Der Einsatz westlicher Soldatinnen in Afghanistan – Positionierungen und Aushandlungsprozesse militärischer Geschlechterordnungen

Als der damalige Präsident George Bush nach den Anschlägen vom 11. 9. 2001 den weltweiten Krieg gegen den Terror ausrief und Afghanistan als neuer „nationaler Feind“ definiert war, wurde dieser Ruf zugleich mit dem Ziel verknüpft, die afghanischen Frauen von der Burka und damit von der Herrschaft der Taliban zu befreien.

Keywords: Gender, military, Afghanistan, out-of-area-mission, female soldier, counterinsurgency

Schlüsselwörter: Gender, Militär, Afghanistan, Einsatz, Soldatin, Aufstandsbekämpfung

Als der damalige Präsident George Bush nach den Anschlägen vom 11. 9. 2001 den weltweiten Krieg gegen den Terror ausrief und Afghanistan als neuer „nationaler Feind“ definiert war, wurde dieser Ruf zugleich mit dem Ziel verknüpft, die afghanischen Frauen von der Burka und damit von der Herrschaft der Taliban zu befreien. Der Afghanistankrieg wurde damit von Anfang an mit ursprünglich feministischen Belangen legitimiert (Wibben & McBride 2012). Bereits im Oktober 2001 marschierten US-amerikanische Truppen in Afghanistan ein, im Dezember 2001 wurden die Taliban für besiegt erklärt und eine Übergangsregierung eingesetzt. Seitdem steht Afghanistan faktisch unter US-amerikanischem Protektorat, die Kämpfe und Angriffe der Aufständischen dauern an, die Verluste der internationalen Truppen und in der Zivilbevölkerung sind immens. 2006 begann ein Umdenken in der US-militärischen Kriegsführung, und mit der neuen „hearts-and-minds“-Strategie im Rahmen von militärischer Aufstandsbekämpfung (engl. counterinsurgency, COIN) wurde eine „menschlichere“ und „zivilere“ Befriedungspolitik in Afghanistan implementiert. Diese schreibt auch Soldatinnen und Frauen der Zivilbevölkerung eine wichtige Rolle als Informationsbeschafferinnen zu, die für die militärische Aufstandsbekämpfung nutzbar gemacht werden (Khalili 2010: 1471ff).

Feministische US-Forscherinnen begleiten seither diese Strategie und kritisieren vor allem die Instrumentalisierung von Frauen und weiblichen Lebensräumen für militärische Zwecke (Khalili 2010; Khalid 2011). Der folgende Beitrag nimmt die bestehenden Erkenntnisse der US-Forschung zum Thema „Aufstandsbekämpfung und Geschlecht“ als Folie, vor deren Hintergrund militärische Genderdiskurse in Deutschland über den Einsatz von Soldatinnen in Afghanistan neu gelesen und diskutiert werden. Im Mittelpunkt steht die Frage, welche Rolle die Konstruktion von Weiblichkeit darin spielt und wie insbesondere militärische Weiblichkeit verhandelt wird. Ich vertrete die These, dass im Diskurs um den Afghanistankrieg und den Einsatz von westlichen Soldatinnen in Afghanistan ein militarisiertes, kulturalistisches Subjektverständnis aktiviert wird, welches dem kämpfenden, beschützenden Mann die friedfertige, schutzbedürftige Frau entgegensetzt. Dieses dient erstens der diskursiven Legitimation des Einsatzes als ziviles emanzipatorisches Projekt und manövriert zweitens die Soldatin innerhalb der Streitkräfte diskursiv in eine Position des „Dazwischen“, um traditionelle militärische Männlichkeit zu schützen. Diese Verengung von Subjektpositionen findet vor dem Hintergrund der Diskussion um die Ausgestaltung des Soldatenberufs statt, in der sich gegenwärtig eine „unaufgehobene Paradoxie“ (Warburg 2010: 72) zeigt, die den Widerspruch zwischen Schützen, Helfen, Vermitteln und Kämpfen verdeutlicht (ebd.: 66).

Ich verwende in der Analyse ein an Judith Butler (1991) anknüpfendes Gendermodell, welches davon ausgeht, dass Männlichkeit und Weiblichkeit soziale Normen sind, die im alltäglichen Handeln, Denken und Fühlen in die soziale Praxis umgesetzt und zugleich von ihr produziert werden. Dieser Prozess findet sowohl auf der Mikroebene, der Ebene der körperlichen Subjekte als auch auf der Mesoebene in Beziehungen und auf der Makroebene in politischen und gesamtgesellschaftlichen Diskursen und Strukturen statt. Gesellschaftliche Zuschreibungs‑ und Subjektivierungsprozesse verlaufen nicht nur über Geschlecht, sondern sind eng verwoben mit Positionierungen in Bezug auf race, Klasse, Sexualität oder der geopolitischen Verortung der Subjekte. Diese Positionierungen ordnen die Subjekte anhand unterschiedlicher Wertmaßstäbe in das (inter‑)nationale Herrschaftssystem ein und statten sie mit unterschiedlichem sozialem, ökonomischem oder kulturellem Kapital und damit unterschiedlichen Zugängen zu Macht und Ressourcen aus.

