Zum Opfer gemacht

Dimensionen rechter Gewal

in (25.07.2011)

Nach den Statistiken der Behörden ereignet sich jeden zweiten bis dritten Tag in Nordrhein-Westfalen eine rechts-motivierte Gewalttat. Für das Jahr 2009 wurden offiziell 163 Fälle von rechter Gewalt gezählt. Hinsichtlich der absoluten Zahlen nimmt das Land NRW somit den Spitzenplatz im bundesweiten Vergleich ein. In Hessen erfassten die Sicherheitsbehörden im Jahr 2009 22 rechts-motivierte Gewaltdelikte, in Rheinland-Pfalz 38.


Die tatsächliche Zahl rechter Übergriffe ist jedoch weitaus größer als die Angaben der Sicherheitsbehörden nahelegen. Die Dunkelziffer rechter Gewalt ist hoch. Anders als in den ostdeutschen Bundesländern, in denen unabhängige Beratungsstellen für Opfer rechter und rassistischer Gewalt durch das so genannte Monitoring rechte Angriffe sorgfältig dokumentieren, gibt es in NRW, Rheinland- Pfalz und Hessen keine vergleichbaren Einrichtungen, die derartige Vorfälle recherchieren und sich der Betroffenen annehmen. Beides erscheint jedoch auch hierzulande notwendig.

Die Dimensionen und Bedeutungsebenen rechter Gewalt reduzieren sich nicht nur auf den Moment des Zuschlagens. Oft wird vergessen, dass hinter den nackten Fallzahlen Menschen stehen, deren Leben sich durch die erfahrene Gewalt oder deren Androhung verändert. Sie werden erniedrigt und verletzt, weil sie schwul sind, eine nicht-weiße Hautfarbe haben, einen Button mit der Aufschrift „Gegen Nazis“ tragen, sich durch einen Sprachfehler anders als erwartet artikulieren, Punk hören, ein Kopftuch oder eine Kippah tragen oder keinen festen Wohnsitz haben – oder, weil die Tatpersonen ihnen dies ungeachtet ihrer tatsächlichen individuellen Lebensweise unterstellen. Die Palette der Gewaltpraktiken reicht von aggressiv vorgetragenen Beleidigungen über Sachbeschädigungen bis hin zu Schlägen und Tritten. Nicht selten endet rechte Gewalt jedoch auch tödlich.

Gleichwohl behalten viele Menschen ihre Bedrohungs- und Gewalterfahrungen für sich. Die Polizei zu informieren, kommt für jene, die aufgrund ihres Aufenthaltsstatus Angst vor einer Abschiebung haben müssen, bei Demonstrationen mit Polizeigewalt konfrontiert wurden, wegen ihres Lebensstils negative Erfahrungen mit den Behörden gemacht haben oder rassistischen Diskriminierungen ausgesetzt sind, oftmals kaum in Frage. Andere Betroffene schrecken aus Angst, die Täter_innen oder neonazistische Gruppen könnten so in den Besitz ihrer persönlichen Daten gelangen, davor zurück, Anzeige zu erstatten. Und nicht zuletzt: Betroffene, die sich an die Polizei wenden, berichten immer wieder über negative Erfahrungen. Viele fühlen sich von den Beamt_innen nicht ernst genommen und haben bisweilen sogar den Eindruck, dass ihnen eine Mitschuld an der Tat zugeschrieben wird.


Rechte Gewalt…


Der Terminus „Rechte Gewalt“ dient hier als Oberbegriff für eine große Spannweite an Praktiken und Verhaltensmustern, denen einzelne oder mehrere Bestandteile extrem rechter Einstellungsdimensionen zugrunde liegen. Die Täter_innen müssen demnach nicht zwangsläufig über ein geschlossenes extrem rechtes Weltbild verfügen oder einer einschlägigen Gruppierung angehören. Entscheidend sind vielmehr die Zuschreibungen, die sie vornehmen, um andere Menschen zu viktimisieren, also zu Opfern zu machen. Die gewalttätigen Handlungen richten sich gegen die psychische und physische Unversehrtheit Einzelner, die stellvertretend für eine als „minderwertig“ angesehene Gruppe erniedrigt und verletzt werden. Aber auch Drohungen, die der Einschüchterung dienen und mit keinen direkten körperlichen Übergriffen verknüpft sind, wie beispielsweise Angriffe auf kulturelle und religiöse Symbole und Objekte wie Moscheen und jüdische Friedhöfe, lassen sich unter den Begriff „rechte Gewalt“ fassen.

