„Vereinigt zum Terrorismus“

§ 129a Strafgesetzbuch: Noch immer verfassungswidrig

in (03.07.2010)

Der Straftatbestand der Bildung einer terroristischen Vereinigung ist seit seiner Einführung heftiger Kritik ausgesetzt. Er gilt vielen als „Feindstrafrecht" und Türöffner, um eine politisch unliebsame - oftmals linke - Szene mit allen Mitteln des Strafprozessrechts überwachen zu können. Unabhängig von dieser rechtspolitischen Kritik lässt sich feststellen: Der Paragraph, der vorgeblich „Verfassungsfeinde" treffen soll, ist selbst mit dem Grundgesetz unvereinbar.

Alle Jahre wieder ist ein Paragraph Gegenstand parlamentarischer Debatten und öffentlicher Diskussionen. Er trägt „terroristisch" in der Überschrift - einen Begriff, der derzeit in aller Munde ist, von dem aber kaum jemand sagen kann, was er konkret bedeutet. Eine universal anerkannte Definition gibt es nicht und dass es sie je geben wird, kann bezweifelt werden, weist doch der „Terrorismus" eine politische Komponente auf, die je nach Standpunkt variiert. Der § 129a Strafgesetzbuch (StGB) stammt von 1976, aus der Hochphase des „Anti-Terror-Kampfes" der Bundesrepublik gegen bewaffnete linke Gruppierungen. Seit 2002 kann er durch § 129b StGB auf ausländische Gruppen angewandt werden. Die deutsche Strafbarkeit „terroristischer" Aktivitäten ist trotz zahlreicher Gesetzesverschärfungen, die weltweit seit dem 11. September 2001 stattgefunden haben, im internationalen Vergleich noch immer außergewöhnlich.[1] § 129a StGB droht nämlich eine hohe Strafe bereits im Vorfeld der konkreten Vorbereitung einer Straftat an und stellt damit eine Ausnahme von elementaren strafrechtlichen Grundsätzen dar. Er verstößt gegen rechtsstaatliche Standards, die in allen demokratischen Staaten anerkannt und im Grundgesetz (GG) verankert sind: Das Bestimmtheitsgebot (Art. 103 Abs. 2 GG) und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.

Unklare Grenze der Strafbarkeit

Strafgesetze müssen so klar und bestimmt formuliert sein, dass das strafbare Verhalten eindeutig ersichtlich ist. Nur dann haben die BürgerInnen die Möglichkeit, Verstöße vorherzusehen und zu vermeiden. § 129a StGB nennt vier verschiedene strafbare Handlungen: Die Gründung einer terroristischen Vereinigung, die Mitgliedschaft in einer solchen, ihre Unterstützung sowie die Werbung um Mitglieder und Unterstützer für sie. Der zentrale Begriff des Tatbestands, die Vereinigung, ist nicht gesetzlich definiert, sondern muss durch die Rechtssprechung ausgelegt werden. Je nach Interpretation ändert sich die Strafbarkeit: Versteht das Gericht unter einer Vereinigung schon jeden losen Zusammenschluss von mehr als zwei Personen, weil es eine Pflicht zur Auslegung in Übereinstimmung mit dem EU-Rahmenbeschluss zur Terrorismusbekämpfung annimmt,[2] ist eine Strafbarkeit weit schneller gegeben als bei enger Auslegung.

