Kapitalismus und „natürliche Grenzen"

Eine kritische Diskussion ökomarxistischer Zugänge zur ökologischen Krise1

in (17.10.2009)

Angesichts der sich immer deutlicher abzeichnenden Folgen des Klimawandels scheint die Rede von den „Belastungs"- oder „Tragfähigkeitsgrenzen" der Erde aktueller denn je zu sein. Bekannt geworden ist die Grenzen-Metapher vor allem durch die Studie des Club of Rome von 1972 (Meadows et al. 1972). Sie trägt den Titel „Die Grenzen des Wachstums" und fordert den Verzicht auf ein weiteres Wachstum der Weltbevölkerung sowie des globalen Material- und Energieverbrauchs als Voraussetzung für ein Überleben sicherndes „globales Gleichgewicht". Heute stehen die Treibhausgas-Emissionen im Vordergrund von Grenzen-Debatten. Diese - so die Botschaft einschlägiger Studien und Szenarien (Stern 2006, IPCC 2007) - müssen in den kommenden Jahren drastisch reduziert werden, um den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf höchstens zwei Grad Celsius zu begrenzen und damit den Klimawandel beherrschbar zu halten. Gefordert sei ein selektives Wachstum von „Zukunftsmärkten", die der Nachhaltigkeit und der Lebensqualität dienen. Dagegen solle schrumpfen, „was die Übernutzung von Ressourcen und Senken sowie die Risikoverlagerung begünstigt oder den sozialen Zusammenhalt beschädigt" (Wuppertal Institut 2008: 113).

Zwischen der Debatte der 1970er Jahre und den aktuellen Diskussionen gibt es einen wichtigen Unterschied. Damals galt das Bevölkerungswachstum in einem malthusianischen2 Sinne als jene Bedrohung, die die Erde an ihre „natürlichen Grenzen" führt (Ehrlich 1968, Hardin 1968). Die Umwelt wurde begriffen als „eine endliche Quelle grundsätzlich unveränderlicher und wesentlicher Elemente, die dem menschlichen Handeln absolute Grenzen setzen" (Robbins 2004: 8). Die gesellschaftlichen Verhältnisse, die sich in die Natur einschreiben, wurden dadurch naturalisiert und konzeptionell zum Verschwinden gebracht. Heute dagegen werden „natürliche Grenzen" meist als sozial vermittelt konzeptualisiert (obgleich im Kontext der Klimawandelfolgen in Ländern des Südens die Frage des Bevölkerungswachstums nach wie vor als ein zentrales „Belastungs"-Problem benannt wird). Dies dürfte auch ein Verdienst ökomarxistischer Arbeiten sein, die die malthusianischen Prämissen älterer Deutungen der ökologischen Krise schon früh kritisiert und den sozialen Charakter dieser Krise sowie den politischen Charakter der Krisendefinitionen deutlich gemacht haben. Die Grenzen der Belastbarkeit von Natur sind demnach durch die kapitalistische Produktionsweise vermittelt. Dieses Begriffsverständnis knüpft an Marx' und Engels' „doppelte Strategie gegen Malthus" an: „das Bestreiten von natürlich gesetzten Grenzen, aber das Anerkennen von historisch veränderlichen sozial gesetzten Grenzen" (Benton 1989: 60; vgl. O'Connor 1998: Kap. 6).

Ökomarxistische Zugänge zur ökologischen Krise, und hierin vor allem das Konzept der „Grenze", stehen im Mittelpunkt der folgenden Ausführungen. Ziel ist es, ihre Potenziale und Restriktionen sowohl theoretisch als auch empirisch, d.h. in Bezug auf ihren Erklärungswert für aktuelle ökologische Krisenphänomene, auszuloten. Unsere These ist, dass das Grenzen-Konzept, wie es im Ökomarxismus Verwendung findet, weiter spezifiziert und stärker mit anderen, sich ebenfalls auf Marx berufenden Zugängen zur ökologischen Krise verbunden werden muss. Konkret gilt es, den unterschiedlichen Formen einer politischen Bearbeitung der ökologischen Krise, mittels derer kapitalistische Gesellschaftsformationen ihre Grenzen hinausschieben können, mehr Beachtung zu schenken. Ferner sollten neben den globalen und systemischen Bedrohungen, die vor allem in der Zukunft ihre Wirkung entfalten, auch die lokalen Konflikte, in denen sich die ökologische Krise bereits heute auf vielfältige Art und Weise artikuliert, stärker in Rechnung gestellt werden.

Im folgenden Abschnitt rekonstruieren wir die ideen- und zeitgeschichtlichen Hintergründe sowie zentrale Aussagen und wichtige Einsichten des Ökomarxismus. Auf einer allgemeinen Ebene zeichnet sich letzterer dadurch aus, dass er zum einen die Aussagen von Marx über ökologische Fragen rekonstruiert, Marx also als einen Kritiker der ökologischen Konsequenzen des Kapitalismus liest (Castree 2000: 18), und zum anderen die ökologische Destruktivität des Kapitalismus mit den zentralen Kategorien der (ökonomischen) Schriften von Marx begreift. Unter diese allgemeine Definition fallen viele Beiträge, von denen wir hier nur eine Auswahl behandeln können. Wir konzentrieren uns auf solche Arbeiten, in denen der Begriff der Grenze eine zentrale Rolle spielt, in denen also anknüpfend an Marx und über diesen hinaus gehend ein Konzept der Krise und Grenze der kapitalistischen Produktionsweise entwickelt wird, das auf deren ökologischer Destruktivität beruht. Im Vordergrund stehen die Arbeiten von James O'Connor, Elmar Altvater und Ted Benton.3 Im zweiten Abschnitt problematisieren wir das Grenzen-Konzept, indem wir die Verschiedenheit kapitalistischer Naturverhältnisse und ökologischer Krisenphänomene herausarbeiten. Zu diesem Zweck verbinden wir zentrale Einsichten des Ökomarxismus mit solchen des Konzepts der gesellschaftlichen Naturverhältnisse sowie der critical political ecology und illustrieren unsere Ausführungen mit aktuellen empirischen Beispielen.


