Kampf der Narrative

Demokratie und Technokratie in der Permanent Economic Emergency

Die Auseinandersetzungen der europäischen Institutionen mit der Syriza-Regierung in Griechenland zeigten beispielhaft die völlige Entmachtung demokratisch gewählter Regierungen und Parlamente im internationalen Krisenmanagement. Dennoch haben sich in diversen EU-Ländern Parteien und Bewegungen entfaltet, die Alternativen zur "alternativlosen" Austeritätspolitik zurück in den wirtschaftspolitischen Diskurs bringen wollen. So versucht die linksgestützte Regierung in Portugal mit einigem Erfolg die Folgen der autoritär-undemokratischen Krisenmaßnahmen zu bekämpfen. Stefan Hohn fasst die Entwicklungen zusammen und zeigt Möglichkeiten und Grenzen von "Demokratie in der Permanent Economic Emergency" auf.

Wir befinden uns im achten Jahr der europäischen Wirtschafts- und Finanzkrise und die griechische Regierung unter Premierminister Tsipras steht derzeit wieder einmal kurz davor, ein neues Memorandum of Understanding zu unterschreiben. Im Entwurf des Vorabkommens dazu heißt es, Griechenland müsse sich weiterhin dazu verpflichten, einen nachhaltigen Kurs in der Konsolidierung des öffentlichen Haushalts zu gewährleisten, was konkret bedeuten würde, die unrealistische Zielvorgabe für einen Primärüberschuss von 3,5% des BIP bis 2021/22 aufrechtzuerhalten, während gleichzeitig der Steuerfreibetrag gesenkt und die Renten um 9% gekürzt werden. Tsipras und seine Partei Syriza waren explizit gewählt worden, um das Austeritätsregime zu beenden. Nach den harten Verhandlungen und dem von der Eurogruppe ignorierten Referendum vom Sommer 2015 musste die linke Regierung jedoch einsehen, dass sie zwar im Amt war, aber nicht an der Macht. Es standen sich zwei vollkommen unterschiedliche Narrative gegenüber: Auf der einen Seite stellte dasjenige der Eurogruppe und der Institutionen die Austeritätspolitik als eine natürliche Lösungsmaßnahme dar, die auf einer rein unpolitischen Finanzlogik beruhe. Auf der anderen Seite, der Seite der griechischen Regierung und der demonstrierenden Massen in Griechenland, Spanien, Portugal und im Rest Europas, wurden die Austeritätsmaßnahmen als ein politisches Projekt im Interesse der Finanzmärkte gesehen, das die letzten Reste des Wohlfahrtsstaates abschaffen sollte.1 Der Kampf um das Narrativ bedeutet immer auch einen Kampf darum, welche Probleme überhaupt als solche anerkannt werden sollen und welche Fragestellungen es zu beantworten gilt. Es ist ein Kampf um die Frage, ob die Krise technokratisch oder demokratisch verstanden und gelöst werden sollte.

