Das Dilemma der Globalisten

Man hatte es propagandistisch verhindern wollen, aber Donald Trump hat sich wieder einmal über die massierte Bedenkenträgerei der interventionistischen Globalisten und ihrer Zuträger hinweggesetzt: Der amerikanische Präsident hat sich in Helsinki mit Wladimir Putin getroffen. Dem – wenn man den Medien auch hierzulande glaubt – aktuellen „Herrn der Finsternis“. Dann gab es sogar eine gemeinsame Pressekonferenz, auf der beide gar Fragen beantworteten.
Und Trump folgte nicht den Vorgaben, die die Globalisten im US-amerikanischen Kongress – in beiden Parteien –, in den „liberalen“ Medien und in den Geheimdiensten gemacht hatten. Die Jerusalem Post kommentierte dies so: „Was haben die Trump-Hasser eigentlich von ihm erwartet? Dass er auf der Pressekonferenz Putin beleidigt? Warum sollte das in Amerikas nationalem Interesse sein? […] Während des Zweiten Weltkrieges schockierte Franklin Roosevelt die Welt, indem er mit Joseph Stalin ein Bündnis einging, das für den US-Präsidenten nur einen Zweck hatte: den Krieg zu gewinnen. Es ist ausgeschlossen, dass Trump die Fakten in Bezug auf Putin nicht versteht. Seine Charmeoffensive ist brillant. Man mag behaupten, dass Trump ‚strohdumm‘ ist, doch er kennt seine Ziele sehr genau.“
Beim hiesigen Mainstream klang das anders. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung titelte: „Es ist ein trauriger Tag für die Welt“. Dann versuchte sie wieder einmal, die deutsche Differenz zur Politik der jetzigen US-Regierung hinter einer USA-Referenz zu verbergen: „In Amerika reagieren Politiker und Medien entsetzt auf das Treffen Donald Trumps mit Wladimir Putin.“ Im selben Blatt wurde gemeint, Trump habe Putin „den roten Teppich ausgelegt“. Offenbar wird bereits die Tatsache, dass sich beide auf Augenhöhe begegneten, als Schwäche angesehen. Im Kopf geistert wohl noch immer Obamas dummes Wort von Russland als „Regionalmacht“ herum.
Die sozialdemokratische Internationale Politik und Gesellschaft brachte den Text eines Kolumnisten der New York Times namens David Brooks unter der Überschrift: „Donald Trump und der Selbstmord des Westens“. Hier lautete der erste Satz: „Ja, Trump ist ein Verräter an demokratischen Werten.“ Weil er mit Putin geredet hat? Wer so argumentiert, ignoriert bewusst den zentralen Satz beider in Helsinki: die USA und Russland verfügten zusammen über 90 Prozent der Atomwaffen und deshalb seien gute Beziehungen zwischen ihnen besser als angespannte, schlechte.
Wenn die Sowjetunion und die USA im Kalten Krieg nur von ihren „Werten“ ausgegangen wären, hätte es nie Verhandlungen, Vereinbarungen und Verträge, so zur Beendigung der Kuba-Krise, über die Atomwaffen oder über die deutschen Angelegenheiten, geben dürfen. Dann wäre die Atomkriegsgefahr jedoch noch größer gewesen, als sie es ohnehin war.
Hier stellt sich wieder einmal die Frage nach Gründen für die immer wieder anschwellende Hysterie und Schmähpropaganda in Sachen Russland. Die naheliegende Antwort ist die, die Hannes Hofbauer in seinem Buch: „Feindbild Russland“ gegeben hat: Es ist die Angst des Westens vor dem „Hegemonieverlust“: „Dieser hat zwar mit der Politik des Kreml nur wenig bis gar nichts zu tun, das alte Feindbild Russland erspart allerdings manchen westlichen Strategen eine Beschäftigung mit tiefer liegenden Ursachen des eigenen Bedeutungsverlustes.“
Da liegt es nahe zu vermuten, dass in den Politikzentralen, Medienhäusern und Fernsehsendern lauter Leute sitzen, die absichtsvoll all diese Lügen, Unterstellungen und Boshaftigkeiten in die Welt setzen, um Russland in ein möglichst schlechtes Licht zu rücken und als Feindbild zu (re-)produzieren. Wer regelmäßig die politischen Kommentare liest oder die öffentlich-rechtlichen Sender sieht, findet diese Annahme – mit sehr wenigen Ausnahmen – Tag für Tag bestätigt.