1. Der ökomarxistische Begriff von den natürlichen Grenzen

Ökologische Fragen fanden in der marxistischen Tradition lange Zeit nur wenig Beachtung. Benton (1989) und Lipietz (1998) haben hierfür verschiedene Ursachen benannt. Wie gesehen war die ökologische Debatte zu Beginn des letzten Drittels des 20. Jahrhunderts von malthusianischen Sichtweisen geprägt. Gemäß Benton (1989: 52) hat dies dazu geführt, dass ökologische Politik von ihren sozialistischen Kritikern mit einem „'natural limits' conservatism" gleichgesetzt und zurückgewiesen wurde. Dazu kam, dass Umweltprobleme von der aufkommenden Ökologiebewegung vorrangig als Menschheitsfragen verstanden wurden, wodurch ihr Klassencharakter im Dunklen blieb. Wenn sich letzterer zeigte, dann geschah dies nicht zuletzt derart, dass es sich bei den ProtagonistInnen des Umweltschutzes oft um Angehörige der Mittelklasse handelte, deren Interesse an einer sauberen Umwelt nicht selten mit dem gewerkschaftlichen Interesse an der Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen - unabhängig von deren ökologischen Implikationen - kollidierte. Ökologischen Fragen wurde deshalb von der traditionellen Linken in der „Hierarchie der Bedürfnisse" eher ein niedriger Stellenwert eingeräumt (vgl. ebd.: 52).4 Aber auch das Werk von Marx selbst, vor allem das Kapital, ist Benton und Lipietz zufolge aus einer ökologischen Perspektive problematisch. In ihm geht es um den Doppelcharakter der Arbeit, der darin besteht, dass die kapitalistische Produktion gleichzeitig Arbeits- und Verwertungsprozess, abstrakte, Wert schaffende Arbeit und konkrete, Natur transformierende und Gebrauchswert schaffende Arbeit, ist. Beide Prozesse sind nicht voneinander zu trennen. Es ist jedoch die abstrakte, Wert schaffende Arbeit, in der die Dynamik der Kapitalakkumulation gründet und die deshalb den zentralen Gegenstand des Marxschen Kapital darstellt. Dem Prozess der konkreten Arbeit hat Marx dagegen weniger Beachtung geschenkt. Vor allem, so die Kritik von Benton, hat er die natürlichen Bedingungen und Grenzen des Arbeitsprozesses gegenüber seinem schöpferischen, diese Grenzen transzendierenden und deshalb emanzipatorischen Potenzial vernachlässigt. Das Interesse von Marx galt der Herrschaft von Menschen über Menschen, weniger aber der Herrschaft der Menschen über die Natur. Letztere, so die Marx-Interpretation von Benton und Lipietz, war eher ein Medium der Emanzipation: Durch die Transformation von Natur im Arbeitsprozess befreie sich die Menschheit von natürlichen Zwängen und unterwerfe die Natur ihrer Kontrolle. Damit schaffe sie gleichzeitig die Voraussetzungen für die Überwindung herrschaftsförmiger Produktionsverhältnisse, mithin der Herrschaft von Menschen über Menschen. Benton sieht hierin grundsätzliche Defizite und Grenzen im Konzept des Arbeitsprozesses bei Marx und Engels. „Each of these limits and defects contributes to an overall exaggeration of the potential transformative power of such labour-processes, at the expense of any full recognition of their continued dependence upon and limitation by other non-productive labour-processes, by relatively or absolutely non-manipulable contextual conditions, and by naturally mediated unintended consequences" (Benton 1989: 74).

Diese Einschätzung blieb in der ökomarxistischen Debatte nicht unwidersprochen. Foster etwa hat Marx gegen seine ökologischen und ökomarxistischen KritikerInnen mit dem Hinweis verteidigt, dass Marx, beeinflusst vor allem von Justus von Liebig und seinen Erkenntnissen über die chemische Zusammensetzung des Bodens, im Kapital die Unterbrechung des Bodennährstoffkreislaufs als ernsthaftes Problem thematisiert habe: Mit der Intensivierung der agrarischen Produktion im Zuge des Aufkommens der industriellen Landwirtschaft werden dem Boden im großen Ausmaß Nährstoffe entzogen, aber - wegen der forcierten Trennung von Stadt und Land und damit der Orte der Erzeugung von den Orten des Verbrauchs - nicht wieder zugeführt.5 Die Reproduktion der Bodenfruchtbarkeit wird dadurch erschwert, die Böden werden ausgelaugt. „For Marx, this was part of the natural course of capitalist development" (Foster 2000: 156). Als Konsequenz daraus habe Marx, so Fosters Schlussfolgerung, nicht nur die kapitalistische Landwirtschaft kritisiert, sondern auch ein Konzept von ökologischer Nachhaltigkeit entwickelt (ebd.: 164). Diese Verteidigung vernachlässigt jedoch einen aus der Perspektive anderer ökomarxistischer Autoren entscheidenden Punkt. Zwar hat sich Marx zweifellos mit den destruktiven Auswirkungen der kapitalistischen Produktionsweise auf die menschliche und nicht-menschliche Natur beschäftigt (siehe dazu ausführlich Jacobs 1997); ebenso hat er thematisiert, dass schlechte Ernten zu ökonomischen Krisen führen können. Allerdings hat er, darauf weist O'Connor (1988) hin, keinen Begriff der spezifischen Krise der kapitalistischen Produktionsweise ausgearbeitet, die letztere durch ihre ökologische Destruktivität selbst heraufbeschwört.

Marx ging es mithin primär um die ökologischen Folgen kapitalistischen Wirtschaftens, weniger aber um die systemischen Grenzen, die diese Folgen der kapitalistischen Produktionsweise setzen. Statt in den (externen) natürlichen Bedingungen verortet er die systemischen Grenzen des Kapitalismus in seiner immanenten, im Verhältnis von Produktivkraftentwicklung und Produktionsverhältnissen wurzelnden Widersprüchlichkeit. Insofern hat Marx zwar einen Begriff der ökologischen Krise entwickelt. Was ihm aber fehlt bzw. was nur in Ansätzen bei ihm vorkommt,6 ist eine ökologische Theorie der Krise der kapitalistischen Produktionsweise.

Die Herausforderung, die sich dem Marxismus vor diesem Hintergrund und angesichts der Verschärfung der ökologischen Krise ab dem letzten Drittel des 20. Jahrhunderts stellte, bestand somit darin, einen nicht-malthusianischen Begriff von den natürlichen Bedingungen und Grenzen der kapitalistischen Produktionsweise zu entwickeln. Ein wichtiger Schritt in diese Richtung ist der bereits erwähnte programmatische Aufsatz O'Connors über „Capitalism, Nature, Socialism" von 1988, der auch den Beginn des gleichnamigen Zeitschriftenprojekts markiert. Darin untersucht O'Connor die dem Kapital innewohnende Tendenz, die Bedingungen kapitalistischer Produktion beständig zu untergraben, so dass diese nicht mehr in ausreichender Qualität und Quantität bzw. nur noch zu steigenden Kosten zur Verfügung stehen. Bei diesen Bedingungen handelt es sich um Arbeitskraft, natürliche Bedingungen (fruchtbare Böden, schiffbare Wasserläufe, Bodenschätze etc.) und die von Marx so genannten „allgemeinen Produktionsbedingungen" (Marx 1974: 422 ff.), vor allem Transport- und Kommunikationsinfrastrukturen (siehe ausführlich O'Connor 1998: Kap. 7). Gemeinsam ist ihnen O'Connor zufolge, dass sie auf eine Weise produziert und reproduziert werden, die „typischerweise" nicht unmittelbar durch das Wertgesetz bestimmt ist (ebd.: 145 ff.),7 dass sie aber durch eine vom Wertgesetz bestimmte Ökonomie beeinträchtigt oder zerstört werden, womit diese sich selbst die Grundlage entzieht. Hatte sich marxistische Krisentheorie bis dahin primär mit der „Überproduktion" von Kapital und Waren beschäftigt, so nimmt O'Connor die - so seine Terminologie - „Unterproduktion" der Produktionsbedingungen in den Blick. In dieser Unterproduktion sieht er die „second contradiction" der kapitalistischen Produktionsweise begründet: den Widerspruch zwischen Produktivkräften und Produktionsverhältnissen einerseits und den Produktionsbedingungen andererseits (im Unterschied zur „first contradiction", dem Widerspruch zwischen Produktivkräften und Produktionsverhältnissen). „An ecological Marxist account of capitalism as a crisis-ridden system focuses on the way that the combined power of capitalist production relations and productive forces self-destruct by impairing or destroying rather than reproducing their own conditions (‚conditions' defined in terms of both their social and material dimensions)" (O'Connor 1988: 25). Entsprechend definiert O'Connor die „Grenzen des Wachstums" als gesellschaftliche Kategorie: „'Limits to growth' thus do not appear, in the first instance, as absolute shortages of laborpower, raw materials, clean water and air, and urban space, and the like, but as high-cost laborpower, resources, and infrastructure and space" (O'Connor 1998: 243).