Das technokratische Narrativ

Hinter einer technokratischen Herangehensweise an ein Problem wie der europäischen Krise steht immer auch eine autoritäre Herausforderung für den demokratischen Diskurs. Es ist die Autorität der vermeintlich unpolitischen Experten. Wer sich gegen sie stellt, sieht sich schnell dem Populismusvorwurf ausgesetzt. Forderungen haben in der technokratischen Logik nur dann eine Berechtigung, wenn sie von Experten, wie z.B. den Analysten der internationalen Finanzinstitutionen oder der Ratingagenturen, kommen. Eine demokratische Politik, die sich nicht an sie wendet, sondern stattdessen die Anliegen jener Bevölkerung in den Mittelpunkt stellt, die letztendlich die Auswirkungen der Entscheidungen zu tragen hat, ist somit in der technokratischen Logik immer populistisch, während der gesamte politische Prozess auf einen rein verwalterischen reduziert wird.2 Die Krise bietet die optimale Legitimationsgrundlage für ein technokratisches Vorgehen jenseits der oftmals schwerfälligen Verfahren des demokratischen Prozesses. Dieses Vorgehen beansprucht für sich, das einzig "vernünftige" und "verantwortbare" zu sein. Dementsprechend sei alles, was von der Orthodoxie des austeritären Projekts abweicht, "verrückt" und "kindisch". Man betrachte nur die Art und Weise, wie während der Verhandlungen im Sommer 2015 von Seiten offizieller Vertreter der Institutionen oder Eurogruppe über die Regierung Tsipras gesprochen wurde: "Mehr Erwachsensein" wurde gefordert, Varoufakis und Tsipras wurden als "Amateure", "Schulbuben" und "Spaßhansel" betitelt, Griechenland gar insgesamt als "verwirrte Nation" bezeichnet.3 Für die Vertreter des technokratischen Narrativs ist der demokratische Wahlakt daher nichts weiter als ein Einfallstor für die Unvernunft. Daher sollte die Wirtschafts- und Finanzpolitik konsequent einer demokratischen Kontrolle bzw. Einflussnahme entzogen werden. Wolfgang Schäuble hat dieses technokratische Ressentiment gegenüber demokratisch legitimierter Einflussnahme während der ersten Verhandlungen im Februar 2015 deutlich zum Ausdruck gebracht, als er sagte: "Elections cannot be allowed to change anything."4 Legitimation im technokratischen Diskurs beruht dementsprechend einzig auf dem wirtschafts- und finanzpolitischen Erfolg der durchgesetzten Maßnahmen. Die austeritären Anpassungsprogramme der Institutionen (Kommission, EZB und IWF) zielen in erster Linie darauf ab, einschneidende Kürzungen im Sozialsystem durchzusetzen und die Wettbewerbsfähigkeit durch innere Abwertung zu verbessern, was konkret heißt, dass Mindestlöhne gesenkt, Tarifsysteme dezentralisiert und Arbeitsmärkte flexibilisiert werden.5 Es soll "durch eine radikale Neoliberalisierung eine ›effiziente‹ Minimalisierung des Staates und seines Eigentums erzielt werden."6 Die Bilanz dieser Maßnahmen ist jedoch verheerend. Sie sind nicht nur als Rettungspakete gescheitert, sie haben auch zu erschreckenden sozialen Verwerfungen geführt. Die Arbeitslosenrate hat sich in Griechenland von 12% im Mai 2010 auf 23% im Mai 2017 fast verdoppelt, wobei die Jugendarbeitslosigkeit derzeit bei 48% liegt. Auch die Staatsverschuldung, die zu senken im Hauptaugenmerk der Austeritätsprogramme lag, ist trotz allem angestiegen auf derzeit 177,4% des BIP und die wirtschaftliche Stimmungslage bleibt weiterhin pessimistisch.

