Warum hat André Breton Alexander Fadejew nicht verstanden?

Der sozialistische Realismus als gesellschaftspolitisches Organisationsprogramm

Der sozialistische Realismus als gesellschaftspolitisches Organisationsprogramm Am Rande des Ersten Internationalen Schriftstellerkongresses zur Verteidigung der Kultur in Paris 1935 wurde Ilja Ehrenburg auf offener Straße von zwei Surrealisten angehalten und spontan geohrfeigt. André Breton war erzürnt darüber, dass Ehrenburg der surrealistischen Bewegung Traumtänzerei, Weltfremdheit und fehlendes Bewusstsein für gesellschaftliche Probleme vorgehalten hatte. Ehrenburg selbst wertete die Attacke rückblickend als Lappalie (1978, 323f). Seine Biographin Lilly Marcou meint, dass der Konflikt Ehrenburgs mit den Surrealisten weit über persönliche Belange hinausging und es sich darum handelte, ob die avantgardistische Literatur den Weg zur sozialistischen Politik noch finden konnte oder nicht (1996, 122ff). In Peter Bürgers Historiographie zum Surrealismus (1996) wird diese Frage verneint und festgestellt, dass der Radikalismus »jenseits jeder Möglichkeit konkreter politischer Aktivität« die Surrealisten unmittelbar vor dem Zweiten Weltkrieg konsequent in das »apolitische Verhalten« der bloßen Künstlergruppe abgleiten ließ (39).

Alexander Fadejew, späterer erster Sekretär des Schriftstellerverbandes der UdSSR und einer der Pioniere des sozialistischen Realismus, war weder Mitglied der sowjetischen Delegation beim Kongress in Paris 1935, der für eine Volksfront gegen den Faschismus warb, noch ist er Breton jemals anderweitig begegnet. Was ist also damit gemeint, wenn Breton Fadejew nicht verstanden hat? Es geht in dieser Gegenüberstellung um die begriffliche Unterscheidung von Sozialismus, sozialistischer Lebensweise und Emanzipation. Breton und Fadejew stehen hier als Chiffren für unterschiedliche erkenntnistheoretische und empirische Zugänge zur sozialistischen Gesellschaft, ihren Existenzformen und den theoretischen Vorstellungen von einem zukünftigen Sozialismus. Sie traten für diametral entgegen gesetzte Modelle der Gesellschaftsorganisation ein; ihre direkte Konfrontation soll eine allgemeine Fragestellung klären helfen: Warum ist das bürgerliche Bewusstsein (das durch den bretonschen Individualismus verkörpert wurde) nicht in der Lage, den Ansatz und die Wirkungsweise sozialistischer (oder gar kommunistischer) Gesellschaftskonzepte zu begreifen?

Um sich einer Antwort anzunähern, wird versucht, Begriff und Praxis des sozialistischen Realismus weniger als ästhetische Doktrin, sondern als gesellschaftspolitisches Organisationsprogramm zu analysieren.1 Zunächst geht es um die erkenntnisleitenden Voraussetzungen der Fragestellung, um dann, nach einer Zwischenbemerkung zum Totalitarismus, die Begriffsentwicklung bis zur Entstehung des sozialistischen Realismus zu erläutern. Abschließend wird auf die Stärke des kapitalistischen Realismus verwiesen.

Der Analysemaßstab des sozialistischen Realismus kann nur die Praxis der sozialistischen Gesellschaft sein. Nach bürgerlich-kapitalistischen Kriterien müssen sämtliche Sozialismusversuche als vergeblich gelten. Letztlich geht es also darum, die Relevanz des sozialistischen Realismus als Lebens- und Organisationsform zu begreifen, wodurch sich der Stellenwert seiner Programmatik erhöht. Denn dass die Suche nach gesellschaftlich angemessenen Lebensformen mit dem spätimperialistischen Stadium des Kapitalismus abgeschlossen wäre, kann man nun wahrlich nicht behaupten.

 

Erkenntnisleitende Voraussetzungen

Die Inthronisierung des sozialistischen Realismus auf dem I. Allunionskongress der Sowjetschriftsteller im Sommer 1934 wirft die Frage auf, in welchem gesellschaftlichen Zustand sich diese Einführung vollzog. Die Bezeichnung dieser gesellschaftlichen Periode in der Sowjetunion mit dem Begriff Stalinismus erzeugt mehr Probleme als sie zu lösen vorgibt. Denn immer, wenn ein Begriff auf ein einzelnes Individuum zurückgeht, müssen verschiedene Parameter der Analyseleistung auf der Strecke bleiben. Zwei Pole könnten unterschieden werden. Der eine Pol wäre die ältere Definition der »exzessiv machtorientierten Ordnung der Innen- und Außenbeziehungen einer Gesellschaft des erklärten Übergangs zum Sozialismus«, wie sie 1967 von Werner Hofmann vorgeschlagen worden ist (13). Sie hat den Vorteil, den Übergangscharakter innerhalb des Sozialismus herauszustellen, der heute meist vergessen wird. Der andere Pol wäre das, was Moshe Lewin (2005) als »bürokratischen Apparatesozialismus« beschrieben hat, um auch hier die Vorläufigkeit im Gesamtzusammenhang der sowjetischen Geschichte zu kategorisieren (39ff; 84ff). Eine Draufsicht kann aus den nach wie vor erhellenden Ausführungen von Maurice Merleau-Ponty (1968) über Humanismus und Terror gewonnen werden, der als eine seltene Ausnahme sich seinerzeit bemühte, die Grenzen des bürgerlichen Denkens zu überwinden. Mit Merleau-Ponty müsste man sagen:

