Gender Trouble beim FJT

Ein Bericht vom 38. Feministischen Juristinnentag (FJT)

Für wen oder was streiten wir eigentlich? Dies war eine der zentralen Fragen des diesjährigen FJT und zeigte eindrücklich, welch unterschiedliche Bezüge die Teilnehmerinnen_[1] zu Feminismus und feministischer Rechtswissenschaft haben und wie verschieden ihre Vorstellungen insbesondere über die Kategorie „Geschlecht“ sind.

Der FJT findet einmal jährlich in wechselnden Städten in Deutschland statt und wird von dem Verein Frauen streiten für ihr Recht e.V. getragen. Bei dieser Zusammenkunft feministischer Juristinnen_ und juristischer Feministinnen_ geht es einerseits um Input und Wissensvermittlung rund um Feminismus und juristische Betätigungsfelder, andererseits aber auch um das Aufbauen von Netzwerken und den Austausch. Dabei treffen unter anderem Studentinnen_, Richterinnen_, Anwältinnen_, Sozialarbeiterinnen_ und Wissenschaftlerinnen_ in einem zwanglosen Rahmen aufeinander und diskutieren gleichberechtigt über die verschiedensten Themen feministischer Rechtswissenschaft und -praxis. Es gibt Arbeitsgemeinschaften, Vorträge, Podien, Foren und Workshops, aber auch viele Möglichkeiten der informellen Diskussion mit anderen Teilnehmenden. Dem besseren Kennenlernen dient auch die jedes Jahr vom Orga-Team gestaltete Abendveranstaltung mit gemeinsamem Essen und anschließender Party. Dieses Jahr fand der FJT in Bremen statt. Drei Tage lang wurde im malerisch auf der Stadtwerder gelegenen Lidice-Haus diskutiert, gestritten und getanzt.

Und das Private ist doch politisch

Den Eröffnungsvortrag hielt Christa Wichterich am Freitagabend thematisch sehr aktuell zum Thema „Geld, Eigentum und Macht in der Krise – Wer will mehr vom vergifteten Kuchen?“. Dabei ging es speziell um die Auswirkungen der Krise auf Frauen_ und Rollenzuschreibungen in der Gesellschaft. Der Samstag begann mit Arbeitsgemeinschaften zu so unterschiedlichen Themen wie Care-Arbeit, Scheidungsrecht, sexualisierter Gewalt, der UN-Frauenrechtskonvention CEDAW und der Frage nach einem neuen Feminismus im Recht. Im Anschluss fanden sich drei Foren zusammen, in denen über Teilhabe-Chancen von Frauen_, die Finanzkrise und feministischen (Multi-)Kulturalismus diskutiert wurde. Nach der Mittagspause stellte sich der Verein Anwältinnen ohne Grenzen e.V. vor. Samstagnachmittag trafen sich weitere Arbeitsgemeinschaften zu verschiedenen Fragestellungen, angefangen bei migrantischer Care-Arbeit über Kindschaftsrecht gegen Häusliche Gewalt[2], Kritik an der Normativität von Ehe und Familie, Gender Budgeting bis hin zu feministischer und queerer Pornografie. Nach all diesem theoretischen Input folgte ein praktischer Abschnitt mit Sportangeboten und Trainings zu Social Justice und Klassismus sowie zu sexistischer Diskriminierung im juristischen Alltag. Abends luden die Sisters in Crime zu einem Konzert, unter anderem mit Songs, in denen wunderbar ironisch verschiedene Referendariatsstationen musikalisch verarbeitet wurden. Sonntagvormittag fand die Diskussion statt, in der die Frage nach dem feministischen Subjekt neu gestellt wurde. Ein- und Ausschlüsse, die durch die Bezugnahme auf „Frauen“ entstehen, wurden thematisiert: Bisher ist der FJT – zumindest offiziell – nur für Menschen zugänglich, die sich als „Frauen“ fühlen. Wie so häufig im akademischen feministischen Umfeld sind auch beim FJT migrierte, Schwarze[3], prekarisierte oder behinderte Feministinnen_ unterrepräsentiert. Deswegen wurde Möglichkeiten erörtert, einen breiteren Zugang zum FJT zu verwirklichen und bestehende Barrieren abzubauen. In diesem Kontext stellte sich die Frage einer Öffnung des FJTs für Transmänner, also Frau-zu-Mann-Transgender, und für Queer People, die sich zwischen oder jenseits der Zweigeschlechtlichkeit verorten.

