Gemeinsam Stärke zeigen - Der bundesweite Bildungsstreik 2009

Während des Bildungsstreiks 2009 erhoben bundesweit 250000 Menschen gemeinsam ihre Stimme für ein alternatives Bildungswesen.

Das deutsche Bildungssystem ist während derletzten Jahre schwerwiegend verändert worden. Massive politische und wirtschaftliche Eingriffe, wie die Einführung von Bildungsgebühren, die Privatisierung des Bildungssektors und eine Verkürzung der Bildungszeit stellen nur einige wenige Beispiele für diesen Abwärtstrend dar.

Die Auswirkungen reichen weit über die Lehr- und Bildungsinstitutionen (Hoch)Schule hinaus. Nicht nur die beruflichen Aussichten werden stark vom Bildungsstand beeinflusst, sondern auch finanzielle Einkünfte, soziale und kulturelle Standards und Lebensqualität. Die Bildung einer Person definiert zudem sehr stark deren sozialen Status in der Gesellschaft. Besser ausgebildete Menschen genießen ein höheres Ansehen als solche, denen ein höheres Bildungsniveau verwehrt wurde.

Der Bildungsstreik 2009 sollte Bewegung in die Diskussion um das Bildungswesen bringen. Die Forderungen des Streiks knüpfen an eine weltweit laufende Protestwelle, sowie eine Globale Aktionswoche des „International Students Movement“ vom 20. – 29. April 2009 an.

Der Bildungsstreik war eine bundesweite Aktionswoche, welche vom 15. – 19. Juni 2009 in rund 80 Städten im ganzen Lande stattgefunden hat. Während des Streiks kam es neben Demonstrationen zu subversiven Protesten wie den Blockaden und Besetzungen. von Kreuzungen und Unigebäuden und den medienwirksamen „Banküberfällen“. Den Streik organisierte ein Aktionsbündnis aus etwa 100 verschiedensten gesellschaftlich-sozialen Gruppierungen und Organisationen. Höhepunkt der Aktionswoche waren die dezentralen Demonstrationen am Mittwoch, den 17. Juni.

Mit der Streikwoche wollte das Aktionsbündnis seine Forderungen zur Schaffung eines anderen, besseren Bildungssystems für Deutschland lautstark auf die Straßen tragen.

An denHochschulen sollen Zulassungsbeschränkungen und wirtschaftliche Zwänge abgebaut werden. Außerdem wird die Abkehr vom Bologna-Prozess, insbesondere von Bachelor-/Master-Studiengängen, gefordert.
Auf Seiten der SchülerInnen gehört die „Schule für  Alle“ und die Abschaffung des mehrgliedrigen Schulsystems genauso zu den Forderungen wie die Beibehaltung der Möglichkeit, neun Jahre auf das Gymnasium zu gehen und nicht in acht Jahren durch die Schule gehetzt zu werden. Mehr demokratische Mitbestimmung stand sowohl bei SchülerInnen als auch Studierenden auf der Agenda.

Gut besuchte Demonstrationen und kreative Proteste brachten das Thema Bildung in die Medien und in die Politik. Die Kultusministerkonferenz (KMK) fühlte sich zum Ende der Streikwoche dann doch zu einem Gespräch mit VertreterInnen des Bildungsstreikes genötigt. Die Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) Dr. Margret Wintermantel zeigte Verständnis für die Kritik an der schlechten Betreuungssituation an den Schulen und Hochschulen, schloss sich jedoch ansonsten Bildungsministerin Annette Schavan an. Sicherlich müßte am Kurrikulum der einzelnen Studiengänge und des verkürzten Abiturs noch gearbeitet werden, der Bologna-Prozess sei jedoch auf europäischer Ebene alternativlos und Studiengebühren seien für einen verbesserte Lehre notwendig.
Wenn sich nun am 7. Juli auf Grund der Proteste Vertreter der HRK, der KMK, der Studierenden, der SchülerInnen und die Bildungsministerin zu einer „Studentischen Bologna-Konferenz“ treffen, ist kein bildungspolitischer Richtungswechsel zu erwarten.
Dass Protestaktionen dennoch Einfluss auf die Politik haben können, hat sich während der StudentInnenproteste gegen die Studiengebühren gezeigt. Sie konnten die Einführung eines Bezahlstudiums hinauszögern und teilweise verhindern. Zu hoffen ist, dass eine relevante Zahl der Protestierenden sich nun weiter in Interessensvertretungen und auf der Straße  der neoliberalen Bildungspolitik entgegenstellt und gleichzeitig emanzipatorische Bildungskonzepte entwirft. Denn - Bologna ist nicht alternativlos.

erschienen in tendenz 1/2009