"Es heißt die Vernunft geringschätzen, wenn man sie als ein Privileg der Eingeweihten des Westens definiert und sie von aller Verantwortung gegenüber der übrigen Welt entbindet und besonders von der Pflicht, die Varietät der geschichtlichen Situationen zu verstehen. Den Einklang mit uns selbst und mit den Anderen, also die Wahrheit suchen, nicht allein in der Refl exion a priori und im einsamen Denken, sondern auch in der Erfahrung der konkreten Situation und im Dialog mit den anderen Lebenden, ohne den die innere Evidenz ihr allgemeines Recht nicht zu beweisen vermag: Diese Methode ist das genaue Gegenteil des Irrationalismus, der unsere Inkohärenz und unseren Missklang mit den Anderen für unabänderlich hält, während sie uns für fähig hält, jene zu bezwingen." (97f, Hervorh. i. Orig.)

Es ist richtig, ein solches Definitionsangebot durchaus nicht erschöpfend zu finden.

Man wird über den sozialistischen Realismus nicht sprechen können, ohne über den sowjetischen Terror und seine Dimensionen zu reden. Die Gleichzeitigkeit von Bewusstseinsprogrammatik und mörderischer Willkürherrschaft stellt die eigentliche Herausforderung dar – sowohl für das historische als auch für das zukünftige emanzipatorische Denken. In dieser Hinsicht steht die Wissenschaft tatsächlich erst am Anfang. Eine Pionierrolle kommt hier Boris Groys zu. Seine These von 1988, dass das Aufgehen der sowjetischen Avantgardekunst im sozialistischen Realismus die Bestrebungen vollendete, Kunst und Leben zu vereinen, war ein Ansatz, der, wenn auch noch rein ästhetischen Gesichtspunkten verhaftet, in die richtige Richtung zielte (42ff).

Als skandalträchtig wurde er deswegen wahrgenommen, weil Groys den Mythos des unbefleckten Avantgardismus zerstörte, der eben nicht antinomisch dem sozialistischen Realismus gegenübergestellt werden könne. Der sozialistische Realismus ist somit weder ästhetisch noch gesellschaftlich etwas von der Tradition Abgespaltenes, sondern bestimmt sich in seiner Position zum gesellschaftlichen Leben. Andererseits konnte man dies nicht nur als Verlustgeschichte der Avantgarde interpretieren, sondern auch als Gewinn des sowjetischen Staates, der das gesellschaftspolitische Organisationsprogramm für die angestrebte sozialistische Lebensweise neu zu formulieren sich anschickte. In seinen späteren Überlegungen (1995) radikalisierte Groys die These dahingehend, dass die Auseinandersetzungen um den sozialistischen Realismus in der UdSSR nie rein ästhetischen, sondern immer ideologischen Charakters waren. In seiner Entstehungszeit prägte demnach der sozialistische Realismus alle Aspekte des sozialen Lebens (143ff). Und dieses soziale Leben war in den 1930er Jahren auf der einen Seite durch Verdächtigungen, Denunziationen und Terror und auf der anderen durch die Umwälzung des Alltagslebens in Kultur, Bildung und Gesundheit im Sinne des sozialistischen Realismus gezeichnet. Man muss sich bemühen, diese Paradoxie zu erfassen und den Widerspruch auszuhalten, denn es gibt bislang keine Gesellschaftsform, in der das Denken in widersprüchlichen Kategorien so sehr zum Selbstverständnis gehörte wie in der Sowjetunion. Groys schreibt:

"Historisch ist die Sowjetunion in der Realisierung des kommunistischen Projekts so weit gegangen wie keine andere Gesellschaft zuvor. Während der 30er Jahre war jede Art des privaten Eigentums endgültig abgeschafft. Dadurch hat die politische Führung die Möglichkeit bekommen, Entscheidungen zu treffen, die von partikularen ökonomischen Interessen unabhängig waren. Nicht dass diese Interessen unterdrückt worden wären – es gab sie einfach nicht mehr. Jeder Bürger der Sowjetunion arbeitete als Angestellter für den sowjetischen Staat, lebte in einer Wohnung, die dem Staat gehörte, kaufte in den staatlichen Geschäften und fuhr mit Hilfe des staatlichen Transports durch Staatsgebiet. Welche ökonomischen Interessen konnte dieser Bürger haben? Nur das Interesse, dass es dem Staat besser geht, damit der Bürger von diesem Staat – egal ob legal oder illegal, durch Arbeit oder Korruption – besser profitieren könne. In der Sowjetunion herrschte somit die fundamentale Identität zwischen privatem und öffentlichem Interesse." (2006, 9)

 

Aufgrund dieser (staatlich erzwungenen) Interessensidentität wird auch ersichtlich, dass der sozialistische Realismus nicht einfach auf eine Literaturanweisung zu reduzieren ist. Die sowjetische Macht operierte auf anderen Feldern als denen der Verwaltung von Partikularinteressen. Da dies jedoch für das politische Denken des Bürgertums den nicht hintergehbaren Horizont abgibt, fällt es ihm so schwer, den Gesamtrahmen des sozialistischen Realismus gedanklich zu identifizieren.