Zur gleichen Zeit wie O'Connor entwickeln Elmar Altvater und Ted Benton (unabhängig voneinander) einen marxistischen Begriff der ökologischen Krise, der sich von dem O'Connors in einem wichtigen Punkt unterscheidet. Zwar sehen auch sie die Grenzen des Kapitalismus in dessen Tendenz, die Bedingungen seiner eigenen Existenz zu untergraben. Jedoch gehen sie über die von Polanyi8 inspirierte dualistische Sichtweise O'Connors insofern hinaus, als sie die Bedrohung der externen Produktionsbedingungen mit der immanenten sozial-ökologischen Widersprüchlichkeit des kapitalistischen Produktionsprozesses erklären. Ihr Ausgangspunkt ist die Marxsche Überlegung, dass die kapitalistische Produktion zugleich Arbeitsprozess und Verwertungsprozess ist, wobei beide Prozesse in einem Spannungsverhältnis zueinander stehen. Der Zweck kapitalistischer Produktion besteht bekanntlich nicht in der Herstellung von Gebrauchswerten, sondern in der Produktion und Realisierung von Mehrwert. Die Gebrauchswerte von Waren sind für das Kapital nur insofern interessant, als Waren ein bestimmtes Bedürfnis befriedigen müssen, damit sie nachgefragt werden und der in ihnen vergegenständlichte Mehrwert realisiert werden kann. Aus diesem Grund steht die kapitalistische Produktionsweise in einem höchst widersprüchlichen Verhältnis zu den besonderen Qualitäten von Natur: Sie transformiert Natur in einem Ausmaß und mit einem Entwicklungsgrad der Produktivkräfte wie keine andere Produktionsweise vor ihr, ist mithin unter stofflichen Gesichtspunkten hochgradig abhängig von Natur und macht sich deren besondere Qualitäten zunutze, um immer neue Bedürfnisse zu kreieren sowie Produkte und Technologien zu ihrer Befriedigung zu entwickeln. Gleichzeitig, und insofern sie dem Wertgesetz folgt, abstrahiert sie von diesen Abhängigkeiten, ist also gleichgültig gegenüber den raum-zeitlichen Besonderheiten von Natur. Mithin untergräbt die kapitalistische Produktion als Verwertungsprozess genau jene sozial-ökologischen Voraussetzungen, auf die sie als Arbeitsprozess angewiesen ist (vgl. Altvater 1987: 100 ff.).

Benton setzt hier insofern einen anderen Akzent als Altvater, als er nicht nur - mit Marx - die ökologische Blindheit der kapitalistischen Produktion als Verwertungsprozess betont, sondern - in kritischer Abgrenzung von Marx - die destruktiven Tendenzen der Natur transformierenden Arbeit selbst hervorhebt. Der Fokus seiner Kritik liegt auf der „transformativen intentionalen Struktur" des Arbeitsprozesses, in der Marx ja gerade auch ein emanzipatorisches Moment gesehen hat, weil die Natur durch ihre Transformation mittels Arbeit der menschlichen Kontrolle unterworfen werde. Benton sieht in dieser Vorstellung die Gefahr, von den nicht-beeinflussbaren Kontextbedingungen und nicht-intendierten Folgen des Arbeitsprozesses zu abstrahieren (und stellt der transformativen deshalb eine an „ökologischer Selbstregulierung" orientierte intentionale Struktur gegenüber). Die transformative intentionale Struktur des Arbeitsprozesses selbst ist es, die dessen - letztlich selbstzerstörerische - Indifferenz gegenüber seinen materiellen Bedingungen und Grenzen begründet, während dagegen die von Altvater als Problemkern identifizierte Tatsache, dass der kapitalistische Arbeitsprozess gleichzeitig Verwertungsprozess ist, diese Indifferenz lediglich „intensiviert" (Benton 1989: 83).9

Altvaters spezifischer Beitrag in den 1980er und 1990er Jahren besteht u.a. darin, dass er die ökologische Destruktivität des kapitalistischen Produktionsprozesses in der Begrifflichkeit der Thermodynamik fasst.10 Demnach stellt sich das Verhältnis zwischen Verwertungs- und Arbeitsprozess als Widerspruch zwischen der Zirkularität bzw. Reversibilität des Kapitalkreislaufs einerseits und der Irreversibilität von Stoff- und Energietransformationen andererseits dar. Dieser Widerspruch ist so lange bearbeitbar, wie kapitalistische Gesellschaftsformationen über ein Außen verfügen, aus dem Stoffe und Energie zugeführt werden können und welches als Senke für Emissionen genutzt werden kann. Diese Voraussetzung ist insofern nicht mehr gegeben, als „mit der Einbeziehung nahezu aller Regionen des Globus in das Verwertungsfeld des modernen Kapitalismus die Energietankstellen und Müllhalden nicht mehr einer ‚anderen Welt' angehören, sondern Teil der ‚Einen Welt' geworden sind" (Altvater 1991: 262). Dem ließe sich - darauf weist Altvater selbst hin - entgegenhalten, dass die Erde auch dann ein thermodynamisch offenes System bleibt, wenn sie sich zu einem ökonomisch geschlossenen System entwickelt hat. Denn sie wird von der Sonne mit Energie versorgt und führt Wärme und damit Entropie ins All ab. Allerdings gilt dies nur noch eingeschränkt in Zeiten des Klimawandels, der ja gerade dadurch verursacht wird, dass die Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre die Abstrahlung von Wärme ins All behindert. Diesem Zusammenhang widmet sich Altvater in einer jüngeren Arbeit (Altvater 2005) und knüpft dabei an eine Überlegung Braudels an, derzufolge ein „äußerer Stoß" - im Verein mit den internen Widersprüchen des finanzgetriebenen Akkumulationsregimes - den Zusammenbruch des „Kapitalismus, wie wir ihn kennen", herbeiführen werde. Dieser äußere Stoß wird verursacht durch die Erschöpfung der fossilen Ressourcen, vor allem des Erdöls, und die Überlastung der natürlichen Senken (Klimawandel), welche die Verbrennung von Öl, Gas und Kohle bewirkt. Fossile Energieträger sind der kapitalistischen Produktionsweise „höchst angemessen" (ebd.: 85). Denn erst ihr Einsatz ermöglicht die Produktivitätssteigerungen, die Abstraktion von Raum und Zeit11 sowie die Mobilität und Flexibilität, wie sie für den Kapitalismus wesentlich sind (ebd.: 78 ff.). Gegenüber seinen früheren Arbeiten nimmt Altvater hier eine Akzentverschiebung vor, die ihn näher an die Polanyische Perspektive O'Connors heranführt: Die Auseinandersetzung mit der immanenten sozial-ökologischen Widersprüchlichkeit des kapitalistischen Produktionsprozesses rückt gegenüber der Denkfigur eines Dualismus zwischen der kapitalistischen Ökonomie und ihrer natürlichen Umwelt in den Hintergrund. Der Kapitalismus stößt „nicht wegen der inneren Widersprüche und Krisen, sondern vor allem wegen der äußeren Grenzen der Natur an Schranken" (Altvater 2005: 219; ähnlich bereits Altvater/Mahnkopf 1996: Kap. 2.2 und 14).

