Hoffentlich Allianz versichert?

Zur Pleite bei manroland

Rund 6 600 Menschen arbeiten derzeit noch direkt für den Druckmaschinenhersteller manroland AG, davon 1 900 in Offenbach, 700 in Plauen und 2 400 in Augsburg. manroland gehört mit ca. 1 Mrd. Umsatz neben Heidelberger Druckmaschinen AG (2,6 Mrd.) und Koenig & Bauer (1,2 Mrd.) zu den drei Großen der Branche, auf die geschätzte 60-70 Prozent des weltweiten Umsatzes entfallen. Nachdem, wie es in der Presse hieß, der Haupteigentümer Allianz bei manroland Ende November »den Geldhahn« zugedreht hatte, musste der Konzern Insolvenz anmelden.

Damit sind sämtliche Arbeitsplätze zur Disposition gestellt, oder, wie Belegschaftsvertreter es ausdrücken: »zum Abschuss frei gegeben«. Zwar ist eine vorübergehende »Entspannung« der Situation eingetreten auf-grund eines »Massekredits« in Höhe von 55 Millionen Euro, den ein aus 15 Banken bestehendes Konsorti-um dem Unternehmen zur Verfügung gestellt hat, um bestehende Aufträge abzuarbeiten. Doch davon sind lediglich zehn Millionen in Form von Barkrediten zur Verfügung gestellt worden, der Rest besteht aus For-derungen, die manroland an die genannten Banken abgetreten hatte und nun wieder selbst eintreiben darf – und muss. Nicht entspannt ist die Situation hingegen für die Belegschaft, da unklar ist, ob überhaupt und in welcher Konstellation die Produktion fortgesetzt wird und aus welcher Quelle die Beschäftigten künftig ihre Einkommen erzielen sollen. Noch erhalten sie Insolvenzgeld, doch dies nur bis zum 31. Januar. Hinzu kom-men der ungünstige Zeitpunkt (25. November), an dem die Insolvenz verkündet wurde – fast der gesamte Monat ist damit verloren –, sowie die traditionell schlechte Auftragslage zum Jahresende und die Feiertage, die die Suche nach Investoren, aber auch nach Alternativen im Arbeitskampf erschweren. Insofern scheinen die Zukunftsaussichten düster.

Mehrere Optionen werden zur Zeit diskutiert:

1. Erhalt des manroland-Verbunds, also aller drei Werke, wie dies u.a. Marita Weber, erste Bevollmächtige der Offenbacher IGM fordert. Sie bestreitet, dass das Unternehmen nicht konkurrenzfähig sei bzw. sich in einem Unterbietungswettbewerb befinde (vgl. FAZ, 7. Dezember 2011). Dies ignoriert allerdings nicht nur die seit etwa zehn Jahren laufenden Vereinbarungen zum Verzicht auf Lohn, Weihnachts- und Urlaubsgeld bei manroland, sondern auch die ökonomische Situation der Gesamtbranche. Diese ist durch Überkapazitä-ten bei den Zeitungsdruckmaschinenherstellern im Rollenoffsetbereich und eine hohe Konkurrenz im digita-len Bogendruckbereich gekennzeichnet.

Insofern sie nicht nur als Offenbacherin, sondern zugleich als Vertreterin der Gesamtorganisation auftritt, kann sie sich allerdings auch kaum eine andere Haltung erlauben und muss eine Perspektive einnehmen, die die drei Standorte einschließt, auch wenn dem Offenbacher Bogendruck allein – nicht nur – von ihr gute Aussichten zugesprochen werden. Zu den expliziten VertreterInnen einer Abtrennung des Offenbacher Werks und dessen Fortführung in Eigenregie gehören die Betriebsratsvorsitzende Alexandra Roßel, Hes-sens FDP-Wirtschaftsminister Dieter Posch sowie eine Reihe von Analysten (vgl. FAZ, 29. November 2011).

Mit Blick auf die Probleme der Gesamtbranche wird dagegen in folgenden Szenarien argumentiert:

2. Auftrennung des Konzerns, Verkauf der Teilbereiche Rolle und Bogen an Einzelinvestoren und Fortfüh-rung von als profitabel eingeschätzten Teilen der Produktion. Zwar sei er offen dafür, den Konzern auch im Ganzen zu verkaufen, so Insolvenzverwalter Werner Schneider, doch eine »getrennte Lösung wäre ein-facher« (FTD, 29. November 2011) und ein »Teilverkauf möglicherweise die realistischere Lösung« (FAZ, 2. Dezember 2011). Europäische Interessenten zeigten bislang jedenfalls kein Interesse an einer Komplett-übernahme. »Realistisch« wäre allerdings die Variante, dass der im Bogen-Bereich tätige »Branchenpri-mus« Heidelberger wieder in den Rollenoffsetbereich einsteigt und Augsburg übernimmt und die Offen-bacher Bogenmaschinenproduktion an Shanghai Electric verkauft wird. Außen vor bleibt in solchen Betrach-tungen das Plauener Werk, das in Folge der letzten Umstrukturierungen in diesem Jahr seine Produktion nach Augsburg abgeben musste, nur noch Zulieferfunktionen für Offenbach und Augsburg wahrnimmt und sich als Zulieferer ohne Konzernanbindung gegen die Konkurrenz durchsetzen müsste.

