Gleichstellung als Mosaik

Das Hanseatische Oberlandesgericht (OLG) hat mit Beschluss vom 23. Dezember 2010 nach Art. 100 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) das Verfahren in einer Adoptionssache (Az. 2 Wx 23/09) dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vorgelegt. Das OLG hält das Verbot der so genannten „sukzessiven Adoption" für verpartnerte Paare mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG für unvereinbar.

Das Verbot ergibt sich aus dem Zusammenspiel von Bürgerlichem Gesetzbuch (BGB) und Lebenspartnerschaftsgesetz (LPartG). In § 9 Abs. 7 LPartG werden zahlreiche familienrechtliche Vorschriften, die sich auf Ehegatt_innen beziehen, auch auf Lebenspartner_innen für anwendbar erklärt. Von diesem Verweis nicht erfasst ist § 1742 BGB. Dieser verbietet die Adoption eines Kindes, das bereits von einer anderen Person adoptiert wurde - es sei denn, beide Personen sind verheiratet. Demzufolge ist es einem/einer Lebenspartner_in nicht gestattet, ein Kind zu adoptieren, das zuvor von seinem/ihrem Lebenspartner_in adoptiert wurde. Die Möglichkeit, ein Kind sukzessiv gemeinsam zu adoptieren, ist deswegen bisher verheirateten Paaren vorbehalten.

Wenn sich das BVerfG konsequent an seiner Grundsatzentscheidung (Az. 1 BvR 1164/07) vom 7. Juli 2009 orientiert, müsste es das Verbot der sukzessiven Adoption für Lebenspartner_innen für verfassungswidrig erklären. Das Urteil besagt, dass sich die Benachteiligung der eingetragenen Lebenspartnerschaft gegenüber der Ehe nicht mit dem Schutzauftrag des Art. 6 GG für Ehe und Familie rechtfertigen lasse. Zur Rechtfertigung einer solchen Ungleichbehandlung bedürfe es vielmehr eines hinreichend gewichtigen Sachgrundes. Einen solchen konnte das OLG allerdings nicht erkennen. Die Hamburger Richter_innen widersprechen in ihrem Beschluss unter Bezugnahme auf aktuelle empirische Forschung der Auffassung, das Kindeswohl sei durch zwei Elternteile desselben Geschlechts gefährdet.

Das BVerfG wird sich auch weiterhin mit ehelichen Privilegien beschäftigen müssen. Denn die rechtliche Gleichstellung der Lebenspartnerschaft muss Gesetz für Gesetz erzwungen werden. Eine umfassende Gleichstellung durch die Legislative ist vor dem Hintergrund der parlamentarischen Mehrheiten und dem Bangen der Unionsparteien um ihre homophobe Stammwählerschaft derzeit nicht zu erwarten. Und es bleibt noch viel zu tun. Vom Steuer- bis zum Staatsangehörigkeits- und Aufenthaltsrecht, vom Bundeskindergeldgesetz bis zur Höfeordnung: nicht weniger als 28 diskriminierende Bestimmungen lokalisierte jüngst die Bundestagsfraktion der Grünen im bestehenden Bundesrecht (Drucksache 17/4112).

 

Philip Rusche, Berlin