Im ersten Teil wird das Konzept militärischer Geschlechterordnungen im Kontext von Auslandseinsätzen diskutiert. Daran anschließend werden im zweiten Teil die Erkenntnisse der feministischen US-Forschung zum Thema „counterinsurgency“ dargelegt und die Konzepte entwickelt, die für die empirische Analyse im dritten Abschnitt relevant sind. Empirische Grundlage der Analyse zur Verhandlung der Geschlechterordnungen der Bundeswehr im Einsatz bilden Sekundärquellen, ExpertInneninterviews und qualitative Interviews mit Soldatinnen und Soldaten aus Heer, Marine und Sanität der Bundeswehr, die in den Jahren 2004-2007 im Rahmen eines Forschungsprojektes zur Integration von Frauen in die Bundeswehr geführt wurden (Dittmer 2009). Anhand dieses Materials werden die Folgen der Positionierungen für militärische Weiblichkeiten vor dem Hintergrund eines ambivalenten und widersprüchlichen Verhandlungsprozesses um den vergeschlechtlichten Charakter des Soldatenberufs analysiert. Im Resümee werden Möglichkeiten und Grenzen der Analyse ausgelotet.

Militärische Geschlechterordnungen im Kontext von Auslandseinsätzen

Alle Phasen eines gewalttätigen Konflikts haben ebenso wie alle daran beteiligten Akteure auch eine vergeschlechtlichte Dimension, dies hat die feministische Forschung bereits ausführlich in höchst unterschiedlichen Kontexten gezeigt (z.B. Sjoberg 2010). Besonders militärische Institutionen werden immer wieder kritisch auf ihre Bedeutung für die Geschlechterbilder in Krieg und Frieden befragt (z.B. Thiele u.a. 2010). Galt das Militär historisch als „Schule der Männlichkeit“ (Frevert 1997: 145), so sind mit dem Ende des Kalten Krieges erste Veränderungen in den militärischen Geschlechterkulturen zu erkennen: Die sich abzeichnende Abkehr vom klassischen Staatenkrieg hin zu Kriegen und Konflikten, die durch über nationale Grenzen hinweg agierende staatliche und nicht-staatliche Akteure gekennzeichnet sind, bedurfte anderer, vor allem zivilerer Bearbeitungsstrategien als die klassischen Kriegsszenarien. Besonders in den europäischen Armeen geriet daraufhin die auf Kampf ausgerichtete traditionelle soldatische Männlichkeit unter Druck. Eine neue soldatische Männlichkeit gewann damit an Bedeutung. Paradigmatisch steht dafür der Soldat als Peacekeeper, der die klassischen kämpferischen Eigenschaften mit eher als weiblich konnotierten kommunikativen, sozialen und diplomatischen Fähigkeiten vereint (Apelt & Dittmer 2007; Seiffert 2012). Der Soldat von heute steht nunmehr im Spannungsverhältnis zwischen den Aufgaben „Schützen“, „Helfen“, „Vermitteln“ und „Kämpfen“ (Warburg 2010: 65). Viele Armeen – auch die Bundeswehr – öffneten als Reaktion auf diese neuen zivileren Aufgaben viele militärische Positionen für Frauen, auch in Kampfeinheiten (Dittmer 2007). Parallel dazu wurde auf UN-Ebene die Resolution 1325 verabschiedet, die eine stärkere Integration von Frauen in militärische und zivile Konfliktbearbeitung forderte (Sicherheitsrat 2000). Eine Vielzahl an ähnlichen Absichtserklärungen, Resolutionen und Initiativen auf EU‑ und UN-Ebene folgten, die auch die militärischen Akteure in die Pflicht nahmen, die unterschiedliche Betroffenheit von Frauen und Männern von Kriegen und Konflikten in den Blick zu nehmen (Dittmer 2008; Jonas & Kümmel 2012).

Die Veränderungen in den Aufgabenbereichen der Streitkräfte, die Integration von Frauen in zuvor männlich besetzte Tätigkeitsfelder, der zunehmende Druck der internationalen Gemeinschaft und die damit verbundene Aufwertung vorherig als weiblich definierter Anforderungen und Fähigkeiten hat innerhalb der Streitkräfte zu einem noch nicht abgeschlossenen Verhandlungsprozess um die Ausgestaltung der militärischen Geschlechterordnung geführt. Besonders um die Frage des Einsatzes von Soldatinnen in verschiedenen militärisch wichtigen Positionen wie dem Kampf oder im Auslandseinsatz finden machtvolle Auseinandersetzungen statt, die sich an der traditionellen militärischen Geschlechterordnung orientieren und zu Abgrenzungen, Ausschlüssen und Verwerfungen führen. Sie werden zwischen verschiedenen Truppengattungen und Hierarchieebenen ebenso geführt wie zwischen nationalen Armeen oder im Kontakt mit der Bevölkerung eines Einsatzlandes.