Doch egal in welcher Kombination wären mit den genannten Zusammenschlüssen Hunderte von Entlassun-gen an allen Standorten verbunden – wie dies auch der Fall gewesen wäre, wenn die vorangegangenen Fusionsgespräche mit Heidelberger, Koenig & Bauer (KBA) oder zuletzt dem Schweizer Investor Capvis nicht gescheitert wären.

Mit Shanghai Electric steht der drittgrößte Rollenhersteller der Welt an, der zwar ebenfalls unter dem welt-weiten Überproduktionsdruck leidet, aber nur eine vergleichsweise geringe Position bei der Produktion von Bogendruckmaschinen einnimmt. Die Insolvenzverwalter loben vorab schon einmal mögliche chinesische Partner, indem sie darauf verweisen, dass diese an verschiedenen Standorten weltweit nicht nur für den chinesischen Markt produzieren und dass die Risiken von Produkt- und Know-How-Piraterie insgesamt überschätzt würden.

Ein weiterer Großkonzern mit Kapazitäten für beide Druckmaschinentypen und Niederlassungen in Deutschland würde allerdings die Konkurrenz für Heidelberger und KBA gleichermaßen verschärfen – was entsprechende Ängste in der Branche auslöst.

Hier kommt die nationale Variante einer »Branchenlösung« etwa in Form einer Deutschland-Druck-AG ins Spiel – ein Konzept, das die IGM-Spitze und IGM-Bezirksleiter Armin Schild favorisieren und für das sie die Einrichtung eines »Runden Tischs« von Wirtschaftsminister Rösler fordern.

Was aber könnte dieser bringen – außer einer populistischen Abwehr ausländischen Kapitals? Um die Aus-sichten einer Branchenlösung im Großen beurteilen zu können, ist ein Blick auf die ›Lösung in klein‹ hilf-reich: die vor der Insolvenz geprüfte Variante eines erneuten MAN-Umbaus unter dem Schweizer Investor Capvis. Diese hätte die Eingliederung des Offenbacher in das Augsburger Werk bei gleichzeitiger ›Ver-schlankung‹ beider Produktlinien bedeutet – lediglich 160 Arbeitsplätze in Forschung und Entwicklung wä-ren vorübergehend in Offenbach geblieben. Getragen wurde dieses Konzept vom Investor, dem Vorstand der manroland, der Allianz, den kreditgebenden Banken und – so muss leider vermutet werden – auch von den bayerischen IG Metall-Vertretern. Es scheiterte letztlich an der Frage: »Wer macht sich die Finger dreckig und zahlt dafür?« Alle an diesem Konzept Beteiligten sind weiterhin »im Spiel« und haben sich einen weiteren »Mitspieler« geholt: den Insolvenzverwalter.

Damit ist zwar die Frage geklärt, wer sich die Finger dreckig macht. Doch das Ergebnis wäre ein ›profitsa-nierter‹, auf – was immer das im Einzelfall heißen mag – ›brauchbare‹ Größe getrimmter Druckmaschinen-konzern, der die beiden anderen zu Anpassungsmaßnahmen zwingt, Konkurrenz und Arbeitsplatzabbau auf höherem Niveau also. Dieses Konzept ist nach wie vor nicht vom Tisch. Darauf deutet auch der Umstand hin, dass eine Insolvenz in Eigenverwaltung beantragt wurde, der manroland-Vorstand also nach wie vor verantwortlich ist. Ihm beigeordnet wurde ein so genannter »schwacher Insolvenzverwalter« sowie ein Ge-neralbevollmächtigter, den das Unternehmen zur Vertretung seiner Interessen bestellt hat. Diese Funktion nimmt die Kanzlei Kebekus aus Düsseldorf wahr, die u.a. wie folgt zitiert wird: »Drei große Player sind ein bisschen viel« und: »Niemand kann ernsthaft behaupten, dass alle Arbeitsplätze und Standorte erhalten bleiben« (SZ, 29. November 2011).

Damit wären auch die Folgen einer nationalen Branchenlösung skizziert. Ein Grund mehr, sich genau zu überlegen, worin die Perspektiven für einen Arbeitskampf bestehen könnten.

 

erschienen im express, Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit, 12/11

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