Ein Kerngedanke des Ökomarxismus, der sich an dieser Stelle zusammenfassend festhalten lässt, ist, dass die kapitalistische Produktionsweise aus sich selbst heraus - das scheint sich in Zeiten von peak oil12 und Klimawandel deutlich abzuzeichnen - nicht in der Lage ist, die Reproduktionsnotwendigkeiten von Mensch und Natur als Grenzen ihrer eigenen Entfaltung anzuerkennen. Eben deshalb stößt sie tendenziell an die Grenzen ihrer eigenen Existenz. Die Aufhebung und Missachtung natürlicher Grenzen, die in der Früh- und Hochzeit des Kapitalismus wesentlich zur Entfesselung der Produktivkräfte beitrug, führt den Kapitalismus ab einem bestimmten Punkt an seine systemischen Grenzen.


2. Natürliche Grenzen und postfordistische Naturverhältnisse

Der Ökomarxismus hat die Diskussion über die Grenzen des Wachstums und der Belastbarkeit der Erde auf ein hohes theoretisches Niveau gehoben und wesentlich zur Überwindung ihrer ursprünglich malthusianischen Grundannahmen beigetragen. Hierin liegt sein unzweifelhaftes Verdienst. Allerdings bleiben bestimmte Fragen offen, die auch mit einem nicht-malthusianischen Gebrauch des Grenzen-Konzepts allein nicht beantwortet werden können, deren Beantwortung es vielmehr erfordert, dieses Konzept noch stärker zu problematisieren und dabei zu spezifizieren und um andere Konzepte zu erweitern. Dies tun wir im Folgenden mittels eines „Dialogs" zwischen dem Ökomarxismus und anderen kritischen Zugängen zur ökologischen Krise, vor allem dem Konzept gesellschaftlicher Naturverhältnisse und der critical political ecology.


2.1. Die Verschiedenheit kapitalistischer Naturverhältnisse

Ein erstes Problem ergibt sich daraus, dass die ökomarxistische Argumentation sich epistemologisch primär auf einer systemischen bzw. strukturtheoretischen Ebene bewegt. Es geht ihr darum, die ökologische Destruktivität aufzuzeigen, die in den Strukturprinzipien der kapitalistischen Produktionsweise gründet. Diese Herangehensweise ermöglicht, wie im zweiten Abschnitt gesehen, wichtige Einsichten. Sie thematisiert allerdings nur unzureichend, wie die kapitalistischen Strukturprinzipien ihre Wirkung konkret entfalten und wie sie modifiziert oder auch gebrochen werden. Das hat zur Folge, dass räumliche und zeitliche Unterschiede und Veränderungen der kapitalistischen Naturverhältnisse kaum eine Rolle spielen.

In den jüngeren Arbeiten von Altvater liegt der Analysefokus auf dem fossilistischen Energieregime, das den Kapitalismus „zu den Höchstleistungen der vergangenen mehr als zwei Jahrhunderte" aufgeputscht hat (Altvater 2005: 85); von diesem ausgehend analysiert er die ökologischen Widersprüche des Kapitalismus. Neuere Entwicklungen wie die zunehmende Inwertsetzung genetischer Ressourcen, wie sie etwa von Haug (2001) mit dem Begriff des „Biokapitalismus" oder von Brand und Görg (2003) mit dem Konzept der „postfordistischen Naturverhältnisse" beschrieben werden (siehe auch Brand et al. 2008), werden dabei jedoch kaum thematisiert. Sie zu berücksichtigen ist aber insofern wichtig, als sie neben der Destruktivität kapitalistischer Naturverhältnisse auch auf deren Transformations- und Anpassungsfähigkeit verweisen. Bei aller - von Altvater zu Recht betonten - Kontinuität sind die kapitalistischen Naturverhältnisse eben auch von Brüchen gekennzeichnet, in denen sich andere Formen der Naturaneignung andeuten. So werden mit der Entwicklung der Biotechnologien neue, genetische Ressourcen konstituiert, die für relevante Kapitalgruppen wie die Saatgut- und Pharmaindustrie von großer Bedeutung sind. Diese Ressourcen unterscheiden sich von den fossilen dadurch, dass ihre Nutzung nicht mit ihrer materiellen Transformation und damit ihrer Zerstörung einhergeht, sondern gerade ihren Schutz voraussetzt, weil das Verwertungsinteresse nicht ihren stofflichen oder energetischen Eigenschaften, sondern den Informationen gilt, die ihr Erbgut enthält. „Schutz der Natur, so ließe sich die Transformation umschreiben, findet nicht mehr im Kontrast zu Formen ihrer kapitalistischen Nutzung statt, sondern als ein inhärentes Element ihrer Inwertsetzung" (Görg 2003a: 286).

Es gibt mithin verschiedene kapitalistische Naturverhältnisse, in denen sich die ökologische Destruktivität des Kapitalismus unterschiedlich stark artikuliert. Diese Verschiedenheit nimmt nicht nur die Form einer zeitlichen Abfolge, sondern auch einer Koexistenz bzw. Konkurrenz an. So kann die fordistische Form der Rohstoffaneignung und -verwertung eine Bedrohung für die postfordistische sein: Wenn Regenwald großflächig abgeholzt wird, um das Holz industriell zu verwerten, um sich die fossilen oder mineralischen Rohstoffe anzueignen, die sich in seinem Boden befinden, oder um neue Flächen für den Anbau von Agrartreibstoffen zu erschließen, dann geht damit eben jene biologische Vielfalt verloren, an der Saatgut- oder Pharma-Unternehmen interessiert sind. Umgekehrt kann die Unterschutzstellung bestimmter Territorien zum Zweck ihrer biotechnologischen Verwertung den Interessen von Öl- oder Gaskonzernen zuwiderlaufen. Hierbei handelt es sich um Interessengegensätze zwischen verschiedenen Kapitalfraktionen. Sie können sich in Konflikten manifestieren, deren Verlauf und institutionelle Regulierung viel über die raum-zeitlich spezifische Gestaltung kapitalistischer Naturverhältnisse und damit auch über die Fähigkeit des Kapitalismus aussagen, seine ökologischen Widersprüche zu bearbeiten.

Auch im Hinblick auf die Entwicklung des Energieregimes müssten u.E. weitere Optionen in Betracht gezogen werden. Altvater geht davon aus, dass zwischen dem Kapitalismus, wie wir ihn kennen, und den fossilen Energieträgern ein systematischer Zusammenhang besteht. Konkret spricht er von einer „trinitarische(n) Kongruenz von kapitalistischen Formen, fossilen Energieträgern und europäischer Rationalität" (Altvater 2005: 72). Das bedeutet im Umkehrschluss, dass mit der Erschöpfung der fossilen Energieträger, wie sie sich angesichts von peak oil andeutet, auch der uns bekannte Kapitalismus an seine Grenzen gerät. Denn mit solarer Flussenergie ist es „heute und möglicherweise in aller Zukunft unmöglich, das Tempo der kapitalistischen Akkumulation [...] zu halten" (ebd.: 81). Die Alternativen, die sich angesichts dessen ergeben, sind ein „Imperium der Barbarei" (ebd.: 21) und eine auf solidarischer Ökonomie und erneuerbaren Energien beruhende Gesellschaftsordnung. Was bei dieser Analyse zu wenig in Betracht bezogen wird, ist z.B. die Möglichkeit eines green capitalism, in dessen Rahmen zumindest in bestimmten Teilen der Welt die ökologische ebenso wie die Energie- und Wirtschaftskrise hegemonial bearbeitet würden.13 In diese Richtung weist etwa die Wüstenstrom-Initiative „Desertec", die die Errichtung eines solarthermischen Großkraftwerks in der Sahara vorsieht (Balsmeyer 2009). Ein solches Projekt würde im Erfolgsfall die von Altvater den fossilen Energien zugeschriebenen und für den Kapitalismus wesentlichen Leistungen (wie die Ermöglichung einer orts- und zeitunabhängigen Energieversorgung) auf erneuerbarer Basis erbringen. Der systemische Zusammenhang zwischen kapitalistischen Formen und fossilen Energieträgern würde dadurch in einem wichtigen Bereich, der Elektrizitätsversorgung, aufgebrochen; Altvaters Annahme, dass sich auf erneuerbarer Basis keine Großkraftwerke betreiben ließen, dass die Versorgung mit erneuerbaren Energien also vorrangig dezentrale Versorgungssysteme erfordere (Altvater 2005: 87), wäre dann zumindest für diesen Bereich nicht haltbar.