New Economic Governance …

Die endgültige Restrukturierung der Ökonomie nach neoliberalem Muster soll nachhaltig sein, weswegen das Projekt der Entziehung der Wirtschafts- und Finanzpolitik von demokratischer Einflussnahme nicht nur auf den Zeitraum der Krise und die betroffenen Länder beschränkt bleiben soll. Stattdessen ist sie im Rahmen der New Economic Governance (NEG) verstetigt und auf den gesamten Euroraum ausgeweitet worden. Die NEG umfasst dabei nicht nur Verschärfungen des Stabilitäts- und Wachstumspaktes, sondern auch umfangreiche Kompetenzerweiterungen für die europäische Exekutive auf Kosten der nationalen Parlamente. Mitgliedstaaten können nun im Falle eines makroökonomischen Ungleichgewichts durch die Kommission auf einen Korrekturmaßnahmeplan verpflichtet werden, ohne dass dabei das jeweilige nationalstaatliche Parlament auch nur ein Konsultationsrecht hat. Wird diesem Plan nicht nachgekommen, kann die Kommission gegenüber dem Staat Geldbußen verhängen. Außerdem hat die Kommission das Recht erhalten, nationale Haushaltspläne zu revidieren, sollten sie nicht den Fiskalregeln der Union entsprechen. Dass die Verstetigung der verschiedenen Elemente der NEG auf der europäischen Ebene angesiedelt ist, erschwert den Zugriff auf diese durch Vertreter subalterner Interessen, die meist nationalstaatlich organisiert sind (Parteien, Gewerkschaften, Bewegungen etc.), was auch die starke Exekutivlastigkeit und die mit ihr einhergehende Entrechtung der Parlamente erklärt. Eine rechtliche Besonderheit stellt jedoch der Fiskalpakt dar, zu dessen Beschlussfassung die in den europäischen Verträgen notwendigen Konsenserfordernisse nicht gegeben waren. Er ist daher als völkerrechtlicher Vertrag ratifiziert worden und aufgrund einer fehlenden Kündigungsklausel völkerrechtlich unkündbar. Bisher diente der Weg in das Europarecht als Umgehung nationalstaatlich beim Wähler unbeliebter und daher schwer durchsetzbarer Maßnahmen. Das Projekt der radikalen Verstetigung der neoliberalen Krisenmaßnahmen hat nun selbst diese Ausweichmöglichkeit gesprengt und eine "Flucht aus dem Europarecht"7 nötig gemacht. Zusätzlich zu den hier erwähnten strategischen Möglichkeiten der technokratischen Durchsetzung stehen den Institutionen auch noch direktere Sanktionsmaßnahmen zur Verfügung. So kann bspw. die EZB damit drohen, Staatsanleihen nicht mehr aufzukaufen oder den Zahlungsverkehr lahmzulegen. Eine weitere Form der technokratischen Einflussnahme bestand in der Einsetzung direkter nicht durch Wahl bestätigter Verwalter als Regierungschefs, wie im Falle Italiens des ehemaligen Wettbewerbskommissars Mario Monti oder im Falle Griechenlands Loukas Papadimos, des ehemaligen Vizechefs der EZB. Somit verfügen die Institutionen über eine Vielzahl variabel einsetzbarer Strategien und Möglichkeiten, Versuche demokratischer Einflussnahme abzuwehren. Es ist ein Raum entstanden, in welchem das neoliberale Regime unabhängig vom Volk handeln kann.

… und Permanent State of Economic Emergency

In dieser Verstetigung und Ausweitung der technokratischen Disziplinierungsmöglichkeiten liegt der eigentliche Erfolg des Krisenmanagements. Bemerkenswert ist dabei, dass es sich um eine Selbstentmachtung der repräsentativen Demokratie handelt - immerhin sind es gewählte Volksvertreter, die das technokratische Narrativ durchsetzen und danach handeln. Offiziell wird dabei der liberale Rahmen der Demokratie natürlich nicht in Frage gestellt. Von Seiten der Politikwissenschaft allerdings wird seit Beginn der Krise auf die undemokratische Natur des Krisenmanagements hingewiesen,8 die "Anlegerinteressen eine rücksichtslose Dominanz einräumt."9 Durch die Finanz- und Wirtschaftskrise ist der Konsens der neoliberalen Integrationsweise der EU zerbrochen und stattdessen muss diese jetzt mit Zwang durchgesetzt werden: "[W]e are now entering a period in which a kind of economic state of emergency is becoming permanent: turning into a constant, a way of life. […] The left faces the difficult task of emphasizing that we are dealing with political  economy - that there is nothing ›natural‹ in such a crisis."10 Die vielversprechendste Form diese Aufgabe zu erfüllen, scheint derzeit in Form von Parteien zu existieren, die ein alternatives und demokratisierendes Hegemonieprojekt in den europaweiten Diskurs einbringen. Neben Syriza in Griechenland finden sich z.B. Podemos in Spanien, der Bloco de Esquerda in Portugal oder das Bündnis Združena Levica in Slowenien. Es lohnt sich daher einen genaueren Blick auf jene Fälle zu werfen, in denen diese Parteien eine Regierung bilden bzw. unterstützen: Griechenland und Portugal.

