Völkische Schwarmgeister im Rathaussaal

Der Forschungskreis Externsteine

in (22.08.2012)

Der Forschungskreis Externsteine wollte seine rechte Geschichte kritisch aufarbeiten, dieser Modernisierungskurs einiger weniger Mitglieder ist jedoch gescheitert. Die letzte Jahrestagung zeigt, dass völkische Ideologeme im Verein weiterhin hochgehalten werden.

„Die erwähnte Hauptthese ist astronomisch und fachmännisch untersucht worden und in der Sache richtig. Bis zur allgemeinen Anerkennung wird vielleicht noch einiges Wasser die Weser herunterfließen, aber die Wahrheit lässt sich nicht unterdrücken“, ereiferte sich der Referent Jürgen Mische mit schriller Stimme, bezugnehmend auf die Thesen Wilhelm Teudts. Fast alle der rund 50 Teilnehmenden der 46. Tagung des Forschungskreises Externsteine beklatschten begeistert dieses Bekenntnis zu dem „Germanenkundler“, der von sich selbst sagte, er sei Nationalsozialist „bis auf die Knochen“. Sie belegten damit augenfällig, dass es sich beim Forschungskreis Externsteine bis heute um eine germanophile, völkischen Vorbildern folgende Gruppierung handelt. Ihre Tagung durfte dennoch im Rathaus des kleinen, in der Nähe der Externsteine gelegenen Ortes Horn-Bad Meinberg in Ostwestfalen stattfinden und genoss somit fast öffentliche Weihen.


Von Teudt und Wirth zu Machalett

Der Forschungskreis Externsteine entstand 2007 aus dem schon 1968 gegründeten „Forschungskreis“ von Walther Machalett. Dieser entwickelte eine Deutung, nach der die Externsteine das Zentrum des Abendlandes sind. Seine Bücher sind ethnozentristisch und rassistisch geprägt. Im Kern versucht er die Existenz einer prähistorischen Hochkultur der „weißen Rasse“ zu belegen, die Externsteine sind ihm dabei ein Teil seiner „Beweiskette“. Die Lehren Machaletts gehen zurück auf andere völkische Ideologen, die teilweise im Nationalsozialismus bedeutende Funktionen einnahmen, beispielsweise Wilhelm Teudt oder Herman Wirth. In den vergangenen Jahrzehnten wurden diese immer wieder von den Mitgliedern des als Verein organisierten „Forschungskreises“ positiv rezipiert; zu den Tagungen kam einmal sogar Wirth selbst angereist. Von der rassistischen Germanenideologie fühlte sich auch der militante Neonazismus angezogen. So stand 1978 beispielsweise ein Vortrag von Heiko Oetker, der ab 1979 Bundesfahrtenleiter der Wiking-Jugend war, auf dem Programm. Führende „Forschungskreis“-Mitglieder referierten mehrfach bei der neonazistischen „Hetendorfer Tagungswoche“ oder veröffentlichten Artikel in Publikationen der extremen Rechten.

 

Kritik

Seit den 1990er Jahren machten AntifaschistInnen immer wieder mal auf den Forschungskreis Externsteine und seine Tagungen aufmerksam. Allerdings verhinderte die Fixierung auf die Verbindungen zum militanten Neonazismus eine tiefere und kontinuierliche Auseinandersetzung mit der Organisation. Erst 2011 wurde eine detaillierte Kritik geäußert. Der aktuelle Vereinsvorstand unter Führung des Vorsitzenden Matthias Wenger reagierte mit dem Versprechen, die Geschichte aufzuarbeiten und bestritt aktuelle rechte Bezüge. Doch schon die Geschichte Wengers selbst lässt Zweifel daran aufkommen, ob er den Verein ernsthaft in eine emanzipatorische Richtung wenden will. So behauptet er, sich schon Mitte der 1990er Jahre von der extrem rechten Version des Neuheidentums gelöst zu haben, hielt jedoch bis mindestens 2004 Vorträge bei der extrem rechten Organisation Ur-Europa, der ehemaligen Herman-Wirth-Gesellschaft. Aufgrund der Verbindungen zur extremen Rechten und den hochgradig problematischen ideologischen Aussagen aus dem Verein forderten KritikerInnen den Bürgermeister der Stadt Horn-Bad Meinberg auf, die Zusage für die öffentlichen Räume zurückzuziehen. Das wurde mit Verweis auf den vermeintlichen Aufarbeitungsprozess abgelehnt.


