Abschiebung auf Bestellung

Migrant_innen, die nach dem deutschen Aufenthaltsgesetz (AufenthG) als „ausreisepflichtig" gelten, dürfen so lange nicht abgeschoben werden, wie tatsächliche oder rechtliche Gründe - etwa eine psychische Krankheit - einer Abschiebung entgegenstehen. Dann nämlich erhalten sie gemäß § 60a Abs. 2 AufenthG eine Duldung, die so lange gilt, wie die attestierte Krankheit vorliegt. Eine Abschiebung wäre in diesem Zeitraum widerrechtlich.

Nun gibt es begründeten Anlass zu der Vermutung, dass die Ausländerbehörde Bremen versucht hat, diese Regelung mit rechtswidrigen Mitteln zu umgehen: Es sollten Menschen abgeschoben werden, die vom Gesundheitsamt Bremen als nicht abschiebefähig eingestuft wurden. Um diese Diagnose zu umgehen, bestellte die Ausländerbehörde auf eigene Faust Ärzt_innen, die beauftragt wurden, Gefälligkeitsgutachten zu erstellen.

Die Idee dazu kam möglicherweise durch einen Brief von zwei Ärzt_innen aus Süddeutschland an die Bremer Ausländerbehörde. Darin hatten die beiden Mediziner ganz dreist ihre besonderen Dienste angeboten: Sie seien „spezialisiert auf die Rückführung" von Ausländer_innen weltweit, könnten „sämtliche medizinischen Gutachten" erstellen und „Gewahrsamsfähigkeit bescheinigen", ebenso die Flugreisetauglichkeit. Außerdem hätten sie sich „ausschließlich auf diese Leistungen spezialisiert" und könnten ihre „Zeit flexibel gestalten und sehr kurzfristig Aufträge übernehmen".

Bei den beiden handelt es sich um eine Notärztin und einen Suchtmediziner, die also beide ihrem Fachgebiet nach nicht darauf spezialisiert sind, eine etwaige psychische Krankheit zu diagnostizieren. Aber das sollten sie auch gar nicht.

In einem öffentlich gewordenen Briefwechsel zwischen der Ausländerbehörde und der Bundespolizei schreibt ein Sachbearbeiter etwa zum Fall des Türken Fetullah D., dass es nach einem Gutachten des Bremer Gesundheitsamts wegen einer schweren psychischen Erkrankung „auf Dauer ausgeschlossen" sei, ihn abzuschieben. Dennoch gehe man davon aus, dass eine eigens aus Hessen bestellte externe Gutachterin „entgegen aller vorliegenden Atteste die Reisefähigkeit feststellen werde". Und das, obwohl erst am Flughafen „der erste persönliche Kontakt" stattfinden werde und es sich bei der Ärztin um eine Notärztin und keine Psychiaterin handelt. Die Bundespolizei solle daher den Rückflug buchen. Zur Abschiebung kam es nur deshalb nicht, weil Fetullah D. rechtzeitig abtauchte.

Dieser Fall zeigt ein weiteres Mal, wie skrupellos eine Behörde vorgeht, wenn es darum geht, Migrant_innen um jeden Preis aus Deutschland abzuschieben.

Kristian Sand, Hamburg