Am besten lässt sich dieses Dilemma an der Parallellektüre von Konstantin Simonow und Karl Schlögel illustrieren. Simonow, ein geübter Dialektiker, Literaturfunktionär und zu seinen Lebzeiten bekannter Autor von Romanen über den Großen Vaterländischen Krieg, will sich am Ende seines Lebens über einige Konstellationen der Stalin-Zeit klar werden. Sein Fazit lautet: »Ich sehe sowohl das Große als auch das Grauenhafte, das in ihm (Stalin – D.K.) steckte, begreife auf meine Weise das von ihm Vollbrachte – das Notwendige wie das Furchtbare, doch kein Funken Liebe zu ihm hat sich mir erhalten.« (1990, 100) Schlögel hingegen versucht, die Widersprüchlichkeit des Jahres 1937 in Moskau in der Ambivalenz von Schönheit und Terror darzustellen, wobei ihm die terroristischen Elemente entgleiten und ihre Dominanz determinierend für die Gesamtgesellschaft erscheint (2008, bes. 119ff; 448ff; 482ff). Aus Sicht des bürgerlichen Bewusstseins ist dieses Vorgehen legitim – bewiesen wird aber gerade dadurch, dass es die Weiträumigkeit und Nachhaltigkeit der progressiven Veränderung des sozialen Lebens in der UdSSR nicht zu begreifen vermag.2 Das Notwendige und das Furchtbare bzw. das Emanzipatorische dieser Zeit sind zu ermitteln. Sonst bleiben die Erkenntnisse Stückwerk.

 

Eine Bemerkung, abschließend, zum Totalitarismus

Man kommt bei der Einschätzung des sozialistischen Realismus mit dem Totalitarismus-Verdikt nicht weit. Die offensichtlichen wissenschaftlichen wie politischen Defizite der Totalitarismustheorie liegen auf der Hand. Dennoch ist sie heute aus leicht zu durchschauenden ideologischen Gründen die gängige offiziöse Sichtweise auf die europäische Geschichte des 20. Jahrhunderts.3 Die Schieflagen in der Bewertung des sozialistischen Realismus beruhen auf der Engführung als ästhetischer Vorstellung. Danach wird aus der vermeintlichen Ähnlichkeit von sozialistischem Realismus und faschistischer Kunst auf deren Analogiehaftigkeit geschlossen.

Beispielhaft demonstriert das 1981 Martin Damus, als er bezüglich des Herrschaftsanspruches schreibt, »dass durch die jeweils andere Legitimationsbasis des Systems zwar die Inhalte partiell andere sind, durch die gleiche Herrschaftserhaltung aber dieselben Ausdrucksformen in der Kunst des Nationalsozialismus und des Realen Sozialismus festgestellt werden können« (13). Diese Feststellung basiert auf einer fehlerhaften Vergleichsgröße. Sowohl aus ethisch-moralischen, vor allem aber aus sachlichen Gründen ist der sozialistische Realismus nicht das Pendant zur faschistischen Diktatur (und auch nicht zu deren Kunst). Für den Sozialismus waren Faschismus und Nazismus Ausnahmeordnungen innerhalb der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft.

Da der sozialistische Realismus ein Programm zur Transformation des gesellschaftlichen Lebens vom Kapitalismus in den Sozialismus ist, bildet der Faschismus in diesem Übergang eine herrschaftspolitische Störung, die unheimlich viele Abwehrkräfte bindet, welche dann beim sozialistischen Aufbau fehlen. Aus der Perspektive des sozialistischen Realismus ist der Faschismus schlicht uninteressant. Im unangemessenen Vergleich wird stets unterschlagen, »dass der ›Totalitarismus‹ ein Symptom der inneren Spannungen des demokratischen Projektes selber sein könnte« (Žižek 2002, 136), weil das Bürgertum damit genau dasjenige anderen Systemen andichtet, was es selbst verbirgt: den systematischen Widerspruch zwischen Utopie und Wirklichkeit der eigenen Gesellschaftsauffassung.

 

Erkenntnistheoretische Voraussetzungen der Begriffsentwicklung

Die siegreiche proletarische Revolution stand vor zwei entscheidenden Aufgaben. Die erste Aufgabe war die Sicherung der unbedingten Verteidigungsfähigkeit ihrer Errungenschaften, die zweite die Hebung des allgemeinen Kulturniveaus. Mit beidem konnte nicht gewartet werden, schon aus Gründen der wahrscheinlichen Konsolidierung möglicher gegenrevolutionärer Kräfte. Es war Lenin, der wie kein zweiter darauf aufmerksam gemacht hat. Die Kulturfrage nahm in seinen öffentlichen Stellungnahmen nach der Beendigung des Bürgerkrieges in Sowjetrussland einen breiten Raum ein. Die Revolution könne endgültig nur dann siegen, wenn es der proletarischen Partei gelingt, im Bündnis mit allen gesellschaftlichen Klassen und Gruppen ein zivilisatorisches Gemeinwesen aufzubauen, das sämtlichen Mitgliedern die elementaren Zugänge zu Kultur, Bildung und Wissen erschließt, damit ein sozialistisches Bewusstsein entwickelt wird. In seinem Referat auf dem II. Gesamtrussischen Kongress der Ausschüsse für politisch-kulturelle Aufklärung vom Oktober 1921 kommt Lenin zu folgender Einschätzung:

"Die kulturelle Aufgabe kann nicht so schnell gelöst werden wie die politischen und militärischen Aufgaben. Man muss begreifen, dass die Bedingungen für den Vormarsch heute andere sind. Politisch kann man in einer Epoche der Verschärfung der Krise in einigen Wochen siegen. Im Krieg kann man in einigen Monaten siegen, aber auf dem Gebiet der Kultur ist es unmöglich, in einer solchen Frist den Sieg zu erringen, es liegt im Wesen der Sache selbst, dass es hierzu einer längeren Frist bedarf, und auf diese längere Frist muss man sich einrichten, indem man seine Arbeit gut einteilt, indem man größte Zähigkeit, Beharrlichkeit und Systematik an den Tag legt. Ohne diese Eigenschaften ist es unmöglich, die politische Aufklärung auch nur in Angriff zu nehmen. Die Ergebnisse der politischen Aufklärung aber lassen sich nur an der Verbesserung der Wirtschaft messen. Wir müssen nicht nur das Analphabetentum ausmerzen und die Bestechlichkeit ausmerzen, die sich auf dem Boden des Analphabetentums hält, sondern es ist notwendig, dass unsere Propaganda, unsere Anleitungen, unsere Broschüren vom Volk wirklich aufgenommen werden und dass sich daraus eine Besserung der Volkswirtschaft ergibt." (LW 33, 60)

Lenin war Realpolitiker genug, um dieses Projekt nach Jahrzehnten auszumessen. Seine strategischen Ausführungen korrespondierten mit ähnlichen Überlegungen in Westeuropa, zum Beispiel mit denen Wieland Herzfeldes (1920f) über das Verhältnis von Gesellschaft, Künstler und Kommunismus. Sie stießen eine lebhafte innersowjetische Debatte über die Bedeutung der Bewusstseinserweiterung für das Gelingen der sozialistischen Umwälzung an, die schließlich im sozialistischen Realismus mündete.

Konstantin Ziolkowski (Ciolkovskij) sah bereits 1917, dass sich Kapitalismus und Eigentum nicht in kurzer Zeit überwinden lassen würden, vielmehr brauche man dazu einen langen Atem und viel Überzeugungskraft. Er plädierte für Experimente mit Kommunen zur Einübung gesellschaftlicher Verhaltensweisen und hielt den Individualismus für den größten Feind einer sozialen Ordnung (2005, 262ff). Der aus zaristischen Adelskreisen zu den Bolschewiki gestoßene Walerian Murawjow (Murav’ev) beschäftigte sich 1924 mit der »Beherrschung der Zeit als Grundaufgabe der Arbeitsorganisation«. Seine Abhandlung wies auf die Organisation einer neuen sowjetischen Kultur hin und forderte nachdrücklich die Schaffung von Institutionen zur Einführung eines gemeinsamen menschlichen Handelns (2005, 437f; 446).

Am interessantesten sind die Ausführungen des Psychologen Aron Zalkind zur Zukunftsperspektive der menschlichen Gesellschaft im Sozialismus von 1928. Sein Hauptaugenmerk galt allen Fragen der schöpferischen Erziehung, da es seiner Ansicht nach kein »einfaches Absterben« der Bourgeoisie geben werde (2005, 610; 628f). Auch Zalkind war sich im Klaren, dass die Umgestaltung zum Sozialismus zwingend die staatliche Intervention verlangt (637f). Seine Überlegungen zur geschlechtlichen Enthaltsamkeit und zur Umlenkung von sexueller Energie in Aufbauleistungen haben sich schnell als unsinnig erwiesen; allerdings bleiben einzelne Problemfelder bei der proklamierten Freisetzung soziokreativer Neigungen, besonders durch den Wegfall von Erziehungsarbeit, Hausarbeit und Gebärzwang, bemerkenswert. Zalkind stellte einen Katalog zur Bestandsaufnahme der Charakterzüge des fortschrittlichen Teils der Sowjetjugend von 1928 auf, der als schon erreichter Ausgangspunkt zur Fortsetzung der ›ideologischen Arbeit‹ motivieren sollte (661ff).4 Selbst wenn man wie Zalkind diese Charakterzüge als noch nicht voll ausgebildet betrachten konnte, sie nur einer Minderheit zuzuschreiben waren und dann noch in Rechnung stellt, dass sich darin auch ein gewisses Wunschdenken materialisierte, so wird doch deutlich, dass die Einführung des sozialistischen Realismus vorbereitet war.

 

Entstehung und Ausbildung des sozialistischen Realismus

Der Begriff des sozialistischen Realismus wurde erstmals von Alexander Fadejew 1932 in einem Artikel konkretisiert. Vorausgegangen war die parteioffizielle Vereinheitlichung der verschiedenen künstlerischen Strömungen in mehreren Beschlüssen des ZK der KPdSU seit 1926, von denen derjenige »Über den Umbau der literarischkünstlerischen Organisationen« im April 1932 den Abschluss bildete. Von Anfang an ging es nicht nur um ästhetische Fragen, sondern immer auch darum, wie sich die aufzubauende sozialistische Gesellschaft als Gemeinschafts- und Integrationsinstanz organisieren und darstellen ließ. Fadejew erklärte in seiner Stellungnahme, die gleichzeitig eine Selbstkritik als ehemaliger Vertreter der »Russischen Vereinigung proletarischer Schriftsteller« (RAPP) enthielt, dass sich das Werden der neuen sozialistischen Gesellschaft im Kampf mit der alten Ausbeutergesellschaft vollziehe und daher die Position des Sozialismus auch die Darstellungsform beeinflusse. Der sozialistische Realismus sei demnach nicht über formale, äußere Merkmale einschätzbar wie bei herkömmlichen Vorstellungen von Realismus, Romantik und Naturalismus.