In Fällen rassistischer Gewalt, die fälschlicherweise in den Medien oft als „ausländerfeindlich“ bezeichnet wird, geraten die Opfer nicht anhand des Kriteriums der Staatsbürgerschaft, welche formal zwischen „Inländern- und Ausländern“ unterscheidet, in den Fokus der Täter_innen. Den rassistisch denkenden und handelnden Täter_innen ist es egal, ob die betroffenen Personen einen deutschen Pass besitzen oder nicht. Sie markieren den Gegenüber als „fremd“, „anders“ und damit als nicht-zugehörig zu ihrem Idealbild einer homogenen weißen, deutschen Gesellschaft. Diese direkte rassistische Gewalt zielt auf den Körper des Opfers. Sie geht aber oft einher mit subtilen alltäglichen und strukturell bedingten Formen der Ausgrenzung, die in einer weiß-dominierten deutschen Gesellschaft wurzeln.


… und ihre Opfer

Neben dem Begriff „rechte Gewalt“ erscheint auch der hier verwendete Begriff „Opfer“ erklärungsbedürftig, mit dem im allgemeinen Verständnis Passivität, Schwäche und Ohnmacht assoziiert werden und der zudem verstärkt als Schimpfwort Verbreitung findet. Trotzdem kann es in der Auseinandersetzung mit rechter Gewalt und deren Folgen sinnvoll sein, diesen Begriff gegenüber Sicherheitsbehörden und in der öffentlichen Diskussion zu nutzen, weil er die Rolle der verletzten Person in der Täter_innen-Opfer-Beziehung deutlich macht und ihr keine Mitschuld an der Tat zuschreibt. Dennoch darf den Betroffenen nicht Handlungsfähigkeit und Mündigkeit abgesprochen werden.

So verschieden die Situationen auch sein mögen, in denen Menschen erniedrigt und verletzt werden, die Folgen der Übergriffe sind oftmals ähnlich. Neben körperlichen Verletzungen oder materiellen Schäden, die durch die Tat selbst bedingt sind, bleiben nicht selten permanente Angstgefühle. In Albträumen und Flashbacks kehrt das Geschehene immer wieder zurück. Wird eine Traumatisierung nicht überwunden, können solche Belastungsreaktionen chronisch werden. Die Reaktionen von Freund_innen und Familie, aber auch von Polizei, Behörden und kommunalen Vertreter_innen spielen eine große Rolle für die Verarbeitung der Bedrohungs- und Gewalterlebnisse. Erfährt das Opfer Empathie, Unterstützung und Solidarisierung, können die Folgen der Tat leichter überwunden werden. Negative Reaktionen wie Bagatellisierung und Mitschuldvorwürfe führen indessen oft zu einer sekundären Viktimisierung, die die Betroffenen erneut zum Opfer macht.

Das Risiko, zum Opfer rechter Gewalt und deren Folgen zu werden, ist keineswegs für alle Menschen gleich. Bevölkerungsgruppen, denen der Zugang zur egalitären Teilhabe am gesellschaftlichen und politischen Leben erschwert ist, geraten eher in Bedrohungs- und Gewaltsituationen. Das hat zum einen damit zu tun, dass ihnen in der Perspektive extrem rechter Weltbilder ein gleichberechtigter gesellschaftlicher Status grundsätzlich abgesprochen wird. In dieser Sichtweise gelten Nicht-Weiße, Nicht-Heterosexuelle, Nicht-Rechte, Nicht-Gesunde, Nicht-Leistungsfähige als Bedrohung der eigenen „Identität“, die in der Fiktion einer „ethnisch“ homogenen, sozialdarwinistisch geprägten und autoritär strukturierten Gemeinschaft ihre Ausdrucksform findet.

