Männer und Frauen - Krieg und Frieden

Über den Zusammenhang von Geschlechterverhältnis und Krieg

Männer führen Krieg. So lautet die weithin gängige Formel, wenn es um geschlechtsspezifische Betrachtungen zu Fragen von Krieg oder Frieden geht. Bisweilen verbunden mit dem Umkehrschluss, dass es weniger Krieg gäbe, wenn Frauen die Welt regieren würden. Inwieweit aber Geschlechterfragen für Krieg oder Frieden eine Rolle spielen, hat Gert Krell untersucht.

Ein Dilemma jeder Geschlechterforschung besteht darin, dass Geschlechterordnungen sehr selten ausschließlich auf direkter, struktureller und kultureller Gewalt oder wirtschaftlicher, rechtlicher und politischer Ungleichheit basieren. Sie weisen trotz der verbreiteten männlichen Dominanz immer auch Elemente von Arbeitsteilung, Funktionalität und Komplementarität auf. So stellt sich auch in den zwischenstaatlichen Beziehungen die Frage, ob und inwieweit der Krieg "nur" geschlechtsspezifisch organisiert wird oder Ausdruck bzw. sogar Konsequenz der Geschlechterverhältnisse ist. Die Literatur gibt hier keine eindeutigen Antworten.1

Auffällig ist jedenfalls, dass in allen Kulturen Männer für die Kriegführung zuständig sind und zwar, und das ist hier zu betonen, gleichermaßen in extrem hierarchisierten wie auch in stärker gleichberechtigten Geschlechterverhältnissen. Wobei die feministische Literatur zu Recht darauf hinweist, dass die Männerinstitution Militär immer schon auf vielfältige Formen der Unterstützung durch Frauen bzw. ihre Ausbeutung angewiesen war. Auch dort, wo Frauen heute noch oder wieder als Soldatinnen im Militär zugelassen sind, bleiben die Positionen und Funktionen geschlechtsspezifisch hierarchisiert. Frauen werden nur selten für Kampfaufgaben zugelassen oder eingeteilt und sind häufig Diskriminierung oder sogar sexuellen Angriffen ausgesetzt.

Keine biologischen Ursachen

Die biologischen Differenzen zwischen den Geschlechtern allein können diesen Befund nicht erklären. Männer haben zwar im Durchschnitt mehr Muskelkraft im Oberkörper und sind im Durchschnitt größer als Frauen. Aber bei beiden Messgrößen gibt es eine große Schnittmenge zwischen den Geschlechtern. Bei steigendem Mobilisierungsgrad müsste der Anteil der Frauen also wachsen, weil dann die biologische Differenz geringer wird - unterstellt, dass zuerst die besonders starken und großen Männer "gezogen" werden. Tut er aber nicht. Der Verweis auf biologische Grundlagen der Aggressionsbereitschaft oder -fähigkeit hilft auch nicht weiter. Schon bei den Primaten, die den Menschen genetisch am nächsten stehen, ist die Variationsbreite in den Geschlechterverhältnissen und im Aggressionsniveau der Männchen sehr unterschiedlich und zwar sogar innerhalb einzelner Gattungen. Konservativ evolutionsbiologisch könnte man höchstens noch argumentieren, dass Männer für die Erhaltung der Art weniger wichtig sind als Frauen und dass Frauen auch im Krieg besser geeignet sind, Babies und Kleinkinder zu versorgen und zu behüten als Männer. Soziologisch fündig wird man eher bei den sozialen Umständen des Aufwachsens der Kinder: bei den Bildern, die Eltern von ihren Söhnen oder Töchtern haben und die in ihr Erziehungsverhalten einfließen; beim Spielen der Kinder und in der Schule. Hier werden die ersten Grundlagen für die Rollentrennung der Geschlechter im Krieg gelegt.

