armee selbst?

Sowohl als auch. Viele Neonazis gehen in die Bundeswehr und wollen den Umgang mit der Waffe erlernen. Viele Rechtsextremisten wollen sich bei der Bundeswehr auf einen laut ihrer Ideologie unvermeidlichen ‚Rassenkrieg' vorbereiten - auch wenn viele die deutsche Armee als angebliche ‚Hilfstruppe der USA' kritisch sehen. Durch die Wehrmachts-Tradition, die sich die Bundeswehr selbst gibt, wird die Anziehungskraft auf Rechtsextremisten natürlich noch verstärkt. Die militaristischen Rechten gehen in der Bundeswehr gerne in bestimmte Einheiten, die auch für ihre extrem rechten Tendenzen bekannt sind: Gebirgsjäger, Fallschirmspringer und Kommando-Spezialkräfte. In diesen Einheiten häufen sich rechtsextreme Vorfälle auffällig.

Interview: Michael Schulze von Glaßer

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