Die Gründung von Vereinigungen - ganz gleich wie man sie definiert - und die Beteiligung in ihren Strukturen sind an sich alltägliche, gesellschaftlich wünschenswerte und erlaubte Verhaltensweisen. Strafbar werden sie erst durch den Zweck der betreffenden Vereinigung. Bezweckt eine Vereinigung nämlich die Begehung oder Androhung schwerer Taten oder sonstiger Delikte mit der Absicht, den Staat zu schädigen, ist sie „terroristisch" und ihre GründerInnen, Mitglieder und UnterstützerInnen können nach § 129a StGB bestraft werden. Ob die Organisation bereits durch Straftaten in Erscheinung getreten ist oder dies je tun wird, ist dabei unerheblich. Der Tatbestand des § 129a StGB besteht aus der Verknüpfung zweier an sich strafloser Verhaltensweisen: Das (straflose) Sich-Vereinigen plus das (straflose) Hegen allgemeiner „terroristischer" Pläne begründen die Strafbarkeit. Wann aber ist ein Zusammenschluss (auch) auf die Begehung bestimmter Straftaten gerichtet? Was geschieht, wenn aus persönlichen Gründen in der Organisation mitgearbeitet wird und die kriminellen Ziele nicht geteilt werden? Für jedes Vereinigungsmitglied muss bestimmbar bleiben, wann die Mitarbeit in einer Gruppe zu strafbarem Verhalten wird. Dies gilt erst recht für die Unterstützung und Werbung durch Nichtmitglieder. Erfüllen Parolen zur Freilassung politischer Gefangener den Tatbestand? Darf man Spenden für eine kurdische Organisation sammeln, die in der Türkei vielleicht die PKK unterstützt? Da es nicht auf Art und Weise der Werbe- oder Unterstützungshandlung ankommt, sind nahezu beliebige Handlungen unter den Tatbestand subsumierbar. Mit Blick auf ausländische Organisationen gestehen die GesetzgeberInnen selbst ein, „dass die Abgrenzung organisationsbezogener und deshalb strafbarer Meinungsäußerungen von primär humanitär, politisch o. ä. motivierten Bekundungen [...] außerordentlich problematisch sein kann".[3] Bei einer weiten Interpretation des Vereinigungsbegriffes, zu der der Bundesgerichtshof (BGH) wohl tendiert,[4] ist für die Annahme einer Vereinigung keine feste Organisationsstruktur und keine einheitliche Gruppenidentität mehr maßgebend. Ein (legales) Werben für verfassungsfeindliche Ziele oder die Beteiligung an politischen Kampagnen, in denen einzelne Personen mitwirken, die legale Aktionsformen gezielt überschreiten, kann umso schwieriger von strafbaren Handlungen abgegrenzt werden.

Unbestimmter Tatbestand

In § 129a Abs. 2 StGB wimmelt es zudem von unbestimmten Rechtsbegriffen, die die terroristische Qualität der Vereinigung begründen sollen. Werden Straftaten der mittleren Kriminalität wie Umweltdelikte, Brandstiftung oder Computersabotage bezweckt, müssen die angestrebten Taten noch zur Schädigung des Staates bestimmt und - angenommen, sie würden tatsächlich durchgeführt - objektiv geeignet sein. Diese Kombination der Zwecksetzung mit der vorgestellten Bestimmung und der objektiven Geeignetheit der (bezweckten) Taten führt zu einer komplexen Struktur, die wiederum durch die Rechtsprechung konkretisiert werden muss.[5] Da Gründung und Mitgliedschaft nach § 129a StGB Verbrechen darstellen, sind bereits versuchte Taten strafbar. Für eine Strafverhängung bis zu zehn Jahren aufgrund (untauglichen) Versuchs könnte genügen, dass eine Person erste Schritte zur Mitwirkung in einer Organisation unternimmt und dabei irrtümlich davon ausgeht, real gar nicht geplante künftige Straftaten dieses tatsächlich völlig unstrukturierten Zusammenschlusses seien zur Schädigung des Staates geeignet.[6] Könnte, denn sicher sein kann man sich auch dabei nicht. Die Mitwirkung einer Person in einer Organisation ist in der Regel Ausdruck von Meinungs- und Vereinigungsfreiheit. Eine ungenügende Bestimmung des Straftatbestands konterkariert diese Freiheiten, indem BürgerInnen gerade bei ihrer Ausübung in Unwissenheit darüber belassen werden, ob sie sich strafbar machen.