Man müsse sich von rein ästhetischen Kriterien lösen, die darauf hinauslaufen, die eigentlichen Aspekte der Lebenserkenntnis auf Formkategorien und kunstsoziologische Klassifikationen zu reduzieren. Die objektive Funktion des Künstlers bestehe darin, durch Darstellung der sozialistischen Wirklichkeit die vollständige Herausbildung einer neuen sozialistischen Persönlichkeit zu befördern (1973, 45ff).

Bei Fadejew tauchte erstmals auch die Formulierung von der »Darstellung der Wirklichkeit in ihrer (revolutionären) Entwicklung« auf, die dann auf dem schon erwähnten Allunionskongress der Sowjetschriftsteller 1934 zusammen mit der Konzentration auf Typisierungen, der Perspektive des Sozialismus, der führenden Rolle der kommunistischen Partei, den Schriftstellern als »Ingenieuren der Seele« und der Bevorzugung von Aufbauthemen als kanonisierte Essenz des sozialistischen Realismus festgeschrieben wurde. Der Kongress selbst war ein unionsweites Ereignis, das in der Bevölkerung auf beträchtliche Resonanz stieß. Seine Einberufung im Sommer 1934 nach dem 17. Parteitag der KPdSU Anfang 1934 (und vor dem Mord vom 1. Dezember 1934 an Sergej Kirow, dem Ersten Sekretär der Leningrader Parteiorganisation) zeigte zum einen den Willen der staatlichen Stellen, nach den Exzessen der Kollektivierung wieder stärker auf Überzeugungs- und Bewusstseinsprinzipien zu setzen, und zum anderen, dass die gesellschaftspolitische Organisation des Sozialismus auch ideell zur Planmäßigkeit übergehen musste. Auf dem Kongress dominierten die Parteivertreter keineswegs, die Diskussionsbeiträge von Andrej Shdanow, Karl Radek und Nikolai Bucharin divergierten beträchtlich, die Atmosphäre war von Offenheit geprägt.5 Bucharins Ausführungen waren die mit Abstand kenntnisreichsten: Von ihm stammte die Defi nition »sozialistisch im Inhalt, national in der Form« für die Struktur der künftigen Sowjetliteratur, die im Zusammenhang mit dem sozialistischen Realismus immer wieder zitiert wurde (1974, 322). Sie ist ebenfalls nicht allein als ästhetische Kategorie zu interpretieren, sondern appelliert an den Gemeinschaftscharakter der Nationalitäten und Sowjetrepubliken und damit an die übergreifende Idee des Sozialismus.

Nach Moshe Lewin handelte es sich bei dem Schriftstellerkongress lediglich um ein »Zwischenspiel« zwischen zwei Terrorwellen (2005, 49ff). Dass der Allunionskongress nicht bloß als Zwischenspiel zu betrachten ist, zeigt hingegen die weitergetriebene Ausbildung des sozialistischen Realismus, der in den gesamten 1930er Jahren die sowjetische Öffentlichkeit dominierte. Domenico Losurdo fasst die Situation im Kontext der weltpolitischen Gesamtlage der Zeit zusammen:

"Für die drei Jahrzehnte der Geschichte Sowjetrusslands unter der Führung Stalins ist der grundlegende Aspekt nicht die Mündung der Parteidiktatur in die Autokratie, sondern der wiederholte Versuch, vom Ausnahmezustand zu einer Situation relativer Normalität überzugehen; diese Versuche scheiterten sowohl aus inneren (die abstrakte Utopie und der Messianismus, die es verhinderten, sich mit den erzielten Resultaten zu identifizieren) als auch aus internationalen Gründen (die permanente Bedrohung, die auf dem aus der Oktoberrevolution hervorgegangenen Land lastete) bzw. aus der Verflechtung beider. Und gerade der Messianismus ist zum einen Ausdruck von Tendenzen, die dem Marxismus innewohnen, zum anderen ist er die Reaktion auf die Schrecken des Ersten Weltkriegs, der auch in Kreisen und bei Persönlichkeiten, die dem Marxismus fernstehen, den Wunsch nach einer völlig neuen Welt erweckt, die in keinem Zusammenhang mit  einer Realität steht, die diese Schrecken erneut hervorbringen könnte. Mit dem Aufflammen des dritten Bürgerkriegs (innerhalb der bolschewistischen Reihen) und während sich gleichzeitig der Zweite Weltkrieg (in Asien noch vor Europa) nähert, läuft dieses mehrfache Scheitern auf den Anbruch der Autokratie hinaus, die ein Führer ausübt, der Gegenstand eines wahren Kults wird." (2012, 169f)

Wenn man so will, kann der sozialistische Realismus als Ausdruck der Aufrechterhaltung einer (veränderten) Normalität betrachtet werden, die Kultur, Bildung und Wissen gegen alle Widrigkeiten zu fördern bestrebt war. Unter diesem Blickwinkel sind die Erzeugnisse des sozialistischen Realismus einzuordnen. Gerade in den 1930er Jahren waren alle Bereiche des öffentlichen sowjetischen Lebens (politisch, kulturell, im Alltag) von Beiträgen durchzogen, die einen Impetus zum sozialistischen Realismus aufwiesen. Die Bedeutung und Richtigkeit jeglicher öffentlicher Äußerungen wurde keineswegs ästhetisch, sondern vielmehr ideologisch-essenzialistisch eingeschätzt, wodurch auch als »immer noch avantgardistisch« klassifizierte Projektionen zu Abweichungen vom gesellschaftlichen Gesamtziel erklärt wurden. Nichtsdestoweniger blieben Kunstavantgardisten wie Sergej Eisenstein oder Dmitri Schostakowitsch gegen große Widerstände dem öffentlichen Diskurs erhalten. Aus ästhetischer Sicht wurde die Bandbreite der Gestaltungsmöglichkeiten deutlich kleiner.