Die Niederlage Syrizas und die Erfolge Portugals

Syriza gelang es, sich als gegenhegemoniale Protestpartei und als parlamentarischer Arm der Antiausteritätsbewegungen zu etablieren. Ihr Diskurs war geprägt von einer absichtlich populistischen Rhetorik, die das "Wir" des griechischen Volkes gegen das "Sie" der etablierten Parteien, ND und PASOK, wie auch gegen die Technokraten der Troika, stellte. Hinter dieser Rhetorik stand ein explizit alternatives Projekt zur Austeritätspolitik. Damit hat ein Paradigmenwechsel auf der nationalstaatlichen Ebene stattgefunden. Zum ersten Mal seit Beginn der Krise wurde dem technokratischen There Is No Alternative (TINA) wieder ein genuin politisches Konfliktmoment entgegengestellt und demokratisch greifbar gemacht. Dieser Bruch mit dem technokratischen Narrativ ist ein offener Hegemoniekonflikt, der Syriza zwar zu den Wahlsiegen 2015 verholfen hat, die jedoch sofort von Seiten des technokratischen Projekts als Bedrohung wahrgenommen wurden. Die Alternative zu TINA wurde in ganz Europa sichtbar und man fürchtete eine "Ansteckung" der anderen krisengeplagten Länder.11 Dies musste mit aller Macht verhindert werden. Für die Vertreter des technokratischen Narrativs wurde das Scheitern der Syriza-Regierung zur politischen Priorität: Die EZB kündigte unmittelbar nach der Wahl an, griechische Staatsanleihen nicht mehr zu kaufen und während der Verhandlungen drohten die Institutionen damit, einen völligen Bankenkollaps herbeizuführen, sollte Athen nicht nachgeben. Es wurde jegliche Verhandlungsbereitschaft zum Thema Schuldenabbau konsequent verweigert. Das hochgradig asymmetrische Machtgefälle führte dazu, dass auch jedes Entgegenkommen und jeder Kompromissvorschlag der griechischen Regierung abgeschmettert wurde. Jeder Raum zur wirtschaftlichen Erholung wird Griechenland seitdem konsequent verweigert. Dass die griechische Regierung während dieser Phase letztlich das Volk direkt zur Austeritätspolitik befragt hat, wurde ganz im Sinne der technokratischen Logik konsequent ignoriert, so dass der Regierung Tsipras letztendlich keine andere Wahl mehr blieb, als den Forderungen der Eurogruppe nach einer Fortführung der Austeritätspolitik nachzugeben. Damit war das linke Regierungsprojekt letztlich mit dem Versuch gescheitert, ein alternatives Projekt zu etablieren.

