Asyl

Themenschwerpunkteditorial iz3w 341 (März/April 2014)

Am 21. Januar ertranken vor der griechischen Insel Farmakonisi drei Frauen und neun Kinder. Sie waren Insassen eines mit afghanischen und syrischen Flüchtlingen besetzten Bootes, das von der griechischen Küstenwache aufgebracht wurde. Überlebende berichten, die Küstenwache habe das Boot absichtlich mit viel zu hoher Geschwindigkeit geschleppt, so dass es kenterte. Auch die weiteren Umstände lassen eine »Push-back-Operation« vermuten, mit der Asylsuchende am Betreten eines EU-Mitgliedsstaates gehindert werden sollen.

Im Oktober 2013 ertranken vor Lampedusa vierhundert Bootsflüchtlinge. Die Refugees der Gruppe »Lampedusa in Hamburg« schrieben dazu: »Die wohl schlimmste Flüchtlingstragödie der letzten Zeit war kein trauriger Einzelfall, sondern das direkte Resultat der mörderischen EU-Asylpolitik, die seit 1993 schon über 16.000 Tote gefordert hat.«

Asylpolitik ist in EU-Europa heute de facto eine proaktive Asylverhinderungspolitik. Es geht um rücksichtslose Abwehr und Abschreckung von Asylsuchenden, ungeachtet der konkreten Gründe für ihre Flucht. PolitikerInnen mögen gelegentlich menschenrechtliche Sonntagsreden halten, doch im asylpolitischen Alltag ist von Empathie für die Opfer von Verfolgung nichts zu spüren. Mehr noch: Unzählige Beispiele zeugen von Rassismus gegenüber Geflüchteten – weltweit. Wie Gesetzgebung, institutionelle Praxis, mediale Hetze und ein rassistischer Mob zusammenspielen können, zeigt etwa die faktische Abschaffung des Rechts auf Asyl 1993 in Deutschland.

Dabei ist das Recht auf Asyl eines der fundamentalen Menschenrechte, die nach 1945 im Rahmen der UN näher bestimmt wurden. Die Genfer Flüchtlingskonvention und weitere Abkommen verlangen von den Nationalstaaten den Schutz politisch Verfolgter, in vielen nationalen Verfassungen und Gesetzgebungen wird ihnen daher Asyl zugestanden. Doch nicht nur in Europa wird dieses Grundrecht mit Füßen getreten. Flüchtlingen wird durch Gesetzesänderungen und Verwaltungsvorschriften systematisch die Möglichkeit genommen, Asyl in Anspruch zu nehmen. Während PolitikerInnen blutige Bürgerkriege wie in Syrien beklagen, weigern sie sich, mehr als nur eine Handvoll Flüchtender aufzunehmen. Ähnliches gilt für Asylsuchende aus Libyen, wo die westliche Intervention ihren Teil dazu beitrug, dass viele Menschen flüchten mussten.

Unser Themenschwerpunkt will diese jahrzehntelange Entwicklung genauer in den Blick nehmen und die fatalen Folgen für die Geflüchteten herausstellen. Letztere sollen dabei nicht auf einen Opferstatus reduziert werden. Die kämpferischen Bewegungen der Refugees zeigen, wie sehr sie sich als AkteurInnen verstehen, die ihr Leben selbst in die Hand nehmen wollen.

Der Themenschwerpunkt entstand in enger Zusammenarbeit der befreundeten Redaktionen von Hinterland und iz3w, die ansonsten unabhängig voneinander arbeiten und ein eigenes Profil haben. Doch vieles eint uns politisch, etwa die Empörung über die mörderische Asylpolitik und die Motivation, mit publizistischen Mitteln dagegen zu protestieren. Die meisten Texte erscheinen in beiden Zeitschriften, in der Hinterland werden jedoch teilweise längere Versionen und zusätzliche Beiträge präsentiert. Unser gemeinsamer Schwerpunkt soll dazu motivieren, die jeweils andere Zeitschrift näher kennen zu lernen. Vor allem rufen wir dazu auf, sich der vorherrschenden Asylpolitik aktiv entgegen zu stellen und Geflüchtete zu unterstützen.

Hinterland-Redaktion & iz3w-redaktion

 

Wir danken der Amadeu Antonio Stiftung und der Stiftung :do für die Unterstützung dieses Themenschwerpunktes.

Hinterland

Tolle Kooperationspartner für gemeinsame Aktivitäten zu finden ist nicht leicht. Nicht immer passt es so formidabel wie bei Hinterland, dem Vierteljahresmagazin des Bayerischen Flüchtlingsrates. Bereits der Titel lässt sympathisches Understatement und einige Selbstironie erkennen: Der Redaktionssitz München ist immerhin die drittgrößte Stadt in Deutschland und alles andere als Provinz. Wer im CSU-regierten Bayern lebt, muss sich als Linke/r freilich so manche Selbstbehauptungsstrategie zulegen. Dementsprechend sind die Sprüche der HinterländlerInnen oft derbe und ihr Humor herbe. Ihr Besuch in Freiburg geriet daher äußerst unterhaltsam und kurzweilig.

Der herzhaft erfrischende Ton zeigt sich auch im Magazin: Jenseits von moralisierendem Betroffenheitsgedöns gelingt es der Redaktion, die Empathie für Geflüchtete mit origineller Themenwahl und (Bild-)Sprache zu verbinden. Die klare antirassistische Haltung mündet nicht in verbissene Identitätspolitik, wie sie der Szene nicht ganz fremd ist, sondern in eine schöne Offenheit für spannende Leute und dem, was sie über die vielen Facetten des Rassismus zu sagen haben. Und so erinnert die Hinterland mit jeder Ausgabe an das, was einst ein anderer liebenswerter Münchner Anarchist sagte: »Niemand kann frei sein, solange es nicht alle sind« (Erich Mühsam).

www.hinterland-magazin.de

Fotoserie von Leona Goldstein

Die Fotografin und Filmemacherin Leona Goldstein dokumentiert seit Jahren emanzipatorische Bewegungen zwischen Nord und Süd. Die hier präsentierten Fotos einer Serie zum Thema »globale Bewegungsfreiheit« entstanden von 2006 bis 2013 in Mali, Senegal, Marokko, Kongo, Tunesien, Spanien, Frankreich und Deutschland. In ihrem aktuellen Dokumentarfilm »God is not working on sundays, eh!« portraitiert sie feministische Bewegungen in Ruanda.

www.leonagoldstein.de; www.godisnotworkingonsunday.org