Unverhältnismäßig hohe Strafe

Gesetze, die eine Freiheitsstrafe androhen, greifen in besonderem Maße in die persönliche Freiheit ein. Das ist nach dem Grundgesetz nur zulässig, wenn es dafür legitime Gründe gibt, es unbedingt erforderlich und angemessen ist. Ziel des § 129a StGB ist ein wirksames Vorgehen gegen terroristische Vereinigungen und ihre Straftaten. Es lässt sich jedoch bezweifeln, dass die Begehung „terroristischer" Taten so verhindert werden kann: Ein Abschreckungseffekt auf potentielle TäterInnen ist wenig wahrscheinlich. Denn sämtliche Taten, die in der Norm aufgeführt werden, sind bei ihrer tatsächlichen Begehung ohnehin mit Strafe belegt. Wird z. B. durch eine Vereinigung ein Mord begangen, können diejenigen, die daran beteiligt waren, natürlich nach § 211 StGB bestraft werden. Wenn sich aber jemand durch Gesetze, die die Taten selbst unter Strafe stellen (d. h. die Verletzung eines Rechtsguts verbieten), nicht von ihrer Begehung abschrecken lässt, ist nahezu ausgeschlossen, dass er/sie durch das Verbot der weniger gravierenden Gefährdung desselben Rechtsguts davor zurückweichen wird.[7] Eine Gruppe, die einen Mord plant, wird kaum deshalb ihre Pläne ändern, weil bereits die Bildung ihrer Vereinigung verboten ist. „Terroristische" Straftaten zeichnen sich gerade dadurch aus, dass TäterInnen aus Überzeugung handeln und die daraus resultierenden Strafen bewusst in Kauf nehmen.

§ 129a StGB ist auch aus anderen Gründen zur Vermeidung des „Terrorismus" untauglich. Da er bereits vor den eigentlichen Taten eingreift, betrifft er Personen, die noch gar keine schweren Straftaten begangen haben. Die Folge ist eine Vielzahl von Verdächtigen im Umkreis bestimmter Gruppen, gegen die sich die staatliche Ermittlungstätigkeit richtet. Ein repressiver Umgang mit der „Sympathisantenszene" kann Nachahmungseffekte auslösen und die von staatlicher Verfolgung Betroffenen erst zu Straftaten anregen. Keine der in Deutschland bisher erlassenen „Anti-Terror-Gesetze" hat zu einer Reduzierung der jeweils als „terroristisch" ausgemachten Bedrohung geführt, es lassen sich sogar kontraproduktive Wirkungen erkennen.[8]

Zwar gibt es zur Vermeidung einzelner Straftaten auf den ersten Blick kaum ein wirksameres Mittel als die Verhängung von Freiheitsstrafe über potentielle TäterInnen. Auf diese Art werden zukünftige „TerroristInnen" schon lange vor der Tat durch unter Umständen mehrjährigen Freiheitsentzug an ihrer Ausführung gehindert. De facto wäre dies eine „`Strafe` genannte, vorweggenommene Sicherungsverwahrung"[9]. Damit sie gesellschaftlichen Erfolg verspricht, müsste man allerdings ganze Bevölkerungsgruppen präventiv in Haft nehmen. Dies ist von Verfassung wegen unmöglich.

Verpflichtung zum mildesten Mittel

Es bestehen nämlich Grenzen bei der Wahl der Mittel, die der Staat zur Erreichung seiner Ziele einsetzen darf. Unter mehreren möglichen Mitteln muss er dasjenige auswählen, das die BürgerInnen am geringsten beeinträchtigt. Gegen „Terrorismus" kann man auf diversen Wegen vorgehen, z. B. indem seine Ursachen erforscht und bekämpft, geheimdienstliche Aufklärungsarbeit betrieben oder polizeiliche Maßnahmen angewendet werden. Dies alles ist gegenüber strafrechtlichen Sanktionen „milder", da keine Freiheitsstrafe verhängt wird. Aber auch diverse Straftatbestände greifen schon im Vorfeld schwerer Taten ein, darunter das ursprüngliche Vereinigungsdelikt des § 129 StGB (Bildung einer kriminellen Vereinigung); auch § 30 Abs. 2 StGB (Verbrechensverabredung) sanktioniert vorbereitende Handlungen, § 138 Abs. 1 StGB stellt die Nichtanzeige schwerer Taten unter Strafe und neuerdings existieren daneben die §§ 89a, b StGB.[10] Diese Tatbestände sind ebenfalls (heftig) umstritten, im Vergleich zu § 129a StGB drohen sie aber geringere Strafen an. Es gibt keinerlei Hinweis darauf, dass es zur Bekämpfung „terroristischer" Vorbereitungshandlungen darüber hinaus der schweren Strafandrohung des § 129a StGB bedürfte.

