Ruhiger Jahreswechsel

Kein Anbau von Gentech-Pflanzen in Deutschland

Im nächsten Jahr kein Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen in Deutschland. Ein Kommentar.

Erstmalig seit einer gefühlten Ewigkeit gehe ich mit Blick auf einen möglichen Anbau gentechnisch veränderter (gv) Pflanzen vor meiner Haustür entspannt in die Zeit des Jahreswechsels. In den letzten Jahren war es immer so, dass schon zum Jahresende ein kommerzieller Anbau von Gentech-Pflanzen im darauffolgenden Jahr zu befürchten war. In der jüngeren Vergangenheit war es die Zulassung des gv-Mais 1507 oder die Erneuerung der Anbau-Genehmigung von Monsantos MON810, die sich am Horizont abzeichnete. Beides hätte die Tür für einen Anbau erneut geöffnet.

Nach dem derzeitigen Regelwerk müssen Landwirtinnen und Landwirte, die gv-Pflanzen auf ihren Äckern ausbringen wollen, die entsprechenden Flächen drei Monate vor der geplanten Aussaat in das Standortregister (1) eintragen. In den Jahren 2005 und 2008 gab es die ersten Meldungen schon im Dezember und in den ersten Januarwochen. Spätestens jeweils Mitte Februar weiß man in jedem Fall, ob es notwendig werden könnte, gegen einen Anbau vorzugehen.(2)

Kein Verzicht ...

Aktuell ist das anders: Bereits jetzt ist klar, dass es in der nächsten Anbausaison in Deutschland, sowie den meisten anderen EU-Mitgliedstaaten keinen Anbau geben wird.

Zu verdanken habe ich, haben wir diese glückliche Entwicklung - nach der Lesart der  Frankfurter Allgemeinen Zeitung - den Saatgut-Herstellern. Die, schrieb die FAZ in ihrer Ausgabe am 3. November dieses Jahres, „verzichten vorerst auf den Anbau von Genmais in Deutschland“. Die Zeitung übernimmt damit die Formulierung von Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU), der sich in seinem Statement „zum Verzicht auf den Genmais-Anbau in Deutschland“ freut, dass wir „unser Ziel erfolgreich erreicht“ haben, was das „Ergebnis der aktiven Kooperation von Bund und Ländern“ sei.

Ich bin da ganz anderer Meinung: Ich glaube, dass wir diesen Fortschritt einer breit aufgestellten Gentechnik-kritischen Bewegung zu verdanken haben, die in den vergangenen Jahrzehnten nicht nachgelassen hat - weder mit ihren Protesten noch mit ihren Forderungen. In der aktuellen Situation hätten die Konzerne dem - formell von Schmidt überbrachten - Ansinnen, dass der Anbau von gv-Pflanzen in Deutschland nicht stattfindet, widersprechen können.

... sondern Zeichen von Schwäche

Ich für meinen Teil hatte damit fest gerechnet. Dass die Monsantos und Syngentas dieser Welt auf diesen Schritt verzichtet haben, war weder ein Zeichen von Mildtätigkeit, noch von später Einsicht, dass die Gentechnik ein Schmarr‘n ist. Nein, der „Verzicht“ ist ganz allein ein Ausdruck von Schwäche und für die kommenden Jahre der (hoffentlich) letzte Akt in der Posse um den Versuch, Deutschland und Europa auf dem Acker und dem Teller mit Gentechnik zu beglücken. Wie oft sind Menschen auf die Straße gegangen, wie viele gentechnikfreie Regionen haben sich gegründet, in denen Bäuerinnen und Bauern gemeinsam mit VerbraucherInnen und Natur- und Umweltschutzverbänden für eine gentechnikfreie Landwirtschaft kooperieren? Eine zentrale Forderung war immer auch, dass es eine Regelung geben müsse, derzufolge in den Regionen oder Staaten - und nicht in Brüssel oder Strasbourg - entschieden wird, ob ein Anbau von gv-Pflanzen zulässig sein soll oder nicht. Dieser Fall ist jetzt eingetreten: Im Frühjahr in Brüssel verabschiedet, fand die sogenannte Opt out-Regulierung in diesem Herbst erstmals Anwendung. Das müssen wir wenigstens für einen kurzen Moment festhalten!

Danach werden wir uns umschauen und feststellen, dass trotzdem genug Dinge zu tun sind - von den meisten haben wir hier im GID schon berichtet: Derzeit versuchen die Konzerne gemeinsam mit ihren willfährigen Vollstreckern in so mancher Behörde neue Gentechnik-Verfahren umzudeklarieren, so dass die damit hergestellten Pflanzen nicht unter die Gentechnik-Regulierung fallen.(3) Auch bergen die Verhandlungen über den Abschluss der transatlantischen Handels- und Investitions-Partnerschaft  TTIP mit den USA, wie auch das Abkommen CETA mit Kanada große Gefahren im Sinne einer zukünftigen Verbreitung gentechnisch veränderter Pflanzen und Produkte.

Auch hat ein kleine Zahl von Regierungen in Europa nicht die Option gewählt, das eigene Hoheitsgebiet aus den Zulassungen der Gentech-Pflanzen auszusparen. Es ist zu befürchten, dass die Konzerne diese Länder (darunter Spanien, England und die Tschechische Republik) als Startpunkte nutzen wollen, um in Europa doch irgendwann ihre Pflanzen an den Mann und an die Frau zu bekommen.  Wir bleiben auf der Hut!

 

Fußnoten:

(1) Siehe dazu: www.bvl.bund.de oder www.kurzlink.de/gid233_m.

(2) Freisetzungsversuche funktionieren etwas anders.

(3) Siehe dazu auf S. 26f in diesem Heft.