Einflussnahme im Bundestag

Wir baten drei Abgeordnete des Deutschen Bundestages, ihr persönliches Verhältnis und ihren Umgang mit Lobbyismus zu erläutern. Unter anderem wollten wir wissen, wie sie diejenigen Lobbytermine auswählen, die sie wahrnehmen, und ob sie diese Termine öffentlich dokumentieren. Hier sind Ihre Antworten. WEITERE INFOS: www.gen-ethisches-netzwerk/gid238

Harald Ebner (Sprecher für Gentechnik- und Bioökonomiepolitik der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen)

„Der Austausch mit VertreterInnen verschiedener Interessengruppen ist ein Teil der politischen Arbeit von uns Abgeordneten. Die Grenzen zwischen Politik und Lobby müssen dabei unbedingt ganz klar eingehalten werden. Gesetzentwürfe aus der Feder von Lobbyisten oder Drehtür-Personalien mit direktem Wechsel aus der Politik in die Wirtschaft zerstören zu Recht das Vertrauen in die Politik. Problematisch sind auch die sehr unterschiedlichen Ressourcen der Interessengruppen, denn ohne finanzielle Ausstattung ist es viel schwerer, sich Gehör zu verschaffen. Noch schwieriger ist es, wenn nicht klar ist, wer sich eigentlich hinter manch harmlos klingenden Namen verbirgt, wie etwa bei der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, die mit „sozial“ herzlich wenig am Hut hat, der Deutschen Wildtierstiftung, die in Wahrheit gegen erneuerbare Energien kämpft oder dem Bundesverband für Tiergesundheit, der eigentlich Arzneimittel für Tiere verkaufen will. Etliche Verbände und Organisationen, vom Bauernverband über Industrieverbände bis hin zu Tierschutz- und Umweltorganisationen, laden ein zu Parlamentarischen Abenden, Frühstücken, Tagungen oder bitten um Berichterstattergespräche mit AusschussvertreterInnen oder um Einzelgespräche. Davon bin ich als Oppositionspolitiker allerdings deutlich weniger betroffen als VertreterInnen der Regierungsfraktionen. Und es ist davon auszugehen, dass unzählige Termine mit RegierungsvertreterInnen und Ministerien stattfinden, von denen wir schlicht gar nichts erfahren. Bei etlichen Terminen muss man da sein, um die Argumente der Gegenseite zu erfahren, und auch, um zu verhindern, dass nur LobbyistInnen und Regierungsfraktionen unter sich sind. Die Teilnahme der Opposition an solchen Veranstaltungen, inklusive Beteiligung an Podien und Diskussionsrunden, ist daher immer auch Teil der Kontrolle. Die Termine muss man thematisch, manchmal auch strategisch auswählen. Man kann nicht immer nur zu „FreundInnen“ gehen. Andersrum auch nicht. Das alles zu dokumentieren ist allerdings eine große Herausforderung und auch eine Gratwanderung. Zum einen wegen des hohen Aufwands, zum anderen auch wegen der Vertraulichkeit einiger Gespräche. Es bestünde durchaus die Gefahr, auch Termine mit schutzbedürftigen InformantInnen zu veröffentlichen. Deswegen habe ich mich bisher dagegen entschieden. Wichtig ist aber, zu besserer Transparenz zu kommen. Dazu brauchen wir Lobbyregister, die uns sagen: Wer vertritt wen? Wer versteckt sich hinter welcher Organisation? Damit klar ist, wer wessen Interessen vertritt und nicht Partikularinteressen unter dem Deckmantel des Gemeinwohls daherkommen.“

Kathrin Vogler (Gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE)

