Machtkerle 09

in (05.12.2009)
Er regiert lustvoll. Kleiner Mann im Maßanzug. Der Typus des männlichen Politikers und Staatenlenkers, der sich im Rampenlicht einer fasziniert-angeödeten Öffentlichkeit exponiert, pflegt den Hang zur Selbstdarstellung. Von seinem kleidsamen weiblichen Anhängsel, der ultimativen Fleischwerdung männlicher Erfolgspräsentation, ganz zu schweigen. Bei Bedarf kann gewechselt werden. „Aber nehmen Sie eine junge, meine Herr, das hebt Ihnen." So, wie der Pfau sein Rad schlägt, um seine Parasitenfreiheit unter Beweis zu stellen, spreizt die neue Classe politique ihr Gefieder. Und bleibt dabei ziemlich oft treu, wie der Presidente del Consiglio nicht verheimlichte. Die alten Römer haben sich erst gar nicht die Mühe gemacht, lexikalisch zwischen Macht und Potenz zu unterscheiden. So kapriziert sich die Kreuzung von Dandy und Casanova und einer Prise Charlie Chaplin unter die Flutersonne der Hauptstadtstudios. Und dennoch bleibt er ein Mann aus dem Volk für das Volk, der auch mit gestärktem Kragen hemdsärmelig zulangen kann. Wo die Mediengesellschaft dem politischen Personal ihre ganz eigene Korsage anlegt, muss die Darstellung der inneren Werte zum Programm werden. Sachverstand ist eine vergangene Mode und steht unter graumäusigem Bürokratenverdacht. Die Wiederkehr der Emotion, Bauch sticht Kopf. Der rationale Diskurs versandet in der Talkshow. Die Fassade muss stimmen. Hauptsache entscheidungsgeil. Da wird so manches unterschlagen und zurechtgebogen: Die überraschend hohen Kosten für Maquillage für Monsieur le Président sind bekannt. Manchmal gehen die Eingriffe auch tiefer. Die Emanzipation schreitet voran. Nur im fernen Russland gibt sich der alte und wahrscheinlich zukünftige Chef muskelbetont und zeigt den gestählten Oberkörper sowjetischer Bauart, gerne auch auf dem gemeinsamen Angelurlaub mit Fürst Albert von Monaco. Mit der Selbstverständlichkeit eines Chamäleons inszenieren sie Politik als Spektakel. Und die Dramaturgie wird von der Politikberatungsindustrie geliefert. Ein wenig scharf gewürzte Randgruppenpolitik sorgt für Bewegung und macht, sehr geehrte Bürgerinnen und Bürger, liebe Zuschauer, das Land wieder ein Stück zukunftstauglicher. Dem Publikum gefällts. Dabei vergessen sie nicht, dem Volk genug Brot zu geben, um ihres Kuchens sicher zu sein. Zum Glück sind die Zeiten vorbei, als man den Demos noch am alten Graubrot sachlicher Debatten knabbern ließ. Heute gibt es Toastbrot. Demokratische Teilhabe funktioniert eben auch dann, wenn man sich seinen Herrschern richtig nahe fühlt. Und eine Projektion dessen vor sich hat, was man selbst gerne wäre. Die Symbole des Populismus sind bekannt. Virilität und Potenz, Autoritarismus und Maskulinität und die Sehnsucht, dass der Mann alles wieder gutmacht. Demokratietheoretisch klassikerhaft unspektakulär.

Aber nur eine Gesellschaft, die persönliche Vorteilsnahme als Lebensstile akzeptiert und praktiziert, wählt Menschen an ihre Spitze, die so offensichtlich sich selbst die Nächsten sind. Anderes wird vom politischen Personal nicht einmal mehr erwartet. Die resignative Suspension des Ethischen.

Gegenentwurf zum westlichen Gockel ist das Führungspersonal aus Bereichen der Welt, in denen der Individualismus noch nicht blüht. Dort verwalten noch graue Mäuse. Trockene Gesten, öde Reden, Wohnort unbekannt. Wer ist eigentlich Obermäuserich? Man trägt lieber den bürokratischen Mantel kollektiver Machtausübung als das expressionistische Abendkleid. Sonst droht Zwangsurlaub. Zum Glück verfügt man über eine wohlgeordnete Presse, die über die Details, ganz besonders die privaten, des Herrschens schweigt. Und über anderes auch. Oder man denke an den iranischen Präsidenten, der sich gern bescheiden in Grau-Beige zeigt. Ein Mann, der lieber durch Worte statt durch Äußerlichkeiten provoziert. Auch in Deutschland konnte Populismus mal anders. Der politische Jahrmarkt der Eitelkeiten verdeckt mit seiner inhaltsleeren Emotion schließlich auch den Mangel an tatsächlichen Kontrasten, die frühere Politikergenerationen verschroben, wortgewaltig und polemisch in Szene setzten. Von 1949 bis 1953, so weiß es die Webseite des Bundestages, ging es dort hoch her. 156 Ordnungsrufe, und seit der Bundestagswahl 2005 nur noch zwei. Sich von Strauß als Kommunist beschimpfen zu lassen oder von Fischer als Anus, das hatte noch was. Da sich jetzt alle vertragen, könnte Phoenix ja 24 Stunden aus der Kanzlerwohnung senden. Dass die Ersten im Staate das Letzte sind, kommt in den besten Ländern vor - aber steht den Demokratien dies jetzt auch bevor? Sind das nun Erschöpfungszeichen der Demokratie oder ist das schon Reife? Das kritische Bewusstsein, gesegnet mit der Spannkraft einer Katze hinter dem warmen Ofen, macht das Fenster zu und nimmt sich ein gutes Buch aus dem Schrank.

blattgold@welttrends