Damit werden Jungen aber keineswegs zu "natural born killers". Die allermeisten jungen Männer verspüren keineswegs einen Drang, andere Männer umzubringen - ein praktisch unvermeidbares Kriegsmittel - und zugleich das Risiko auf sich zu nehmen, selbst getötet zu werden. Das muss ihnen erst antrainiert werden: durch Drill und die Herstellung einer gewissen körperlichen Homogenität; durch Indoktrination oder vorsichtiger ausgedrückt durch Überzeugung und/oder Ideologie; und durch Kontrollen und Strafen bis hin zur Todesstrafe. Appelle an bestimmte positiv besetzte männliche Eigenschaften spielen eine ebenso wichtige Rolle wie die Konstruktion bestimmter Formen von Männlichkeit. Ohne die Reduzierung ihres emotionalen Spektrums, bei der die weiche Seite an die Frauen delegiert wird, werden Männer in der Regel nicht zu "richtigen" Soldaten; wobei das, was als männlich und was als weiblich bzw. verweichlicht/effeminiert gilt, historisch variiert. So ist der Zionismus ein besonders auffälliges Beispiel für die Verwandlung einer dezidiert unmilitärischen Männlichkeit im Diaspora-Judentum hin zu einer militärischen Maskulinität im vorstaatlichen Mandatsgebiet Palästina und in Israel. Aber auch innerhalb eines weniger breiten Spektrums gibt es noch viel Varianz.

Frauen als Opfer und als Täterinnen

Gleichwohl bergen militärische oder gar militarisierte Männlichkeitskonstruktionen Gefahren: für Frauen, die in besonderer Weise zu Opfern werden - vor allem durch Vergewaltigungen, die sich Soldaten "einfach so" als Kriegsbeute oder als Siegerprämie (auch aus Rache) zugestehen, die aber auch gezielt als politisch-militärische Strategie eingesetzt werden; z.B. in gewaltsamen ethnischen Konflikten, um die kulturelle Identität und Reproduktivität der konkurrierenden Ethnie zu treffen. Männlichkeitskonstruktionen im Krieg werden für beide Geschlechter zur Gefahr, insofern die unterstellte oder auch reale Bedrohung der eigenen Frauen als Motiv für männliche Wehrhaftigkeit inszeniert wird und die auf die Kriegsparteien aufgelegten Geschlechterbilder (der Feind wird entweder hypermaskulinisiert oder feminisiert) eskalierend wirken. Der Krieg zwischen kämpfenden Männern kann so zur Konkurrenz um ihre Glaubwürdigkeit als Beschützer "ihrer" Frauen werden und damit auch zu einer Einladung, die Glaubwürdigkeit (und die Moral) der Männer auf der Gegenseite durch sexuelle oder andere Gewalt gegen deren Frauen zu diskreditieren bzw. zu schwächen.

Frauen sind freilich im "Krieg der Männer" nicht nur hilflose Opfer, sondern auch heimliche Assistentinnen, entschiedene Widerstandskämpferinnen oder sogar gnadenlose (Mit-)Täterinnen. So nahmen im Zweiten Weltkrieg auf Seiten der UdSSR an allen Fronten insgesamt mehr als eine Million Frauen als Kämpferinnen teil; historisch betrachtet jedoch eher eine Ausnahme, die der besonderen Notlage des Landes geschuldet war. Aus dem offiziellen kollektiven Gedächtnis und den Ehrungen der Veteranen sind sie ohnehin wieder weitgehend verschwunden. Der Krieg hat kein weibliches Gesicht heißt das berühmte Buch der Nobelpreisträgerin Swetlana Alexijewitsch zu diesem Thema (4. Aufl., Berlin 2015). Selbst in der deutschen Wehrmacht waren trotz der rigide polarisierten Geschlechterideologie des Nationalsozialismus etwa 450.000 Frauen in militärischen Unterstützungsfunktionen tätig (ohne Sanitätsdienst), wenn auch nicht als Kämpfende.

Immer wieder hat es auch einzelne Frauen als militärische Führerinnen gegeben wie z.B. Jeanne d’Arc oder haben Frauen in Männerkleidern an der Front mitgekämpft; so etwa im US-amerikanischen Bürgerkrieg, aber auch in den europäischen Kriegen des 17., 18. und noch des 19. Jahrhunderts. In nationalen Befreiungsbewegungen haben Frauen wichtige Aufgaben übernommen wie z.B. beim Schmuggeln von Nachrichten oder Waffen im algerischen Bürgerkrieg oder beim Nachschub auf dem Ho-Chi-Minh-Pfad im Vietnamkrieg. In ihrem Kampf für mehr Autonomie bzw. einen eigenen Staat setzten die Tamilen auf Sri Lanka zwischen 1991 und 2010 für bis zu 25 Prozent ihrer Selbstmordattentate Frauen ein. Im tschetschenischen Widerstand gegen die russische Unterdrückung und extrem brutale Kriegführung wurden zwischen 2000 und 2005 sogar 80 Prozent der Selbstmordattentate von Frauen begangen, deren politische Motive von ihren russischen Gegnern dementiert und mit frauenfeindlichen Kategorisierungen denunziert wurden; diese "Terroristinnen" wurden entweiblicht und abnormalisiert, d.h. zu Monstern gemacht, was auch zur Rechtfertigung benutzt wurde, sie mit allen Mitteln zu bekämpfen. Junge Kurdinnen kämpfen mit der Waffe in der Hand an der Seite kurdischer Männer. Vielleicht weil sie darauf hoffen, auf diese Weise die Situation der Frauen in ihrer Kultur verbessern zu können; mit Sicherheit, weil sie wissen, welches Leben ihnen droht, wenn sie oder ihre Siedlungsgebiete in die Hände des IS fallen. Ein kulturgeschichtlich besonders interessanter Fall ist der Indianer-Stamm der Irokesen, bei dem zwar auch die Männer für das Kämpfen zuständig waren, aber die Frauen über Krieg und Frieden zu entscheiden hatten und sogar den Heerführer ausgesucht haben.