Anhand der überlieferten literarischen und filmischen Resultate des sozialistischen Realismus kann die Stoßrichtung der sozialen Gesamtauffassung in der UdSSR der 1930er Jahre abgelesen werden (was auf anderen Teilgebieten wie der Architektur, der Musik, dem Theater, der Presse oder auch der Wissenschaft aus verschiedenen Gründen schwerer fällt). Man müsste dabei mit dem am meisten unterschätzten Film Eisensteins »Die Generallinie« (1926-29) beginnen, der nicht allein die Kollektivierung auf dem Lande, sondern vor allem das Mit- und Nachdenken über Tradition, Utopie und Fortschritt in Lebenshaltung und Lebensweise zum Thema hat. Es sind vielfach nicht unbedingt die kanonisierten Schlüsselromane und Filme des sozialistischen Realismus wie Maxim Gorkis »Die Mutter« (1906/07, verfilmt von Wsewolod Pudowkin 1926), Michail Scholochows »Neuland unterm Pflug« (1932, verfilmt von Juli Raisman 1939) oder Nikolai Ostrowskis »Wie der Stahl gehärtet wurde« (1934, verfi lmt von Mark Donskoi 1942) bzw. die Bürgerkriegs- und Parteigeschichtsverfilmungen wie z.B. »Tschapajew« (1934, Regie: Sergej und Georgi Wassiljew), die Aufschlüsse geben6, sondern eher solche Arbeiten, die sich der Bewusstseinsbildung verschrieben haben und dafür ästhetische Abstriche in Kauf zu nehmen bereit schienen. Ein frühes Beispiel aus der Literatur ist Valentin Katajews Report »Zeit, vorwärts!« von 1932. Darin geht es um Aufbaupathos, sozialistischen Wettbewerb, ungestümen Kollektivierungsdrang, Arbeitsdisziplin – kurz: um das komplette Arsenal gewünschter, aber eben auch tatsächlicher Leistungen einfacher Arbeiterinnen und Arbeiter, die in der Steppe des weiten Landes aus dem Nichts Produktionsstätten und Wohnsiedlungen errichteten. Entscheidend ist die Motivation, die Katajew umreißt:

"Das Tempo verlangsamen heißt zurückbleiben. Die Zurückgebliebenen schlägt man. Wir wollen aber nicht die Geschlagenen sein. Nein, wir wollen es nicht! Die Geschichte des alten Russland bestand darin, dass es unaufhörlich für seine Rückständigkeit geschlagen wurde. Die mongolischen Khane schlugen. Die türkischen Beis schlugen. Die schwedischen Feudalherren schlugen. Die polnisch-litauischen Pane schlugen. Die englisch-französischen Kapitalisten schlugen. Es schlugen die japanischen Barone. Man schlug Russland für seine militärische und kulturelle, für seine staatliche, für seine industrielle, für seine landwirtschaftliche Rückständigkeit. Man schlug es, weil es viel einbrachte und unbestraft blieb. Deshalb dürfen wir jetzt nicht mehr zurückbleiben." (1947, 15)

Was auf den ersten Blick wie eine simple Variante der nachholenden Modernisierung aussieht, ist der Versuch einer Historisierung der Gegenwart, in der die Verantwortung für die zukünftige Planbarkeit der gesamten Gesellschaft übertragen wird. Der Zeitfaktor spielt dabei insofern eine wichtige Rolle, als Fortschritt mit Tempo und Plan mit Ordnung übersetzt wird. Es geht auch um Modernisierung, es geht aber vielmehr um die Irreversibilität der im Aufbau befindlichen sozialistischen Verhältnisse.

Die paradigmatischen Zeugnisse des sozialistischen Realismus sind diejenigen, in denen die Fortschritte der Bewusstseinsentwicklung bereits als Vorstufe zu einem erreichbaren oder erreichten Ideal angenommen werden. Ähnlich wie in Zalkinds Katalog der Eigenschaften zeigt sich in ihnen durchaus ein gehöriger Schuss Voluntarismus, der jedoch als naheliegende Antizipation dessen gelesen werden kann, was sich bei Fortsetzung des gesellschaftspolitischen Organisationsprogramms schließlich auch durchsetzen ließe. So rührt der gesamte Aufbau des Films »Aerograd« (1935, Regie: Alexander Dowshenko) von der Idee der Zivilisierung Sibiriens her und fordert die Errichtung einer neuen Stadt am Pazifik als östlichstem Außenposten der UdSSR zur Verteidigung der Revolution. Während Aerograd als realer Ort hier noch Illusion bleibt, ist die Urbarmachung der Natur und die Verstädterung des Landes in »Komsomolsk« (1938, Regie: Sergej Gerassimow) höchst konkret und kulminiert im Bau eines Kraftwerkes und einer Werft am Amur. Mit diesem Film wollte das Regiekollektiv nach eigener Aussage drei Fragen beantworten: »Woran glauben wir, was wissen wir und was lieben wir?« (zit. n. Shdan/Groschew u.a. 1974, 267) Immerhin gilt es, das Grundproblem sozialistischer Innenpolitik (Hacks 2010, 49) zu lösen: Wie bekommt man kommunistische Spezialisten, oder: wie erzeugt man gebildete Kommunisten?