Zum anderen können Menschen, die von den Normen der Mehrheitsgesellschaft abweichen und alltäglichen strukturellen Benachteiligungen ausgesetzt sind, in Fällen rechter Gewalt mit deutlich weniger Schutz- und Unterstützungsangeboten rechnen. Flüchtlingen, die beispielsweise in weit abgelegenen Sammelunterkünften untergebracht sind und deren Bewegungsradius durch Residenzpflichtauflagen begrenzt wird, ist es kaum möglich, in eine andere Gegend zu ziehen, um der Gefahr weiterer Angriffe zu entgehen oder Beratungsangebote in anderen Orten, sofern es sie denn gibt, wahrzunehmen. Die Möglichkeit Ärzt_innen aufzusuchen, Entschädigungsleistungen zu beantragen oder sich anwaltlich vertreten zu lassen, hängt entscheidend von den finanziellen und sozialen Ressourcen ab, die den Betroffenen zur Verfügung stehen.


Rechte Täter_innen

In der Auseinandersetzung mit rechter Gewalt gilt es also ein ganzes Bündel von Aspekten zu berücksichtigen, die sich sowohl auf die Motive und Hintergründe der Tat, als auch auf die Perspektiven und Wahrnehmungen der Opfer beziehen. Ebenso ist nach den Täter_innen und den Tatsituationen zu fragen. Denn in zahlreichen Fällen gehören die Gewaltakteur_innen nicht der organisierten Neonaziszene an. Viele weisen nicht einmal ein geschlossenes extrem rechtes Weltbild im Sinne der gängigen sozialwissenschaftlichen Definitionen auf. Kennzeichnend für die Entstehung und den Ablauf rechter Übergriffe sind oftmals situative Dynamiken. Als spektakuläres Beispiel hierfür kann die bundesweit bekannt gewordene „Hetzjagd von Mügeln“ im August 2007 gelten. Während eines Stadtfestes in der sächsischen Kleinstadt kam es zu massiven Übergriffen auf eine Gruppe von acht (vermeintlichen) Indern, die von einem „Mob“, bestehend aus mindestens 50 politisch eher unauffälligen Angehörigen der deutschen Mehrheitsgesellschaft, durch die Straßen gejagt und brutal attackiert wurden.

Aus der Chronik tödlicher rechter Gewalt, die diesen Schwerpunkt begleitet, lassen sich weitere Tatkonstellationen herauslesen. Die Opfer der Angriffe starben in ihrer Wohnung, im Stadtpark oder in U-Bahnstationen. Die Taten ereigneten sich nachts ebenso wie tagsüber. Als Waffen dienten Messer, Brandsätze oder Schusswaffen. In vielen Fällen waren es aber auch tödliche Faustschläge und Tritte, denen die Opfer ausgesetzt waren. In den Augen der Tatpersonen galten sie als „asozial“, „Ausländer“, „Verräter“ oder „Zecken“.

Obgleich Gewalt nicht nur von organisierten Aktivist_innen ausgeübt wird, ist in zahlreichen Fällen dennoch festzustellen, dass die Täter_innen der extrem rechten Szene zuzurechnen sind. Ihnen dient die Anwendung von Gewalt sowohl als Mittel in der Auseinandersetzung mit politischen Gegner_innen als auch als Ausdruck des eigenen Dominanzverhaltens gegenüber unerwünschten, oftmals marginalisierten gesellschaftlichen Gruppen. Diese Beobachtung gilt besonders für das Spektrum der Freien Kameradschaften bzw. der „Autonomen Nationalisten“. Deren Aktionen richten sich dabei nicht nur gegen Personen, sondern auch gegen Räume und Infrastruktur jener Gruppen und Parteien, die sie zur „Antifa“ zählen. Darunter fallen neben linken Initiativen auch soziokulturelle Projekte, Jugendzentren und Parteien wie SPD, Grüne und Linkspartei.