Frauen übernehmen auch sehr problematische Rollen der Mitwirkung oder Unterstützung kämpfender oder auf andere Weise todbringender Männer. Manche Indianerstämme übergaben ihre Gefangenen an die Frauen zum Foltern und Töten. In einigen afrikanischen Bürgerkriegen beteiligen sich Soldatinnen an der Vergewaltigung gegnerischer Frauen. Sie suchen in eroberten Gebieten Mädchen oder Frauen für ihre Kommandeure aus und assistieren bei der gewaltsamen sexuellen Unterwerfung. Die dunklen Seiten weiblichen Mit-Tuns zeigen sich besonders dramatisch in der Nazi-Zeit und im Zweiten Weltkrieg. Wie bei den Männern war die Zahl gewöhnlicher Frauen, die in unterschiedlichen Formen am Massenmord an Behinderten, an Juden, an Polen, Roma oder anderen Völkern und an politischen Gegnern beteiligt waren, dramatisch höher als die Zahl derjenigen, die ihn zu verhindern versuchten. Manche Frauen waren stolz, wie Männer sein zu können, andere erlebten eine emanzipierte privilegierte Wirklichkeit als Ehefrauen, Krankenschwestern, Sekretärinnen oder Aufseherinnen. Sie waren zutiefst in Diebstahl, Plünderung, Raub, Mitwisser- und Mittäterschaft verwickelt.

Im amerikanischen Bürgerkrieg haben viele Soldaten, die für die Südstaaten kämpften, auch in der Endphase deshalb nicht aufgegeben, weil sie sich vor ihren Frauen, Müttern und Schwestern schämten. Deserteuren oder "Feiglingen" konnte es passieren, dass ihnen von bekannten oder verwandten Frauen ein Petticoat ins Zimmer gelegt wurde. Die Frauen in den Südstaaten kämpften auf ihre Weise für die Unabhängigkeit ihrer Lebensform. Sie verwünschten den Feind, agitierten an der Heimatfront, warben für die Sache der Konföderierten und für die Meldung der Männer zum Wehrdienst, gründeten Vereine zur Betreuung von Soldaten und gaben so ein Beispiel für Kriegs-Enthusiasmus. Von den 32 nationalen Frauenorganisationen im Ersten Weltkrieg haben sich die meisten für die Mobilisierung zum Krieg engagiert.

Verantwortung statt Opferbereitschaft

Auf der anderen Seite können selbst Staatsmänner, die sich als Staatsmänner bewähren müssen, begreifen, dass es wichtiger ist, Kompromisse zu schließen, als sich in einer fragwürdigen "männlichen" Weise zu behaupten. Als Präsident Michail Gorbatschow einen Bericht auf der Grundlage interner Interviews über die kubanische Raketenkrise von 1962 gelesen hatte, war er für eine Nacht um den Schlaf gebracht. Am nächsten Tag sagte er dem Politbüro, die Welt sei beinahe in die Luft geflogen, weil sich zwei Buben auf dem Schulhof darum gestritten hätten, wer den bigger stick habe. Ja, aber die beiden "Schulbuben" Kennedy und Chruschtschow haben durch Kommunikation gelernt, ihre wechselseitige Wahrnehmung zu verändern und ihre Ziele neu zu definieren. Zentral wurde für beide die Überlegung, den drohenden Krieg zu verhindern, nicht sich als der Stärkere zu beweisen. Wie es Chruschtschow in seiner klaren Sprache formuliert hat: "Ich bin kein zaristischer Offizier, der sich einen Kopfschuss geben muss, nur weil er auf einem Maskenball einen Furz gelassen hat. Es ist besser nachzugeben, als einen Krieg zu riskieren."