Der Einsatz von Soldatinnen und Soldaten in Nachkriegsgesellschaften steht bereits seit einigen Jahren im Fokus feministischer Forschung. Diese hat insbesondere die Relevanz einer postkolonialen Lesart der Kategorie Geschlecht in diesem Zusammenhang herausgearbeitet. So lautet eine zentrale Erkenntnis, dass die internationalen Streitkräfte, die in den ehemaligen Kriegsgebieten stationiert werden, eine militarisierte, westliche Männlichkeit zur Schau stellen, die in Nachkriegsgesellschaften hegemonial werden kann. Sie etablieren damit eine globale Geschlechterordnung, in der die westliche Männlichkeit dominiert (Cockburn & Zarkov 2002b: 16). Bereits in der Kolonialzeit verkörperten die militärischen Männlichkeiten der Kolonialherren und ihrer bewaffneten Einheiten die ersten globalen Männlichkeiten (Connell 2002: 37). Indem die lokalen Männlichkeiten abgewertet und ihnen das Recht abgesprochen wurde, für „ihre“ Frauen angemessen zu sorgen, legitimierten sich die Eroberer, den Platz der Männer einzunehmen und die gesellschaftliche Ordnung wieder herzustellen (Loomba 1998: 153ff). Jedoch sind diese Zuschreibungsprozesse keineswegs einfach und müssen in ihren geopolitischen Zusammenhängen gesehen werden: Internationale militärische Einsätze bestehen nicht nur aus westlichen Soldatinnen und Soldaten, sondern vereinen eine Vielzahl an Nationalitäten und Herkunftsländern, die wiederum differente Männlichkeiten repräsentieren, die in einem spezifischen Hierarchie‑ und Abhängigkeitsverhältnis zueinander stehen (Connell 2012: 13ff). Als Beispiel für diese Entwicklung mögen hier die privaten Militärfirmen (engl. Private Military Companies, PMC) dienen, die zu einer starken ethnischen Diversifizierung des Sicherheitssektors geführt haben und in denen mit unterschiedlichen vergeschlechtlichten neokolonialistischen Zuschreibungen gearbeitet wird. So werden beispielsweise fidschianische Männer bevorzugt im PMC-Sektor eingestellt, weil sie als zugehörig zu einer „kriegerischen Rasse“ definiert werden, deren Eigenschaften und Zuschreibungen für internationale PMCs als nützlich erachtet werden (Higate 2012: 44).

Einerseits ist somit militärische Männlichkeit heute definiert durch eine Vielzahl an zum Teil widersprüchlichen Zuschreibungen, die sich je nach Verwendung, Teilstreitkraft und Dienstgrad unterscheiden und innerhalb und zwischen internationalen militärischen Einheiten eine Hierarchie der verschiedenen Männlichkeitskonzepte etablieren: Kampfkraft, Schutz und Verteidigung gehören ebenso dazu wie soziales und empathisches Verhalten, interkulturelle Kompetenz oder technisch hochgradig spezialisierte Fähigkeiten, die militärische Männlichkeit durch Professionalisierungsprozesse auch anschlussfähig an zivile Männlichkeiten macht (Brown 2012). Andererseits bleiben jedoch die Normen des Mannes als Kämpfer und Soldat, der seine Frauen und Kinder und seine Nation beschützt, verteidigt oder unterdrückt und seines Gegenstücks, der friedfertigen und schutzbedürftigen Frau, als zentrale Deutungsmuster im Diskurs um bewaffnete Konflikte und auch Nachkriegsszenarien bis heute verankert (Bouta & Frerks 2005).

Counterinsurgency und Gender in der US-Debatte

Obwohl Frauen in den US-Streitkräften bereits seit 1973 mit der Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht zum militärischen Dienst (außer zu Kampfhandlungen) zugelassen sind, liegt ihr Anteil im Schnitt noch immer nur bei etwa 15 % (Brown 2012). Melissa T. Brown (2012) zeigt, wie die einzelnen Teilstreitkräfte bis heute eine traditionelle militärische Männlichkeit reproduzieren und Frauen von den prestigeträchtigen Positionen formell oder informell ausschließen. Der Kampf bleibt sowohl nach innen als auch nach außen ein weitgehend männliches Terrain, wenn auch Frauen in großer Anzahl im Irak und Afghanistan zur Kampfunterstützung eingesetzt werden. Präsident Obama setzte in seiner bisherigen Amtszeit wichtige Impulse, um die Gleichstellung im Militär voranzutreiben. Unter anderem ist Homosexualität kein Hinderungsgrund mehr, in den Militärdienst zugelassen zu werden (Stachowitz 2012: 315). Die Obama-Administration veränderte auch die außenpolitische Rhetorik und setzte zunehmend auf Dialog, Toleranz und Anerkennung der zivilen Gesellschaften. Auch durch die zunehmende öffentliche Kritik an den Einsätzen im Irak und in Afghanistan wurden die US-Streitkräfte mit der „Counterinsurgency“-Strategie aufgefordert, eine als weiblich kodierte Form der Konfliktbearbeitung anzuerkennen und umzusetzen.

Das Konzept der „Counterinsurgency“ (zivil-militärische Aufstandsbekämpfung) beruht auf britischen und französischen Erfahrungen in den Kolonialkriegen. Sie stellte ursprünglich ein „Instrument imperialer Herrschaft“ (Rudolf 2011: 9) dar und wurde mit mäßigem Erfolg auch im Vietnamkrieg eingesetzt. COIN basiert auf der Annahme asymmetrischer Kriegsführung, in der eine machtvolle Streitkraft irregulären, nicht-staatlichen Akteuren gegenübersteht, die wiederum von der zivilen Bevölkerung unterstützt werden (ebd.). Ziel dieser Befriedungsstrategie ist es, die Unterstützung der Aufständischen durch die Bevölkerung zu brechen, in dem die „Köpfe und Herzen“ der Menschen gewonnen werden. Staatliche und nichtstaatliche Akteure arbeiten zur Erreichung dieses Zieles eng zusammen. Klassische Formen der Kriegsführung und die Anwendung von Waffengewalt treten hinter Entwicklungsaufgaben wie der Einführung eines funktionierenden Wirtschafts‑ und Sozialsystems, der Ermöglichung einer guten Schulbildung und politischer Partizipation zurück.[1] Die Misserfolge in der Friedenskonsolidierung im Irak und Afghanistan führten dazu, dass COIN 2006 erneut als vermeintliche Wunderwaffe in der US-Kriegsführung eingesetzt wurde.