Verstoß gegen rechtsstaatliche Strafgesetzlichkeit

In einem Rechtsstaat darf nicht „übermäßig" in die Freiheiten eingegriffen werden. Die Kriminalstrafe stellt die ultima ratio staatlicher Reaktionen dar. Eine solche Strafgesetzlichkeit ergibt sich letztlich aus der Menschenwürdegarantie des Art. 1 Abs. 1 GG. Ihr Ausdruck sind § 46 Abs. 1 S. 1 StGB, der als Maß und Begrenzung der Strafe die Schuld festschreibt,[11] sowie jene Grundsätze, die eine Strafbarkeit aufgrund der Tat anordnen und durch das „abgestufte System der Strafbarkeit von Tatvollendung, Versuch und Vorbereitungshandlung"[12] ein rechtsstaatliches Tatstrafrecht etablieren. Konkrete Taten sind es, die bestraft werden, nicht etwa „gefährliche" Gesinnungen oder bloße Gedanken. Die Unterteilung staatlicher Instrumente in präventive (polizeirechtliche) und repressive (strafrechtliche) Mittel zeugt ebenfalls von dem Prinzip, dass nicht jeder beliebige Zweck jedes beliebige Vorgehen rechtfertigt. Das Gefahrenabwehrrecht enthält ein breites Arsenal vorbeugender Überwachungs- und Eingriffsmaßnahmen, die Verhängung einer Strafe hingegen ist nur im Anschluss an ein „gefährliches Verhalten" möglich. Das Strafrecht kommt also erst nach einer Tat zur Anwendung, es setzt das Unrecht als Grund seines Eingreifens voraus. § 129a StGB begründet jedoch eine „Strafbarkeit bereits weit im Vorfeld der Vorbereitung konkreter strafbarer Handlungen"[13], er bestraft „TerroristInnen", bevor diese überhaupt in Erscheinung treten. Begründet wird diese Vorverlagerung des Strafrechtsschutzes mit der Existenz eines durch die bloße Vereinigung geschaffenen Gefährdungspotentials: Allein der Zusammenschluss von Personen mit „terroristischen" Absichten beeinträchtige die öffentliche Sicherheit. Es ist grundsätzlich problematisch, Strafe einzig durch die Verletzung abstrakter Gemeinschaftsrechtsgüter zu rechtfertigen. Solche abstrakten Gefährdungsdelikte sanktionieren Verhaltensweisen, die ein „typisches Risiko" in sich bergen, schon bevor sich dieses realisiert hat. Die Eigenart des § 129a StGB besteht nun zusätzlich darin, dass dem sanktionierten Verhalten an sich noch keinerlei (auch keine abstrakte) Gefährlichkeit innewohnt. Im Gegensatz etwa zu § 316 StGB (Trunkenheit im Verkehr), bei dem bereits die Handlung als solche unerlaubt ist und eine mögliche Gefahrrealisierung in sich birgt, ist das Sich-Vereinigen sogar verfassungsrechtlich geschützt.

Hyperpräventiver Schlüsselparagraph

Die Vereinigung zum Zwecke der Deliktsbegehung (bzw. der Deliktsandrohung) kann Jahre vor den ins Auge gefassten Straftaten liegen. Im Gefahrenabwehrrecht steht eine (kurze) Ingewahrsamnahme nur bei unmittelbar bevorstehenden Taten zur Verfügung, ansonsten kommen lediglich die vorbeugende Identitätsfeststellung und erkennungsdienstliche Maßnahmen in Betracht. Diese „Eingriffsschwelle" lässt sich durch die Anwendung von § 129a StGB in Verbindung mit dem Strafprozessrecht umgehen. Auf Grundlage von Strafverfolgungsvorschriften kann so allgemeine Gefahrenprävention betrieben werden. Anders ausgedrückt: §§ 129a/b StGB  „dienen der Gefahrenabwehr und sind damit zumindest auch Polizeirecht in strafrechtlicher Gestalt".[14] Ein Blick in die Praxis bestätigt, dass die Bedeutung der Paragraphen primär in ihren strafprozessualen Folgeregelungen liegt. Hierzu gehören die heimliche Telefonüberwachung, leichtere Durchsuchungen von Wohnräumen, weiträumige öffentliche Kontrollen und die Rasterfahndung. Diese Maßnahmen stellen erhebliche Eingriffe in die Grundrechte der Beschuldigten und ihrer Umgebung dar. Für ihre Anwendung genügt der Verdacht, d. h. allein die Möglichkeit der Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung. Bei § 129a StGB führt nur eine sehr geringe Zahl der Ermittlungsverfahren zu einer Anklage bzw. Verurteilung, die große Mehrheit der von Ermittlungsmaßnahmen Betroffenen sind „Unschuldige".[15] Aus diesem Grund wird er oft als Schlüsselparagraph bezeichnet, dessen eigentlicher Sinn darin bestehe, ein großes Umfeld an SympathisantInnen bzw. eine ganze politisch unerwünschte Szene zu durchleuchten.