Aufarbeitung

Tatsächlich hatte der Verein für seine Tagung 2012 eine umfangreiche Aufarbeitung angekündigt. In seinem Auftaktvortrag beschäftigte sich Wenger mit den Thesen Walther Machaletts und stellte fest, „dass Rasse für Machalett ein Fetisch ist“, der mit Selektionsgedanken einher- gehe. Er belegte die Bezüge auf im NS popularisierte Ideen wie die so genannte Welteislehre, nach der das Universum auf Mutationen von ewigem Eis basiert und die Verwobenheit mit Ideologen wie Wilhelm Teudt. Diese hätten Machalett in seinen durch „Erleuchtung“ gewonnenen Überzeugungen bestätigt, dass es sich bei den Externsteinen um ein vorchristliches astronomisches Observatorium gehandelt habe. Wenger verwarf Machaletts völkisch-rassistische Lehren, behauptete jedoch weiter, dass „die Externsteine auch schon ein heiliger Ort vor 10.000 Jahren“ gewesen seien. Diese wolle er als „Hüter oder Wächter“ bewahren, sie jedoch nicht als Ausdruck einer „imperialen Macht“ – unter der er den Nationalsozialismus subsumiert – verstehen. Damit möchte Wenger die NS-Belastung des Themas „Externsteine als mythischer, quasi-urgermanischer Ort“ überwinden, ohne jedoch die völkische Grundsubstanz zu reflektieren. Die „neue“ Aufgabe des Vereins sieht er darin, die „aus der Unrast des linearen Zeitbegriffs resultierenden Schäden zu heilen“. Damit wendet er sich mit zivilisationskritischem Duktus gegen die Moderne und sucht sein „Heil“ in der esoterischen Vorstellung eines völkischen Naturzustands.


Scheitern

„Wir lassen es für immer hinter uns“ postulierte Wenger in Bezug auf das völkische Denken. Schon der ihm folgende Referent, der bekennende Teudtianer Jürgen Mische, bewies das Gegenteil. Er konstruierte – perfiderweise mit Rückgriff auf Fritz Bauer, den Initiator der Auschwitz-Prozesse – eine besondere Beziehung der Germanen zu Demokratie und Widerstand. Dem Bild des freiheitsliebenden Germanenvolkes setzte er die unterdrückerischen Römer und Christen entgegen und verstieg sich zu der Aussage: „Gehorsam war den Deutschen ein fremder Begriff.“ Renate Genth hingegen beschrieb die Unterschiedlichkeit der Germanenbilder im Laufe der Zeit und verdeutlichte damit, dass es sich hier um eine Projektionsfläche handelt. Im Anschluss war ein Beitrag der Wissenschaftlerin Luitgard Löw über Herman Wirth vorgesehen. Da sie verhindert war, verlas Karsten Wilke vom ebenfalls miteinbezogenen Beratungsnetzwerk gegen Rechtsextremismus in NRW ihr Manuskript. Allerdings fokussierte der Beitrag auf die Biographie Wirths und nahm keinen Bezug zum Forschungskreis Externsteine; so blieb eine Kontroverse unter den Anwesenden aus.

Der Aufarbeitung sollte ebenso der Vortrag von Rolf Speckner über „Die Grabungen an den Externsteinen in den Jahren 1934 bis 1936 aus heutiger Sicht“ dienen. Allerdings bagatellisierte der Anthroposoph den politisch-ideologischen Hintergrund dieser NS-Grabungen. Stattdessen arbeitete er sich Befund um Befund an der unzureichenden Dokumentation der 1930er Jahre ab – wobei er betonte, dass aufgrund der komplexen Faktenlage eine vorchristliche Zeitstellung der Externsteine nicht auszuschließen sei. Laut Speckner habe es in den 1930er Jahren zwar „bei dem Ein oder Anderen“ politische Gründe für eine Ausgrabung der Externsteine gegeben, heute sei jedoch auch „die Verschweigung“ dieser Unternehmungen politisch motiviert. Was genau damit gemeint ist, bleibt offen, es schwingt jedoch die Unterstellung mit, dass „die Wahrheit“ durch eine von den 1968ern geprägte Wissenschaft und die „political correctness“ unterdrückt werde.


Völkische Schwarmgeister im Rathaussaal

Die Aussagen von Mische und Speckner waren ein offener Affront gegen die zaghaften Modernisierungsversuche von Teilen des „Forschungskreis“-Vorstands. Der Applaus und vor allem die anschließende Diskussion ließen keinen Zweifel daran, dass die Mehrheit der Anwesenden diese Bestrebungen nicht unterstützt. Nicht nur in den auf der Tagung getätigten Aussagen, sondern auch auf der organisatorischen Ebene war festzustellen, dass diese Organisation weiterhin vom Völkischen durchdrungen ist: Mit Burkhart Weecke bot ein Verleger der extremen Rechten auf der Veranstaltung Literatur des extrem rechten Grabert Verlages und ein Werk von Herman Wirth aus dem neonazistischen Wiener Volkstum-Verlag zum Kauf an. Bei der abendlichen Diskussion war zudem der langjährige und neonazistische Kader Steffen Hupka anwesend.

Angesichts des offensichtlich werdenden Scheiterns der Aufarbeitung ist zu hoffen, dass sich der Druck auf den Forschungskreis Externsteine erhöht. Eine Verweigerung öffentlicher Räume für die völkischen Schwarmgeister wäre ein notweniger und folgerichtiger erster Schritt.