Gleichheits-, Queer- oder Post-Feminismus?

In dieser Diskussion über die Öffnung des FJT sowie im anschließenden Plenum, in dem die Resolutionen des 38. FJT verabschiedet wurden, prallten entgegengesetzte Vorstellungen von Feminismus aufeinander: Nicht nur im politischen Grundverständnis, sondern auch in der historisch-politischen Sozialisation ihrer Verfechterinnen_ zeichneten sich inhaltliche Kontroversen ab. Eine Resolution, die eine Öffnung des FJTs für Transmänner und queere Menschen anstrebte, scheiterte. Das Plenum sprach sich somit für die Beibehaltung des bisherigen Abgrenzungskriteriums zur Teilnahme am FJT aus, welches darauf abstellt, sich „als Frau“ zu fühlen. Hier zeigte sich ein Phänomen, das in den Gender Studies als „feministisches Dilemma“ bezeichnet wird: Einerseits gilt es die Kategorien von „Frauen“ und „Mädchen“ zu überwinden, um Geschlechterdiskriminierung aus der Welt zu schaffen. Andererseits lassen sich die Betroffenen geschlechtsspezifischer Diskriminierung nur benennen, indem eben diese Kategorien konstruiert werden. Während gleichheitsfeministische Ansätze die Überwindung identitätsbezogener Geschlechtskategorien anstreben, heben differenzfeministische Positionen den weiblichen, in der Geschlechterhierarchie unterdrückten Standpunkt hervor. Eine detaillierte Übersicht verschiedener Feminismen soll an dieser Stelle nicht erfolgen. Zu betonen ist jedoch, dass sich sowohl mit gleichheits- als auch mit differenzfeministischen Konzepten emanzipatorische Bestrebungen gleichermaßen legitimieren als auch konterkarieren lassen: Mit Gleichheitsfeminismus wird nicht nur die Gleichstellung aller Geschlechter angestrebt, sondern auch eine Angleichung von Frauen_ an männliche Normen und die Teilhabe weiblicher Eliten an patriarchalen Strukturen gefördert. Hingegen ermöglicht Differenzfeminismus nicht nur die Überwindung von Unterdrückungsmechanismen in der weiblichen Sozialisation, sondern verdeckt auch Hierarchien zwischen Frauen_ und ist mit biologistisch-essentialistischen Ausschlüssen gegenüber queeren Menschen verbunden, deren Unterdrückungserfahrungen im Geschlechterverhältnis durch reine Frauenprojekte noch verstärkt werden.

Der FJT als FrauenLesbenTrans*-Raum?