Systembruch im StGB

§ 129a StGB ist aber nicht nur eine strafrechtliche Norm, er droht mit einer bis zu 15-jährigen Freiheitsstrafe auch eine der gravierendsten Rechtsfolgen im StGB an. Dabei kann das Unterstützen einer Vereinigung durch ein Nichtmitglied genauso hoch bestraft werden wie Gründung und Mitgliedschaft, obwohl es sich dabei um eine Beihilfehandlung handelt. Beihilfe wird üblicherweise milder bestraft, denn es macht einen Unterschied, selbst eine Straftat zu begehen oder einem anderen zu dessen Tat Hilfe zu leisten. Ebenso macht es einen Unterschied, Mitglied in einer terroristischen Vereinigung zu sein oder aber lediglich als Dritte/r dieser Vereinigung durch irgendeine Handlung irgendeinen Vorteil zu bereiten. Auch wird bei der Strafandrohung nicht nach Art der durch die Vereinigung bezweckten Delikte differenziert: Die Gründung einer auf Mord gerichteten Vereinigung kann ebenso bestraft werden wie die zum Zwecke der Computersabotage, sofern eine terroristische Absicht vorliegt. Dabei werden die betroffenen Rechtsgüter selbst im StGB unterschiedlich stark geschützt: Mord wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft, während Computersabotage nur mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe bestraft werden kann. Grund ist die Verletzung eines sehr viel höheren Rechtsguts (des Lebens) durch die Begehung eines Mordes. Beiträge im Vorfeld von im StGB bewusst unterschiedlich klassifizierten Taten werden in § 129a StGB mit einer einheitlichen Strafe belegt.

Wertungswidersprüche

Diese pauschale Strafandrohung ist für die (vereinte) Vorbereitung bestimmter aufgeführter Delikte deutlich zu hoch. Die Vereinigung zum Zwecke der Computersabotage etwa kann - ohne dass eine solche konkret geplant, geschweige denn zu ihrer Begehung angesetzt wurde - mit zehn Jahren Freiheitsstrafe sanktioniert werden. Bereits der Versuch ihrer Gründung kann eine doppelt so hohe Bestrafung nach sich ziehen wie die Begehung der Computersabotage selbst. Die Gründung von Vereinigungen, deren Zwecke auf Vergehen der mittleren Kriminalität gerichtet sind, stellt selbst ein Verbrechen dar. Noch der Versuch einer Straftat, bei dem ein Rechtsgut bereits konkret gefährdet oder teilweise verletzt ist, wird im StGB im Vergleich zur beendeten Tat als geringeres Unrecht betrachtet, wie die Möglichkeit zur Strafmilderung in § 23 Abs. 2 StGB zeigt. Der § 129a StGB greift zu einem weit früheren Zeitpunkt ein. Durch das sanktionierte Verhalten ist nichts weiter als der Bestand der öffentlichen Ordnung und Sicherheit beeinträchtigt. Dessen Verletzung kann im Vergleich zu derjenigen der „Hauptnorm" nur ein partielles und dadurch geringeres Unrecht sein.[16] Eine Vorbereitungshandlung, die im Vorfeld des Versuchs angesiedelt ist, höher zu bestrafen als die Tat selbst, stellt einen gravierenden Wertungswiderspruch dar. Besonders auffällig ist dies bei der Androhung von Straftaten, die selbst nur in den Fällen des § 126 Abs. 1 StGB (und lediglich mit bis zu drei Jahren) strafbar ist. Die Computersabotage ist dort nicht aufgeführt, ihre Androhung ist also straflos. Schließen sich aber drei Personen zusammen, um eine Computersabotage anzudrohen, sind sie aufgrund dieses Zusammenschlusses plötzlich strafbar. Hier wird das Vorfeld einer „Tat" bestraft, die gar keine Straftat darstellt. Solche Angeklagten wären nach tatsächlicher Androhung der Computersabotage wegen der „Tat" selbst freizusprechen, könnten nach § 129a Abs. 3 StGB jedoch mit fünf Jahren Haft bestraft werden.