Auf der systemischen bzw. strukturtheoretischen Ebene, auf der sich die ökomarxistische Diskussion überwiegend bewegt, lässt sich die Verschiedenheit kapitalistischer Naturverhältnisse nicht angemessen fassen. Auch eine Ergänzung dieser Betrachtungsweise durch eine Analyse sozialer Gegenbewegungen gegen die kapitalistischen Strukturzwänge, wie sie Altvater und O'Connor vornehmen, reicht hierzu nicht aus.14 Das heißt nicht, dass diese Untersuchungsebenen nicht wichtig wären. Im Gegenteil, auf ihnen lassen sich grundlegende Widersprüche, soziale Formen und emanzipatorische Potenziale zu ihrer Überwindung identifizieren. Um die Chancen progressiver Alternativen aber konkret einzuschätzen und die vielfältigen Ausprägungen der strukturellen Widersprüche sichtbar zu machen, bedarf es weiterer, intermediärer Kategorien, die zwischen der Struktur- und der Akteursebene vermitteln. Dazu gehören etwa hegemonie- und staatstheoretische Konzepte sowie die von der Regulationstheorie entwickelten Konzepte der institutionellen Form und der Regulationsweise (vgl. Brand/Görg 2003: Kap. 1). Die Verschiedenheit kapitalistischer Entwicklungsmodelle und Naturverhältnisse, die sich mit diesen Kategorien fassen lässt, macht sowohl eine Bearbeitung als auch eine Verschärfung der ökologischen Widersprüchlichkeit des Kapitalismus denkbar, worauf Lipietz (1998: 68) in einer Auseinandersetzung mit O'Connor hinweist.

Bei Altvater selbst finden sich durchaus Hinweise auf die Fähigkeit des Kapitalismus, seine inhärenten Widersprüche zu bearbeiten, etwa dort, wo er unter Bezugnahme auf das Foucaultsche Gouvernementalitätskonzept die Verinnerlichung neoliberaler Prinzipien durch die Subalternen untersucht (Altvater 2005: 188 ff.) oder mit Gramsci auf die stabilisierenden Potenziale zivilgesellschaftlicher Institutionen verweist (ebd.: 218 f.). Allerdings sieht er die Wirkungsweise solcher Mechanismen auf soziale Herrschaftsverhältnisse und ökonomische Krisen beschränkt, eine entsprechende Regulation der gesellschaftlichen Naturverhältnisse hält er für unwahrscheinlicher: „Gegenüber gesellschaftlichen Konflikten und gegenüber ökonomischen Krisentendenzen können Gesellschaft und Politik, wie Gramsci ausführt, stabilisierende Abwehrmechanismen entwickeln. Gegenüber den Grenzen der Natur auf der Seite der Ressourcen (vor allem Peakoil) und der Senken (Klimakollaps) ist dies ungleich schwieriger und vielleicht sogar (ich drücke mich vorsichtig aus) hoffnungslos. Die geforderte Veränderung des gesellschaftlichen Naturverhältnisses ist so radikal, dass die tradierten Reproduktionsformen des Kapitalismus, wie wir ihn kennen, und mit ihm die Hegemonie des Bürgertums in Frage gestellt sind" (ebd.: 219).15

Auf der Grundlage einer kategorischen Gegenüberstellung der Regulation gesellschaftlicher Verhältnisse und der Regulation der Naturverhältnisse ist es naheliegend, die ökologische Krise in Begriffen der „Barbarei" (ebd.: 84) oder - positiv - der solidarischen Ökonomie zu denken. Aus der Perspektive des Konzepts „postfordistische Naturverhältnisse" stellt sich dies anders dar. Die von Altvater zurecht konstatierte zunehmende Gewaltförmigkeit des Kapitalismus, wie sie aus den bereits stattfindenden oder noch zu erwartenden (militärischen) Konflikten um die zur Neige gehenden fossilen Ressourcen resultiert, korrespondiert in großen Teilen der Welt - Altvater weist selbst darauf hin - mit der Hegemonie fossilistischer Konsummuster (motorisierter Individualverkehr, Billigflüge, Fleischkonsum). Das wirft die Frage auf, ob wir es vielleicht weniger mit einem „Imperium der Barbarei" als mit einer „fragmentierten Hegemonie" (Brand 2004) zu tun haben. Wie diese genau funktioniert, d.h. von welchen gesellschaftlichen Kräfteverhältnissen sie getragen wird und über welche Institutionen sie sich reproduziert, wird im Rahmen des Konzepts der gesellschaftlichen (postfordistischen) Naturverhältnisse untersucht. Aus dieser Perspektive geraten ferner Entwicklungen in den Blick, die eine weitere Zunahme der Gewaltförmigkeit nicht als unausweichlich erscheinen lassen, ohne dass die Herrschaftsförmigkeit kapitalistischer Naturverhältnisse dadurch aufgehoben würde. Dazu gehören die in jüngerer Zeit intensivierten Bemühungen, Erdöl durch Agrartreibstoffe teilweise zu ersetzen. Sofern sie im Sinne der treibenden Kräfte erfolgreich sind, könnten sie nicht nur die Abhängigkeit der industrialisierten und sich industrialisierenden Länder vom Erdöl reduzieren, sondern auch neuen bi- und multilateralen Allianzen zwischen Produzenten- und Konsumentenländern Vorschub leisten. Politisch-institutionell könnte eine solche Konstellation durch ein intensiviertes Management der ökologischen Krise im Rahmen multilateraler Abkommen abgesichert werden. Die Grenzen des Kapitalismus, auch in seiner fossilistischen Form, erwiesen sich in diesem Fall als flexibler, als das Konzept peak oil und die Vorstellung der Bruchlinie, die es transportiert, nahe legen. Sie ließen sich von dominanten Akteuren durchaus verschieben, um ein sozial und räumlich exklusives, gleichzeitig aber wichtige Akteure des Südens einschließendes „Weiter so" zu ermöglichen. Dass dies aus einer emanzipatorischen Perspektive alles andere als wünschenswert ist, steht außer Frage. Gerade die intensivierte Agrartreibstoff-Produktion ist sozial und ökologisch desaströs (siehe McMichael 2008 sowie Pye in diesem Heft). Aber gerade deshalb wäre es wichtig, solche und andere denkbare Entwicklungen stärker in Betracht zu ziehen, ihre treibenden Kräfte, Akteurskonstellationen und institutionellen Bearbeitungsformen sowie ihre Widersprüchlichkeit zu untersuchen und die konkreten Bedingungen und Ansatzpunkte emanzipatorischer Alternativen zu identifizieren.