Das massive Vorgehen der Eurogruppe und der Institutionen gegen die Syriza-Regierung hat jedoch in einem bedeutenden Aspekt keinen Erfolg gehabt. Die Frage nach dem Umgang mit der Krise war wieder politisch. Der Paradigmenwechsel weg vom technokratischen Modell des europäischen Krisenmanagements konnte nicht unterbunden werden und mit der portugiesischen Parlamentswahl vom Oktober 2015 konnte wieder eine Regierung etabliert werden, die sich aktiv gegen das Austeritätsparadigma wendet. Vor dem Hintergrund von fünf Jahren unwirksamer und schädlicher Austeritätsmaßnahmen hatte sich das portugiesische Parteiensystem stark polarisiert und obwohl das konservative Wahlbündnis Portugal à Frente 2015 mit 36,9% stärkste Kraft geworden ist, reichte es doch nicht zur Regierungsbildung, da die Wahlgewinner - die sozialdemokratische Partido Socialista (PS) und der dezidiert austeritätskritische Bloco De Esquerda (BE) - zusammen mit der ökokommunistischen Coligação Democrática Unitária (CDU) eine Mehrheit im Parlament erlangen konnten. Noch bevor es zur Regierungsbildung kam, wurde gegen dieses Regierungsprojekt Stellung bezogen: Der konservative Staatspräsident António Cavaco Silva knüpfte die Ernennung des PS-Generalsekretärs António Costa zum Premierminister an die Bedingung, dass dieser sich verpflichten müsse, die Defizitvorgaben einzuhalten - ein bisher unerhörter Vorgang in einer europäischen parlamentarischen Demokratie. Auch Wolfgang Schäuble warnte noch während des Wahlkampfes: "Portugal macht einen schweren Fehler, wenn sie sich nicht mehr an das halten, wozu sie sich verpflichtet haben", sollten sie dies nicht tun, "würden sie aber auf ernste Schwierigkeiten zusteuern."12 Costa hat aus dem Scheitern der Verhandlungen Griechenlands im Sommer 2015 gelernt und ist angesichts dieses frühen Gegenwinds keine Koalition mit den beiden Parteien links der PS eingegangen. Stattdessen lässt sich seine Regierung von beiden Parteien dulden. Dass es überhaupt zu dieser Duldung kam, ist ein historischer Moment innerhalb des portugiesischen Parteiensystems, da sich beide Lager lange feindlich gesonnen waren. Es bedurfte der Gefahr einer neuerlichen konservativen Regierung, die die Brüsseler Sparvorgaben weiterhin gehorsam umsetzen würde, damit es zu einer Zusammenarbeit kommen konnte, die letztlich die Responsivität des politischen Systems angesichts der Krise erhöht hat. Costa hatte im Folgenden zwei Ziele zu erfüllen, die sich nach der Logik des Austeritätsregimes eigentlich ausschließen sollten: Einerseits sollten die budgetären Restriktionen eingehalten werden, die die Institutionen von Lissabon forderten, andererseits sollte das Austeritätsprogramm beendet werden, wie es die linken Unterstützer von BE und CDU verlangten. Dieser Spagat zwischen linken Unterstützern und technokratischen Institutionen hat sich ausgezahlt: Die neue portugiesische Regierung hat strategisch klüger gehandelt und sich von Anfang an um ein umsichtiges und diplomatisches Vorgehen bemüht. Sie wollte um jeden Preis die offene Konfrontation mit der EU-Kommission vermeiden und bekräftigte immer wieder, das Ende der Austeritätspolitik solle "kontrolliert und finanziell verantwortlich innerhalb des Stabilitätspakts" durchgeführt werden. In der Folge wurden die Kürzung des Mindestlohns durch die Vorgängerregierung rückgängig gemacht, Pensionen wurden wieder der Inflation angepasst, Steuerschulden werden konsequent eingetrieben und nicht mehr als Kavaliersdelikt behandelt und die Mehrwertsteuer wurde gesenkt, während die Erbschaftssteuer angehoben wurde. Durch diese Maßnahmen haben die Menschen wieder mehr Geld, wodurch sie mehr konsumieren, was wiederum der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung zugutekommt. Die Arbeitslosigkeit ist von 17% im Jahr 2013 auf heute 10,1% gesunken, wobei erwartet wird, dass sie noch in diesem Jahr einstellig wird. Neben diesen wirtschaftlichen Entwicklungen ist auch das Budgetdefizit mit 2,1% auf dem niedrigsten Stand seit Ende der Diktatur, deutlich unter den Vorgaben der EU-Kommission. Bereits zwei Mal konnte Lissabon nun schon Kredite an den IWF vorzeitig zurückzahlen, so dass bereits die Hälfte der 26,3 Milliarden aus dem Euro-Rettungsprogramm zurückgegeben werden konnte. Der Bruch mit der Sparpolitik hat dazu geführt, dass die Investitionen greifen, der Markt sich belebt und die Wirtschaft wächst, so dass selbst die EU-Kommission nicht umhin kam das Land zu loben.13 Die Verschuldung ist allerdings auch auf 130% gestiegen und auch strukturell weist Portugal immer noch erhebliche Probleme vor allem im Bankensektor auf, die auch unter der Aufsicht der Troika während der letzten fünf Jahre nicht angegangen worden sind. Auch wenn die gesamtwirtschaftliche Stimmungslage optimistisch ist, bleibt Portugal aufgrund dieser Faktoren anfällig für äußere Schocks und es wird zu beobachten sein, wie sich das Land in den restlichen zweieinhalb Jahren der Amtszeit Costas noch entwickeln und wie sich der wirtschaftliche Aufschwung auf den weiteren Abbau der Staatsverschuldung niederschlagen wird.