Im Diskurs um den Krieg in Afghanistan spielte die afghanische Frau immer eine besondere Rolle, so auch in der in Afghanistan angewendeten COIN-Strategie: Es wird davon ausgegangen, dass das Wissen der afghanischen Frauen über ihre sozialen und familiären Netzwerke, lokalen Gebräuche und zentralen weiblichen Orte genutzt werden kann, um Aufständische zu bekämpfen und ihre Unterstützung in der Bevölkerung auszuhöhlen (Wibben & McBride 2012). Um den Zugang zu den afghanischen Frauen zur Informationsgewinnung und Emanzipation zu erhalten, werden „Female Engagement Teams“ (FET) eingesetzt (Holliday 2012). Die Soldatinnen erledigen Aufgaben, die Männer nicht ausführen könnten, ohne die lokale Bevölkerung zutiefst zu beleidigen oder zu erzürnen (Zucchino 2011), etwa die Durchsuchung von afghanischen Frauen oder das Betreten der Wohnräume von Frauen. Einige der als FET eingesetzten Soldatinnen berichten sogar, dass sie nicht nur das Vertrauen der weiblichen, sondern auch der männlichen Bevölkerung erlangen würden: Sie würden gegenüber männlichen Soldaten als weniger gefährlich gesehen und nach anderen Kriterien bewertet als afghanische Frauen. „Die Männer haben keine Angst davor, sich vor uns als schwach zu zeigen“ beschreibt eine Soldatin ihre Eindrücke als FET in Afghanistan (ebd.). In den Worten einer anderen Soldatin werden FET-Mitglieder in der afghanischen Gesellschaft als eine Art „drittes Geschlecht“ positioniert (Holliday 2012: 91).

Die durch die FETs erlangten Informationen und Erkenntnisse werden gesammelt, interpretiert und für militärische Zwecke instrumentalisiert. Die Soldatinnen werden im Sinne der traditionellen militärischen Weiblichkeit eingesetzt, um „weibliche“, zivile, soziale Aufgaben zu erfüllen. Sie üben mit ihrem Einsatz in einem FET also zentrale militärische Aufgaben aus, für die sie jedoch im Todesfall oder bei Verletzungen nicht die gleiche militärische und/oder politische Anerkennung erhalten wie ihre männlichen Kameraden. Der Einsatz von FETs wird von Seiten der traditionell auf Kampf sozialisierten männlichen Soldaten immer noch sehr kritisch gesehen: Die Annahme, dass die weibliche Bevölkerung keine für die militärische Führung relevanten Informationen liefern könnten oder dass Soldatinnen von den pashtunischen Männern aus kulturellen Gründen nicht anerkannt werden, sind weit verbreitet und erschweren die Arbeit der Soldatinnen vor Ort (Pottinger u.a. 2010: 1). Auch die fehlende Nachhaltigkeit der initiierten Projekte mit afghanischen Frauen deuten auf die fehlende Anerkennung der FETs im Einsatz hin (ebd.: 1).

Wie feministische Forschung zeigt, bedient sich die US-Strategie der COIN einer militärischen Form der Genderanalyse, die auf der Zuschreibung und Instrumentalisierung bestimmter Eigenschaften und Positionen zu Männern und Frauen beruht. Als weiblich kodierte zivile Lebensräume (Marktplätze, Krankenhäuser, Wohnhäuser, Schulen) werden durch COIN in Kriegsschauplätze verwandelt (Khalili 2010: 1475). Soldatinnen ebenso wie afghanische Frauen geraten plötzlich in den Fokus amerikanischer Kriegsführung: Soldatinnen fungieren als unabdingbare Informationsbeschafferinnen und die afghanischen Frauen als wichtige Knotenpunkte der Aufstandsbekämpfung. Zugleich dient die eingesetzte Soldatin der politischen und moralischen Legitimation des militärischen Vorgehens und wird als Verkörperung eines emanzipatorischen Versprechens symbolisch eingesetzt. Soldatinnen sollen somit signalisieren, „dass die Besetzung Afghanistans grundsätzlich emanzipatorisch ist – und dass die USA und ihre Verbündeten ihre zivilisierende Mission in guter Absicht durchführen“ (Wibben & McBride 2012). Der Einsatz der FETs bedeutet auch einen massiven Eingriff in die Geschlechterpolitiken Afghanistans: Es kommt zu einer einseitigen Stärkung und Sichtbarmachung der afghanischen Frauen und der gleichzeitigen Demütigung der afghanischen Männer, die beispielsweise durch entwürdigende Befragungs‑ und Durchsuchungspraktiken in der gesellschaftlichen Hierarchie herabgesetzt werden (Khalili 2010: 1482ff). Zugleich erfahren die eingesetzten Soldatinnen eine deutliche Aufwertung. Etablierte Hierarchien in der US-Armee werden verändert. Frauen aus der US-amerikanischen Unterschicht können nun eine gesellschaftlich höhere Position einnehmen als ein pashtunischer General vor Ort (ebd.: 1482).

Im Diskurs um die vergeschlechtlichte Dimension von internationalen Einsätzen lassen sich aus den theoretischen Ausführungen und der US-Debatte über Aufstandsbekämpfung und Geschlecht folgende Schlussfolgerungen ziehen:

  • Militärische Geschlechterordnungen in Auslandseinsätzen werden maßgeblich anhand der Frage ausgehandelt, welche Aufgaben die Soldatinnen und Soldaten im Einsatz ausführen müssen. Historisch männlich besetzte Aufgaben wie der Kampf und das „Beschützen“ werden einerseits aufgewertet, andererseits aber ergänzt durch zivilere „weiblichere“ Aufgaben wie Kommunikation, Hilfe, Vermittlung, Empathie, Zurückhaltung. Diese Öffnung hin zu anderen umfassenderen und komplexeren Aufgaben ermöglichte verstärkt auch Soldatinnen, ihren Dienst in den Streitkräften zu absolvieren.
  • Im Rahmen der von den USA eingesetzten COIN-Strategie kommt es im hier betrachteten Afghanistaneinsatz zu einer massiven Retraditionalisierung von Geschlechterordnungen, die auf Vorstellungen einer friedfertigen, kommunikativen sozialen Weiblichkeit beruht und sowohl zivile Frauen ebenso wie Soldatinnen für militärische Zwecke instrumentalisiert.
  • Militärische Geschlechterordnungen konstituieren sich nicht nur im Verweis auf das jeweils andere Geschlecht, sondern auch in Abgrenzung zu anderen nationalen Geschlechterordnungen wie die der afghanischen Gesellschaft oder anderer nationaler Armeen.