Die NPD distanziert sich nur vordergründig von der Anwendung von Gewalt. So betonen zwar führende Funktionäre immer wieder, dass die Partei „Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung“ ablehne. Auf der Internetseite der NPD heißt es zudem: „Jede Form der Gewalt ist politisch kontraproduktiv und ein Ausdruck geistiger Schwäche und fehlender Argumente.“ Trotzdem finden sich unter ihren Funktionär_inen und Kandidat_innen immer wieder verurteilte Gewalttäter_innen. So kandidierte im Jahr 2008 zur Kommunalwahl in Brandenburg ein Rädelsführer der „Hetzjagd von Guben“, bei der 1999 eine Gruppe von Neonazis den algerischen Asylbewerber Farid Guendoul durch die brandenburgische Kleinstadt jagte. Schutzsuchend trat er in Todesangst die Glastür eines Hauses ein, verletzte sich erheblich und verblutete.

Auch im aktuellen Landesvorstand der NPD NRW sitzen verurteilte Gewalttäter – um nur zwei Beispiele zu nennen – wie Thorsten Crämer, der 2000 in einer Gruppe von Neonazis eine Gedenkveranstaltung am Mahnmal für die Opfer des KZ Kemna bei Wuppertal angriff, und Axel Thieme, der 2009 einem politischen Gegner ins Gesicht schlug.


Wahrnehmungen rechter Gewalt

Doch auch mit der Wahrnehmung von ziemlich eindeutigen Fällen rechter Gewalt tun sich Polizei, Kommunalverwaltungen und Medien oftmals schwer. Rechte Tathintergründe anzuerkennen könnte bedeuten, die Existenz extrem rechter Strukturen und Akteur_innen im lokalen oder regionalen Nahraum einzugestehen. Vor diesem Schritt schrecken Behörden oder Vertreter_innen der örtlichen Politik jedoch immer wieder zurück – sei es aus Ignoranz oder aus Angst um das Image der Stadt. Welche Konsequenzen diese Haltung nach sich ziehen kann, verdeutlicht das folgende Beispiel aus Dortmund: In den vergangenen Monaten wurde dort wiederholt die in der Innenstadt gelegene alternative Kneipe Hirsch-Q von Neonazis angegriffen. Am 12. Dezember 2010 gehörten die Angreifer_innen zur Skinhead Front Do-Dorstfeld. Unter ihnen befand sich der wenige Wochen zuvor aus der Haft entlassene Sven Kahlin, der am 28. März 2005 in Dortmund den Punk Thomas „Schmuddel“ Schulz in einem U-Bahnhof erstochen hatte. Auch bei dem Angriff auf die Kneipe wurde ein Besucher durch einen Messerstich verletzt. Die öffentlichen Reaktionen auf den Vorfall folgten den bereits genannten Mustern. Die Lokalzeitung Ruhrnachrichten deklarierte den Überfall der Neonazis auf die Hirsch-Q zur „Schlägerei in dem linksautonomen Treffpunkt“. Der Tenor der Berichterstattung suggerierte zunächst eine Mitschuld der Überfallenen am Gewaltexzess der Neonazis in und vor der Hirsch-Q. Erst nachdem Antifaschist_innen und die Betreiber_innen der Kneipe durch intensive Pressearbeit auf den rechten Hintergrund hingewiesen und zahlreiche weitere Angriffe auf die Hirsch-Q dokumentiert hatten, änderte sich die Berichterstattung allmählich.


Unabhängige Opferberatung notwendig

Aber nicht erst die jüngsten Übergriffe auf die Hirsch-Q verdeutlichen den oftmals äußerst desinteressierten und empathielosen Umgang mit Opfern rechter Gewalt in Dortmund wie auch bundesweit. Schlagzeilen machte beispielsweise der Fall der Familie Engelhardt aus Dortmund-Dorstfeld, die sich über Monate hinweg Anfeindungen, Bedrohungen und Angriffen der extrem rechten Szene ausgesetzt sah. Die Fenster ihrer Wohnung wurden eingeworfen, das Auto beschädigt und der gegen Neonazis engagierte Sohn auf Flugblättern diffamiert. Die Dortmunder Polizei erklärte, die Familie nicht schützen zu können, und Hartmut Anders-Hoepgen, städtischer Beauftragter für Toleranz, Vielfalt und Demokratie räumte ein: „Wir sind alle ein bisschen hilflos“. Konkrete Unterstützungsmaßnahmen für die Engelhardts von Seiten der Stadt gab es demnach nicht. Ende 2009, nach über einem Jahr ständiger Bedrohung, entschloss sich die Familie aus Dortmund weg zu ziehen. Die Nazis triumphierten. Die von Anders-Hoepgen erwähnte Hilflosigkeit sowie die Klage der Engelhardts, mit der traumatisierenden Situation vollkommen allein gelassen worden zu sein, teilen zahlreiche weitere Opfer rechter Gewalt in Dortmund wie auch darüber hinaus. Vereinzelt wenden sich Betroffene daher an die seit Jahren bestehenden Beratungsstellen für Opfer rechter und rassistischer Gewalt in den ostdeutschen Bundesländern.