Genremäßige Vollkommenheit nach herkömmlichem Verständnis erlangte der sozialistische Realismus in seiner kultisch-mythischen Form erst nach dem Zweiten Weltkrieg mit Stalin-Apotheosen, die in Filmen wie »Der Schwur« (1946, Regie: Michail Tschiaureli), »Die Stalingrader Schlacht« (2 Teile, 1949, Regie: Wladimir Petrow) oder »Der Fall von Berlin« (2 Teile, 1950, Regie: Michail Tschiaureli) in Szene gesetzt wurden. In seiner realitätsnahen Form, also programmatisch für die Schulung des Bewusstseins, erschien der sozialistische Realismus als Höhepunkt und Zusammenfassung des heldenhaften Widerstands gegen die deutschen Okkupanten in Fadejews Roman »Die junge Garde« (1945), der 1948 von Sergej Gerassimow auch verfi lmt wurde. Das Besondere an diesem Buch ist nicht so sehr das Heldentum der jungen Kriegsgeneration, sondern ihre Selbständigkeit, mit der sie, weil die Parteivertreter teils paralysiert, teils organisationsunfähig sind, ihre Handlungen planen und dabei in kommunistischem Sinne agieren.7 Auch wenn die Umstände des Partisanenkampfes als Ausnahmesituationen beschrieben werden müssen, ist doch eine für zivile Bedingungen geltende Weiterwirkung intendiert.

1951 kommt Georg Lukács in seiner Auseinandersetzung mit den literarischen Werken des sozialistischen Realismus anlässlich von Scholochows »Neuland unterm Pflug« zu dem Schluss, dass »der Gegner nicht fähig ist zu begreifen, warum und wie ein Bolschewik handelt.« (1953, 512) Zu diesem Zeitpunkt hatte sich André Breton schon weit von den sozialistischen Zielen entfernt und schwärmte eher für »Kryptogramme« der Sprache, deren mythische Struktur für die poetische Intuition des Surrealismus von großer Wichtigkeit sei (Dupuis 1979, 108f). Alexander Fadejew beging im Mai 1956 nach heftiger Kritik an seiner Person im Zuge der Entstalinisierung Selbstmord.

 

Der kapitalistische Realismus

Durch den Zweiten Weltkrieg wurde das Projekt des sozialistischen Realismus als gesellschaftspolitisches Organisationsprogramm unterbrochen. Eine nahtlose Wiederaufnahme nach dem Sieg über den deutschen Faschismus konnte nicht ohne weiteres erfolgen, da die Ressourcen erschöpft, große Landesteile zerstört und die Sowjetvölker dezimiert waren. Trotzdem unternahmen Staat und Partei Ende der 1940er Jahre einen Versuch, den sozialistischen Realismus zu restituieren. Allerdings hatten sich die innen- und außenpolitischen Bedingungen für die Sowjetunion gravierend geändert, nicht zuletzt durch die Konfrontation des Kalten Krieges. Der fortgesetzte Dirigismus sowie der Export des sozialistischen Realismus in die Länder des sowjetischen Hoheitsbereiches waren denkbar ungeeignet, eine neue Initiative zur Bewusstseinsentwicklung in großflächigem Stil zu entfalten.8 Hinzu kamen die kampagnenartigen Abwehrschlachten gegen den Formalismus, der als negatives Schlagwort für alle individuellen Eigenmächtigkeiten in politisch-ästhetischer Hinsicht herhalten musste. Das ideologische Kampffeld selbst war in Bezug auf die weltanschauliche Divergenz zwischen dem Subjektivismus der modernistischen Gesellschaftsauffassung (»Formalismus«) und dem Kollektivismus der sozialistischen Persönlichkeitsperspektive nicht falsch verortet. Den eigentlichen Konflikt, nämlich den zwischen Realismus und Anti-Realismus, hatte man jedoch kaum gesehen. So erstaunte es nicht, dass der sozialistische Realismus innerhalb der ersten zwanzig Nachkriegsjahre deutlich an Legitimität einbüßte und oftmals nur noch als theoretisches Gerüst beschworen wurde, ohne dass eine sinnvolle Modernisierung oder Anpassung des Konzepts an veränderte gesellschaftliche Konstellationen in Angriff genommen wurde.

In Folge der schwindenden Bindungskraft bewusstseinspolitischer Überlegungen, die in den 1980er Jahren zur schleichenden Selbstverleugnung sozialistischer Absichten führte, übernahm ein Konglomerat aus kulturindustrieller Marktgängigkeit, technologisch gestützter Kommunikation, medial dominierter Distribution und spektakulär inszenierter Wertesysteme das weltweite Regiment, dessen ideologische Grundlagen vom frühen Existenzialismus bis zur spätimperialistischen Postmoderne reichen. Die Stärke dieses kapitalistischen Realismus besteht darin, dass er an Prozesse der subjektiven Ausdifferenzierung genauso flexibel anschließt wie an regressive Traditionen und überdies bislang sämtliche Potenziale widerständiger Kultur in sich aufnimmt und aufhebt.

