Deutsche EU-Politik und Klassenkämpfe in Griechenland

Einen Überblick mit ak-Artikeln

Nach dem deutschen Rettungsschirm für Banken folgt nun ein europäischer Schirm für die Euro-Staaten. Die Krise hat die EU und den Euro mit voller Wucht erfasst. Griechenland wird dabei zu einem Art Testfeld der europäischen Krisenpolitik. Die mit einem Spardiktat ungeheuren Ausmaßes verbundenen Finanzhilfen für Athen wurden mit einem Generalstreik, Massendemonstrationen und heftigen Auseinandersetzungen beantwortet. Es waren die größten Demonstrationen in Griechenland seit mehr als 20 Jahren. In Athen kamen dabei am 5. Mai drei Menschen zu Tode. Noch am gleichen Abend griff die Polizei im alternativen Athener Stadtviertel Exarchia besetzte Häuser und Cafés an.

Die absehbare Pleite Griechenlands deutete sich schon länger an. Bereits vor einem Jahr stand das Euro-System unter Druck. Vor allem Österreich und einige osteuropäische Staaten waren damals die Sorgenkinder. (vgl. ak 537) Nun ist mit Griechenland und möglichen weiteren Pleitekandidaten das Euro-System als solches in der Krise. Mitverantwortlich ist vor allem Deutschland, das als Hegemonialmacht in den letzten Wochen und Monaten nicht bereit war, als mächtigster Staat für das System als Ganzes einzustehen. Das bekam vor Griechenland zu spüren.

Überhaupt hat Deutschlands Exportmodell und die Lohnzurückhaltung hierzulande sehr viel mit der griechischen Misere zu tun - aber davon will man in Berlin natürlich nichts wissen. (vgl. ak 547) Lieber schimpft man auf Spekulanten. Dabei hat man ihnen in den letzten Jahren das Leben leicht gemacht. Die vorgebrachte Empörung über die Spekulation gegen den Euro und Griechenland (vgl. ak 548) lenkte - vor allem in Deutschland - von der politischen Dimension der Krise ab und verschleierte, dass mit den Rettungsmaßnahmen wieder einmal das Vermögen des Bankkapitals gesichert werden soll. Schon früh entpuppte sich die Hilfe für Griechenland als eine "Diktatur der Gläubiger" (vgl. ak 548) - angeführt von Deutschland und dem IWF.

Für die griechischen Lohnabhängigen bedeuten neoliberale Krisenpolitik und "Hilfsmaßnahmen" nichts anderes als einen Angriff auf erkämpfte Lebens- und Arbeitsverhältnisse. Der Generalstreik am 5. Mai war nur der Auftakt für den notwendigen Widerstand von unten. Die Parole "Wir zahlen nicht für Eure Krise!" muss nun praktisch werden. Wie immer es auch weitergeht: Arbeitskämpfe gehören in Griechenland zum (Über)Leben. (vgl. ak 533) Gerade weil Streik und Arbeitskampf für die eigenen Interessen selbstverständlich sind, ist die Linke Griechenland breiter, lauter und auch militanter. (vgl. ak 518)

Vieles an den aktuellen Protesten erinnert an die Revolten im Winter 2008 - und dennoch ist alles anders. Ähnlich virulent sind die Desinformationen über die Gründe der aktuellen Situation - das trifft für die Rolle Deutschlands in einer besonderen Weise zu. Aber darüber wird ebenso ungern gesprochen wie über Deutschlands historische Verantwortung: zwischen 1941 und 1944 verübte die deutsche Wehrmacht schwere Kriegsverbrechen in Griechenland. Die noch immer ausstehenden Reparationszahlungen würden heute einen zweistelligen Milliardenbetrag umfassen. (vgl. ak 455, ak 476, ak 517)

Bereits bei den Revolten 2008/2009 ging die Mär um, Griechenland habe sich nur mangelhaft reformiert. Das Gegenteil ist der Fall. Soziale Spaltung und Verarmungsprozesse sind Resultate der neoliberalen Politik - forciert durch die EU. Das zeigte sich auch beim Aufstand der Deklassierten 2008. (vgl. ak 535) Die Heftigkeit der Revolte hatte viele Linke überrascht. (vgl. ak 535) Im Laufe des Jahres 2009 kam es jedoch nicht zu einer verstärken Zusammenarbeit der griechischen Linken - wohl aber bei der Rechten. Auch rassistische Hetze gegen und Verfolgung von Flüchtlingen wurden heftiger. (vgl. ak 541)

Mit dem Spardiktat von IWF und EU wird sich die Krise in Griechenland verschärfen. Ebenso die Notwendigkeit Widerstand zu organisieren. Aber die Kämpfe dort werden nur dann erfolgreich sein, wenn in allen anderen europäischen Staaten eine breite Bewegung von unten entsteht, die die herrschende Krisenpolitik delegitimiert und auf eine solidarische und antikapitalistische Perspektive setzt. Der Krise des Euro-Systems muss eine internationalistische und linke Antwort von unten folgen.