Riskante Verbindungen. Donna Haraways Dynamisierung der Standpunkte

in (29.06.2016)

Haraways Kyborg-Manifest beginnt mit der Losung »Lieber Kyborg als Göttin!«, eine Aufforderung, die ganz offensichtlich ans Denken gerichtet ist, nicht ans Tun; gut 30 Jahre später folgt: »Making Kin Not Babies!«, eine Losung, die zum Handeln auffordert bzw. zum Unterlassen, jedenfalls an Menschen gerichtet ist angesichts die Erde zerstörender Entwicklungen, Verantwortung zu übernehmen und entsprechend zu handeln. Haraway hat Barad gelesen, deren Studien aus der Kernphysik sie für so bahnbrechend hält, dass wir die Folgen noch keineswegs absehen könnten, und macht ihr begriffliche Vorschläge für die Zusammenfügung von Sozialtheorie und Naturphilosophie. Wo Barad von Reflektion (Widerspiegelung) spricht, sei Diffraktion (Beugung) passender, weil anders immer noch die Auffassung transportiert werde, es sei dort etwas Festes, das nur widergespiegelt werde, während die Prozesse weit gemäßer als Beugung/Ablenkung zu fassen seien. Barad nimmt den Vorschlag auf, »Donna Haraway proposes diffraction as an alternative to the well-worn metaphor of reflection. As Haraway suggests, diffraction can serve as a useful counterpoint to reflection: both are optical phenomena, but whereas reflection is about mirroring and sameness, diffraction attends to patterns of difference. One of her concerns is the way reflexivity has played itself out as a methodology, especially as it has been taken up and discussed by mainstream scholars in science studies. Haraway notes that ›reflexity or reflection invites the illusion of essential, fixed position, while diffraction trains us to more subtle vision‹ (1992). Diffraction entails ›the processing of small but consequential differences, and the processing of differences […] is about ways of life‹« (Barad 2007, 29f). Lesen wir die Vorschläge immer auch als Aufforderung, Verantwortung für unsere Taten, auch als Gattung in der Welt zu übernehmen, bleibt die Frage, von welchem Standpunkt und in welcher Perspektive wir uns eingreifend bewegen wollen und können, wenn wir mit dialektischem Vergnügen erkannt haben, dass ein Standpunkt ja selbst als Metapher etwas Stillstehendes bedeutet, wir aber zugleich alles in Bewegung wissen. Auch Züge, die in die richtige Richtung fahren, können entgleisen.

 

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