Im nächsten Abschnitt wird vor dem Hintergrund dieser drei Schlussfolgerungen empirisches Material aus dem Umfeld der Bundeswehr analysiert und nach den spezifischen Aushandlungsprozessen um den Einsatz von Soldatinnen und die Integration eine Genderperspektive in die militärischen Einheiten vor Ort in Afghanistan gefragt.

Militärische Geschlechterordnung in Auslandseinsätzen der Bundeswehr

Auch die deutsche Außen‑ und Sicherheitspolitik hat sich der Befreiungsrhetorik der US-Politik und der Neudefinition des Sicherheitsbegriffs angeschlossen (Klaus & Kassel 2003). Der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder zeigte am 17. 11. 2001 in der Frankfurter Rundschau seine Freude darüber, dass die Frauen in Afghanistan sich nach den Militärschlägen wieder frei auf der Straße bewegen könnten (Nachtigall 2010: 1). Damit demonstrierte er die geschlechtliche Dimension der zunehmenden Verknüpfung von entwicklungspolitischen Maßnahmen mit militärischen und sicherheitspolitischen Zielen, die auch in der deutschen Debatte zu beobachten ist. Um, wie von Verteidigungsminister Peter Struck 2002 ausgedrückt, die Sicherheit Deutschlands am Hindukusch zu verteidigen, agierte die Bundeswehr von Anfang an als Akteur im Rahmen der International Security Assistance Force (ISAF) in Afghanistan und war damit auch in die COIN-Strategie eingebunden. Ihre Hauptaufgaben liegen in der Aufrechterhaltung der Sicherheit, dem Schutz der Bevölkerung, dem Aufbau afghanischer Streitkräfte und der zivil-militärischen Zusammenarbeit.

Die Geschlechterdiskurse der ersten Ausbildungsmaterialien für den Afghanistaneinsatz entsprachen dem von den USA propagierten neoorientalistischen Befreiungsdiskurs: Frauen, so heißt es dort, litten besonders unter den Taliban und würden daher auch heute noch „zurückhaltend auf die neuen Freiheiten“ (Zentrum für Nachrichtenwesen der Bundeswehr 2002: 125) reagieren. Die afghanische Gesellschaft wird als vom afghanischen Mann sowohl im privaten wie auch im öffentlichen Bereich dominiert verstanden. Dies werde sich auch in absehbarer Zeit nicht ändern, da der Islam der Frau eine untergeordnete Rolle zuweise (ebd.: 126).

Die Bedeutung des Schleiers wird in einem der Leitfäden hingegen auf erstaunlich progressive Weise thematisiert: Es wird darauf verwiesen, dass der Schleier nicht immer ein Zeichen der Unterdrückung sei, diese Annahme sei ein „Fehler westlicher Feministinnen“, die „jede verschleierte Frau als armes unterdrücktes Geschöpf“ (ebd.: 70) sehen würden, sondern dass es durchaus auch ein Symbol des Widerstands gegen die patriarchale Gesellschaft sein könnte. Das Tragen des Schleiers sei ein Problem für die westliche Welt, spiele aber für die Menschen vor Ort keine Rolle.

Die Bundeswehr bedient sich hier höchst ambivalenter Diskurse, um die Position in der Frau in der afghanischen Gesellschaft zu beschreiben: Einerseits wird sie dem „afghanischen Mann“ untergeordnet dargestellt und damit eine Andersartigkeit manifestiert, die jegliche Vergleichbarkeit mit einer Europäerin ausschließt. Dieses Bild schließt an einen neoorientalistischen Wissensdiskurs an, der das „Andere“ abwertet, um die Veränderung dieser Verhältnisse durch externe Interventionen zu legitimieren (Brunner 2006: 179). Die Vorstellung der unterdrückten „orientalischen“ Frau diente bereits während der Kolonialzeit als Gegenbild zu Europa (Kreile 2007: 3). Andererseits wird dieser kulturrelativistische Ansatz mit einem rhetorischen Kunstgriff unterstrichen, sich explizit von den „westlichen Feministinnen“ abzugrenzen, denen ein falsches Frauenbild unterstellt wird. Die Bundeswehr suggeriert damit, dass die deutsche militärische Friedensmission ein besseres Verständnis für die Situation der Frauen vor Ort mitbrächte als die Frauenbewegung. Zugleich wird sich hier der Argumentationsstruktur poststrukturalistischer und postkolonialer Ansätze bedient, die darauf hinweisen, dass die verschleierte Frau nicht per se unterdrückt sei, sondern dass der Schleier auch ein Zeichen des Widerstands sein kann (Fanon 1980: 35ff). Damit wird potenzieller Kritik von Seiten der feministischen Bewegung der Wind aus den Segeln genommen, zugleich aber auch das im Vorfeld gezeichnete Bild der unterdrückten afghanischen Frau widerlegt. Die Bundeswehr inszeniert sich als reflektierte Organisation, die in der Lage ist, mit den widersprüchlichen Realitäten der Geschlechterverhältnisse angemessener und besser als andere umzugehen.