Derartige Wertungswidersprüche sind bei der Sanktionierung von Vorfeldhandlungen schwerlich zu vermeiden. Hat eine Tat noch nicht stattgefunden, kann sie nicht mithilfe des Strafrechts bekämpft werden, ohne dass die Tat- und Schuldbezogenheit von Strafe verloren geht. In einem Rechtsstaat darf ein Straftatbestand aber nicht derart willkürlich festgelegt werden, dass er nur noch Anlass, nicht aber Grund und Grenze der Strafbarkeit darstellt.[17]

Ein Sittlichkeit erzwingendes Zuchthaus

Im Jahr 1836 schrieb ein deutscher Rechtswissenschaftler[18]: „Der Richter würde gegen Jeden, der in eine Apotheke tritt und Gift fordert, gegen Jeden, der sich ein Gewehr kauft oder Leitern und Stricke angeschafft hat, zu inquirieren berechtigt seyn, ob dies nicht in der Absicht geschehen sey, ein Verbrechen zu verüben, und in tausend anderen Fällen auf eine empörende Weise in das Leben der Bürger eingreifen können. Wer freilich den Staat für ein Sittlichkeit erzwingendes Zuchthaus hält und gewissermaßen bedauert, daß nicht jeder Mensch einen seine Gedanken wiedergebenden und festhaltenden Spiegel auf der Brust hat, um jeden unsittlichen Gedanken erkennbar zu machen und demgemäß bestrafen zu können, der wird auch Gefallen daran finden, jedes mögliche Indizium des verbrecherischen Willens für strafbaren Versuch zu erklären. Hoffentlich werden aber solche Principien nie positive Anwendung finden!" In Deutschland haben sie wie in keinem anderen Land Anwendung gefunden. Die staatliche Bekämpfung von Verbrechen darf heute aus guten Gründen - nur einer davon ist das Grundgesetz - nicht um jeden Preis erfolgen. Wenn Freiheitsrechte für alle gelten, gelten sie auch für Personen, die vielleicht einmal staatsschädigende Straftaten begehen. Eine "Ausnahme für Staatsfeinde" bedeutet nicht weniger als die Preisgabe dieser Garantien.

 

Isabel Erdem hat in Trier Jura studiert und ist Referendarin in Brandenburg.

 



[1]     Arndt Sinn, Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik (ZIS) 2006, 107 (111).

[2]     EuGH, Urteil v. 16.6.2005, C-105/03 (Pupino); EU-Rahmenbeschluss zur Terrorismusbekämpfung, AblEG L 164/3 Art. 2 I.

[3]     BT-Drucks. 14/8893, 3 (Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses).

[4]     BGH Beschluss in Strafsachen (StB) 12/07, 13/07, 47/07 Rn. 43.

[5]     BGH StB 43/07 Rn.17.

[6]     Vgl. Thomas Fischer, StGB, 56. Aufl. 2009, § 129a Rn. 17.

[7]     Vgl. Friedrich-Christian Schroeder, Die Straftaten gegen das Strafrecht, 1985, 28.

[8]     Philipp Schulte, Terrorismus und Anti-Terrorismus-Gesetzgebung, 2008, 236 f.

[9]     Günther Jakobs, Onlinezeitschrift für höchstrichterliche Rechtsprechung im Strafrecht 2004, 88 (92).

[10]    Zu letzteren Karl Marxen, Forum Recht 2009, 67.

[11]    BVerfGE 90, 145 (173).

[12]    BGH StB 12/07, 13/07, 47/07, jeweils Rn. 41.

[13]    BGHSt 28, 147 (148); jüngst BGH 3 StR 94/04 Rn. 12.

[14]    Vgl. OLG München, Neue Juristische Wochenschrift 2007, 2786 (2787).

[15]    Aktuelle Zahlen (bis 2005) in den Antworten der Bundesregierung auf diverse Kleine Anfragen, zuletzt BTDrucks. 14/2860, 16/49 und 16/4007.

[16]    Jakobs, Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft (ZStW) 1985, 751 (778 f.).

[17]    Vgl. Henning Radtke / Mark Steinsiek, ZIS 2008, 383 (393).

[18]    H. A. Zachariae, Die Lehre vom Versuche der Verbrechen (1836), zit. n. Jakobs, ZStW 1985, 762.