Die feministische Autorin Jean Bethke Elshtain schreibt in ihrem Klassiker über Women and War, die vielen Schwarz-Weiß-Texte, die die Verantwortung für den Krieg der männlichen Aggressivität zuschrieben, hätten sie im Laufe ihrer Beschäftigung mit dieser Thematik immer weniger überzeugt. Die Mütter, die ihre Söhne für das Vaterland opferten, seien ebenso wichtig wie die Männer-Heroen. Auch Elshtain diskutiert Zusammenhänge zwischen Staat, Männlichkeit und Krieg, in der historischen Realität wie in der politischen Theorie; etwa bei Hegel, für den der Krieg der entscheidende Test für die Männlichkeit des Staates war. Aber ohne die Mitwirkung des weiblichen Geschlechts könne dieser Zusammenhang nicht wirksam werden: "There are hundreds of hair-raising tales of bellicose mothers, wives, and girlfriends writing the combat soldier and requesting the sacrifice of the enemy as a tribute, or gift, to her". Elshtain geht u.a. der Frage nach, wie die Geschlechter in der Spaltung der sozial konstruierten Bilder vom just warrior und der beautiful soul, dem "gerechten Krieger" und der "schönen Seele", noch symbiotisch mit dem Krieg verbunden sind. In der Inszenierung der Opferbereitschaft, die geschlechtsspezifisch organisiert wird, sieht sie das entscheidende Problem, nicht im Killerinstinkt. Der im Krieg kämpfende Mann ist nicht der einsame Maskulinist; er gibt sein Leben aus Fürsorge, aufgrund einer - wie auch immer pervertierten - Bindung. Elshtains Perspektive ist eine Kritik der Ideologie der Opferbereitschaft und deren Umwandlung in eine Kategorie politischer Verantwortung. Aber sie fügt hinzu, dass damit das Problem von Staat, Krieg und Verteidigung nur partiell aufgelöst werden könne, für das sie keine feministische Lösung sieht.

Wir haben es also bei Männer und Frauen/Krieg und Frieden trotz einiger relevanter Konstanten mit einer sehr heterogenen und variantenreichen Problematik zu tun. Zunächst gilt es festzuhalten, dass Krieg nicht gleich Krieg ist; von den jeweiligen unterschiedlichen Wahrnehmungen der Kriegsparteien (und zwar durch Männer und Frauen, weniger Männer versus Frauen) ganz abgesehen. Ein Angriffs-, Eroberungs- oder Vernichtungskrieg ist nicht dasselbe wie eine Kriegführung, die im Wesentlichen der Verteidigung dient. Was die Geschlechterverhältnisse angeht, so finden sich Belege für verschiedene Deutungen: Krieg wird (1) komplementär und arbeitsteilig organisiert, was mit unterschiedlichen Formen von Täter- und Mittäterschaft ebenso wie unterschiedlichen Formen des Leidens und Sterbens verbunden ist. Krieg wird (2) auch geschlechtsspezifisch inszeniert, d.h. mit Konstruktionen von Männlichkeit und Weiblichkeit aufgeladen. Im Extremfall bedeutet das gezielte sexuelle Gewalt gegen Frauen als Kriegs-Strategie. Und Geschlechterverhältnisse können (3) Kriegsbereitschaft fördern oder sich pazifizierend auswirken. Gerechte und humane Beziehungen zwischen Männern und Frauen stärken auch nach außen die Friedensbereitschaft und Friedensfähigkeit von Gesellschaften. Schließlich (4): Krieg kann die Emanzipation von Frauen voranbringen ebenso wie zurückwerfen.

Anmerkung

1) Ausführliche Belege und Literaturhinweise finden sich in Kap. 10 (Feminismus) von Gert Krell / Peter Schlotter 2018: Weltbilder und Weltordnung: Einführung in Theorien der internationalen Beziehungen, Baden-Baden.

Gert Krell, geb. 1945, ist emeritierter Professor für Internationale Beziehungen an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Informationen über seinen beruflichen Werdegang und seine wissenschaftliche Tätigkeit sind auf der Webseite http://www.gert-krell.de zu finden.