In den Jahren 2004/2005 setzte sich auf der Ebene der Entscheidungsträger innerhalb der Bundeswehr die Erkenntnis durch, dass sich ein erhöhter Anteil an Frauen im Kontakt mit der Zivilbevölkerung positiv auf die Erfüllung des militärischen Auftrags auswirken könne: Frauen seien vor allem bei Hausdurchsuchungen einzusetzen, „weil man festgestellt hat, wenn Soldaten im Rahmen einer Durchsuchung im Islam ein Haus durchsuchen“, dieses Haus „entehrt“ würde (Barsch & Meister, Offiziere, verantwortlich für Innere Führung im BMVG).[2] Der Einsatz von Frauen wurde auch als nützlich angesehen, um sich „um Flüchtlinge zu kümmern“ (Mark, Zivilistin, Referentin für Gleichstellungsfragen im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend), da die Mehrzahl der Opfer in der Zivilbevölkerung Frauen und Kinder seien. Außerdem seien sie besonders geeignet zur Deeskalation „in dem speziellen Kulturraum Islam“ (Rampe, Truppenpsychologe im Einsatzführungskommando). Auch die Möglichkeit der Kontaktaufnahme mit den lokalen Frauen durch die Soldatinnen zur militärischen Informationsgewinnung wurde hervorgehoben (Berghahn, Offizier, Referentin für Frauenfragen im Führungsstab der Streitkräfte, Abteilung Innere Führung im BMVG).

Begründet wurde der bis dato geringe Frauenanteil in den Einsätzen damit, dass Aufgaben wie Durchsuchungen an bestimmte Dienstgradgruppen gebunden seien, die Soldatinnen sich alle noch in der Ausbildung befänden und sich der Anteil von Frauen im Lauf der Zeit automatisch erhöhe. Allerdings liegt der Frauenanteil im Afghanistaneinsatz bis heute relativ unverändert bei geringen 5 %, darin eingeschlossen auch die Soldatinnen, die im weit vom Kriegsgebiet entfernten Usbekistan als Unterstützungskräfte eingesetzt sind (vgl. Jonas & Kümmel 2012). Nach Aussagen aller ExpertInnen und Soldatinnen und Soldaten gab es 2004/2005 keine grundsätzlichen Regelungen, wie eine so genannte „Genderperspektive“ im Auslandseinsatz umgesetzt werden kann: aus Sicht der Bundeswehr betrifft das vor allem die Frage, wie sich Soldatinnen im islamischen Kontext verhalten sollten. Auch im Gleichstellungsgesetz der Bundeswehr sind keine Angaben zum Umgang mit Geschlechteraspekten im Einsatz zu finden. So wurde letztlich von jedem Kontingent neu ausgehandelt, wie Soldatinnen im Einsatz positioniert werden. Die „Geschlechterperspektive“ wird heute in der Einsatzvorbereitung unter „interkultureller Kompetenz“ mitverhandelt (National Report 2011).[3] Aktuellere Studien und/oder ausführlichere Informationen darüber, welche Strategien zur Umsetzung der Integration einer Geschlechterperspektive in den Auslandseinsätzen eingesetzt werden, wie diese zu bewerten sind und welche Erfahrungen in den Einsätzen bisher gemacht wurden, liegen bis heute nicht vor.

Reine FETs nach US-amerikanischem Vorbild werden in der Bundeswehr nicht eingesetzt. Die Bundeswehr bildet ebenso wie Schweden und Norwegen gemischte Teams aus, „weil wir die Erfahrung gemacht haben, dass rein weibliche Teams oft Probleme haben. Auf dem Land muss strikt die Hierarchie eingehalten werden“, begründet die Koordinatorin der deutschen FETs in Afghanistan dieses Vorgehen (Rogge 2012: 38ff). Gerade in islamischen Ländern – so auch die Meinung der befragten Soldatinnen und Soldaten – hätten sich Soldatinnen besonders rücksichtsvoll zu verhalten:

„Zurückhaltung, gerade für die Frauen, wenn es um den Einsatz in einem islamischen Land geht, da kann ich nicht so selbstbewusst auftreten wie in einer westlichen Welt. Das heißt, das Haar muss dann auch hinten zu einem Zopf verbunden sein oder ganz unter die Kopfbedeckung, die Ärmel sollten schon runtergekrempelt sein.“ (Frank, Hauptfeldwebel, m, Sanität)

In den bereits erwähnten Leitfäden, die zunächst für die Vorbereitung der Soldatinnen und Soldaten für den Einsatz verwendet wurden, wird Frauen das Bedecken der Haare und der Arme nur für den eher unwahrscheinlichen Besuch einer Moschee angeraten, nicht für das Verhalten in der Öffentlichkeit im Allgemeinen. Das heißt, in der sozialen Praxis wurde aus dem eher unwahrscheinlichen Fall eine generelle Verhaltensvorschrift für Soldatinnen für alle Situationen im Kontakt mit der Zivilbevölkerung. Sollte eine Soldatin dieser Verhüllungsvorschrift nicht entsprechen, bestehe die Gefahr, dass sie von den afghanischen Männern als Prostituierte angesehen werde:

„Das ist ja schon als wenn man bei uns die Pobacken zeigt, ich bitt‘ Sie, das jetzt nicht so ernst, aber ich meine, man muss versuchen, unsere Wahrnehmung in die Relation zu setzen, ja? Die machen das auch nicht, diese afghanischen Männer, weil sie die nun ärgern wollen, sondern die haben ja sonst kaum die Gelegenheit. Wie gesagt, nochmal, das Verhältnis: Bei uns, ja, ‚ne Prostituierte, würde keiner denken, dass man die anguckt, weil, dafür steht die ja da, ja? Und wenn ‚ne Frau wahrscheinlich so da steht, das haben mir Afghanen so erzählt…, tja… Wenn sie sich nicht selber schützt…“ (Rampe, Truppenpsychologe, Einsatzführungskommando)

Wenn auch dieser Interviewte darauf hinweist, seinen Vergleich nicht so ernst zu nehmen, benutzt er das Bild der Prostituierten, um die Position der Soldatin im Einsatz zu beschreiben. Er untermauert seine Aussagen zudem durch einen kolonialen Aneignungsakt, in dem er sich seine Interpretation als durch die Afghanen selbst bestätigt darstellt. Die sexuelle Ausstrahlungskraft der westlichen Soldatin auf die afghanischen Männer durch die nackten Arme und die offenen Haare wirke trotz der militärischen Uniform, so der Truppenpsychologe im weiteren Verlauf des Interviews. Die Soldatin müsse deshalb besonders vor dem afghanischen Mann geschützt werden:

„Wir haben es dann irgendwann so gemacht, dass wir gesagt haben, wir stellen lieber mindestens einen Soldaten daneben. Das ist in islamischen Ländern so. Normalerweise wären das dann der Bruder oder der Onkel oder der Cousin, ja, hier hat der zumindest die gleiche Uniform an, ja, oder so ‚ne Wumme in der Hand, das wirkt doch auch irgendwie.“ (Rampe, Truppenpsychologe im Einsatzführungskommando)

Die traditionelle militärische Geschlechterdichotomie des Mannes, der die Frau vor anderen Männern beschützen soll, wird offensichtlich. Durchkreuzt bzw. relativiert wird sie durch die Sexualisierung des „Anderen“ – hier sowohl des Weiblichen, repräsentiert durch die Soldatin, als auch des „orientalischen“ Mannes. Der „afghanische“ Mann wird sexualisiert und in der Tradition der abendländischen Feindkonstruktion als potenzieller Vergewaltiger konstruiert (Wenk 2005: 83).

Die Soldatinnen selbst übernehmen dieses zum Teil auch in der Ausbildung vermittelte Szenario und ordnen sich in diesen Diskurs ein:

„Man guckt keinem Mann direkt in die Augen […], ich weiß, dass ich in manchen Situationen einen männlichen Begleiter brauche, weil ich als Frau als Ansprechpartner nicht ohne Weiteres akzeptiert werde, dann nehme ich mir einen männlichen Ansprechpartner mit […]. Aber dann weiß ich, so läuft das mit den Verhandlungen, und ich bin gerüstet.“ (Berghahn, Offizierin, Referentin für Frauenfragen im BMVG)

Diese Soldatin sieht sich zuerst als Frau in einem männlich dominierten Umfeld, auf das sie Rücksicht zu nehmen hat. Dazu gehört, Männern nicht in die Augen zu schauen und einen männlichen Begleiter an der Seite zu haben. Diese Verhaltensregeln geben ihr Sicherheit in der Erfüllung des militärischen Auftrags und werden von ihr akzeptiert.

Resümierend lässt sich sagen, dass die Bundeswehr-Soldatin im Kontakt mit der afghanischen Zivilbevölkerung zuerst als zu beschützende Frau gesehen wird und nicht als handlungsfähige gut ausgebildete gleichberechtigte Arbeitskollegin. Dies ist auch vor dem Hintergrund interessant, als dass im deutschen Diskurs um die Zulassung von Frauen in den bewaffneten Dienst eine mögliche fehlende körperliche Leistungsfähigkeit im Gegensatz zur Diskussion in den USA oder Großbritannien nie eine zentrale Rolle spielte (Eulriet 2012: 78). In den Erzählungen wird zudem der Eindruck erweckt, es könne auf weitreichende Erfahrungen mit Soldatinnen im Einsatz in Afghanistan zurückgegriffen werden, allerdings hielten sich die Kontakte zur Zivilbevölkerung zum Zeitpunkt der Untersuchung sehr in Grenzen.[4]

Für die deutschen Soldatinnen heißt das, dass sie einerseits als zu beschützende Frauen innerhalb des militärischen Feldes definiert werden. Sie dienen der Konstruktion des „Eigenen“, des westlichen zivilisierten Ideals, welches gegen ein bedrohliches „Außen“ verteidigt werden muss. Andererseits schließt sie dieser Prozess aus dem militärischen Feld aus, da sie als ein besonderes Sicherheitsrisiko gesehen werden, welches zu schützen ist. Hier wird der Soldat als Kämpfer und Beschützer als zentrale und wichtige Subjektposition (re‑)konstruiert und die Soldatin in der unterlegenen Position traditioneller Weiblichkeit gesehen. Professionalisierungsprozesse und die Ausweitung von Kompetenzen außerhalb der klassischen Kämpferszenarien, wie sie von den Soldaten erwartet werden, spielen in der Frage des Umgangs mit Soldatinnen im Kontakt mit der männlichen afghanischen Bevölkerung eine untergeordnete Rolle.