Für uns Autorinnen_, als Feministinnen_ mit queerem, herrschaftskritischem Anspruch, sind identitäre Uneindeutigkeiten Alltagserfahrungen, die unser emanzipatorisches Aufbegehren mit sich bringt und durch die sich unsere Emanzipationsbestrebungen zunehmend von identitätsbezogenen Feminismen verselbständigt haben. Denn wir verstehen unser Geschlecht nicht als exklusiv, naturgegeben weiblich. Wir haben feministische Theorien sowohl im Selbststudium sowie in feministisch-politischen Bildungsangeboten sozialer Bewegungen und politischer Szenen, als auch im Bereich Feministischer Wissenschaften als universitäres Studienangebot kennengelernt. Die Erfahrung, dass wir bei anderen Feministinnen_ zu viele Theoriekenntnisse voraussetzen und dass unsere Anliegen bei vermeintlich Gleichgesinnten auf Unverständnis und Ablehnung stoßen, wirkt eher desillusionierend, als dass wir im eigenen feministischen Selbstverständnis bestärkt würden. Wie hier auf dem FJT wird sie teilweise gar zur Unerträglichkeit, wenn die ohnehin raren (vermeintlichen) Verbündeten im feministischen Kampf genau jene heteronormative, zweigeschlechtliche Geschlechtergewalt, gegen die wir mit ihnen kämpfen wollen, wiederholen und für einen der wenigen möglichen Artikulationsräume queer-feministischer Rechtspolitik als hinzunehmende Zugangsbedingung setzen. Alle FrauenLesbenTrans*-Räume stehen vor der großen Herausforderung, ihre Zielgruppe präzise zu definieren, möglichst ohne unnötige Ausschlüsse zu reproduzieren. Eine Formulierung mit juristisch-feministischem Knowhow könnte diesen Schutz- und Freiraumprojekten eine hilfreiche Orientierung bieten, um anti-feministische Attacken, denen sie dauernd ausgesetzt sind, wirkungsvoller abwehren zu können. Dass die Gelegenheit, hierüber Klarheit zu schaffen, zumindest für dieses Jahr vertan wurde, ist bedauerlich, aber auch geradezu exemplarisch für das oft beschworene Konstrukt innerfeministischer „Generationenkonflikte“. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich jedoch, dass emanzipatorische Bewegungen durch alle Generationen hinweg auf Grund identitärer Selbstverständnisse kritisiert wurden. Denn die positive Bezugnahme auf ein identitätsstiftendes Merkmal (z.B. eine „Frau“ zu sein) bedeutet einerseits den Ausschluss derjenigen, die dieses Merkmal nicht teilen sollen, und andererseits die Normierung derjenigen, die es teilen sollen. So wird üblicherweise die Arbeiterbewegung als männlich wahrgenommen, die Frauenbewegung als hetero, die Lesbenbewegung als weiß, die Schwarzenbewegung wiederum als männlich und so weiter. Queer-feministische Kritik auf Altersunterschiede zurückzuführen oder als „post-feministisch“ außerhalb von feministischen Bewegungen zu verorten, lenkt von den inhaltlichen, politischen Unterschieden ab.

Uns bleibt, darauf zu pochen, dass diese Auseinandersetzungen weiter geführt werden – auch wenn viele es nicht mehr hören mögen. Denn Streit gehört sowohl zu unserem juristischen, als auch zu unserem feministischen Kampf. Und dafür ist gerade der FJT der ideale Ort! Die oben skizzierten Diskussionen können überhaupt erst entstehen, wenn so viele verschiedene Feministinnen_ aufeinander treffen. In der männlich dominierten Rechtswissenschaft ist bereits die Gewissheit, als feministische Juristinnen_ nicht alleine zu sein, sehr auf bauend und vielversprechend.

Lea Boos hat in Marburg jura und gender Studies studiert, Katharina günther jura an der Uni Hamburg.

[1] Der Unterstrich am Ende des Wortes soll ausdrücken, dass der FJT zwar eine Veranstaltung für „Frauen“ ist, sich aber nicht alle Teilnehmenden als solche im Sinne des herkömmlichen System von nur zwei Geschlechtern („Mann“ und „Frau“) definieren.

[2] Die Großschreibung von „Häuslicher Gewalt“ soll die politische Bedeutung dieser begrifflich in die sogenannte Privatsphäre verwiesenen Menschenrechtsverletzungen sichtbar machen.

[3] Die Verwendung von Groß- und Kursivschrift bei „Schwarz“ und „weiß“ soll hervorheben, dass hiermit nicht rassistisch-essentialistische Zuschreibungen, sondern politische Begriffe gemeint sind.