2.2. Die Vielfältigkeit der ökologischen Krise

Ein zweites Feld, wo uns eine Problematisierung des Grenzen-Konzepts und eine Ergänzung der ökomarxistischen Perspektive um andere kritische Zugänge zur ökologischen Krise notwendig erscheinen, ist das Verhältnis von Materialität und Produktion von Natur. Dieses ist u.E. am systematischsten im Konzept der gesellschaftlichen Naturverhältnisse ausgearbeitet worden, das sich dabei auf die Kritische Theorie, aber auch auf den Marxschen Begriff vom Doppelcharakter der Arbeit stützt (siehe v.a. Görg 2003a, 2009; einführend Köhler/Wissen 2009). Natur ist symbolisch wie materiell sozial produziert.16 Das, was sich uns heute als „Natur" darstellt, ist in weiten Teilen von Menschen gestaltet worden, etwa durch Flussbegradigungen, das Trockenlegen von Sümpfen oder das Roden bzw. Anlegen von Wäldern. Selbst die tropischen Regenwälder und die vielen scheinbar menschenleeren Landschaften Nordamerikas haben eine menschliche Geschichte, d.h. sie sind Jahrhunderte lang von indigenen Gemeinschaften bewirtschaftet worden (Hecht 1998). Nur analytisch von diesen materiellen Formen der Produktion zu trennen ist die symbolische Produktion von Natur. Diese bedeutet, dass Natur erst vermittelt über bestimmte (sprachliche) Repräsentationen eine gesellschaftliche Bedeutung erhält. Das zeigt sich etwa an der Rede von „natürlichen Ressourcen". Holz, Wasser, Erze, Erdöl, Steinkohle oder die Gene von Pflanzen und Tieren sind nicht „an sich" natürliche Ressourcen, sondern nur in Bezug auf historisch-spezifische gesellschaftliche Bedürfnisse, die von einer Vielzahl von Faktoren geprägt werden (Entwicklung der Produktivkräfte, vorherrschende Produktionsweise, Geschlechterverhältnisse etc.). Ihre symbolische Produktion als Ressourcen geht Hand in Hand mit ihrer materiellen Nutzung. Allerdings ist Natur nicht beliebig materiell produzierbar. Vielmehr verfügt sie über eine Eigenständigkeit bzw. eine eigene - wenn auch in der Regel gesellschaftlich überformte - Materialität, die sich in der Erfahrung äußert, „dass man von den ökologischen Bedingungen sozialer Reproduktion nicht beliebig abstrahieren kann" (Görg 2003b: 124), ohne Krisen hervorzurufen. Görg nennt dies im Anschluss an Adorno die „Nichtidentität von Natur".

Auf einer allgemeinen Ebene sowie mit unterschiedlichen Begründungen und Gewichtungen finden sich ähnliche Überlegungen auch in anderen kritischen Zugängen zum Verhältnis von Gesellschaft und Natur. Allerdings gibt es zwischen diesen Zugängen wichtige Unterschiede hinsichtlich der Frage, was Produktion und Materialität genau bedeuten und wie ihr Verhältnis zueinander begriffen werden kann. Im Ökomarxismus findet die Materialität von Natur in Begriffen wie Produktionsbedingungen (O'Connor) oder Kontextbedingungen (Benton) sowie in der Verwendung thermodynamischer Konzepte (Altvater) Berücksichtigung. Vor allem äußert sie sich als Grenze, an die die kapitalistische Produktion gerät, weil sie als Verwertungs- bzw. „transformativer" Arbeitsprozess die besonderen Qualitäten von Natur missachtet und dadurch eine Reihe von nicht-intendierten Wirkungen zeitigt, die ihre eigenen Reproduktionsbedingungen untergraben. Dieses Verständnis von Materialität korrespondiert mit einem bestimmten Begriff der Produktion von Natur: Indem er der Natur seine Verwertungs- bzw. Transformationslogik oktroyiert, produziert der Kapitalismus Natur negativ, d.h. in Gestalt von Umweltzerstörungen; in letzter Konsequenz produziert er sie als seine eigene Schranke. Was in der ökomarxistischen Perspektive auf die Produktion von Natur dagegen weniger berücksichtigt wird, ist, dass der Kapitalismus Natur auch auf eine Weise produziert, die nicht unmittelbar und auch nicht notwendigerweise auf die große Krise zusteuert, die aber trotzdem herrschaftsförmig ist und sich immer wieder an der Materialität von Natur bricht. Dies zeigt sich etwa in der Privatisierung und Liberalisierung der Wasserversorgung oder der durch eine Stärkung privater Rechte an geistigem Eigentum abgesicherten Kommodifizierung von biologischer Vielfalt. Beides kann für Menschen existenzbedrohend bzw. existenzerschwerend sein, sei es, weil ihnen, wie im Fall der Wasserprivatisierung, der Zugang zum wichtigsten Lebensmittel indirekt verwehrt wird, sei es, weil ihnen, wie im Fall der Stärkung exklusiver Rechte an genetischen Ressourcen, die Verfügungsmöglichkeiten z.B. über Saatgut entzogen werden. Beide Erscheinungsformen kapitalistischer Produktion von Natur sind aber auch widersprüchlich. Zum einen entzünden sich an ihnen soziale Konflikte, zum anderen kann sich Natur gegen solche Formen der Inwertsetzung „sperren" bzw. können diese nicht-intendierte Folgen hervorrufen. So kann die Kommodifizierung der biologischen Vielfalt etwa den Saatguttausch verunmöglichen und damit solchen nicht-kapitalistischen sozialen Praktiken die Existenzgrundlage entziehen, die die zu kommodifizierende Vielfalt erst hervorgebracht haben. Die Privatisierung und Liberalisierung der Trinkwasserversorgung kann daran scheitern, dass Wasser sich nicht ohne weiteres über große Entfernungen und in jede Richtung transportieren lässt und dass man Wasser unterschiedlicher Herkunft und Zusammensetzung nicht ohne weiteres mischen kann, ohne dass es dabei zu Qualitätsverlusten kommt.

Ökomarxistische Autoren bestreiten solche Phänomene der alltäglichen kapitalistischen Produktion von Natur (die überdies eng verbunden ist mit ungleichen Geschlechter- und rassistischen Unterdrückungsverhältnissen) und ihrer Widersprüchlichkeit nicht. Allerdings bedingt der ökomarxistische Fokus auf den systemischen Grenzen, an die der Kapitalismus aufgrund seiner eigenen ökologischen Destruktivität gerät, dass die alltäglichen und konkreteren Formen der Naturproduktion, der ökologischen Krise und der damit einher gehenden Konflikte bei ihnen nicht im Zentrum stehen. Daran wird deutlich, dass das Grenzen-Konzept nicht ausreicht, um die ökologische Krise in einem umfassenden Sinn zu begreifen. Es bedarf vielmehr der Ergänzung durch Konzepte wie das der gesellschaftlichen Naturverhältnisse oder die critical political ecology (Bryant/Bailey 1997, Peet/Watts 2004, Robbins 2004). Beide nehmen stärker als der Ökomarxismus die Verschränkung von sozialen und ökologischen Fragen in den Blick: Wo das Grenzen-Konzept eine prinzipielle Verschiedenheit zwischen sozialer Herrschaft und Naturbeherrschung suggeriert - soziale und ökonomische Krisen sind im Rahmen des vorherrschenden Typs von Kapitalismus bearbeitbar, bei ökologischen ist das fraglich - fragen sie danach, wie sich soziale Macht- und Herrschaftsverhältnisse gerade über bestimmte Formen der Naturbeherrschung herstellen und reproduzieren. Macht gründet mithin in der Chance, die eigenen Interaktionen mit der Umwelt sowie die Interaktionen anderer mit der Umwelt zu kontrollieren (Bryant/Bailey 1997: 39). Ergänzend zu den systemischen Grenzen gesellschaftlicher Naturverhältnisse gerät so ihr demokratischer Gehalt (Swyngedouw 2004: 24) in den Blick, die ökologische Krise wird als Verteilungsfrage begreifbar.17 Damit wird die globale Bedrohung durch den Klimawandel nicht geleugnet. Jedoch wird sie verstärkt unter der Frage untersucht, welche soziale Ungleichheiten der Klimawandel und die Formen seiner politischen Bearbeitung hervorrufen, festigen oder verschärfen.


