Alles wie immer, nur schlimmer

Die Krise und falsche Vorstellungen davon

in (23.09.2009)

Die Krise ist in aller Munde. Der linke Mainstream wähnt sich auf dem Vormarsch – weil doch die Leute jetzt endlich mal begreifen müssten, dass der Kapitalismus scheiße ist – und präsentiert seine Analysen und Gegenkonzepte, die noch immer so problematisch sind wie vor der Krise.

Im März 2009 rief der Spitzenkandidat der Linkspartei, Lothar Bisky, dazu auf, den „Sumpf aus Gier und Spekulation“ trockenzulegen. Er wetterte gegen „maßlos übersteigertes Renditestreben“ und mangelnde „gesellschaftliche Solidarität“. Ähnliches lässt auch Oskar Lafontaine vom Stapel. Dieses Gepolter ist zwar nichts Neues, aber immer noch problematisch: Nicht nur Bisky geht davon aus, dass es im Kapitalismus ein normales, unschädliches Renditestreben gebe. Dabei ist dem Prinzip der Kapitalakkumulation zunächst keine Grenze gesetzt. Jede_r Kapitalist_in ist gezwungen, immer mehr zu erwirtschaften, weil er oder sie sonst von der Konkurrenz platt gemacht wird. Die einzige Grenze ist die Krise, in der die Überproduktion vernichtet wird. In der momentanen Krise ist es die Überakkumulation im Finanzsektor: In Form von Hypotheken gemachte Versprechen können nicht eingelöst werden. Die betroffenen Banken sind nicht mehr liquide und bekommen deswegen auch kein Geld von anderen Banken geliehen.

Prinzip Gewinnmaximierung

Nicht nur Banken werden von der Krise geschädigt: Derzeit ist auch die europäische und amerikanische Autoindustrie in ihrer Existenz bedroht, weil sie mehr verkaufen müsste, als der Markt ihr abnimmt. Durch Konkurrenz dazu gezwungen, produzieren Firmen immer mehr, bis sie keinen Absatz mehr für ihre Produkte finden. Ohnehin ist es nicht sinnvoll, die Ökonomie in böse Banken und gute Fabrikant_innen aufzuteilen: Beide Teile arbeiten nach dem Prinzip der Gewinnmaximierung, das sich im Zweifel einen Dreck um die beteiligten Menschen schert.

Die Unterscheidung zwischen einer guten Real- und einer bösen Finanzwirtschaft ist nicht nur falsch, sondern auch gefährlich: Sie verleitet dazu, die negativen Seiten des Kapitalismus als Gier zu externalisieren und einer Gruppe in die Schuhe zu schieben, die nicht mehr zum Kollektiv gehört: Für viele – auch für einige Linke – sind das vor allem amerikanische Manager_innen; für gestrige und heutige Nazis ist diese Gruppe das internationale Finanzjudentum. Im Gerede von „den Bankern von der Ostküste“ gehen Antiamerikanismus und Antisemitismus Hand in Hand.

Nicht alle denken, dass allein das persönliche Verschulden von Manager_innen die Krise hervorgebracht hat. Einige Linke finden den Kapitalismus deshalb schlimm, da die Gewinne immer nur den Reichen zufließen würden. Grade in der Krise, wo Millionen Menschen arbeitslos werden und eine halbe Milliarde Euro für die Sanierung der Banken bereitgestellt wird, zeige sich diese Ungerechtigkeit. Als Gegenmodell wird eine demokratische Kontrolle der Wirtschaft und eine solidarische Verteilung der Gewinne vorgeschlagen. Zwar wird so der Kapitalismus als Problem genannt, nur wird das Problem nicht erkannt, das der Kapitalismus ist: Die unterschiedliche Verteilung der Gewinne ist nur das Ergebnis einer verqueren Logik.

Produktion für die Produktion

Auch wenn die Manager_innen Boni in Millionenhöhe bekommen, sind diese Boni immer noch Peanuts im Vergleich zu den Summen, die vom Gewinn wieder reinvestiert werden, damit die Produktion erweitert weitergehen kann. Der Kapitalismus produziert zwar eine Klassengesellschaft, diese ist jedoch nur das Ergebnis einer Produktion um der Produktion willen, in der die Bedürfnisse aller Menschen – egal ob reich oder obdachlos – nachrangig sind. Armut und Elend für einige und Arbeitszwang für alle sind das alltägliche Ergebnis dieser Produktionsweise, auch dann, wenn es gerade keine Krise gibt.
Es bleibt offen, warum eine Regulierung dieser Elendsmaschine, die nur staatlich vonstatten gehen kann, überhaupt eine politische Forderung sein sollte. Sie macht weder als radikale Forderung Sinn, noch ist sie im aktuellen politischen Tagesgeschäft durchsetzbar. Die Mehrheit der Gesellschaft ist momentan für die Abschaffung der bestehenden Gesellschaftsordnung nicht zu haben, auch nicht die Linkspartei. Wer nur in Krisenzeiten auf die Straße geht, hat mit dem kapitalistischen Alltag wohl kein Problem. Wenn Leute nur gegen die Krise auf die Straße gehen, die angeblich andere verursacht haben und für die sie nicht zahlen wollen, kann mensch lange auf ein emanzipatorisches Bewusstsein warten. Dagegen gilt es an einer Kritik der Gesellschaft festzuhalten, die aufs Ganze zielt.