Resümee

Die vorliegende Analyse hatte zum Ziel, die Positionierung von deutschen Soldatinnen im Afghanistaneinsatz und die militärische Geschlechterordnung vor dem Hintergrund der Erkenntnisse der US-Forschung zu COIN und Gender zu diskutieren. Die bisherigen Forschungsergebnisse zu COIN und Gender deuten darauf hin, dass der Einsatz von Frauen für militärische Zielerreichung und Informationsbeschaffung entgegen offizieller politischer Rhetorik nicht dem Wohl der weiblichen Zivilbevölkerung, sondern einzig dem militärischen Nutzen dient. Dazu wird ein Bild traditioneller Weiblichkeit verwendet, welches Frauen bestimmte weibliche Eigenschaften zuschreibt, die entsprechend der militärischen Zielvorgaben zu nutzen sind. Anerkannt sind dieser Ansatz und die eingesetzten Soldatinnen dadurch innerhalb des US-Militärs, soweit die vorliegende Literatur diese Schlussfolgerung zulässt, noch lange nicht.

Auch in der Bundeswehr lässt sich in der Diskussion um den Einsatz von Soldatinnen ein ähnliches traditionelles militärisches Geschlechterbild herausarbeiten, welches allerdings nicht so sehr auf die für militärische Zwecke zu instrumentalisierenden positiven weiblichen Eigenschaften verweist, sondern im Gegenteil diese weiblichen Eigenschaften als Gefahr für die Einsatzbereitschaft und damit als besonderes Sicherheitsrisiko versteht. Mit Verweis auf vermeintlich interkulturelle Unterschiede wird ihnen verweigert, eine den Männern entsprechende gleichberechtigte Position einzunehmen. Zugleich dient dieses Konstrukt dazu, ein neoorientalistisches Bild des „Anderen“ zu erzeugen und den Einsatz militärischer Mittel zum Zweck emanzipatorischer Ziele zu legitimieren. Die militärische Männlichkeit wird geschützt, die männlichen Soldaten behalten das Terrain – den Einsatz in Afghanistan – für sich. Dieser Einsatz verschafft ihnen sowohl nach innen als auch nach außen die größte Anerkennung. Die Soldatinnen werden nicht nur als zusätzliches Sicherheitsrisiko gesehen, im Gegensatz zu den US-Soldatinnen, die zu den prestigeträchtigen Kampfeinheiten bisher noch nicht zugelassen sind, stellen deutsche Soldatinnen auch eine harte Konkurrenz im Kampf um Posten, Reputation und Einfluss dar. „Soldaten in Einsatzgebieten demonstrieren Macht; die Soldatin demonstriert, dass diese Macht auch weiblich sein kann“ (Seifert 2009). Diese weibliche Macht wird von vielen männlichen Soldaten in Zeiten von Umstrukturierung und Personalkürzungen nur ungern gesehen. Im gegenwärtigen bundeswehrinternen Diskurs werden Frauen weiterhin und z.T. noch mehr als bisher als ungeeignet für den Soldatenberuf erachtet, da sie nach Einschätzung ihrer Kollegen, aber auch ihrer Kolleginnen körperlich weniger leistungsfähig sind und sich nicht im Kampf bewähren können, so die aktuelle Studie des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (Kümmel 2014). Diese Tendenz bestätigt die Erkenntnisse der vorherigen Analyse, dass Geschlechterverhältnisse in Einsatz aus Sicht des untersuchten Feldes Bundeswehr als traditionelle verhandelt werden.

Welche Auswirkungen der Einsatz von Soldatinnen im Rahmen der COIN-Strategie tatsächlich vor Ort zeitigt, wie Soldatinnen von der Zivilbevölkerung angesehen werden und ob sie realen Gefahren ausgesetzt sind, gegen die sie sich nicht zur Wehr setzen könnten, dazu liegen bisher keine empirisch belegten Untersuchungen vor. Unabhängige feministische und/oder gendersensible Forschungen zum Einsatz der Bundeswehr sind gegenwärtig kaum möglich und politisch anscheinend nicht gewollt.

Literatur

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[1]      Parallel zur Einführung der COIN-Strategie wurde jedoch auch die Zahl der Kampfeinsätze und der Einsatz von Drohnen verstärkt (Nachtwei 2012).

[2]      Die folgenden Informationen und Interviews wurden im Rahmen eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projekts in den Jahren 2004-2007 erhoben (Dittmer 2009). Die Namen sind anonymisiert, lediglich die Positionen sind angegeben.

[3]      Interkulturelle Kompetenz wird seit der Einführung der COIN-Strategie als Querschnittsaufgabe in der Bundeswehr gesehen (Langer 2012: 124), die Bundeswehr rekrutiert dafür „Interkulturelle Einsatzberater“, die diesen Bereich in der Ausbildung abdecken sollen (Presse- und Informationszentrum der Streitkräftebasis 2012). Bisher sind die Ausbildungserfolge allerdings sehr gemischt und besonders in der Dienstgradgruppe der Mannschaften liegen noch erhebliche Defizite in interkultureller Sensibilität und Kompetenz vor, was insbesondere vor dem Hintergrund ihres häufigen Kontakts mit der Zivilbevölkerung sehr kritisch zu sehen ist (Langer 2012: 172ff). Auch die schnellen Kontingentwechsel alle vier Monate und die trotz allen Bemühungen immer noch fehlende interkulturelle lokale Kompetenz und das Unwissen über die lokalen Macht- und Konfliktverhältnisse innerhalb der militärischen Führung können im COIN-Ansatz kontraproduktive Auswirkungen haben (Nachtwei 2012: 42).

[4]      Mittlerweile hat die Mehrzahl der eingesetzten SoldatInnen in Afghanistan Kontakt mit der Zivilbevölkerung. Der Kontakt ist allerdings sehr unterschiedlicher Intensität, abhängig vom Dienstgrad, Einsatzort und der zu erfüllenden Aufgaben (Langer 2012: 127f).