Anmerkungen

1) Vgl. Slavoj Žižek 2010: "A Permanent Economic Emergency", in: New Left Review 64, Juli-August 2010, https://newleftre view.org/II/64/slavoj-zizek-a-permanent-economic-emergency (02.05.2017).

2) Vgl. Yannis Stavrakakis 2016: "Die Rückkehr des ›Volkes‹: Populismus und Anti-Populismus im Schatten der europäischen Krise", in: Aristotelis Agridopoulos / Ilias Papagiannopoulos (Hg.): Griechenland im europäischen Kontext. Krise und Krisendiskurse, Wiesbaden: 109-138; hier: 111f.

3) Vgl. Lukas Oberndorfer 2017: "Demokratie in der Krise. Der Autoritäre Wettbewerbsetatismus und das linke Regierungsprojekt in Griechenland", in: Tobias Boos /Hanna Lichtenberger / Armin Puller (Hg.): Mit Poulantzas arbeiten …um aktuelle Macht- und Herrschaftsverhältnisse zu verstehen, Hamburg: 178-209; hier: 180.

4) Zit. nach Yanis Varoufakis 2015: "The Defeat Of Europe", in:Le Monde Diplomatique 8/2015; https://reader.exacteditions. com/issues/44407/page/2 (02.05.2017).

5) Vgl. Lukas Oberndorfer 2017, siehe Fn. 3: 192.

6) Aristotelis Agridopoulos 2016: "Die Rückkehr des A(nta)gonismus? Mouffes agonistisches Demokratiemodell und die politischen Umbrüche in Griechenland", in: ders. / Ilias Papagiannopoulos (Hg.): Griechenland im europäischen Kontext. Krise und Krisendiskurse, Wiesbaden: 275-295, hier: 289.

7) Lukas Oberndorfer 2012: "Vom neuen zum autoritären Konstitutionalismus. Soziale Bewegungen, Recht und Demokratie in der europäischen Krise"; in: Kurswechsel 2/2012: 62-67; hier: 63.

8) Vgl. z. B.: Thomas Biebricher / Frieder Vogelmann 2014: "Die Zukunft Europas zwischen Demokratie und Kapitalismus", in: Politische Vierteljahresschrift, 1/55 2014: 1-17; Mathis Heinrich 2012: "Zwischen Bankenrettung und autoritärem Wettbewerbsregime. Zur Dynamik des europäischen Krisenmanagements", in: Prokla 168: 395-412; Martin Konecny 2012: "Die Herausbildung einer neuen Economic Governance als Strategie zur autoritären Krisenbearbeitung in Europa - gesellschaftliche Akteure und ihre Strategien", in: Prokla 168: 377-394; Wolfgang Merkel 2014: "Is capitalism comparable with democracy?", in: Zeitschrift für Vergleichende Politikwissenschaft, H. 8, 2014: 109-128; Wolfgang Streeck 2013: Gekaufte Zeit. Die vertagte Krise des demokratischen Kapitalismus, Berlin; Ingo Stützle 2013: Austerität als politisches Projekt. Von der monetären Integration Europas zur Eurokrise, Münster.

9) Jürgen Habermas 2011: Zur Verfassung Europas. Ein Essay, Berlin: 8.

10) Slavoj Žižek 2010, siehe Fn. 1.

11) Vgl. z. B. das Interview mit Donald Tusk in der Financial Times vom 16.07.2015.

12) Vgl. "Schäuble warnt Portugal vor Verstoß gegen Regeln", Reuters vom 29. Juni 2016, http://de.reuters.com/article/europa-portugal-sch-uble-idDEKCN0ZF20T (02.05. 2017).

13) Vgl. Ralf Streck: Es geht auch anders: Portugal zahlt erneut Schulden an IWF vorzeitig zurück https://www.heise.de/tp/news/Es-geht-auch-anders-Portugal-zahlt-erneut-Schulden-an-IWF-vorzeitig-zurueck-3633072.html (02.05.2017).

Stefan Hohn ist Doktorand im Bereich Politische Theorie an der Universität Kassel. Er promoviert zu Parteiensystemwandel im Zuge hegemonialer Kämpfe.