3. Schlussfolgerungen

Welche Schlussfolgerungen ergeben sich aus diesen Ausführungen für das Konzept der „natürlichen Grenzen"? Wie gesehen hat der Ökomarxismus gegenüber naturalistischen Ansätzen deutlich gemacht, dass natürliche Grenzen als sozial vermittelte, genauer: als kapitalistisch produzierte begriffen werden müssen. Er hat eine ökologische Krisentheorie kapitalistischer Gesellschaftsformationen entwickelt, die auf dem Grundgedanken beruht, dass letztere, indem sie von ihren natürlichen Bedingungen abstrahieren, potenziell selbstzerstörerisch sind. Bei der Ausformulierung und theoretischen Begründung dieses Gedankens gibt es Unterschiede zwischen den diskutierten Autoren sowie innerhalb des Werks einzelner Autoren: Während O'Connor und der „späte" Altvater mit Polanyi (und Braudel) davon ausgehen, dass der Kapitalismus nicht wegen seiner immanenten Widersprüche, sondern wegen „der äußeren Grenzen der Natur" an Schranken stößt, haben der „frühe" Altvater und Benton in Anknüpfung an Marx argumentiert, dass es gerade die immanenten Widersprüche des Kapitalismus sind, die diesen an seine Schranken führen. Das eine Mal wird das Verhältnis von Gesellschaft und Natur eher dualistisch, das andere Mal dialektisch gefasst.

Bei der Diskussion der Potenziale und Probleme des ökomarxistischen Grenzen-Konzepts sowie beim Versuch, dieses mit Einsichten der critical political ecology und des Konzepts der gesellschaftlichen Naturverhältnisse zu verbinden, sind zwei Punkte deutlich geworden: Erstens bedarf das Grenzen-Konzept einer weiteren Spezifizierung. In der Weise, wie es im Ökomarxismus gebraucht wird, zeigt es zwar auf einer systemischen Ebene die ökologischen Widersprüche des Kapitalismus auf. Wie diese aber kleingearbeitet und reguliert werden können, so dass ein breiteres Spektrum an Alternativen zum Kapitalismus und innerhalb desselben sichtbar wird, thematisiert der Ökomarxismus weniger. Anders das Konzept der gesellschaftlichen Naturverhältnisse: Anknüpfend an die Regulationstheorie verweist es auf die Verschiedenheit kapitalistischer Naturverhältnisse und betont neben der ökologischen Destruktivität auch die Transformationsfähigkeit kapitalistischer Gesellschaften, die es diesen ermöglicht, ihre Grenzen selbstadaptiv hinauszuschieben. Grenzen müssen also nicht nur als sozial vermittelt, sondern auch als relational begriffen werden. Sie stellen nicht notwendigerweise eindeutige Bruchlinien dar. Eher handelt es sich „um Korridore der Elastizität, innerhalb derer Ökosysteme in der Lage sind, Störungen zu verarbeiten. Grenzen sind deshalb dynamisch und nicht mit Sicherheit bestimmbar - aber trotzdem real" (Wuppertal Institut 2008: 117).

Zweitens bedarf es einer Ergänzung des Grenzen-Konzepts, die stärker als dieses die Verschränkung von gesellschaftlichen Herrschaftsverhältnissen und herrschaftsförmigen Naturverhältnissen in den Blick nimmt. Das ist kein Plädoyer für eine anthropozentrische Perspektive, die den Eigenwert und die Materialität von Natur missachten und einen einfachen Kausalzusammenhang zwischen der Beseitigung sozialer Herrschaft und der Aufhebung von Naturbeherrschung unterstellen würde. Vielmehr geht es darum, neben der „negativen" Produktion von Natur als Grenze kapitalistischer Gesellschaftsformationen die vielfältigen, nicht notwendigerweise an diese Grenze führenden, dabei aber trotzdem herrschaftsförmigen Prozesse der Produktion von Natur sowie die Krisen und Konflikte, die sich an ihnen entzünden, stärker in den Blick zu nehmen. Dabei spielt - und dies ist ein wichtiger Berührungspunkt zwischen (frühen) ökomarxistischen Arbeiten und dem Konzept der gesellschaftlichen Naturverhältnisse - das Marxsche Konzept vom Doppelcharakter der Arbeit eine zentrale Rolle, da sich mit ihm die Indifferenz des Kapitalismus gegenüber den besonderen Qualitäten von Natur begreifen lässt. In dieser umfassenden Perspektive auf die ökologische Krise sehen wir den Sinn einer Verbindung verschiedener kritischer Ansätze, wie wir sie in diesem Beitrag versucht haben. Sie soll es ermöglichen, ein genaueres Bild aktueller und künftiger Entwicklungen zu zeichnen und Ansatzpunkte emanzipatorischer Alternativen zu identifizieren.


Literatur

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Endnoten

1 Die Idee zu diesem Beitrag geht auf einen gemeinsamen Vortrag zurück, den wir anlässlich des BUKO-Seminars: „Wie grün soll die Linke sein? Herrschende Naturverhältnisse und emanzipatorische Alternativen" im Februar 2008 in Meuchefitz (Wendland) gehalten haben. Für wichtige Kommentare einer früheren Fassung des Beitrags danken wir Ulrich Brand und Achim Brunnengräber.

2 Der Ökonom Thomas Robert Malthus (1766-1834) identifizierte in seinem 1798 erschienenen Buch Essay on the Principle of Population die „Überbevölkerung" als zentrales gesellschaftliches Problem. Sie resultiere daraus, dass die Bevölkerungszahl exponentiell, die Nahrungsmittelproduktion aber nur linear steige. Malthus sah hierin eine Gesetzmäßigkeit, er hatte also keinen Begriff von unterschiedlichen Produktionsweisen bzw. Gesellschaftsformationen. Die Beschreibungen der ökologischen Krise im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts folgten oft malthusianischen Argumentationsmustern, insofern sie einen sozial - d.h. durch Klassen-, Geschlechter- oder rassistische Unterdrückungsverhältnisse - nicht weiter vermittelten Zusammenhang zwischen menschlichen Aktivitäten und Umweltproblemen unterstellten.

3 Unser Fokus auf dem Grenzen-Konzept begründet, dass wichtige AutorInnen, die sich ebenfalls aus einer marxistischen Perspektive mit Natur und ökologischer Krise beschäftigt haben, hier entweder nicht oder nur am Rande behandelt bzw. zur Kritik der behandelten Ökomarxisten herangezogen werden. Das gilt etwa für Alfred Schmidt (1971) und seine Rekonstruktion des Marxschen Naturbegriffs, für David Harvey (1996) und seine Arbeit über die Produktion von Natur und sozial-räumlicher Ungleichheit oder für Alain Lipietz, der sich mit dem Verhältnis von Arbeiter- und Ökologiebewegung befasst und sich dabei explizit von den hier behandelten Ökomarxisten abgegrenzt hat (Lipietz 1998). Eine umfassendere Diskussion des Ökomarxismus, die neben den hier behandelten auch weitere von Marx inspirierte Arbeiten zu Natur und ökologischer Krise berücksichtigt, findet sich in zwei wichtigen Beiträgen von Castree (2000, 2002).