 

Literatur

Bucharin, Nikolaj, »Über Dichtung, Poetik und die Aufgaben des dichterischen Schaffens in der UdSSR«, in: Schmitt/Schramm 1974, 286-345
Bürger, Peter, Der französische Surrealismus. Studien zur avantgardistischen Literatur, Frankfurt/M 1996
Ciolkovskij, Konstantin, »Die ideale Lebensordnung« (1917), in: Groys/Hagemeister 2005, 250-77
Damus, Martin, Sozialistischer Realismus und Kunst im Nationalsozialismus, Frankfurt/M 1981
Dobrenko, Evgeny, Political Economy of Socialist Realism, New Haven-London 2007
ders., Stalinist Cinema and the Production of History. Museum of the Revolution, New Haven-London 2008
Dupuis, Jules F., Der radioaktive Kadaver. Eine Geschichte des Surrealismus (1977), Hamburg 1979
Ehrenburg, Ilja, Menschen, Jahre, Leben. Memoiren (1966/67), Bd. 2, Berlin 1978
Fadejew, Alexander, »Über sozialistischen Realismus« (1932), in: ders., Über Literatur. Reden, Aufsätze, Briefe (1957-1967), Berlin/DDR 1973, 45-57
ders., Die junge Garde (1945), Berlin/DDR 1949
Groys, Boris, Gesamtkunstwerk Stalin. Die gespaltene Kultur der Sowjetunion, München-Wien 1988
ders., »Gebaute Ideologie«, in: ders., Die Erfi ndung Rußlands, München 1995
ders., Das kommunistische Postskriptum, Frankfurt/M 2006
ders. u. Michael Hagemeister (Hg.), Die Neue Menschheit. Biopolitische Utopien in Russland zu Beginn des 20. Jahrhunderts, Frankfurt/M 2005
Hacks, Peter, »Zur Konzeption des sozialistischen Realismus 1934, 30. Januar 1978«, in: Keck, Thomas, u. Jens Mehrle (Hg.), Berlinische Dramaturgie. Gesprächsprotokolle der von Peter Hacks geleiteten Akademiearbeitsgruppen. Bd 3: Ästhetik, Berlin 2010, 7-79
Hellbeck, Jochen, Die Stalingrad-Protokolle. Sowjetische Augenzeugen berichten aus der Schlacht, Frankfurt/M 2012
Herzfelde, Wieland, »Gesellschaft, Künstler und Kommunismus«, Folgen I-IV, in: Der Gegner, 1920/21, H. 5, 6, 8/9 u.10/11, 131-38, 194-97, 302-9 u. 362-70
Hofmann, Werner, Stalinismus und Antikommunismus. Zur Soziologie des Ost-West-Konflikts, Frankfurt/M 1967
Katajew, Valentin, Im Sturmschritt vorwärts! (1932), Berlin/SBZ 1947
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Leonhardt, Hilde (Red.), Beiträge zum sozialistischen Realismus. Grundsätzliches über Kunst und Literatur, Berlin/DDR 1953
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1 In dieser Hinsicht folgt die Untersuchung Dobrenko (2007, 13), wo es heißt: »The mimetic nature of Socialist Realism is the most long-standing prejudice and the greatest misunderstanding.«
2 Vgl. insbesondere die Kapitel zu Lion Feuchtwanger (119-135), zu den Revolutionsfeiern im November 1937 (448-461) und zum Film (482-500). Interessant ist auch die Danksagung am Ende des Buches: »Mit Gerd Koenen, mit dem ich einige Erfahrungen und Innenansichten über den Parteikommunismus aus dem Roten Jahrzehnt (gemeint ist die BRD der 1970er Jahre – D.K.) teile, habe ich immer wieder über das Rätselhafte gesprochen, das uns wohl seit Merleau-Pontys Humanismus und Terror nicht losgelassen hat. Dass es eine große Nähe zu seiner faszinierenden Studie zur Utopie der Säuberung gibt, ist kaum verwunderlich.« (711, Hervorh. i. Orig.) Das ist mit der Begrenztheit des bürgerlichen Denkens gemeint. Der Versuch einer ernsthaften Kontextualisierung wird hier als »Rätselhaftes« missverstanden.
3 Vgl. hierzu als bislang krassesten Ausdruck europäischer Geschichtsüberwältigung den Film »The Sovjet Story« (Lettland 2008, Regie: Edvins Snore).
4 Er zählt dreizehn Eigenschaften auf, darunter Tendenzen zu Objektivität, Realitätssinn und Antireligiosität (1), zur Verantwortung für das eigene Handeln (2), zur Entsubjektivierung von Erkenntnis (4), zum Optimismus (5), zu dialektischem Denken (6), zu Wissensdrang (8), zu Kollektivismus und Gemeinschaftsgeist (9), zur Kampfbereitschaft (10), zur wissenschaftlichen Arbeitsorganisation als Organisation aller Lebensbereiche (12) und zur Energieüberführung in soziokreative Bahnen (13) (677-83).
5 Vgl. die dokumentierten Beiträge in Schmitt/Schramm 1974.
6 Vgl. dazu Dobrenko 2008, z.B. zu den verschiedenen Adaptionen des Romans »Die Mutter« (167-190).
7 Eine späte Bestätigung für die ideologische Bindungskraft sozialistisch-realistischer Bewusstseinsbildung ist die Veröffentlichung sowjetischer Augenzeugenberichte aus der Schlacht von Stalingrad 1942/43 (vgl. Hellbeck 2012).
8 Zu den Beschlüssen des ZK der KPdSU (B) zu Fragen der Literatur und Kunst (1946-1948) siehe Leonhardt 1953, 60-78.

 

© DAS ARGUMENT 306/2014, S. 23-34