Näher betrachtet, reicht diese Antwort jedoch nicht aus. Nehmen wir einen besonders perfiden Kommentar zum Trump-Putin-Treffen, diesmal aus der „neutralen“ Schweiz. In der Neuen Zürcher Zeitung lautete die Überschrift: „Der Kreml kann sich keinen besseren Akteur im Weißen Haus wünschen als Donald Trump“. Weiter hieß es, Trump verharmlose „den aggressiven Kurs des Kremls“, ihm fehlten „klare Vorstellungen von den trennenden Gegensätzen und eine realistische Strategie“. Trumps Darstellung der Ursachen für das Zerwürfnis mit Russland führe „in die Irre“, während die doch „wohlbekannt“ seien: „Sie bestehen im russischen Anspruch, den Einfluss des Westens auf der Weltbühne zu schwächen und damit die mit dem Untergang der Sowjetunion verlorene Rolle als Großmacht zurückzuerlangen. Folgen davon sind die russischen Militärinterventionen in Georgien und der Ukraine, die Waffenhilfe für den syrischen Diktator Assad, das Bündnis mit Iran, aber auch die Verteufelung westlicher Werte im eigenen Land und die gezielte Einmischung in westliche Wahlkämpfe.“ Hier reiht sich ein Klischee an das andere, wohl unter der Grundannahme, dass deren Wiederholung ein öffentliches Bewusstsein geschaffen habe, dass all dies „wohlbekannt“ sei.
Tatsächlich ist die Rolle Russlands als „Großmacht“ viel älter als die Sowjetunion, und mit dem erneuten Wechsel des politischen und gesellschaftlichen Systems dort nicht verschwunden. Das Agieren in Georgien und der Ukraine war Reaktion auf die vorherige Politik, „westliche Werte“ als Hebel zu benutzten, dem Westen genehmere Regierungen zu installieren, was heute gern beschwiegen wird. Die Hilfe für Assad war eine Antwort auf die Regime-Change-Kriege des Westens gegen Irak und Libyen mit den bekannten katastrophalen Folgen. Und die Mueller-Ermittlungen in den USA haben nichts gebracht, was die Trump feindlichen Medien nicht bereits im Jahre 2016 geschrieben haben.
Der Autor des NZZ-Artikels heißt Andreas Rüesch, Schweizer, Jahrgang 1967, und gehört zur Auslandsredaktion des Blattes. Er hat an den Universitäten Zürich und Lausanne osteuropäische Geschichte, Volkswirtschaftslehre und Politikwissenschaft studiert, 1996 eine Dissertation über die Wirtschaftsreformen unter Gorbatschow und Jelzin verteidigt. Von 1998 bis 2002 berichtete er für die Zeitung aus Moskau, danach sechs Jahre aus Washington.
Warum ein solcher Hinweis auf die Biographie? Der Mann ist wohl Überzeugungstäter. Wer als Westler die Zusammenbruchsprobleme des realen Sozialismus in der Sowjetunion und Osteuropa erlebt hat, fühlt sich offenbar umso mehr bestärkt in der Fukuyama-Attitüde, nur der Westen in seiner Trinität von bürgerlichem Parlamentarismus, liberaler Demokratie und kapitalistischer Marktwirtschaft sei das letzte Wort der Geschichte. Dann waren Gorbatschow und Jelzin auf dem „richtigen“ Weg, während Putins Politik eine Abkehr davon ist – und ein Zugehen auf ihn deshalb Verrat oder Feigheit.
Dessen ungeachtet haben Trump und Putin versucht, Entspannungspolitik zu machen.
Am 24. Juli hat Bundeskanzlerin Angela Merkel in Berlin den Außenminister Russlands, Sergej Lawrow, und Generalstabschef Valeri Gerassimow empfangen. Beide kamen aus Israel und reisten nach Paris weiter. Es hieß, es sei hauptsächlich um Frieden in Syrien gegangen – auf Grundlage einer Verabredung zwischen Putin und Trump in Helsinki.