4 Lipietz (1998) hat allerdings darauf verwiesen, dass es neben wichtigen Unterschieden eine „Familienähnlichkeit" zwischen sozialistischer und ökologischer Politik gebe, die u.a. in dem Streben nach „großen Veränderungen" liegt. Dazu kommt, dass ökologische Fragen von Beginn an auch als Klassenfragen begriffen wurden, nämlich dann, wenn es um Gesundheit am Arbeitsplatz ging oder wenn die sozial unterschiedliche Vulnerabilität gegenüber ökologischen Bedrohungen offenkundig war. Das erleichterte den Dialog zwischen traditioneller Linker und ökologischen Bewegungen, auf den Benton (1989: 52) hinweist und den er sich zu stärken bemüht.

5 Siehe dazu den Abschnitt über „Große Industrie und Agrikultur" des Kapitels „Maschinerie und große Industrie" im ersten Band des Kapital: „Mit dem stets wachsenden Übergewicht der städtischen Bevölkerung, die sie in großen Zentren zusammenhäuft, häuft die kapitalistische Produktion einerseits die geschichtliche Bewegungskraft der Gesellschaft, stört sie andrerseits den Stoffwechsel zwischen Mensch und Erde, d.h. die Rückkehr der vom Menschen in der Form von Nahrungs- und Kleidungsmitteln vernutzten Bodenbestandteile zum Boden, also die ewige Naturbedingung dauernder Bodenfruchtbarkeit" (MEW 23: 528). Insofern trifft auch die Auffassung von Czeskleba-Dupont und Tjaden (2008: 843) nicht zu, Marx klammere „die Reproduktion der Bevölkerung und des Naturhaushalts eines Gebiets [...] aus dem theoretischen Modell kapitalistischer Ökonomie aus" (zur Kritik dieser Auffassung siehe auch Haug 2008).

6 Siehe etwa die folgende Bemerkung, mit der der schon zitierte Abschnitt über „Große Industrie und Agrikultur" im ersten Band des Kapital endet: „Die kapitalistische Produktion entwickelt (...) nur die Technik und Kombination des gesellschaftlichen Produktionsprozesses, indem sie zugleich die Springquellen alles Reichtums untergräbt: die Erde und den Arbeiter" (MEW 23: 529 f.).

7 „Typischerweise" wäre hier zu betonen. Denn die allgemeinen Produktionsbedingungen können, darauf hat schon Marx hingewiesen, durchaus auch privat hergestellt werden, nämlich dann, wenn „der Kapitalist den Weg verwerten, (...) seinen Wert durch Austausch realisieren" kann (Marx 1974: 424). Marx bezeichnet dies als die „höchste Entwicklung des Kapitals". Sie ist dann erreicht, „wenn die allgemeinen Bedingungen des gesellschaftlichen Produktionsprozesses nicht aus dem Abzug der gesellschaftlichen Revenu hergestellt werden, den Staatssteuern (...), sondern aus dem Kapital als Kapital" (ebd.: 431).

8 Karl Polanyi hat in seinem erstmals 1944 veröffentlichten Buch „The Great Transformation" dargelegt, wie sich das „Wirtschaftssystem", das in vorkapitalistischen Gesellschaftsformationen in das „Gesellschaftssystem" integriert war, im Kapitalismus aus seinem gesellschaftlichen Kontext entbettet und dabei Gefahr läuft, seine eigenen sozialen und natürlichen Existenzbedingungen zu zerstören (Polanyi 1995).

9 Diese Betonung der destruktiven Dimensionen des Arbeitsprozesses hat insofern ihre Berechtigung, als sie davor bewahrt, die zunehmende Kontrolle von Natur als Medium gesellschaftlicher Emanzipation zu begreifen, der der Kapitalismus den Weg bahnt und die durch die Überwindung der kapitalistischen Produktionsverhältnisse abgeschlossen wird. Das Problem liegt gleichwohl darin, dass es der hier zugrunde gelegte allgemeine Begriff von Arbeitsprozess in letzter Konsequenz verunmöglicht, die spezifisch kapitalistischen Ursachen ökologischer Probleme zu identifizieren. Dazu kommt, dass die Unterscheidung zwischen „transformativen" und „ökoregulatorischen" Arbeitsprozessen letztlich unklar bleibt. Zur Kritik an Benton siehe auch Grundmann (1991).

10 Wichtig ist für Altvater vor allem der zweite Hauptsatz der Thermodynamik, demzufolge durch Prozesse der Stoff- und Energietransformation die Entropie (das Raumvolumen von Energie) gesteigert wird, mit der Folge einer irreversibel abnehmenden Qualität und damit Nutzbarkeit von Energie.

11 Fossile Ressourcen lassen sich über weite Strecken transportieren, müssen also nicht am Ort ihrer Extraktion eingesetzt werden. Sie sind unabhängig vom Strahlenfluss der Sonne und ermöglichen die räumliche Konzentration ökonomischer Aktivitäten. Ferner sind sie leicht speicherbar, können also zu jeder beliebigen Zeit genutzt werden.

12 Peak oil beschreibt den Höhepunkt der globalen Erdölförderung. Vor diesem Höhepunkt übertrifft das Volumen der jährlich neu entdeckten, noch nicht geförderten Erdölreserven die jährliche Förderung. Nach peak oil dreht sich dieses Verhältnis um: Der jährliche Zuwachs an neuen Erdölreserven ist geringer als die jährliche Erdölförderung (vgl. Altvater 2005: 151 ff.).

13 Zu diesem und anderen möglichen Entwicklungswegen in der Krise siehe Institut für Gesellschaftsanalyse der Rosa Luxemburg Stiftung (2009).

14 Auch in diesen beiden Betrachtungsebenen - der strukturellen Ebene und der Ebene der Gegenbewegungen - zeigt sich der Einfluss Polanyis, genauer seiner Figur der „Doppelbewegung", des Wirkens zweier gegensätzlicher Organisationsprinzipien: des Prinzips des „Wirtschaftsliberalismus, das auf die Schaffung eines selbstregulierenden Marktes abzielte," und des Prinzips des „Schutzes der Gesellschaft, das auf die Erhaltung des Menschen und der Natur sowie der Produktivkräfte abzielte" (Polanyi 1995: 185).

15 Zur Kritik der dualistischen Vorstellung von Natur und Gesellschaft, die hier deutlich wird, siehe Castree (2002: 124 ff.).

16 Auf die Probleme des Begriffs der „Produktion von Natur" können wir hier nicht im Detail eingehen. Er geht nicht auf das Konzept der gesellschaftlichen Naturverhältnisse zurück (wo auch von „Konstruktion" die Rede ist), sondern auf die wichtige Arbeit von Neil Smith (1984). De facto beinhaltet er dort die Gefahr, jegliche Vorstellung von der Materialität von Natur zu verabschieden (siehe auch die Kritik von Wallis 2008). Wir verwenden das Konzept hier allerdings in einem schwächeren Sinne als Smith: Es geht uns darum, den sozialen Gehalt von Natur zu betonen, ohne damit deren Materialität zu leugnen. Zu einer ausführlicheren Diskussion siehe Wissen (2008), vgl. auch Swyngedouw in diesem Heft.

17 „Verteilung" wird hier nicht in Abgrenzung zu „Produktion" gebraucht. Ökologie als Verteilungsfrage zu begreifen bedeutet, die nach Klasse, Geschlecht, Hautfarbe etc. unterschiedliche Verteilung der Verantwortung für Umweltprobleme und der Vulnerabilität gegenüber ihnen hervorzuheben.

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Dieser Artikel erschien zuerst in: PROKLA. Zeitschrift für kritische Sozialwissenschaft, Heft 156, 39. Jg., 2009, Nr. 3.
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