Liebe Antifas, Freund_innen und Genoss_innen, liebe Leser_innen,
Anknüpfend an dem Artikel »Zwischen Kitsch und Subkultur« (AIB # 89), der den rechten Hintergrund der angeblich »unpolitischen« Popband Frei.Wild aufzeigt, steht die kulturelle Grauzone im Fokus dieser Ausgabe. Grauzonen gibt es in vielen (Musik-)Kulturen: im Metal, im Hip-Hop, in der Dark Wave und Gothic-Szene. Doch haben wir diesen Schwerpunkt ganz auf die Betrachtung des Punk und Oi ausgerichtet. Nicht zuletzt da viele Räume, die sich als »alternativ« verstehen, direkt damit konfrontiert sind. Im nächsten AIB wird eine Betrachtung des Hardcores folgen.
Im Ressort »Antifa« wird ein sehr aktuelles und überaus diskussionswürdiges Thema eröffnet: In jüngster Zeit häufen sich die Fälle sog. »Umsteiger«. Gemeint sind Personen, die eine gewisse Zeit aktive Neonazis waren, und dann aus unterschiedlichen Beweggründen und auf unterschiedliche Weise antifaschistisch aktiv werden (wollen). Die Motivlagen, die Entwicklungsläufe und die Intensität können sehr unterschiedlich sein. In dem Artikel auf Seite 28 und dem anschließenden Interview haben wir versucht, grundlegende Standards für eine antifaschistische Bewegung im Umgang mit diesen Personen zu formulieren.
Fortgeführt wird in dieser Ausgabe die Disskussion um Begriffsalternativen zum »Rechtsextremismus«. Die Leipziger »Inex« kritisiert jegliche »extrem«-Wortschöpfungen und macht sich für den klassischen (Neo)Nazi-Terminus stark.
International
liegt unser Schwerpunkt auch in dieser Ausgabe mal wieder auf
Osteuropa. Nach wie vor verschlechtert sich die Situaton dort in vielen
Ländern. Umso wichtiger ist es, darüber kontinuierlich zu berichten.
Junge Antifaschist_innen aus der südserbischen Stadt Nisˇ haben uns
einen subjektiven Bericht über ihre Situation geschrieben. Doch ist das
dort Beschriebene durchaus wörtlich zu nehmen.
An
dieser Stelle sei noch der Artikel »Der Staat tritt nach« auf Seite 46
um neueste Informationen ergänzt, welche jüngst von der taz aufgedeckt
wurden: Die Dresdner Polizei hat bei den Aktionen und Blockaden rund um
den Neonazi-Aufmarsch im Februar diesen Jahres in Dresden eine
sogenannte Funkzellenauswertung vorgenommen. Dabei wurden sämtliche ein-
und ausgehenden Anrufe und Kurzmeldungen sowie die exakten Positionen
aller Personen, die sich am Nachmittag des 19. Februar 2011 in der
Dresdner Südvorstadt aufgehalten haben, erfasst und gespeichert. Auf
diesem Weg erhielten die Ermittler ca. 138.000 Datensätze von den
Providern. Ziel dieser Maßnahme sei nach Angaben des Polizeipräsindenten
Dieter Hanitsch die Aufklärung der schweren Straftaten am 19. Februar.
Da durch die Provider ausschließlich die Verbindungsdaten der gesamten
Funkzelle mitgeteilt werden, könne vorher nicht unterschieden werden, ob
es sich bei den Anschlussinhabern um einen der 12.000 Anwohner_innen
oder aber Zeugen oder Beschuldigte handele. Das die Telefon-Daten eines
gesamten Stadtviertels für die, letztendlich wahrscheinlich ohnehin
erfolglose, polizeiliche Rasterfahndung genutzt werden, zeigt einmal
mehr, dass sich die sächsische Landesregierung von einer
Verhältnismäßigen Politik verabschiedet hat.
Am 27.
Mai 2011 wurde ein Wohnungsloser in der Wartehalle eines Bahnhofes in
Oschatz (Sachsen) umgebracht. Die drei ortsansässigen Täter hatten den
50-jährigen André K. mit Schlägen und Tritten so schwer verletzt, dass
er aufgrund der massiven Gewalteinwirkungen verstarb. Die Polizei nahm
Anfang Juni 2011 drei Tatverdächtige fest. Bei einem Beschuldigten
handelt es sich nach Informationen der Linksfraktion im sächsischen
Landtag und des antifaschistischen Informationsportals GAMMA um den
ortsansässigen 27-jährigen Ronny S., der in der Jugendorganisation der
NPD, den »Jungen Nationaldemokraten« aktiv sei. In Sachsen starben seit
dem Jahr 2000 bereits drei Menschen, weil sie im sozialdarwinistisch
geprägten Weltbild der Angreifer als minderwertig galten. In den
offiziellen Statistiken werden alle drei nicht als Todesopfer rechter
Gewalt geführt.
In den frühen
Morgenstunden des 12. Mai 2011 wurde in Athen ein 21-jähriger Migrant
aus Bangladesch erstochen. Vorausgegangen war eine ganze Serie von
rassistischen Angriffen. Hintergrund dieser Attacken war der Tod eines
44-jährigen Griechen, der von drei Unbekannten – vermeintlich
afrikanische Flüchtlinge – bei einem Raub erstochen wurde. Organisierte
Neonazis und fremdenfeindliche Griechen nutzten diesen tragischen Mord
aus, um Migranten durch die Innenstadt zu jagen, zu verletzen und deren
Geschäfte zu attackieren.
Gratulationen gebühren auch unserer britischen Schwesterzeitschrift Searchlight. Ihr ist es mit der erfolgreichen »Hope Not Hate«-Kampagne gelungen, im lokalen Wahlkampf einen Wahlerfolg der extrem rechten British National Party zu verhindern. Well done! The stuggle continues!