„In meinem Berliner Büro landet täglich ein ganzer Berg von Lobby-Anschreiben. Meine MitarbeiterInnen sortieren schon alles aus, was nicht unmittelbar mit meinen Fachthemen zu tun hat. Da ist nahezu jede Branche vertreten. Allein in der Gesundheitspolitik könnte ich, wenn ich wollte, jeden Tag zwei bis drei Veranstaltungen besuchen, die von Unternehmen, Lobbyverbänden oder von ihnen beauftragten PR-Agenturen durchgeführt werden. Darüber hinaus gibt es regelmäßig Anfragen für Einzelgespräche, sowohl von einzelnen Unternehmen als auch von Verbandsvertretern. Dabei geht es in der Regel darum, Vorschläge für bestimmte Gesetzgebungsverfahren zu präsentieren und auf Probleme, die die Unternehmen durch anstehende Gesetze befürchten. Ich sortiere die Termine nach den eigenen Schwerpunktsetzungen und nach der Möglichkeit, dort unsere linken Positionen darzustellen. Als ich 2009 neu in den Bundestag gewählt war und in den Gesundheitsausschuss entsandt wurde, hatte ich einen besonders aufdringlichen Pharma-Verteter am Hals. Er fragte nicht einmal, ob ich ihn empfangen würde, sondern nur wann. Da er meinen Mitarbeitern lästig war, habe ich ihn dann angehört. Er wollte mich dazu gewinnen, mich für eine bestimmte, besonders teure Arzneimittelgruppe ohne besonderen Zusatznutzen einzusetzen. Erfolglos, aber für mich sehr lehrreich. Als Abgeordnete sehe ich mich zuerst meinen Wählerinnen und Wählern verpflichtet. Sie sind meine AuftraggeberInnen, ich bin ihnen gegenüber rechenschaftspflichtig. Sie sollen selbst überprüfen können, dass meine politischen Entscheidungen nicht insgeheim von Lobbyismus bestimmt werden. Der Verhaltenskodex als Selbstverpflichtung ist nur eine Hilfskonstruktion, solange die Mehrheit des Bundestags keinen schlagkräftigeren Transparenz- und Verhaltensregeln zustimmt. Wir wollen damit auch Druck aufbauen, dass sich das ändert.“

Marco Bülow (SPD)

Ich bekomme für jede Sitzungswoche etwa 200-250 Einladungen für Lobby-Termine. Das meiste davon sind Einladungen zu größeren Veranstaltungen in Berlin, wie zum Beispiel parlamentarische Abende. In einigen Einladungen wird auch um ein persönliches Gespräch gebeten. Ich nehme nur Lobby-Termine wahr, die sich auf meine inhaltliche Arbeit beziehen. Besonders im Gedächtnis geblieben sind mir zwei Lobby-Termine aus meiner Anfangszeit im Parlament: Zum gleichen Thema traf ich mich jeweils mit einem Vertreter von einem Umweltverband und einem großen Unternehmen. Der Lobbyist des Verbandes sagte mir unverblümt, was ihm an der Position der SPD nicht passte und legte mir detailliert die Position seines Verbandes dar. Der Vertreter des Unternehmens hingegen sprach mit mir gar nicht über Inhalte, sondern nur über meine Heimatstadt und meinen Lieblings-Fußballverein. Er stellte keine Forderungen und war sehr nett. Für solche Gespräche wie das letztere habe ich irgendwann angefangen, den Begriff „Wohlfühllobbyismus“ zu benutzen. Damit möchte ich deutlich machen, dass es gut ausgebildeten Profis dieser Branche vor allem darum geht, mit Essenseinladungen, mit wohlfeilen Reden (inklusive Lobhudeleien) eine gute Atmosphäre zu schaffen, um die Abgeordneten ihnen und ihren Positionen gegenüber gewogener zu machen. Transparenz ist ein elementares Gut in einer Demokratie. Die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf, zu erfahren, was Abgeordnete nebenbei verdienen, welche Lobbyisten im Bundestag ein- und ausgehen und mit wem sich die Parlamentarier treffen. Ich plädiere daher dafür, dass die Nebentätigkeiten komplett offengelegt werden und alle Abgeordneten ihre Lobbykontakte veröffentlichen. Über vierzig Abgeordnete verpflichten sich bereits heute dazu in einem von mir initiierten Verhaltenskodex.(1)“

Fußnote:

(1) Siehe www.marco-buelow.de oder www.kurzlink.de/gid238_zz.