In diesem Zusammenhang wurden erstmals Stimmen laut, die entsprechende Einrichtungen auch für NRW und andere westdeutsche Bundesländer forderten. Die rot-grüne Landesregierung hielt sich hier zunächst jedoch bedeckt. So erklärte beispielsweise Innenminister Ralf Jäger (SPD) im November 2010 in der Antwort auf eine kleine Anfrage der Partei Die Linke, dass aus Sicht seines Ministeriums die „Einrichtung weiterer Beratungsstellen speziell für Opfer rechtsextremistischer Gewalt […] angesichts des breiten Hilfsangebotes, das in Nordrhein-Westfalen auf allen Ebenen zur Verfügung“ stehe, „nicht notwendig“ sei. Mit dem von ihm hervorgehobenen „breiten Hilfsangebot“ ist vor allem der polizeiliche Opferschutz, aber auch der Weiße Ring e.V. gemeint. Die nachvollziehbaren Vorbehalte vieler Opfer rechter Gewalt gegenüber den Polizeibehörden wurden bereits erwähnt. Doch auch die meist auf ehrenamtlicher Basis tätigen MitarbeiterInnen der Opferschutzorganisation Weißer Ring sind, so berichten Betroffene, in der Regel für die besondere Problematik rechter Gewalt nur unzureichend sensibilisiert und qualifiziert.

Die kategorische Haltung des Innenministeriums schien sich im April 2011 zu bestätigen, als SPD und Grüne zusammen mit CDU und FDP einen Antrag der Partei Die Linke ablehnten, Beratungsstellen für Betroffene rechter Gewalt in NRW einzurichten. Tatsächlich existieren in der Regierungskoalition jedoch unterschiedliche Positionen zum Thema. Während etwa der innenpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion Thomas Stotko im März 2011 bei einer Podiumsdiskussion in Düsseldorf über „Rechte Gewalt und deren Opfer“ in NRW, anders als sein Innenminister, den Bedarf an spezialisierter Opferberatung nicht grundsätzlich bestritt, setzt sich bei den Grünen vor allem Verena Schäffer offensiv für die Einrichtung entsprechender Stellen ein. Überraschenderweise sind nun im Mitte Mai 2011 verabschiedeten Landeshaushalt 300.000 Euro für den Aufbau einer Opferberatung vorgesehen.

Doch damit sind die Probleme keineswegs gelöst. Zum einen ist unsicher, ob die Einrichtungen über das Jahr 2011 hinaus gefördert werden sollen. Zum anderen ist im Moment vollkommen unklar, welche Institutionen oder Initiativen als Träger der Opferberatung überhaupt in Frage kommen. Die Tatsache, dass die Fördermittel ausgerechnet in den Etat des Innenministeriums eingestellt wurden, stimmt Beobachter_innen eher skeptisch. Freilich wäre die Einrichtung von professionellen Beratungsstellen für Opfer rechter und rassistischer Gewalt in NRW (wie auch in den übrigen westdeutschen Ländern) ein Fortschritt – denn deren Notwendigkeit liegt auf der Hand. Allerdings muss die Unabhängigkeit der Beratungsstellen von staatlichen Behörden gewährleistet sein, wollen sie nicht zu zahnlosen Alibi-Projekten verkommen. Wahrnehmbarer zivilgesellschaftlicher und antifaschistischer Druck sind demnach auch auf diesem Feld unverzichtbar.

 

Der Artikel erschien in der Ausgabe Nr. 44/Sommer 2011 der antifaschistischen Zeitschrift Lotta.